Entscheidungsdatum
04.11.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W191 2292274-1/7E IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario Züger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2024, Zahl 1330054407/231066063, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.10.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 alias römisch 40 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mario Züger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2024, Zahl 1330054407/231066063, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.10.2024 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt. römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, Asylgesetz 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 20.10.2022 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 20.10.2022 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. In seiner Erstbefragung am 02.06.2023 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF an, dass er aus der Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar (Afghanistan), stamme, 24 Jahre alt, sunnitischer Moslem und unverheiratet sei. Er habe zwölf Jahre die Grundschule besucht und als Fahrradmechaniker in Afghanistan gearbeitet. Als Geburtsdatum wurde nach Angaben des BF der XXXX festgehalten. Seine Eltern, zwei Schwestern und zwei Brüder würden zuhause in Afghanistan leben. Er habe seinen Heimatort im Mai 2021 zu Fuß verlassen und sei über angegebene Länder bis nach Österreich gelangt. 1.2. In seiner Erstbefragung am 02.06.2023 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF an, dass er aus der Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar (Afghanistan), stamme, 24 Jahre alt, sunnitischer Moslem und unverheiratet sei. Er habe zwölf Jahre die Grundschule besucht und als Fahrradmechaniker in Afghanistan gearbeitet. Als Geburtsdatum wurde nach Angaben des BF der römisch 40 festgehalten. Seine Eltern, zwei Schwestern und zwei Brüder würden zuhause in Afghanistan leben. Er habe seinen Heimatort im Mai 2021 zu Fuß verlassen und sei über angegebene Länder bis nach Österreich gelangt.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass, nachdem die Taliban die Mädchenschulen geschlossen hätten, er und sein Bruder XXXX seine beiden Schwestern und die Mädchen aus der Nachbarschaft heimlich zu Hause unterrichtet hätten. Daraufhin seien der BF und sein Bruder von den Taliban festgenommen, geschlagen und wieder freigelassen worden. Die Taliban hätten ihnen untersagt, die Mädchen zu unterrichten. Der BF und sein Bruder seien sodann umgezogen und hätten die Mädchen weiter unterrichtet. Der Vater und der andere Bruder XXXX des BF seien festgenommen worden. Er habe daraufhin mit XXXX das Land verlassen. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er, von den Taliban verfolgt und umgebracht zu werden.Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass, nachdem die Taliban die Mädchenschulen geschlossen hätten, er und sein Bruder römisch 40 seine beiden Schwestern und die Mädchen aus der Nachbarschaft heimlich zu Hause unterrichtet hätten. Daraufhin seien der BF und sein Bruder von den Taliban festgenommen, geschlagen und wieder freigelassen worden. Die Taliban hätten ihnen untersagt, die Mädchen zu unterrichten. Der BF und sein Bruder seien sodann umgezogen und hätten die Mädchen weiter unterrichtet. Der Vater und der andere Bruder römisch 40 des BF seien festgenommen worden. Er habe daraufhin mit römisch 40 das Land verlassen. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er, von den Taliban verfolgt und umgebracht zu werden.
1.3. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass der BF nach Frankreich weitergereist war. Einem Rückübernahmeersuchen Frankreichs im Rahmen eines Konsultationsverfahrens gemäß Dublin Übereinkommen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA) stimmte das BFA zu.
Am 01.06.2023 wurde der BF aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt.
1.4. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 03.04.2024, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben, wobei er korrigierend und ergänzend angab, dass er Afghanistan im Mai 2022 verlassen habe und der Volksgruppe der Araber angehöre. Außerdem legte er eine Kopie seiner Tazkira (afghanisches Personaldokument) und ein Deutschzertifikat auf A1-Niveau vor. Ergänzend gab er an, dass sein Vater immer noch festgenommen sei und seine Mutter, zwei Schwestern und sein Bruder XXXX bei seinem Onkel mütterlicherseits leben würden, der diese auch versorge. Den anderen Bruder XXXX habe er an der iranisch-türkischen Grenze aus den Augen verloren. 1.4. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 03.04.2024, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben, wobei er korrigierend und ergänzend angab, dass er Afghanistan im Mai 2022 verlassen habe und der Volksgruppe der Araber angehöre. Außerdem legte er eine Kopie seiner Tazkira (afghanisches Personaldokument) und ein Deutschzertifikat auf A1-Niveau vor. Ergänzend gab er an, dass sein Vater immer noch festgenommen sei und seine Mutter, zwei Schwestern und sein Bruder römisch 40 bei seinem Onkel mütterlicherseits leben würden, der diese auch versorge. Den anderen Bruder römisch 40 habe er an der iranisch-türkischen Grenze aus den Augen verloren.
