Entscheidungsdatum
18.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W168 2284805-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.12.2023, Zl.: 1315103203/222171208, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.8.2024, zu Recht erkannt: Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geboren am römisch 40 , alias römisch 40 , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.12.2023, Zl.: 1315103203/222171208, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.8.2024, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, AsylG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: „BF“), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 13.7.2022 im österreichischen Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass sie Syrien wegen den Kriegsgeschehnissen verlassen hätten. Seine beiden älteren Brüder hätten bereits zum Militärdienst einrücken müssen. Im Falle einer Rückkehr müsste er kämpfen und hätte Angst um sein Leben.
Zu seinen persönlichen Umständen führte der BF an, dass er in XXXX , Aleppo, geboren worden sei und in Syrien zwei Jahre und in der Türkei zwei Jahre die Grundschule besucht habe. Er gehöre der Religionszugehörigkeit der sunnitischen Moslems und der Volksgruppe der Araber an. Seine Eltern, seine drei Schwestern sowie seine vier Brüder würden aktuell in der Türkei wohnhaft sein, ein Bruder lebe in Österreich. Zu seinen persönlichen Umständen führte der BF an, dass er in römisch 40 , Aleppo, geboren worden sei und in Syrien zwei Jahre und in der Türkei zwei Jahre die Grundschule besucht habe. Er gehöre der Religionszugehörigkeit der sunnitischen Moslems und der Volksgruppe der Araber an. Seine Eltern, seine drei Schwestern sowie seine vier Brüder würden aktuell in der Türkei wohnhaft sein, ein Bruder lebe in Österreich.
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.02.2023 brachte der BF vor, dass er von Geburt an bis zum siebenten Lebensjahr im Dorf XXXX in der Provinz Aleppo gelebt habe und anschließend ein Jahr und zwei Monate in der Stadt Manbij aufhältig gewesen sei. Seine Eltern sowie seine fünf Geschwister würden in der Türkei wohnen, zwei Brüder seien als Asylberechtigte in Österreich wohnhaft. Der BF habe in Syrien ein Jahr und in der Türkei zwei Jahre die Grundschule besucht und habe in der Türkei diverse Gelegenheitsjobs im Verkauf sowie als Fabrikarbeiter verrichtet. Er habe Syrien im Alter von sieben Jahren verlassen und stehe nach wie vor in Kontakt mit seiner Familie in der Türkei. Seine Schwester habe durch das Erdbeben ihr Haus verloren. Auf Nachfrage, wovon seine Familie in der Türkei aktuell lebe, erklärte der BF, dass sein Vater nicht arbeite und seine Zwillingsschwester den Lebensunterhalt für die Familie finanziere. In Syrien habe er gemeinsam mit seinen Familienangehörigen in einem Haus gelebt, das jedoch durch die Kriegsgeschehnisse zerstört worden sei. Er sei selbst ebenfalls oftmals von den Kriegsgeschehnissen betroffen gewesen. Da seine Eltern gesundheitlich eingeschränkt seien, habe nur der BF selbst das Land verlassen. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.02.2023 brachte der BF vor, dass er von Geburt an bis zum siebenten Lebensjahr im Dorf römisch 40 in der Provinz Aleppo gelebt habe und anschließend ein Jahr und zwei Monate in der Stadt Manbij aufhältig gewesen sei. Seine Eltern sowie seine fünf Geschwister würden in der Türkei wohnen, zwei Brüder seien als Asylberechtigte in Österreich wohnhaft. Der BF habe in Syrien ein Jahr und in der Türkei zwei Jahre die Grundschule besucht und habe in der Türkei diverse Gelegenheitsjobs im Verkauf sowie als Fabrikarbeiter verrichtet. Er habe Syrien im Alter von sieben Jahren verlassen und stehe nach wie vor in Kontakt mit seiner Familie in der Türkei. Seine Schwester habe durch das Erdbeben ihr Haus verloren. Auf Nachfrage, wovon seine Familie in der Türkei aktuell lebe, erklärte der BF, dass sein Vater nicht arbeite und seine Zwillingsschwester den Lebensunterhalt für die Familie finanziere. In Syrien habe er gemeinsam mit seinen Familienangehörigen in einem Haus gelebt, das jedoch durch die Kriegsgeschehnisse zerstört worden sei. Er sei selbst ebenfalls oftmals von den Kriegsgeschehnissen betroffen gewesen. Da seine Eltern gesundheitlich eingeschränkt seien, habe nur der BF selbst das Land verlassen.