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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung des EStG 1988 über den Alleinverdienerabsetzbetrag hinsichtlich des Erfordernisses des Zusammenlebens der Ehegatten; keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur steuerlichen Berücksichtigung der Unterhaltspflicht von EhegattenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer ist Pensionist und lebt seit Ende 1989 getrennt von seiner Ehefrau, der die Sorge für die drei minderjährigen ehelichen Kinder übertragen wurde. Er wurde vom Bezirksgericht Vöcklabruck zu Unterhaltsleistungen in Höhe von 2.700 S an die Ehefrau und 5.000 S an die Kinder (zuhanden der Ehefrau) verpflichtet. Im Jahresausgleichsbescheid 1990 billigte ihm das Finanzamt den Alleinverdienerabsetzbetrag und die Kinderzulagen nicht mehr zu.
Gegen den abweisenden Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz gerügt wird. §57 Abs2 EStG, wonach Alleinverdiener nur sei, wessen von ihm nicht dauernd getrennt lebender (unbeschränkt steuerpflichtiger) Ehegatte keine oder nur geringfügige Einkünfte erziele, und §106 EStG, der als Kinder nur solche gelten lasse, für die dem Steuerpflichtigen oder dem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten Familienbeihilfe gewährt werde, seien verfassungswidrig. Die Unterhaltspflicht bestehe auch nach Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, und diese bringe auch keinen finanziellen Vorteil. Es bestehe daher kein Grund, getrennt Lebenden den Alleinverdienerabsetzbetrag und die Kinderzuschläge zu versagen.
Die belangte Behörde legt in der Gegenschrift dar, der Alleinverdienerabsetzbetrag solle einen Ausgleich dafür bieten, daß in Haushalten, in denen nur eine Person Einkünfte habe, das Existenzminimum steuerlich nur einmal berücksichtigt werde. Es sei nicht seine Aufgabe, materielle Unterhaltspflichten jeder Art abzudecken. Das Gesetz wolle nur "die Besteuerung einer Haushaltsgemeinschaft regeln". Die persönliche und finanzielle Situation eines von seinem Ehegatten getrennt Lebenden sei eher der eines Geschiedenen vergleichbar. Die Weitergewährung des Absetzbetrages auch noch nach Auflösung der Ehe würde aber unvertretbare Auswirkungen nach sich ziehen. §106 EStG 1988 sei im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1991, G82/91 u.a., womit er als verfassungswidrig aufgehoben, aber gleichzeitig ausgesprochen worden sei, daß das Streben des Gesetzgebers sachlich gerechtfertigt sei, dafür Sorge zu tragen, daß die steuerliche Begünstigung (für Kinder) nur einem Elternteil zukomme, deshalb unbedenklich, weil dafür gesorgt sei, daß Kinderzuschläge auch für den Elternteil wirksam werden können, der kein oder nur ein geringes steuerpflichtiges Einkommen hat.
Der Verfassungsgerichtshof hat auch den Bundesminister für Finanzen und das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst zu Stellungnahmen eingeladen.
Der Bundesminister weist in seiner Äußerung darauf hin, daß das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Berücksichtigung des Ehegattenunterhaltes nicht gebiete und der Alleinverdienerabsetzbetrag nur die Unterhaltsspitze abgelten soll; die Voraussetzung der Haushaltsgemeinschaft sei durch folgende Überlegung gerechtfertigt:
"Die Führung eines gemeinsamen Haushaltes kann mit einer getrennten Haushaltsführung in keiner Weise gleichgestellt werden. Die Unterhaltssituation erfährt dabei zwangsläufig solche Änderungen, daß bei Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages geradezu Ungleiches gleich behandelt würde. Ein Unterhaltssaldo im Sinne der obigen Darstellungen kann sich praktisch nicht ergeben, weil - eben als Folge privater Lebensgestaltung - die materiellen Vorteile aus der Haushaltsführung wegfallen; diesen wesentlichen Unterschied im Tatsächlichen räumt im übrigen der Beschwerdeführer selbst ein. Mangels eines Unterhaltssaldos besteht überhaupt keine sachliche Grundlage, einen solchen steuerlich zu begünstigen. Ist der Alleinverdienerabsetzbetrag - wie oben ausführlich dargestellt - eine Begünstigung und keine steuerliche Notwendigkeit, kann es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, diese Begünstigung auf betimmte Fälle einzuschränken und für andere - davon sachlich unterschiedliche - Fälle auszuschließen. Die vom Gesetzgeber dabei getroffene Wertung, gerade eheliche Haushaltsgemeinschaften zu begünstigen, kann ebenfalls nicht als unsachlich angesehen werden."
Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst meint unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Durchschnittsbetrachtung, daß auch §57 Abs2 EStG 1988 vom Regelfall ausgehe,
"... daß Ehegatten, insbesondere in dem Fall, daß ein Ehegatte nicht berufstätig ist, in einem gemeinsamen Haushalt leben. Der Gesetzgeber hat es daher offensichtlich als zulässig erachtet, die Regelung auf der Grundlage dieser Durchschnittsbetrachtung zu treffen. Der Fall, daß ein Ehepaar getrennt lebt und ein Ehegatte nicht berufstätig ist, kommt nur in ganz seltenen Fällen auf Grund ganz besonderer Umstände vor. Solche Fälle können nur Härtefälle darstellen, die nach der zitierten Judikatur die Sachlichkeit der Regelung nicht in Frage stellen können. In diesem Zusammenhang erscheint auch das Argument des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 10. Juni 1992, B1257/91-14, beachtlich, daß die Aufgabenverteilung in der Familie und die Wahl des Wohnortes weitgehend der Disposition der Ehegatten unterliegen und insofern als Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos anzusehen sind, auf die der Gesetzgeber offensichtlich keine Rücksicht nehmen muß.
Weiters kann man in den seltenen Fällen, daß Ehegatten getrennt leben, grundsätzlich annehmen, daß beide Ehegatten berufstätig sind, also auch jener Ehegatte, der die Obsorge für die Kinder trägt. Dieser Ehegatte wird für die Obsorge der Kinder während seiner Berufstätigkeit durch Andere sorgen bzw. seine Arbeitszeit mit der Zeit, in der die Kinder Schule oder Kindergarten besuchen, abstimmen. Auch dieser Umstand reduziert die möglichen Fälle, daß die Ehegatten getrennt leben und ein Ehegatte nicht berufstätig ist, weiter.
In der Judikatur zum Gleichheitssatz betont der Verfassungsgerichtshof auch immer wieder, daß dem Gesetzgeber - wenn auch nicht unbegrenzte - rechtspolitische Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist (vgl. Slg. 8457/1978). Der Gesetzgeber hält sich im Rahmen dieser rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, wenn er mit dieser Bestimmung offensichtlich auch eine Präferenz für das Zusammenleben von Ehegatten zum Ausdruck bringen will."
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
§57 Abs2 EStG 1988 lautet im Zusammenhang:
"Einem Alleinverdiener ... steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag von 4 000 S jährlich zuzüglich einem Kinderzuschlag von 1 800 S jährlich für jedes Kind (§106) zu.
Alleinverdiener ist ein Arbeitnehmer, dessen von ihm nicht dauernd getrennt lebender unbeschränkt steuerpflichtiger Ehegatte, sofern er mindestens ein Kind hat, Einkünfte von höchstens 40 000 S jährlich, sonst Einkünfte von höchstens 20 000 S jährlich erzielt.
..."
Die Einrichtung des Alleinverdienerabsetzbetrages entstammt dem Einkommensteuergesetz 1967, das die sogenannte Haushaltsbesteuerung durch das System der Individualbesteuerung abgelöst hat. Sein Zweck wird von Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 17 zu §33 am Beginn, wie folgt beschrieben:
"Der Alleinverdienerabsetzbetrag trägt der gesetzlichen ehelichen Unterhaltspflicht Rechnung, wobei noch typische Kriterien der Haushaltsbesteuerung Berücksichtigung finden. Die Haushaltsbesteuerung ging nämlich vom Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Haushaltsgemeinschaft aus. Dabei war es an sich unmaßgeblich, ob das gemeinsame Einkommen von einer oder mehreren Personen erzielt wurde. Im System der Individualbesteuerung gebührt nun jedem Steuerpflichtigen zur Berücksichtigung seines Existenzminimums der allgemeine Steuerabsetzbetrag. Je mehr Einkommensbezieher in einer Haushaltsgemeinschaft leben, desto größer ist daher das steuerlich berücksichtigte (gemeinsame) Existenzminimum. Dem Alleinverdiener hingegen steht der allgemeine Steuerabsetzbetrag nur einmal zu, obwohl sein notwendiges Existenzminimum im Hinblick auf die ihm obliegende Unterhaltspflicht zweifellos größer ist als das notwendige Existenzminimum einer Einzelperson. Mit dem Alleinverdienerabsetzbetrag soll nun diese steuerlich ungleiche Berücksichtigung des gemeinsamen Existenzminimums einer Haushaltsgemeinschaft wenigstens zum Teil wiederum ausgeglichen werden."
Der Beschwerde ist einzuräumen, daß dieser Zweck es nicht rechtfertigt, den Ausgleich für die unzureichende Berücksichtigung des Existenzminimums auf den Fall einer Unterhaltspflicht in der Haushaltsgemeinschaft zu beschränken. Denn die Unterhaltspflicht für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten ist nicht belastender als die für einen getrennt lebenden. Geht doch der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang selbst davon aus, daß das Leben im gemeinsamen Haushalt nicht nur keine Erhöhung des (gemeinsamen) Aufwandes, sondern im Gegenteil eine Ersparnis mit sich bringt (so z. B. im Notstandshilferecht, vgl. G81/90 u.a. vom 29. Juni 1990 und G179/90 vom 2. Oktober 1991).
Ist aber der Gesetzgeber nicht verhalten, die als Folge privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos auftretende Unterhaltspflicht von Ehegatten ähnlich der Unterhaltspflicht für Kinder zu berücksichtigen (B1257/91 vom 10. Juni 1992), so darf er die steuerliche Begünstigung auch an andere sachliche Kriterien knüpfen. Am Zusammenleben von Ehegatten besteht aber offenkundig - schon im Hinblick auf den Wohnungsmarkt und andere von der Zahl der Haushalte abhängige Kosten - ein gesamtgesellschaftliches Interesse. Dieses kann eine Begünstigung auch ohne Berücksichtigung der Gründe eines Getrenntlebens zumindest im Ausmaß des Alleinverdienerabsetzbetrages rechtfertigen.
Was die Kinderzuschläge anlangt, genügt hier der Hinweis, daß §106 EStG 1988 nach seiner Aufhebung durch das Erkenntnis G82/91 u. a. vom 27. Juni 1991 für die Zeit bis zu deren Inkrafttreten verfassungsrechtlich unangreifbar geworden ist (Art140 Abs7 B-VG).
Die Beschwerde ist daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).
Schlagworte
Einkommensteuer, Alleinverdienerabsetzbetrag, Kinder (Steuerrecht), UnterhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B145.1992Dokumentnummer
JFT_10078788_92B00145_00