Der BF gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er und sein Bruder XXXX seine Schwestern und die Nachbarsmädchen heimlich unterrichtet hätten. Die Taliban hätten dies mitbekommen, sie verprügelt und festgenommen. Sie seien jedoch wieder freigelassen worden, da ein Bekannter des Vaters und der Ortsvorsteher für sie gebürgt hätten. Nach einiger Zeit hätten sie die Mädchen wieder unterrichtet. Die Taliban hätten dies wieder mitbekommen, seinen Vater und den anderen Bruder XXXX bedroht, verprügelt und festgenommen. Zum Zeitpunkt des Vorfalls hätten sich der BF und sein Bruder XXXX im Fahrradgeschäft befunden. Aus diesem Grund seien der BF und sein Bruder XXXX nach Kabul zu dessen Onkel geflohen. Eine Woche später hätten sie aus Angst, von den Taliban verfolgt zu werden, das Land verlassen. Sein Vater sei bis heute in Gewahrsam der Taliban. Seinen anderen Bruder XXXX hätten sie freigelassen. Dieser sei Zollbeamter.Der BF gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er und sein Bruder römisch 40 seine Schwestern und die Nachbarsmädchen heimlich unterrichtet hätten. Die Taliban hätten dies mitbekommen, sie verprügelt und festgenommen. Sie seien jedoch wieder freigelassen worden, da ein Bekannter des Vaters und der Ortsvorsteher für sie gebürgt hätten. Nach einiger Zeit hätten sie die Mädchen wieder unterrichtet. Die Taliban hätten dies wieder mitbekommen, seinen Vater und den anderen Bruder römisch 40 bedroht, verprügelt und festgenommen. Zum Zeitpunkt des Vorfalls hätten sich der BF und sein Bruder römisch 40 im Fahrradgeschäft befunden. Aus diesem Grund seien der BF und sein Bruder römisch 40 nach Kabul zu dessen Onkel geflohen. Eine Woche später hätten sie aus Angst, von den Taliban verfolgt zu werden, das Land verlassen. Sein Vater sei bis heute in Gewahrsam der Taliban. Seinen anderen Bruder römisch 40 hätten sie freigelassen. Dieser sei Zollbeamter.
1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 11.04.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 20.10.2022 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 11.04.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 20.10.2022 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der relativ kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der relativ kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus Paragraph 55, FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Zum Fluchtvorbringen führte das BFA (zusammengefasst) beweiswürdigend aus, dass die Ausführungen des BF nicht „glaubwürdig“ seien, vielmehr handle es sich beim Vorbringen um nicht tatsächlich erlebte Ereignisse, sondern um ein auf die Erlangung von Asyl ausgerichtetes Konstrukt.
Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar sei, da er dort über eine hinreichende Existenzgrundlage und über familiäre Anknüpfungspunkte sowie über eine mehrjährige Schulbildung verfüge. Er sei jung, gesund und erwerbsfähig und könne sich auch auf dem freien Arbeitsmarkt eingliedern. Eine Rückkehr würde ihn somit keinem Risiko einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK aussetzen.Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar sei, da er dort über eine hinreichende Existenzgrundlage und über familiäre Anknüpfungspunkte sowie über eine mehrjährige Schulbildung verfüge. Er sei jung, gesund und erwerbsfähig und könne sich auch auf dem freien Arbeitsmarkt eingliedern. Eine Rückkehr würde ihn somit keinem Risiko einer Verletzung von Artikel 2 und 3 EMRK aussetzen.
1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 14.05.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelnder Beweiswürdigung sowie der erheblichen Verletzung von Verfahrensvorschriften ein.
In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF zusammengefasst wiederholt und moniert, dass die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan katastrophal sei, sowie aus der Staatendokumentation des BFA zitiert.
Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
1.7. Das BVwG führte am 18.10.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Paschtu durch, zu der der BF persönlich und in Begleitung seines Vertreters erschien. Das BFA nahm unentschuldigt nicht an der Beschwerdeverhandlung teil.
Der BF machte dabei auf richterliche Befragung Angaben, die im Wesentlichen mit seinen bisher im Verfahren gemachten Angaben über seine Herkunft, seine Lebensverhältnisse und seine Fluchtgründe übereinstimmten. Ergänzend gab er an, dass seine Mutter, zwei Schwestern und sein Bruder XXXX nunmehr seit einigen Wochen in Pakistan leben würden Ihr Haus in Jalalabad steht leer. Zu diesem habe er alle zwei Wochen über WhatsApp Kontakt. Er legte seine originale Tazkira vor. Der BF machte dabei auf richterliche Befragung Angaben, die im Wesentlichen mit seinen bisher im Verfahren gemachten Angaben über seine Herkunft, seine Lebensverhältnisse und seine Fluchtgründe übereinstimmten. Ergänzend gab er an, dass seine Mutter, zwei Schwestern und sein Bruder römisch 40 nunmehr seit einigen Wochen in Pakistan leben würden Ihr Haus in Jalalabad steht leer. Zu diesem habe er alle zwei Wochen über WhatsApp Kontakt. Er legte seine originale Tazkira vor.
