Entscheidungsdatum
13.11.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L507 2282818-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Türkei, vertreten durch die BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2024 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 14.12.2022, nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, einen Antrag auf internationalen Schutz.
Hiezu wurde er am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei brachte er hinsichtlich seiner Ausreisegründe vor, dass er von der Polizei verfolgt werde, weil er Kurde sei und sein Cousin bei der Kurden Partei aktiv sei.
Am 22.08.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen und brachte zusammengefasst vor, dass er gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in XXXX gelebt habe. Sein Cousin sei aktives Mitglied der PKK gewesen und habe für die PKK gekämpft. Zurzeit befinde er sich in Gefängnis. Die Familie des Beschwerdeführers habe gedacht, dass sein Cousin vor 13 Jahren gestorben sei. Im Sommer 2022 habe der Cousin des Beschwerdeführers seine Mutter kontaktiert, weil er beabsichtigt habe, die PKK zu verlassen. Der Onkel des Beschwerdeführers habe mit den türkischen Polizisten Kontakt aufgenommen, um den Cousin von der PKK zu befreien. Es sei ihnen gelungen, den Cousin des Beschwerdeführers in die Türkei zu bringen, wobei er danach für drei Tage zu Hause gewesen sei und man ihn dann festgenommen habe. Der Beschwerdeführer sei danach wegen seines Cousins von Polizisten unter Druck gesetzt worden. Zudem sei der Beschwerdeführer – seit er 17 Jahre alt gewesen sei – Mitglied der HDP. Er sei kein aktives Mitglied und habe geholfen, Mitgliederversammlungen zu organisieren. Nachdem der Beschwerdeführer ständig von der Polizei unter Druck gesetzt worden sei, habe er beschlossen die Türkei verlassen. Er sei von der Zivilpolizei auch an seinen Arbeitsplatz aufgesucht worden und habe seinen Ausweis vorzeigen müssen.Am 22.08.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen und brachte zusammengefasst vor, dass er gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in römisch 40 gelebt habe. Sein Cousin sei aktives Mitglied der PKK gewesen und habe für die PKK gekämpft. Zurzeit befinde er sich in Gefängnis. Die Familie des Beschwerdeführers habe gedacht, dass sein Cousin vor 13 Jahren gestorben sei. Im Sommer 2022 habe der Cousin des Beschwerdeführers seine Mutter kontaktiert, weil er beabsichtigt habe, die PKK zu verlassen. Der Onkel des Beschwerdeführers habe mit den türkischen Polizisten Kontakt aufgenommen, um den Cousin von der PKK zu befreien. Es sei ihnen gelungen, den Cousin des Beschwerdeführers in die Türkei zu bringen, wobei er danach für drei Tage zu Hause gewesen sei und man ihn dann festgenommen habe. Der Beschwerdeführer sei danach wegen seines Cousins von Polizisten unter Druck gesetzt worden. Zudem sei der Beschwerdeführer – seit er 17 Jahre alt gewesen sei – Mitglied der HDP. Er sei kein aktives Mitglied und habe geholfen, Mitgliederversammlungen zu organisieren. Nachdem der Beschwerdeführer ständig von der Polizei unter Druck gesetzt worden sei, habe er beschlossen die Türkei verlassen. Er sei von der Zivilpolizei auch an seinen Arbeitsplatz aufgesucht worden und habe seinen Ausweis vorzeigen müssen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 07.11.2023, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).2. Mit Bescheid des BFA vom 07.11.2023, Zl. römisch 40 , wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß
§ 3 Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
Beweiswürdigend wurde vom BFA ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund von „undetaillierten“ und widersprüchlichen Angaben bezüglich der behaupteten Verfolgung durch die Polizei aufgrund der PKK Zugehörigkeit seines Cousins nicht glaubhaft sei. Der Beschwerdeführer habe konkrete Fragen betreffend die Probleme mit der Polizei nicht konkret beantworten können und habe in seinem Vorbringen umgeschwenkt und andere Vorfälle vorgetragen, die sich ereignet hätten. Sofern der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass er in der Türkei als Kurde und Unterstützer der HDP Diskriminierung unterlegen sei, sei auszuführen, dass aus den Länderinformationen zwar zu entnehmen sei, dass Kurden gewissen Diskriminierungen ausgesetzt seien, jedoch könne den Angaben des Beschwerdeführers zufolge eine solche jedenfalls nicht in der Form entnommen werden, dass diese im Fall des Beschwerdeführer ein derartiges Ausmaß angenommen hätten, dass damit die Schwelle der Asylrelevanz erreicht worden sei. Zusammenfassend könne im Fall des Beschwerdeführers weder eine vergangene noch aktuelle oder künftige Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung erkannt werden.
Im Falle einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer von seinen in der Türkei lebenden Eltern und Geschwistern unterstützt werden. Beim Beschwerdeführer handle sich um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann, der in der Türkei in der Lage sein werde, eine Arbeit zu finden und sich dadurch eine Existenz aufzubauen. Auch vor seiner Ausreise aus der Türkei sei der Beschwerdeführer in der Lage gewesen, sich durch seine Tätigkeit in einer Fabrik selbstständig zu erhalten. Daraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführer arbeitswillig und arbeitsfähig sei und es ihm auch in der Türkei zumutbar sei, eine Arbeit zu finden und eine Arbeit anzunehmen. Für das BFA sei kein Grund ersichtlich, aus welchem der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in die Türkei in eine dauerhaft ausweglose oder existenzbedrohende Situation geraten würde.
