Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. April 1994, Zl. 4.338.485/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. April 1994 wurde in Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den am 26. Mai 1992 zugestellten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1992 ausgesprochen, daß Österreich der beschwerdeführenden Partei - einem Staatsangehörigen "der Jugosl. Föderation", der am 8. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 11. Mai 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Partei, ohne sich mit deren Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei der beschwerdeführenden Partei der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der beschwerdeführenden Partei bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 13. Mai 1992 aus, daß sich die beschwerdeführende Partei vor ihrer Einreise nach Österreich in Slowenien aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Entgegen der Ansicht der beschwerdeführende Partei hatte die belangte Behörde zutreffend das AsylG 1991 anzuwenden, da der erstinstanzliche Bescheid bereits am 26. Mai 1992 zugestellt wurde und das Verfahren somit nicht mehr in erster Instanz am 1. Juni 1992 im Sinne des § 25 Abs. 1 AsylG 1991 anhängig war (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831).
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung zwar darauf gestützt, daß sich die beschwerdeführende Partei vor ihrer Einreise nach Österreich vom 15. Jänner bis 11. Mai 1992 in Slowenien aufgehalten habe. Ihre daraus abgeleitete Schlußfolgerung, daß es der beschwerdeführenden Partei "möglich gewesen wäre, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen", wäre aber insbesondere dann nicht berechtigt, wenn unter anderem das Beschwerdevorbringen, es sei in Slowenien immer wieder zur Abschiebung von Flüchtlingen aus dem Kosovo nach "Restjugoslawien" gekommen, den Tatsachen entsprechen sollte. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zlen. 94/01/0049, 0050, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, bereits eingehend dargelegt hat, besagt die Tatsache eines mehrmonatigen Aufenthalts in einem Staat für sich allein keineswegs, daß diese Person vor Verfolgung sicher gewesen sei, kommt es hiebei doch entscheidend darauf an, ob dieser Aufenthalt den staatlichen Behörden überhaupt bekannt gewesen und daraufhin von ihnen gebilligt worden ist. Derartige Feststellungen fehlen jedoch in Ansehung des Aufenthaltes der beschwerdeführenden Partei in Slowenien zu Gänze.
Die beschwerdeführende Partei bringt aber in tatsächlicher Hinsicht unter anderem vor, daß aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde die Frage des Vorliegens der Verfolgungssicherheit in Slowenien nicht beurteilt werden könne. Es würden nähere Feststellungen über die konkreten Umstände ihres Aufenthaltes in Slowenien fehlen, sodaß das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht beurteilt werden könne. Es sei immer wieder dazu gekommen, daß Flüchtlinge aus dem Kosovo nach "Restjugoslawien" zurückgeschoben worden seien. Angesichts dieser Umstände habe für die beschwerdeführende Partei in Slowenien kein effektiver Rückschiebungsschutz bestanden und sei es ihr auch nicht zumutbar gewesen, dort einen Asylantrag zu stellen.
Damit macht die beschwerdeführende Partei zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien habe von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung Sloweniens laut BGBl. Nr. 806/1993) entsprechenden Schutz geboten. Die beschwerdeführende Partei hat auf diese Weise nach Maßgabe der sie im Verwaltungsverfahren treffenden Mitwirkungspflicht, ohne daß es demnach noch einer weiteren Konkretisierung ihres Vorbringens bedurft hätte, auch die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufgezeigt (vgl. dazu des näheren das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Im Hinblick darauf, daß der beschwerdeführenden Partei im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010801.X00Im RIS seit
20.11.2000