Zu seinen Fluchtgründen tätigte der BF lediglich vage und unkonkrete Angaben. Auf die Frage des erkennenden Richters in der Verhandlung vor dem BVwG, ob er konkret schildern könnte, wann er von wem, wo festgenommen und wieder freigelassen worden sei, konnte der BF keine konkreten Angaben tätigen. Dazu gab er lediglich an, dass „eine lange Zeit vergangen“ sei.
Auf die Frage des erkennenden Richters, was ihm konkret passieren würde, wenn er jetzt wieder in seinen Herkunftsstaat zurückkehren müsste, antwortete er: „Die finanzielle Lage ist in Afghanistan sehr schlecht, ebenso die Sicherheitslage. Viele Menschen versuchen jetzt, Afghanistan zu verlassen. Mein Leben ist dort auch in Gefahr. Auch meine Familie ist nicht mehr dort.“
Das erkennende Gericht brachte aktuelle Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
● Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 02.06.2023 und der Einvernahme vor dem BFA am 03.04.2024, den angefochtenen Bescheid vom 11.04.2024 sowie die gegenständliche Beschwerde samt vorgelegten Belegen
● Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA, Seiten 20 bis 124 im Verwaltungsakt)
● Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 18.10.2024 und Einsicht in die in der Verhandlung vorgelegten Belege betreffend seine Integration
● Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 18.10.2024 zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte betreffend Afghanistan (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA)
o UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen – Update I, von Februar 2023o UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen – Update römisch eins, von Februar 2023
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, sein Vater ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber, seine Mutter ist Paschtunin. Er ist sunnitischer Moslem und ledig. Der BF hat keine Kinder. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Er spricht auch Dari, ein wenig Türkisch und etwas Deutsch.3.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist afghanischer Staatsangehöriger, sein Vater ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber, seine Mutter ist Paschtunin. Er ist sunnitischer Moslem und ledig. Der BF hat keine Kinder. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Er spricht auch Dari, ein wenig Türkisch und etwas Deutsch.
3.2. Zu den Lebensumständen des BF:
3.2.1. Der BF ist geboren und aufgewachsen in der Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar (Afghanistan). Er besuchte zwölf Jahre die Grundschule und war als Fahrradmechaniker tätig. Seine Mutter, zwei Schwestern und sein Bruder XXXX leben in Pakistan. Der Aufenthaltsort des anderen Bruders XXXX sowie des Vaters des BF ist seinen Angaben zufolge unbekannt. Das Haus der in Pakistan lebenden Familie steht leer. 3.2.1. Der BF ist geboren und aufgewachsen in der Stadt Jalalabad, Provinz Nangarhar (Afghanistan). Er besuchte zwölf Jahre die Grundschule und war als Fahrradmechaniker tätig. Seine Mutter, zwei Schwestern und sein Bruder römisch 40 leben in Pakistan. Der Aufenthaltsort des anderen Bruders römisch 40 sowie des Vaters des BF ist seinen Angaben zufolge unbekannt. Das Haus der in Pakistan lebenden Familie steht leer.
3.2.2. Der BF verließ seine Heimat aus angegebenen Gründen im Jahr 2022 und reiste nach Europa, wo er am 20.10.2022 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
3.2.3 Der BF bemüht sich um seine Integration in Österreich. Er hat die Deutschprüfung auf dem Niveau A1 abgelegt.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
3.3. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF hat sein Vorbringen, dass er von den Taliban verfolgt werde, da er gemeinsam mit seinem Bruder seine Schwestern und die Nachbarsmädchen unterrichtet hätte, nicht glaubhaft gemacht.
Auch mit seinem Vorbringen, dass die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan katastrophal sei, hat der BF eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.
3.4. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
3.4.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.
3.4.2. Aufgrund der mit der Machtübernahme der Taliban verbundenen, volatilen allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan und der aktuell schlechten, ungewissen weiteren Versorgungslage kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht und er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Im Hinblick auf die allgemein desaströse Versorgungslage ist nicht zu erwarten, dass der BF von seinen Eltern und von seinen anderen Familienangehörigen, die ja gar nicht mehr in Afghanistan leben, ausreichend Unterstützung erhält, um seine Lebensbedürfnisse hinreichend befriedigen zu können.
Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, (in der Folge EMRK).
3.4.3. Dem BF steht eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Die volatile allgemeine Sicherheitslage sowie die aktuell schlechte, ungewisse Versorgungslage sind im ganzen Land gegeben.
3.4.4. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auszuschließen wäre.
3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
3.5.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Stand 10.04.2024, Schreibfehler teilweise korrigiert):
[…] 3 Politische Lage
Letzte Änderung 2024-04-05 15:33
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vgl. VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vergleiche VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).
Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vgl. REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vgl. DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vgl. HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vgl. USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vgl. Guardian 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vergleiche REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vergleiche DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vergleiche HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vergleiche USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vergleiche Guardian 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).
Der Ernennung einer aus 33 Mitgliedern bestehenden geschäftsführenden Übergangsregierung im September 2021 folgten zahlreiche Neuernennungen und Umbesetzungen auf nationaler, Provinz- und Distriktebene in den folgenden Monaten, wobei Frauen weiterhin gar nicht und nicht-paschtunische Bevölkerungsgruppen nur in geringem Umfang berücksichtigt wurden (AA 26.06.2023). [...]
Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023). Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vergleiche REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023).
Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vgl. VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vgl. UNSC o. D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vgl. 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vergleiche REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vergleiche VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vergleiche UNSC o. D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vergleiche 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).
Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vgl. JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vgl. UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 06.09.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 06.09.2023; vgl. RFE/RL 29.08.2020).Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vergleiche JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vergleiche UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 06.09.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 06.09.2023; vergleiche RFE/RL 29.08.2020).
Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vgl. RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022). Seitdem sind die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a).Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vergleiche RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022). Seitdem sind die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a).
Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.08.2022).
In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.04.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.04.2023; vergleiche BAMF 30.06.2023).
Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vergleiche BAMF 30.06.2023).
Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vgl. VOA 06.05.2023).Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vergleiche VOA 06.05.2023).
Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vgl. AMU 22.11.2023).Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vergleiche AMU 22.11.2023).
Internationale Anerkennung der Taliban
Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 09.01.2024; vgl. VOA 10.12.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vgl. OI 25.03.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich der afghanischen Botschaft in Teheran (TN 27.02.2023) und des strategisch wichtigen Generalkonsulats in Istanbul (Afintl 27.02.2023; vgl. KP 23.02.2023a). Berichten zufolge nahm auch die Türkei im Oktober 2023 einen neuen von den Taliban ernannten Diplomaten in der afghanischen Botschaft in Ankara auf (Afintl 14.02.2024). Eine Reihe von Ländern verfügt auch weiterhin über offizielle Botschafter in Afghanistan. Dazu gehören China und andere Nachbarländer wie Pakistan, Iran und die meisten zentralasiatischen Republiken, aber auch Russland, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan (AAN/Ruttig 07.12.2023). Aber auch westliche Länder (mit Ausnahme Australiens) haben weder ihre Botschaften in Kabul offiziell geschlossen noch die diplomatischen Beziehungen offiziell abgebrochen. Vielmehr unterhalten sie kein diplomatisches Personal im Land. Einige Länder haben immer noch amtierende Botschafter oder nachrangige Diplomaten, die nicht in Kabul ansäßig sind, und es gibt auch eine (schrumpfende) Anzahl von Sonderbeauftragten für Afghanistan (im Rang eines Botschafters).Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 09.01.2024; vergleiche VOA 10.12.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vergleiche OI 25.03.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich der afghanischen Botschaft in Teheran (TN 27.02.2023) und des strategisch wichtigen Generalkonsulats in Istanbul (Afintl 27.02.2023; vergleiche KP 23.02.2023a). Berichten zufolge nahm auch die Türkei im Oktober 2023 einen neuen von den Taliban ernannten Diplomaten in der afghanischen Botschaft in Ankara auf (Afintl 14.02.2024). Eine Reihe von Ländern verfügt auch weiterhin über offizielle Botschafter in Afghanistan. Dazu gehören China und andere Nachbarländer wie Pakistan, Iran und die meisten zentralasiatischen Republiken, aber auch Russland, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan (AAN/Ruttig 07.12.2023). Aber auch westliche Länder (mit Ausnahme Australiens) haben weder ihre Botschaften in Kabul offiziell geschlossen noch die diplomatischen Beziehungen offiziell abgebrochen. Vielmehr unterhalten sie kein diplomatisches Personal im Land. Einige Länder haben immer noch amtierende Botschafter oder nachrangige Diplomaten, die nicht in Kabul ansäßig sind, und es gibt auch eine (schrumpfende) Anzahl von Sonderbeauftragten für Afghanistan (im Rang eines Botschafters).
Die meisten westlichen Kontakte mi