TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 94/01/0617

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/01/0675

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1) des N in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, und 2) der V in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesminister für Inneres vom 13. Jänner 1994, Zl. 4.334.482/2-III/13/92 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers hg. Zl. 94/01/0617, hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin hg. Zl. 94/01/0675), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- und der Zweitbeschwerdeführerin in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. März 1992 ausgesprochen, daß Österreich den (miteinander verheirateten) Beschwerdeführern

- Staatsangehörigen "der jugoslawischen Föderation", die am 13. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist sind und am darauffolgenden Tag Asylanträge gestellt haben - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern, ohne ihre Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu prüfen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihnen der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der Beschwerdeführer bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 2. März 1992, wonach sie sich vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien aufgehalten hätten, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen die Rechtslage richtig erkannt hat (vgl. insbesondere die grundlegenden hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Demnach ist rechtlich ohne Bedeutung, daß sich die Beschwerdeführer in Slowenien lediglich für kurze Zeit auf der Durchreise befunden haben, und es kann diesbezüglich die zu den §§ 5 Abs. 3 und 7 Abs. 2 Asylgesetz (1968) ergangene Judikatur nicht übertragen werden, weshalb es - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht darauf ankommt, ob "den Behörden des betreffenden Staates der Aufenthalt des Asylwerbers bekannt war und von ihnen geduldet und gebilligt wurde". Wenn sich der Erstbeschwerdeführer darüber hinaus auf die Erläuternden Bemerkungen RV 270 BlgNR 18. GP bezieht, so ist daraus - wie in dem zuletzt genannten Erkenntnis ausführlich dargelegt wurde - für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Der Erstbeschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, daß dieser Ausschließungsgrund "nur dann gegeben ist, wenn dieser andere Staat dem Antragsteller bereits Asyl gewährt hat" (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0026, und vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0402). Er beruft sich weiters zu Unrecht auf die im Fremdengesetz enthaltene Unterscheidung zwischen "Aufenthalt" und "Transit", und es ist ihm darin nicht zu folgen, daß bei dieser Auslegung "ein Widerspruch zwischen dem Asylgesetz 1991 und der Flüchtlingskonvention 1951" besteht (vgl. u.a. das bereits erwähnte Erkenntnis zur Zl. 94/01/0402). Auch die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 4. ZPMRK steht dieser Auslegung nicht entgegen (vgl. dazu ebenfalls das Erkenntnis zur Zl. 94/01/0026).

Der Erstbeschwerdeführer bringt aber in tatsächlicher Hinsicht vor, "daß selbst bei Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 Zif. 3 AsylG 1991 Verfolgungssicherheit nicht schon dadurch in einem Drittstaat angenommen werden kann, wenn dieser erst sehr kurze Zeit Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention ist, ohne daß konkrete Ermittlungen seitens der Behörde - von Amts wegen - gepflogen werden, inwieweit der Drittstaat auf Grund seiner Rechtsordnung effizienten Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention bietet". Auch die Zweitbeschwerdeführerin führt aus, daß die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, sie sei in Slowenien keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen, da es ihr möglich gewesen wäre, dort um Asyl anzusuchen, nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Es reiche nicht aus, daß die belangte Behörde "die Vermutung anstellt, daß die Rechts- und Verfassungsordnung Sloweniens im großen und ganzen effektiv sein würde und ich daher einer Verfolgungsgefahr nicht mehr ausgesetzt gewesen wäre". Es sei "diese Vermutung der belangten Behörde mangels durchgeführten Ermittlungsverfahrens der Überprüfung auf deren Richtigkeit hin entzogen". Auch sei "auf Grund des damaligen Zustandes des Zerfalles des jugoslawischen Staates die Rechts- und Verfassungsordnung in Slowenien noch nicht derart gefestigt" gewesen, "daß man mit ausreichender Sicherheit davon ausgehen kann, daß zu diesem Zeitpunkt Slowenien eine im großen und ganzen effektive Rechts- und Verfassungsordnung aufgewiesen hat".

Damit machen die Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung Sloweniens laut BGBl. Nr. 806/1993) entsprechenden Schutz geboten. Die Beschwerdeführer haben auf diese Weise nach Maßgabe der sie im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung ihres Vorbringens bedurft hätte, die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß den Beschwerdeführern im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde und die belangte Behörde jeweils, anders als die Erstbehörde, nunmehr auf Grund des gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde jeweils zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich, und zwar in Ansehung der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen des gestellten Begehrens, auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010617.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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