TE Vfgh Erkenntnis 1992/12/9 B266/92

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.1992
beobachten
merken

Index

64 Besonderes Dienst- und Besoldungsrecht
64/03 Landeslehrer

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Krnt Landeslehrer-DiensthoheitsG §3
LDG 1984 §26
AVG §58 Abs2
AVG §60

Leitsatz

Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden. Der belangten Behörde lag, als sie die Verleihung der Leiterstelle zugunsten der erstbeteiligten Partei - und damit zum Nachteil der Beschwerdeführerin und der weiteren in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerberinnen - traf, nach dem Ausweis der Verwaltungsakten lediglich der vom Bezirksschulrat Spittal an der Drau erstattete, keinerlei Begründung für die Reihung der Bewerberinnen und der Bewerber enthaltende Besetzungsvorschlag vor. Sie war darum im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit dem sie die Entscheidung über die Verleihung der Leiterstelle zugunsten der erstbeteiligten Partei (und damit zum Nachteil der Beschwerdeführerin und der weiteren Bewerberinnen) traf, gar nicht in der Lage, die für (und gegen) die Beschwerdeführerin und die beteiligten Parteien sprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart das Übergehen der nicht zum Zug gekommenen Bewerber - für die Parteien erkennbar - zu begründen.

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin - Sonderschuloberlehrerin an der Sonderschule für Schwerstbehinderte Seebach - und sechs weitere Lehrerinnen bzw. Lehrer (darunter die beteiligten Parteien) bewarben sich um die im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Kärnten, 11. Stück/1986, ausgeschriebene Leiterstelle der Allgemeinen Sonderschule 1 Spittal an der Drau.

2.a) Das Kollegium des Bezirksschulrates Spittal an der Drau beschloß in seiner Sitzung am 25. Juni 1987 gemäß §3 Abs1 des (Krnt.) Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes, LGBl. 16/1965, idF des Gesetzes LGBl. 31/1981 (im folgenden: KLDHG), einstimmig einen Besetzungsvorschlag (Dreiervorschlag) iS des §26 Abs6 und 7 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. 302, in den die Beschwerdeführerin und die beteiligten Parteien aufgenommen waren, wobei die erstbeteiligte Partei (der in der Folge die Leiterstelle verliehen wurde) an erster Stelle, die zweitbeteiligte Partei an zweiter Stelle und die Beschwerdeführerin an dritter Stelle gereiht waren. Eine Begründung war diesem Besetzungsvorschlag nicht beigegeben.

b) Nachdem zum Besetzungsvorschlag der Landesschulrat für Kärnten (gemäß §3 Abs3 KLDHG) gehört worden war (er erklärte sein Einverständnis), schlug das Amt der Kärntner Landesregierung in einem an das zuständige Mitglied der Landesregierung gerichteten Schreiben unter Hinweis auf den Vorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates Spittal an der Drau, jedoch ohne weitere Begründung, die Ernennung der (im Vorschlag des Kollegiums des Bezirksschulrates Spittal an der Drau an erster Stelle gereihten) erstbeteiligten Partei zum Leiter der Allgemeinen Sonderschule 1 Spittal an der Drau vor.

Daraufhin erging folgende "Für die Kärntner Landesregierung:

Der Landeshauptmann:" gefertigte Erledigung (allein) an die erstbeteiligte Partei:

"Die Kärntner Landesregierung ernennt Sie gemäß §§3 und 8 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG, BGBl. Nr. 302/1984, mit Wirksamkeit vom 1. September 1987 zum Leiter der Allgemeinen Sonderschule 1 Spittal/Drau.

Mit der Ernennung auf diese Planstelle ist gemäß §24 Abs1 LDG 1984 die Schulfestigkeit an dieser Schule und gemäß §25 leg.cit. die Wirkung verbunden, daß Sie nur mit Ihrer Zustimmung, im Falle der Verwendungsbeschränkung gemäß §28 leg.cit., bei Auflassung der Planstelle oder im Falle des durch Disziplinarerkenntnis ausgesprochenen Verlustes der aus der Innehabung einer schulfesten Stelle fließenden Rechte an eine andere Schule versetzt werden können.

Gemäß §55 Abs4 LDG 1984 sind Sie zur Führung des Amtstitels

Sonderschuldirektor

berechtigt.