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass in Syrien Krieg vorherrsche und sowohl sein Dorf als auch seine Häuser zerstört worden seien, weshalb sie nach Manbij geflohen seien, wo sie auch eine Wohnung gemietet hätten und sein Vater sei als Angestellter in Aleppo tätig gewesen, jedoch oftmals nach seinen Söhnen gefragt worden. Auf Anraten seines Vaters hätten die Mutter sowie die beiden älteren Brüder das Land verlassen, der BF selbst sowie sein Vater sowie seine Schwestern seien mangels finanzieller Mittel in Syrien geblieben. Auf Nachfrage, was der Hauptgrund für seine Ausreise aus Syrien gewesen sei, brachte der BF vor, dass er wegen dem Krieg und wegen seinen beiden Brüdern, die bereits zum Militärdienst einrücken hätten müssen, das Land verlassen habe. Der Krieg sei jedenfalls der Hauptgrund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat gewesen. Im Falle einer Rückkehr müsste er den Militärdienst ableisten, da auch seine vier Brüder zum Militär eingezogen werden würden. Zudem könnte er auch wie sein 14-jähriger Cousin von den Kurden entführt werden, da die Kurden sie nicht mögen würden. Auf Nachfrage, ob er wisse, wann das Militär junge Männer einziehen würde, entgegnete der BF, dass man üblicherweise Männer ab 18 Jahren rekrutieren würde, das Alter bei den Kurden jedoch egal sei. Die Frage, ob sie von dem Verbleib seines Cousins noch nähere Informationen gehabt hätten, wurde vom BF verneint. Nachgefragt, woher er wisse, dass sein Cousin tatsächlich von den Kurden entführt worden sei, erklärte der BF, dass sein Cousin bereits zwei Mal entführt und einmal zuvor bereits Lösegeld bezahlt worden sei. Im Zuge der zweiten Entführung sei der BF nicht mehr zurückgekehrt. Es habe sich um insgesamt zwei Cousins gehandelt und nur einer sei erfolgreich freigekauft worden. Auf erneute Wiederholung der Frage führte der BF an, dass sein Cousin vor ungefähr drei Jahren auf dem Schulweg von den Kurden entführt worden sei. Ein Kurde habe gegenüber der Familie dieses Cousins angedeutet, dass dieser nicht mehr zurückkehren würde. Seine beiden anderen Cousins seien ebenso entführt worden, einer davon sei jedoch gegen die Bezahlung von Bestechungsgeld wieder freigekommen.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF eine Bestätigung vom 26.01.2023 über einen Schulbesuch, ein Kurzbericht vom 8.2.2023 und eine Kopie eines Auszuges aus dem Melderegister in Vorlage gebracht.
In einer Stellungnahme vom 2.3.2023 wurde ausgeführt, dass der BF aus der Provinz Aleppo, konkret aus XXXX , welche unter kurdischer Herrschaft stehe und zum kurdisch-autonomen Gebiet gehöre. Wie die Länderberichte sowie die aktuelle Judikatur zeigen würden, würden Aufforderungen von Kindern und Jugendlichen eine übliche Vorgangsweise darstellen. Eine folgende zwangsweise Rekrutierung könne den Länderberichten entsprechend daher nicht ausgeschlossen werden. Im Sinne einer von der Behörde zu treffenden Zukunftsprognose drohe dem BF spätestens ab dem 17. Lebensjahr die reale Gefahr der Ableistung durch das syrische Regime. Durch seine Flucht habe sich der BF dem zukünftigen Wehrdienstverfahren entzogen, sich der Militärpflicht widersetzt und sohin eine oppositionelle Gesinnung zum Ausdruck gebracht. Ihm drohe daher im Falle seiner Rückkehr festgenommen, verhört und einberufen, gefoltert sowie getötet zu werden. Insbesondere Personen aus von der Opposition kontrollierten Gebieten sowie jenen, die aus dem Ausland zurückkehren würden, drohe eine unterstellte oppositionelle Gesinnung. In einer Stellungnahme vom 2.3.2023 wurde ausgeführt, dass der BF aus der Provinz Aleppo, konkret aus römisch 40 , welche unter kurdischer Herrschaft stehe und zum kurdisch-autonomen Gebiet gehöre. Wie die Länderberichte sowie die aktuelle Judikatur zeigen würden, würden Aufforderungen von Kindern und Jugendlichen eine übliche Vorgangsweise darstellen. Eine folgende zwangsweise Rekrutierung könne den Länderberichten entsprechend daher nicht ausgeschlossen werden. Im Sinne einer von der Behörde zu treffenden Zukunftsprognose drohe dem BF spätestens ab dem 17. Lebensjahr die reale Gefahr der Ableistung durch das syrische Regime. Durch seine Flucht habe sich der BF dem zukünftigen Wehrdienstverfahren entzogen, sich der Militärpflicht widersetzt und sohin eine oppositionelle Gesinnung zum Ausdruck gebracht. Ihm drohe daher im Falle seiner Rückkehr festgenommen, verhört und einberufen, gefoltert sowie getötet zu werden. Insbesondere Personen aus von der Opposition kontrollierten Gebieten sowie jenen, die aus dem Ausland zurückkehren würden, drohe eine unterstellte oppositionelle Gesinnung.