Der Beschwerdeführer gehe in Österreich seit Ende Mai 2023 einer Beschäftigung nach und sei selbsterhaltungsfähig. Aufgrund dessen, dass er lediglich über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz verfüge und sich erst seit Dezember 2022 in Österreich aufhalte, könne daraus jedoch noch bei weitem keine Integrationsverfestigung abgeleitet werden.
3. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15.11.2023 ordnungsgemäß zugestellt, wogegen am 04.12.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.
Neben der Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein Unterstützer der HDP sei, weshalb ihm im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine asylrelevante politische Verfolgung wegen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die HDP drohe. Risikoerhöhend sei die Mitgliedschaft des Onkels des Beschwerdeführers bei der HDP und die Verurteilung seines Cousins. Zudem sei zu beachten, dass drei Onkel des Beschwerdeführers in Österreich leben würden.
4. Am 04.07.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. Dabei wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen. Zudem wurde der Beschwerdeführer zu seinen Integrationsbemühungen befragt, ihm aktuelle Länderberichte zur Türkei ausgehändigt und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
5. Am 02.09.2024 brachte der Beschwerdeführer seinen am 11.02.2022 ausgestellten türkischen Reisepass in Vorlage, der bis zum 11.02.2032 gültig ist.
6. Am 30.10.2024 wurde vom BFA eine Ausreisebestätigung der BBU in Vorlage gebracht, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 25.10.2024 freiwillig in die Türkei zurückgekehrt sei.
Am 04.11.2024 wurde vom BFA eine Bestätigung in Vorlage gebracht, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 25.10.2024 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und muslimisch-sunnitischen Glaubens. Seine Identität steht fest.
Er stammt aus XXXX , wo er auch die Schule besuchte. Nach der Schulausbildung absolvierte der Beschwerdeführer den Militärdienst und hat danach in XXXX in einer Fabrik gearbeitet.Er stammt aus römisch 40 , wo er auch die Schule besuchte. Nach der Schulausbildung absolvierte der Beschwerdeführer den Militärdienst und hat danach in römisch 40 in einer Fabrik gearbeitet.
Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine drei Brüder und zwei Schwestern lebe in XXXX .Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine drei Brüder und zwei Schwestern lebe in römisch 40 .
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Österreich verfügte der Beschwerdeführer über keine Familienangehörige.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. Er ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer war in Österreich als Pizzakoch beschäftigt.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Deutsch- oder Integrationskurse besucht und legte dementsprechend auch keine Prüfungen ab. Er verfügt über einfache Deutschkenntnisse und spricht auf einfachem Niveau die deutsche Sprache.
Dem Beschwerdeführer wurde am 11.02.2022 ein typischer Reisepass ausgestellt, der bis zum 11.02.2032 gültig ist.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer hat am 25.10.2024 das österreichische Bundesgebiet verlassen und ist freiwillig in die Türkei zurückgekehrt.
1.2. Zum Vorbringen:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Türkei vor seiner Ausreise einer individuellen Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war.
Der Beschwerdeführer sympathisiert(e) mit der Halklar?n Demokratik Partisi (HDP), engagierte sich aber nicht für diese.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Türkei wegen einer verwandtschaftlichen Beziehung zu einem verurteilten PKK-Mitglied und aufgrund seiner Sympathie für die HDP oder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit willkürlicher Gewaltausübung, willkürlichem Freiheitsentzug oder exzessiver Bestrafung durch staatliche Organe ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft vorgebracht und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass er vor seiner Ausreise aus der Türkei einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre oder in eine lebens- bzw. existenzbedrohliche Notlage geraten würde.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in die Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verletzung seiner durch
Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
1.3. Zur Lage in der Türkei wird festgestellt:
Sicherheitslage
Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, S. 18).Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, Sitzung 18).
Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, S. 4) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, S. 16) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der „Terrorbekämpfung“ begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, S. 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, S. 5).Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, Sitzung 4) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, Sitzung 16) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der „Terrorbekämpfung“ begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, Sitzung 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, Sitzung 5).
Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SDZ 29.6.2016; vgl. AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 12.2022, S. 33). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte.Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SDZ 29.6.2016; vergleiche AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 12.2022, Sitzung 33). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte.
- Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen […] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“- Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, Sitzung 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen […] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“
(EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht „Recht auf Leben“ siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage. Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (NL-MFA 18.3.2021, S. 12). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Berggebieten im Südosten des Landes (NL-MFA 2.3.2022, S. 13), was die dortige Lage weiterhin als sehr besorgniserregend erscheinen lässt (EC 12.10.2022, S. 5, 17). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK (und der TAK), in der Türkei zu operieren, durch laufende groß angelegte Anti-Terror-Operationen im kurdischen Südosten sowie durch die allgemein verstärkte Präsenz von Militäreinheiten der Regierung erheblich beeinträchtigt (Crisis24, 24.11.2022).(EP 14.4.2016, Sitzung 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht „Recht auf Leben“ siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage. Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (NL-MFA 18.3.2021, Sitzung 12). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Berggebieten im Südosten des Landes (NL-MFA 2.3.2022, Sitzung 13), was die dortige Lage weiterhin als sehr besorgniserregend erscheinen lässt (EC 12.10.2022, Sitzung 5, 17). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK (und der TAK), in der Türkei zu operieren, durch laufende groß angelegte Anti-Terror-Operationen im kurdischen Südosten sowie durch die allgemein verstärkte Präsenz von Militäreinheiten der Regierung erheblich beeinträchtigt (Crisis24, 24.11.2022).
Gelegentliche bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften einerseits und der PKK und mit ihr verbündeten Or