TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 93/18/0353

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Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §17 Abs1;
AVG §39a;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §18;
VStG §51 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 12. Juli 1993, Zl. III 131/93, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 12. Juli 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bulgarischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 7 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben im Asylverfahren am 5. Februar 1990 bei Klingenbach zu Fuß über die "grüne Grenze" in das Bundesgebiet gelangt. Er sei nicht in der Lage, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen. Es wäre an ihm gelegen, von sich aus initiativ zu beweisen, daß er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Dies habe er nicht getan. Die in der Berufung enthaltene Behauptung, ihm stehe Insolvenz-Ausfallgeld zu, sei kein derartiger Nachweis. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal dargetan, daß er derartige Ansprüche geltend gemacht habe. Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 21. Dezember 1992 habe er angegeben, daß er sein Konto um ca. S 20.000,-- überzogen habe und daß die von ihm Ende April 1992 gemeinsam mit einer anderen Person gegründete Vermittlungsagentur nicht floriere.

Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG sei erfüllt. Die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bewirke zwar einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers, doch sei dieser Eingriff zulässig, weil das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers, dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe im Bundesgebiet keine familiären Bindungen. Er sei der Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet entsprechend integriert. Die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen würden durch die vom Beschwerdeführer anläßlich seiner Einreise begangenen Verwaltungsübertretungen (Einreise über die grüne Grenze und ohne den erforderlichen Sichtvermerk) und die von ihm im Zusammenhang mit seiner Vermittlungsagentur zuletzt gesetzten Aktivitäten betreffend die Verbringung von arbeitssuchenden Menschen aus Osteuropa nach Österreich verstärkt. Die Interessenabwägung führe zu dem Ergebnis, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer meint, der von der belangten Behörde aus der Überziehung seines Kontos und dem Nichtflorieren der Vermittlungsagentur gezogene Schluß, daß er nicht die notwendigen Mittel zu seinem Unterhalt besitze, erscheine "doch etwas gewagt". Wenn die belangte Behörde noch Zweifel gehabt habe, hätte sie näher überprüfen müssen, ob er tatsächlich nicht über die Mittel verfüge, seinen Unterhalt zu bestreiten. Es hätte ja sein können, daß ihm von Verwandten oder Freunden Geld zur Verfügung gestellt worden sei oder daß er "im Besitz eines Sparbuches oder von etwas ähnlichem" gewesen sei.

1.2. Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nämlich Sache des Fremden, von sich aus (initiativ) zu beweisen, daß er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge (vgl. die Erkenntnisse vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0163, und vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0070). Daß dem Beschwerdeführer ein solcher Nachweis nicht gelungen ist, hat die belangte Behörde zutreffend erkannt.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß auch den Beschwerdeausführungen nicht entnommen werden kann, welche konkreten Tatsachen die belangte Behörde - hätte sie die vom Beschwerdeführer vermißten Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt - hätte feststellen und inwiefern sie dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

2. Soweit der Beschwerdeführer bestreitet, daß er über die von ihm betriebene Vermittlungsagentur Frauen aus Osteuropa nach Österreich habe locken wollen, vermag er keine Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde zu wecken, insbesondere wenn man den Inhalt der von der genannten Agentur verwendeten Formulare, in denen Frauen für die Arbeit als "Tänzerin/Animierung" ein Monatsverdienst von S 40.000,-- bis

S 100.0000,-- in Aussicht gestellt wurde, und die bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 21. Dezember 1992 gemachten Angaben des Beschwerdeführers berücksichtigt, wonach er sehen wollte, ob Interesse dafür bestehe und wer sich anmelde. Daß die diesbezüglichen Bemühungen des Beschwerdeführers von Erfolgt gekrönt gewesen wären, hat die belangte Behörde ohnedies nicht als erwiesen angenommen, sodaß das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde ins Leere geht.

3.1. Der Beschwerdeführer rügt, daß er von der erstinstanzlichen Behörde ohne Dolmetscher vernommen worden sei und die belangte Behörde sein diesbezügliches Berufungsvorbringen deshalb für nicht stichhaltig angesehen habe, weil er nach der Mitteilung der erstinstanzlichen Behörde perfekt Deutsch spreche.

3.2. Die Frage, ob der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist, sodaß seiner Vernehmung gemäß § 39a AVG ein Dolmetscher beizuziehen gewesen wäre, kann auf sich beruhen, weil auch dann, wenn dies zu bejahen wäre, der Beschwerde kein Erfolg beschieden wäre. Ein Verstoß gegen § 39a AVG bewirkt nämlich einen Verfahrensmangel, der nur dann zur Aufhebung des Bescheides führt, wenn er relevant im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0012, mwN). Die Beschwerde läßt Ausführungen darüber vermissen, daß die Nichtbeiziehung eines Dolmetschers zu unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen geführt habe und welche Feststellungen die belangte Behörde im Falle der Beiziehung eines Dolmetschers hätte treffen können und daß sie dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Beschwerde hat es somit unterlassen, die Relevanz eines allfälligen, in der Verletzung des § 39a AVG gelegenen Verfahrensmangels aufzuzeigen.

4. Mit seinen Ausführungen, die belangte Behörde habe sein Berufungsvorbringen, ihm sei im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde keine Akteneinsicht gewährt worden, nicht näher überprüft und auf Grund der Mitteilung der Erstbehörde angenommen, daß ihm Akteneinsicht gewährt worden sei, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keinen im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu beachtenden Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nur die im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Verfahrensmängel beachtlich sind (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 592 zitierte hg. Rechtsprechung). Daß ihm die Akteneinsicht von der belangten Behörde verweigert worden sei, behauptet der Beschwerdeführer nicht.

Im übrigen bietet die Aktenlage keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Erstbehörde habe dem Beschwerdeführer die Akteneinsicht verweigert. Der Beschwerdeführer bringt zudem nicht vor, wann er von seiner Befugnis, Akteneinsicht zu nehmen, habe Gebrauch machen wollen. Eine Pflicht der Behörde, ihre Bereitschaft, Akteneinsicht zu gewähren, der Partei ausdrücklich mitzuteilen, besteht nicht (siehe das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1993, Zl. 92/18/0442, mwN).

5. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bekämpft der Beschwerdeführer die Auffassung der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, sowie das Ergebnis der im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung; er vermag jedoch keine der belangten Behörde in diesem Zusammenhang unterlaufene Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Die Anwesenheit mittelloser Fremder im Bundesgebiet, die noch dazu - wie der Beschwerdeführer - keine Bewilligung für ihren Aufenthalt besitzen, beeinträchtigt die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens erheblich. Die Auffassung der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, begegnet somit keinen Bedenken.

Die Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet über die grüne Grenze war nicht allein der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes. Daß die belangte Behörde die Umstände der Einreise des Beschwerdeführers im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt hat, ist schon deshalb unbedenklich, weil der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden ist und der Beschwerdeführer die Umstände seiner Einreise nur mit der begründeten Furcht vor Verfolgung zu rechtfertigen versucht hat. Auch der Versuch, Animierdamen in Osteuropa mit dem Versprechen eines Monatsverdienstes von S 40.000,-- bis S 100.000,-- anzuwerben, bildet nicht die tragende Begründung für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Die belangte Behörde durfte dieses Verhalten jedoch im Rahmen der Gesamtbeurteilung der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen mitberücksichtigen, auch wenn es - was der Beschwerdeführer betont - nur beim Versuch geblieben ist.

6.1 Der Beschwerdeführer erblickt darin, daß die belangte Behörde eine längere Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes festgesetzt hat als die erstinstanzliche Behörde, einen Verstoß gegen § 51 Abs. 6 VStG.

6.2. Zur Erwiderung auf dieses Vorbringen genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der auf ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes das AVG anzuwenden ist, das eine dem § 51 Abs. 6 VStG vergleichbare Bestimmung nicht enthält, weshalb im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kein Verbot der reformatio in peius besteht und somit der Bescheid von der Berufungsbehörde auch zum Nachteil des Berufungswerbers abgeändert werden kann (siehe die Erkenntnisse vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0123, und vom 17. November 1994, Zl. 93/18/0581).

7. Soweit der Beschwerdeführer in seinem ergänzenden Schriftsatz bemängelt, daß entgegen § 59 Abs. 1 AVG im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht die angewendeten Gesetzesbestimmungen angeführt worden seien, geht sein Vorbringen am Inhalt des angefochtenen Bescheides, in dessen Spruch die §§ 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 7 sowie die §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes ausdrücklich genannt werden, völlig vorbei.

8.1. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8.2. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Akteneinsicht Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peius

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993180353.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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