Mit Bescheid des BFA vom 1.12.2023, Zl.: 1315103203/222171208, wurde der Antrag des BF vom 15.4.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).Mit Bescheid des BFA vom 1.12.2023, Zl.: 1315103203/222171208, wurde der Antrag des BF vom 15.4.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und diesem gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass bezüglich des Vorbringens des BF, er habe Angst gehabt, in Syrien entführt zu werden, angemerkt werde, dass es während einer Kriegslage zu Entführungen oder ähnlichen Verbrechen kommen könne, daraus jedoch keine asylrelevante Verfolgung seiner Person abgeleitet werden könne und dies lediglich die Gewährung von subsidiären Schutz rechtfertige, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass dem BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts zumindest droht oder drohen könnte. Da sich der BF somit nicht im wehrfähigen Alter befinde, sei eine unmittelbare Rekrutierung nicht zu befürchten. Der BF habe weder das Mindestalter für eine Einberufung zum syrischen Militär erreicht, noch sei aus den Länderberichten und den Angaben des BF ableitbar, dass die kurdischen Einheiten oder sonst irgendeine Gruppierung jemals versucht habe, den BF zu rekrutieren oder dass generell Kinder in seinem Alter rekrutiert werden würden. Ebenso würden sich keine Berichte über die Zwangsrekrutierung von Minderjährigen durch das Regime finden, daher bestehe auch hier lediglich eine bloße Möglichkeit, aber keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit bzw. kein reales Risiko. Darüber hinaus sei vor seiner Ausreise weder seitens des syrischen Regimes noch seitens kurdischer Einheiten versucht worden, den BF zu rekrutieren.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der BF fristgerecht Beschwerde und legte im Wesentlichen dar, dass die belangte Behörde aufgrund der Minderjährigkeit des BF dazu angehalten sei, bei der Prüfung des Antrages des BF das Kindeswohl als oberste Priorität zu beachten. Inhaltlich beurteile die Behörde in ihrer Beweiswürdigung das Vorbringen falsch. Die Behörde widerspreche sich in dem Punkt und auch darin, dass der BF keine befürchtete Verfolgung in Syrien vorgebracht hätte, selbst. Diese Ausführungen würden eine aktenwidrige Beweiswürdigung darstellen. Die Beweiswürdigung stelle sich insgesamt als unzureichend und widersprüchlich dar. Aufgrund der Familienangehörigkeit des BF zu seinen Brüdern, welche vom syrischen Regime als Militärdienstverweigerer und somit als oppositionell Gesinnte angesehen werden würden, werde auch dem BF vom syrischen Regime eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der BF fristgerecht Beschwerde und legte im Wesentlichen dar, dass die belangte Behörde aufgrund der Minderjährigkeit des BF dazu angehalten sei, bei der Prüfung des Antrages des BF das Kindeswohl als oberste Priorität zu beachten. Inhaltlich beurteile die Behörde in ihrer Beweiswürdigung das Vorbringen falsch. Die Behörde widerspreche sich in dem Punkt und auch darin, dass der BF keine befürchtete Verfolgung in Syrien vorgebracht hätte, selbst. Diese Ausführungen würden eine aktenwidrige Beweiswürdigung darstellen. Die Beweiswürdigung stelle sich insgesamt als unzureichend und widersprüchlich dar. Aufgrund der Familienangehörigkeit des BF zu seinen Brüdern, welche vom syrischen Regime als Militärdienstverweigerer und somit als oppositionell Gesinnte angesehen werden würden, werde auch dem BF vom syrischen Regime eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
In einer Stellungnahme vom 21.8.2024 wurde ausgeführt, dass der BF aus dem XXXX im Gouvernement Aleppo stamme und das syrische Regime in dieser Region, insbesondere an den Grenzen und den Highways präsent sei. Zur Asylrelevanz des Vorbringens wurde auf mehrere Entscheidungen des BVwG verweisen. In einer Stellungnahme vom 21.8.2024 wurde ausgeführt, dass der BF aus dem römisch 40 im Gouvernement Aleppo stamme und das syrische Regime in dieser Region, insbesondere an den Grenzen und den Highways präsent sei. Zur Asylrelevanz des Vorbringens wurde auf mehrere Entscheidungen des BVwG verweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.8.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein der Rechtsberatung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde im Zuge der Verhandlung unter konkreter Berücksichtigung seines Alters ausführlich zu den Gründen für die Erhebung der Beschwerde, das Verlassen seines Herkunftsstaates, als auch zu seinen konkreten Rückkehrbefürchtungen befragt. Es wurde ihm im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG umfassend die Gelegenheit eingeräumt sämtliches Vorbringen umfassend konkret darzulegen und dieses glaubhaft zu machen.
Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden vom BF Kopien eines österreichischen Reisedokumentes eines Bruders, eines syrischen Reisepasses eines Bruders sowie ein türkisches Visums seines Bruders in Vorlage gebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Der gegenwärtig 16 - jährige minderjährige BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er wurde im Dorf XXXX , Provinz Aleppo, geboren und besuchte dort ein Jahr die Schule. Im Jahr 2015 als 7 jähriger hat der BF gemeinsam mit seiner Familie Syrien verlassen und hat in Folge anschließend rund sieben Jahre in der Türkei gelebt, bzw. hat dieser dort zwei Jahre die Schule besucht. Im Jahr 2022 hat der damals 14 jährige BF schlepperunterstützt die Türkei verlassen und in Folge im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der gegenwärtig 16 - jährige minderjährige BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er wurde im Dorf römisch 40 , Provinz Aleppo, geboren und besuchte dort ein Jahr die Schule. Im Jahr 2015 als 7 jähriger hat der BF gemeinsam mit seiner Familie Syrien verlassen und hat in Folge anschließend rund sieben Jahre in der Türkei gelebt, bzw. hat dieser dort zwei Jahre die Schule besucht. Im Jahr 2022 hat der damals 14 jährige BF schlepperunterstützt die Türkei verlassen und in Folge im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Die Eltern und drei Schwestern des BF sind nach wie vor in der Türkei wohnhaft.
Das Dorf Dorf XXXX , Provinz Aleppo, liegt im Gebiet der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria – AANES) und befindet sich somit unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte (Syrian Democratic Forces, SDF).Das Dorf Dorf römisch 40 , Provinz Aleppo, liegt im Gebiet der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria – AANES) und befindet sich somit unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte (Syrian Democratic Forces, SDF).
Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 13.7.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Mit Bescheid des BFA vom 1.12.2023 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der BF ist gesund und in Österreich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der minderjährige BF war in Syrien nie einer individuell konkreten Verfolgung oder Bedrohung seitens kurdischer Milizen oder syrischer Streitkräfte ausgesetzt.
Der BF erhielt vor seinem Verlassen Syriens im Jahre 2015 bzw. im Alter von 7 Jahren in Syrien weder ein Militärbuch noch einen Einberufungsbefehl. Der BF wurde nie unmittelbar konkret zu einem Wehrdienst weder bei dem syrischen Militär noch bei den kurdischen Milzen eingezogen oder hat sich nie einer solchen Einziehung aktiv entzogen.
Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021).
Der BF befindet sich mit aktuell 16 Jahren noch nicht im wehrfähigen Alter für die kurdischen Streitkräfte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF gegenwärtig als Minderjährigen im Gebiet der AANES gegenwärtig eine unmittelbar konkrete Rekrutierung zu einem Militärdienst durch die kurdischen Milzen der AANES oder des syrischen Regimes droht.
Im Falle seiner Rückkehr in die Herkunftsregion hat der derzeit 16jährige BF auch aktuell das gültige Alter der Selbstverteidigungspflicht von 18 Jahren noch nicht erreicht. Bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion droht dem BF mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit keine unmittelbar konkrete asylrelevante Zwangsrekrutierung durch die Kurden bzw. kurdische Truppen oder andere Gruppierungen.