Die Regelung der Dienstbezüge erfolgt gesondert."

c) Diese Erledigung wurde dem Beschwerdevorbringen zufolge der Beschwerdeführerin am 17. Jänner 1992 ausgefolgt.

3. Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die Kärntner Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig eingebracht. In dieser Hinsicht wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem gegenüber der Beschwerdeführerin ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1992 B264/92, verwiesen.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (ausschließlich) dadurch verletzt, daß die belangte Behörde es bei der Erlassung dieses Bescheides verabsäumt habe, die für die Verleihung einer Leiterstelle maßgeblichen, für und gegen die in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerberinnen und Bewerber sprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und solcherart das Übergehen der nicht zum Zuge gekommenen Bewerber zu begründen.

b) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde - von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen abgesehen, daß der Bescheid auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder daß die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - dann verletzt, wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten ist der Behörde ua. auch dann anzulasten, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (s. zB VfSlg. 9147/1981, 9726/1983, 10057/1984), was auch dann zutrifft, wenn die Behörde es unterlassen hat, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für und gegen die von ihr getroffene Entscheidung zu sprechen scheinen, sodaß sie gar nicht in die Lage kommt, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (s. etwa VfSlg. 4722/1964, 8526/1979, 8674/1979, 8808/1980, 9665/1983, 10942/1986).

Ein solcher Fehler ist der belangten Behörde im vorliegenden Fall unterlaufen.

Da im Verfahren betreffend die Verleihung einer schulfesten Stelle den in einen (verbindlichen) Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbern Parteistellung zukommt (s. auch dazu die Ausführungen in dem gegenüber der Beschwerdeführerin ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1992 B264/92), hat die Behörde über die Verleihung einer schulfesten Stelle gegenüber allen Parteien des Verfahrens einen Bescheid zu erlassen (vgl. dazu etwa VwSlgNF 8643 A/1974, 276, 9127 A/1976) und diesen allen in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbern um diese Stelle zuzustellen. Der Bescheid hat mithin sowohl die Verleihung der schulfesten Stelle an einen Bewerber als auch die Abweisung, gegebenenfalls die Zurückweisung der Bewerbungen der übrigen in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber zu entscheiden (s. zB VwGH 27.11.1975, 1076/75 und 1226/75; 12.5.1978, 1075/77; 9.11.1987, 86/12/0158). Zumindest ist die Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat (12.5.1978, 937/77, VwSlgNF 9556 A/1978, 12.5.1978, 1075/77), verpflichtet, dem Bewerber, dessen Bewerbung abgewiesen wird, (spätestens) zugleich mit diesem Bescheid auch den Verleihungsbescheid zuzustellen.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, entsprechend dem eben Dargelegten über die Verleihung der Leiterstelle gegenüber allen Beteiligten des Verwaltungsverfahrens einen Bescheid zu erlassen und diesen allen in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerberinnen (Bewerbern) zuzustellen. Gewiß ist dies, worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend hingewiesen hat, für sich allein noch kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler (s. etwa VfGH 30.11.1990 B505/90, B713/90). Der belangten Behörde lag aber, als sie die Verleihung der Leiterstelle zugunsten der erstbeteiligten Partei - und damit zum Nachteil der Beschwerdeführerin und der weiteren in den Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerberinnen - traf, nach dem Ausweis der Verwaltungsakten lediglich der vom Bezirksschulrat Spittal an der Drau erstattete, keinerlei Begründung für die Reihung der Bewerberinnen und der Bewerber enthaltende Besetzungsvorschlag vor. Sie war darum im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit dem sie die Entscheidung über die Verleihung der Leiterstelle zugunsten der erstbeteiligten Partei (und damit zum Nachteil der Beschwerdeführerin und der weiteren Bewerberinnen) traf, gar nicht in der Lage, die für (und gegen) die Beschwerdeführerin und die beteiligten Parteien sprechenden Kriterien einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen und derart das Übergehen der nicht zum Zug gekommenen Bewerber - für die Parteien erkennbar - zu begründen.

Dadurch, daß die belangte Behörde dies verabsäumt hat, hat sie, an der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gemessen, Willkür geübt und dadurch den angefochtenen Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet (vgl. etwa VfGH 10.10.1991 B986/90).

Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.

Schlagworte

Dienstrecht, Landeslehrer, Bescheidbegründung, Besetzungsvorschlag, schulfeste Stelle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B266.1992

Dokumentnummer

JFT_10078791_92B00266_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten