Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Juni 1994, Zl. St 67/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 3. Juni 1994 wurde unter Spruchpunkt I gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 sowie den §§ 19 und 20 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen und unter Spruchpunkt II gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer im Iran gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 leg.cit. bedroht sei; seine Abschiebung in den Iran sei somit zulässig.
Folge man den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren, so hätte er seit Anfang des Jahres 1990 den Militärdienst in der iranischen Armee ableisten sollen, habe sich jedoch nicht gemeldet. Im Oktober 1992 sei der Beschwerdeführer von Revolutionsgardisten verhaftet worden. Bei seiner Verhaftung habe er einen Brief an einen amerikanischen Nachrichtensender bei sich gehabt, in dem die iranische Regierung kritisiert worden sei, woraufhin er in ein Gefängnis eingeliefert und dort zehn Tage festgehalten worden sei; hiebei sei es zu Mißhandlungen gekommen, wobei man ihm den rechten Fuß gebrochen habe. Nach daran anschließendem ca. achttägigem Krankenhausaufenthalt sei er mit Hilfe eines Wächters entkommen. Am 10. Dezember 1993 habe er Teheran verlassen und die iranisch-türkische Grenze mit Hilfe eines Schleppers überschritten. Ein weiterer Schlepper habe ihn dann aus der Türkei illegal nach Österreich gebracht. Am 16. Dezember 1993 habe der Beschwerdeführer versucht, von Schärding aus illegal nach Deutschland zu gelangen. Anläßlich einer Kontrolle am Gendarmerieposten Wernstein sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer weder über ein gültiges Reisedokument noch über einen Sichtvermerk bzw. eine Aufenthaltsbewilligung verfüge. Im Anschluß daran sei über ihn die Schubhaft verhängt worden. Ein vom Beschwerdeführer gestellter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1994 abgewiesen worden.
Zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes führte die belangte Behörde sodann weiter aus, daß der Beschwerdeführer als iranischer Staatsangehöriger für die Einreise nach Österreich eines gültigen Reisepasses und eines Sichtvermerkes bedurft hätte. Da er solche unbestrittenermaßen nicht besessen habe und im übrigen seine Identität nicht feststehe, sei im Hinblick auf den hohen Stellenwert der die Ein- und Ausreise regelnden Vorschriften die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG). Bei Personen, die mit Hilfe von Schlepperorganisationen in das Bundesgebiet gelangten, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, selbst wenn dadurch in deren Privat- und Familienleben eingegriffen werde, insofern zur Verteidigung der Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten, als es geradezu eine Förderung des Schlepperunwesens bedeuten würde, wenn den geschleppten Personen der Aufenthalt gestattet werden würde (§ 19 FrG). Da der Beschwerdeführer ledig sei und in Österreich keine Verwandten habe, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, zumal aufgrund des nur kurzen Aufenthaltes in Österreich von einer Integration nicht gesprochen werden könne.
In bezug auf die Feststellung nach § 54 Abs. 1 FrG ergebe sich aus der negativen Sachentscheidung des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1994 über den Asylantrag des Beschwerdeführers, daß stichhaltige Gründe, die seiner Abschiebung in den Iran i.S. des § 37 Abs. 2 FrG entgegenstehen würden, nicht bestünden. Die belangte Behörde sehe keinen Anlaß, der diesbezüglichen Beurteilung durch den Bundesminister für Inneres nicht zu folgen. Aber auch stichhaltige Gründe für eine Gefährdung i.S. des § 37 Abs. 1 leg. cit. seien nicht anzunehmen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren seien die Folterungen während der ca. zehntägigen Haft auf den an einen amerikanischen Nachrichtensender gerichteten Brief, den er bei sich gehabt habe, zurückzuführen. Da dem Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge von den ihn verhörenden Personen geglaubt worden sei, daß er sich nicht regimefeindlich betätigen würde, hätten sich die Folterungen auf Umstände bezogen, die derzeit nicht mehr aktuell seien. Die Furcht vor einer Rückstellung in den Iran könne sich demnach nur mehr darauf gründen, daß sich der Beschwerdeführer der Wehrdienstpflicht entzogen habe. Daß er deswegen den im § 37 Abs. 1 FrG genannten Gefahren ausgesetzt sei, sei eine bloße Behauptung, für die es an Nachweisen fehle. Immerhin habe sich der Beschwerdeführer nach seiner Flucht aus dem Gefängnis noch ein Jahr lang, offenbar unangefochten, im Iran aufhalten können, was nicht für eine besondere Intensität gegen ihn gerichteter Nachforschungen spreche.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:
1.1. Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet.
1.2. Die belangte Behörde hat nicht die Verwirklichung eines der Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG angenommen, sondern hat die Annahme i.S. des § 18 Abs.1 Z. 1 leg. cit. auf das im bekämpften Bescheid umschriebene Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers gestützt. Die unmittelbare und ausschließliche Heranziehung des § 18 Abs. 1 (Z. 1) FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 19 und 20 leg. cit.) begegnet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0213).
2. Die belangte Behörde hat diese Annahme vorliegend deshalb für gerechtfertigt gehalten, weil der Beschwerdeführer, ohne im Besitz eines Reisepasses und eines österreichischen Sichtvermerkes zu sein, sich mit Hilfe einer Schlepperorganisation den Eintritt in das Bundesgebiet verschafft und sich anschließend hier aufgehalten habe. Da dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung dieses unbestritten gebliebenen Sachverhaltes nicht bloß die illegale Einreise in das Bundesgebiet, sondern darüber hinaus die Inanspruchnahme von Schleppern zur (leichteren) Erreichung dieses Zieles sowie ein mehrmonatiger unerlaubter Aufenthalt zur Last liegt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie darin insbesondere auch im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 93/18/0213) ein Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers erblickt hat, das sie zu der Annahme hat gelangen lassen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) gefährde.
3. Wenn die Beschwerde die Ansicht vertritt, es habe kein Anlaß zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bestanden, es hätte vielmehr das gelindere Mittel der Ausweisung genügt, so verkennt sie die Rechtslage. Denn bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 18 Abs. 1 FrG) hat die Behörde (zwingend) - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach den §§ 19 und 20 Abs. 1 leg. cit. - ein Aufenthaltsverbot zu erlassen.
4. Soweit die Beschwerde meint, daß der Verhängung des Aufenthaltsverbotes die §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden, weil aufgrund der dem Beschwerdeführer im Iran drohenden "Nachteile und Verfolgungshandlungen" ein massiver Eingriff in sein Privatleben vorliege, ist darauf hinzuweisen, daß nach der seit dem Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0614, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl.94/18/0841 mwN) unter Eingriffen i.S. des § 19 FrG nur solche zu verstehen sind, die sich auf das in Österreich geführte Privatleben des Fremden erstrecken, und nicht Umstände, die künftig in einem (bestimmten) anderen Land das Privatleben des betroffenen Fremden beeinträchtigen könnten.
5. Da im übrigen angesichts der insoweit maßgeblichen - unbestritten gebliebenen - Sachverhaltsfeststellungen (der Beschwerdeführer sei ledig, habe in Österreich keine Verwandten und halte sich hier erst seit kurzem auf) davon auszugehen ist, daß ein im Grunde des § 19 FrG relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht vorliegt, war weder zu prüfen, ob das Aufenthaltsverbot nach der genannten Bestimmung dringend geboten ist, noch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. vorzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0241, mwN).
Von daher gesehen bedurfte es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keiner "konkreten Sachverhaltsfeststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 19 und 20 Fremdengesetz".
6. Nach dem Gesagten erweist sich die im Instanzenzug ergangene Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit. Die Beschwerde war deshalb insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
B. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:
1.1. Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe nicht begründet, weshalb die von ihm geltend gemachten Folterungen nicht mehr aktuell seien. Die von ihr "diesbezüglich eingewendete Begründung vermag nicht zu überzeugen". Es sei amtsbekannt und entspreche der iranischen Praxis, Personen, die in regimekritischer Hinsicht einmal auffällig geworden seien, auch noch nach längeren Zeitabständen willkürlich in Haft zu nehmen, ja sogar zum Tode zu verurteilen. Umstände, die bereits längere Zeit zurücklägen, könnten daher auch noch zu viel späteren Zeitpunkten verfolgungsrelevant werden.
1.2. Dazu ist der Beschwerdeführer einerseits auf die Widersprüchlichkeit seiner Argumentation (der Behauptung, die Behörde habe keine Begründung gegeben, folgt die Behauptung, die gegebene Begründung vermöge nicht zu überzeugen), andererseits darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in Würdigung der vom Beschwerdeführer im Asylverfahren gemachten Angaben zu dem Ergebnis gelangte, daß dieser keine politischen Aktivitäten gegen den iranischen Staat gesetzt, sich also nicht regimekritisch betätigt habe. Da der Beschwerdeführer seine diesbezüglichen, im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Aussagen (siehe oben I.1.) nicht in Abrede stellte, hegt der Gerichtshof gegen die besagte maßgebliche Sachverhaltsfeststellung keine Bedenken. Den obigen Beschwerdeausführungen, die von einem davon abweichenden Sachverhalt ausgehen, ist damit der Boden entzogen.
2.1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe "glaubhafte Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz" vorgebracht. Beweisergebnisse, die seine Angaben widerlegen würden, lägen nicht vor. Damit bezieht sich der Beschwerdeführer auf sein im Verwaltungsverfahren - unter Bezugnahme auf seine Angaben im Asylverfahren - erstattetes Vorbringen, wonach er im wesentlichen aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung im Jahr 1990 im Fall seiner Rückkehr in den Iran Gefahr laufe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (§ 37 Abs. 1 FrG), bzw., da seine "Stellungspflicht" durch seine schon in der Schulzeit hervorgekommene politische Gegnerschaft zum islamischen Regime motiviert gewesen sei, aus Gründen seiner politischen Ansichten in seinem Leben oder seiner Freiheit bedroht wäre (§ 37 Abs. 2 FrG).
2.2. Was die zuletzt behauptete Bedrohung anlangt, so vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen, daß die wegen Wehrdienstverweigerung bestehende Strafdrohung auf eine allfällige politische Ansicht eines Wehrdienstverweigerers zielte; eine Strafdrohung, die der Sicherung des Staatswesens durch Abwehr von diesen bedrohenden Gefahren dient, hat keine Zielrichtung derart, daß sie einen Wehrdienstverweigerer als Träger einer bestimmten politischen Ansicht treffen wollte. Die Gefahr der Bestrafung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr in den Iran wegen seinerzeitiger Verweigerung des Militärdienstes ist demnach mangels entsprechender Zielrichtung der Strafdrohung nicht als Bedrohung seiner Freiheit "aus Gründen seiner politischen Ansichten" i.S. des § 37 Abs. 2 FrG zu werten. Von daher gesehen ist das Motiv, das den Beschwerdeführer dazu bestimmte, den Wehrdienst zu verweigern, im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich.
Daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Jahre zurückliegenden Wehrdienstverweigerung nunmehr im Iran mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe zu rechnen hätte, ist in dieser ganz allgemein gehaltenen Form nicht mehr als eine Vermutung, der es an einer nachvollziehbaren und überprüfbaren Untermauerung durch entsprechende Bescheinigungsmittel fehlt. Die diesbezügliche, dem Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkende Beweiswürdigung durch die belangte Behörde ist nicht als unschlüssig zu erkennen.
3. Da es somit dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, (zumindest) glaubhaft zu machen, daß er aktuell in dem von ihm bezeichneten Staat i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht sei, ist die im Instanzenzug ergangene Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 leg. cit., daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer solchen Bedrohung bestünden, nicht rechtswidrig.
Die Beschwerde erweist sich mithin auch insoweit als unbegründet, wehalb sie auch in dieser Hinsicht gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
C. Kosten:
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180496.X00Im RIS seit
20.11.2000