Nach Erreichen des Alters von 18 Jahren wäre der BF verpflichtet, der „Selbstverteidigungspflicht“ nachzukommen. Im Falle einer Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ wird dem BF keine politische (oppositionelle) Gesinnung unterstellt.
Auch bei Erreichen des Alters der Wehrpflicht ist der BF aufgrund asylrelevanter Gründe nicht gefährdet deswegen einer ihn unmittelbar konkret persönlich betreffenden asylrelevanten Gefährdung oder Bedrohung bei der Rekrutierung, bei der Ableistung eines Wehrdienstes oder auch bei der Verweigerung eines solchen ausgesetzt zu sein. (Prognoseentscheidung)
Der BF hat nicht glaubhaft machen können, dass dieser im Zuge einer allfälligen künftigen Ableistung eines Militärdienstes bei den kurdischen Milizen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrige Handlungen vornehmen müsste.
Der BF hat ausreichend glaubhaft nicht aufzeigen können, dass dieser die Ableistung eines Militärdienstes aus glaubwürdig verinnerlichten Gründen ablehnt.
Ebenso konnte der BF es auch nicht glaubhaft machen, dass dieser im Falle einer Verweigerung des Militärdienstes bei den kurdischen Milizen einer asylrelevanten Bestrafung ausgesetzt wäre. Dem BF droht an seinem Herkunftsort mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit auch bei einer Verweigerung des Wehrdienstes keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung durch das syrische Regime oder durch die kurdischen Milizen aufgrund einer ihn allfällig auch nur unterstellten politischen Ansicht oder einer ihm unterstellten politischen Gesinnung.
Die Arabische Republik Syrien kann in den AANES-Gebieten (grundsätzlich und jedenfalls außerhalb von Regimeenklaven) keine Wehrpflichtigen zum Wehrdienst und auch keine Reservisten zum (Reserve-)Dienst einberufen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien besteht für BF sowohl gegenwärtig, als auch zukünftig an seinem Herkunftsort nicht mit maßgeblich Wahrscheinlichkeit die Gefahr, einer unmittelbar konkreten Zwangsrekrutierung durch das syrische Regimemilitär oder einer Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein.
Hinsichtlich der Rekrutierung, der Ableistung oder auch einer allfälligen Verweigerung eines Militärdienstes / Wehrdienstes bei den kurdischen Milizen, dies aus nach einer allfälligen Zwangsrekrutierung durch die kurdische SDF, liegt aktuell kein ausreichend konkreter bzw. kein ausreichend glaubwürdiger Konnex zu den in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten Fluchtgründen vor.
Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion, ist der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht einer realen Gefahr der Verfolgung aus einem sonstigen GFK-Grund durch die Kurden oder sonstigen Akteuren ausgesetzt.
Es kann auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden, dass der BF bei einer Rückkehr an seinen Herkunftsort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer sonstigen asylrelevanten Verfolgung unmittelbar konkret zum Opfer fallen würde, etwa, weil ihm dort eine oppositionelle Gesinnung zum IS unterstellt werden würde.
Der BF hat zudem auch weder durch das Vorbringen der Illegalität der Ausreise aus Syrien oder der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in Österreich, noch der Angabe der Herkunft aus einer von der Regierung als oppositionsgeprägten erachteten Region oder auch aufgrund der Angaben hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Araber hinreichend konkret und glaubhaft aufzeigen können, dass ihm bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien und in sein Herkunftsgebiet zum gegenwärtigen oder zukünftigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ihn persönlich unmittelbar konkrete asylrelevante Bedrohung oder Verfolgung drohen würde.
Es liegen auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung des BF in seiner Heimatregion aus anderen Gründen vor.
Die Heimatregion des BF ist ohne Kontakt zu Behörden des syrischen Regimes sicher erreichbar, etwa über den Grenzübergang Semalka- Faysh Khabur (AANES/SDF Gebiet).
Auch unter Berücksichtigung sämtlicher Ausführungen hat der BF das Vorliegen einer ihn persönlich gegenwärtig oder auch zukünftig unmittelbar drohenden asylrelevanten Gefährdung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit insgesamt nicht ausreichend konkret darlegen können bzw. hat dieser das Vorliegen einer solchen Gefährdung insgesamt nicht glaubhaft machen können.
Der BF ist im Falle einer Rückkehr nach Syrien zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht unmittelbar konkret persönlich aus Gründen der Rasse, Religion, der Nationalität, seiner Volksgruppe als Araber, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter asylrelevant bedroht.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufi