Entscheidungsdatum
07.10.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W119 2285228-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX auch XXXX auch XXXX auch XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2023, Zahl: 1328288600/223195067, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 auch römisch 40 auch römisch 40 auch römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2023, Zahl: 1328288600/223195067, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.10.2022 brachte er zu seinem Fluchtgrund vor: „Ich habe in meinem Land keine Arbeit und kann somit meine Familie nicht ernähren. Das ist mein Asylgrund.“ Zu seiner Rückkehrbefürchtung gab er an, er habe Angst zu verhungern.
Am 05.09.2023 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und brachte zu seinem Fluchtgrund vor, er sei von der syrischen Armee einberufen worden, obwohl er seinen regulären Militärdienst von Februar 2002 bis August 2004 abgeleistet und regulär abgeschlossen habe. Er sei Gefreiter und zuständig für die Munition der Luftwaffe gewesen, aber nie mitgeflogen. Bis zu seiner Ausreise habe er immer immer im Bezirk XXXX in seinem Dorf XXXX gelebt. Der Einberufungsbefehl sei am 05.05.2022 vom Bürgermeister an die Adresse „unseres“ Hauses im Heimatdorf gebracht und seiner Mutter übergeben worden. Nachdem ihm seine Mutter den Einberufungsbefehl nach XXXX Stadt gebracht habe, sei der Beschwerdeführer am 15.05.2022 illegal ausgereist und habe sich in der Zwischenzeit in einer Wohnung in XXXX Stadt aufgehalten, in der er seit 2011 arbeitsbedingt auch mit seiner Kernfamilie gewohnt habe. XXXX Stadt liege unter der Führung der PKK, deshalb hätte ihm dort durch die Regierung nichts passieren können. Seine Mutter und der XXXX geborene Bruder seien immer noch im Heimatdorf, sie hätten keine Probeme, nach seiner Ausreise habe niemand nach dem Beschwerdeführer gefragt. Der Bruder habe den Pflichtwehrdienst schon abgeleistet, sei aber jetzt nicht noch einmal einberufen worden, er habe keine Spezialausbildung und wäre der einzige Erhalter für die Mutter. Bei der Erstbefragung hätte der Beschwerdeführer den Dometscher wegen seines irakischen Dialekts nicht gut verstanden. Das Protokoll sei rückübersetzt worden.Am 05.09.2023 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und brachte zu seinem Fluchtgrund vor, er sei von der syrischen Armee einberufen worden, obwohl er seinen regulären Militärdienst von Februar 2002 bis August 2004 abgeleistet und regulär abgeschlossen habe. Er sei Gefreiter und zuständig für die Munition der Luftwaffe gewesen, aber nie mitgeflogen. Bis zu seiner Ausreise habe er immer immer im Bezirk römisch 40 in seinem Dorf römisch 40 gelebt. Der Einberufungsbefehl sei am 05.05.2022 vom Bürgermeister an die Adresse „unseres“ Hauses im Heimatdorf gebracht und seiner Mutter übergeben worden. Nachdem ihm seine Mutter den Einberufungsbefehl nach römisch 40 Stadt gebracht habe, sei der Beschwerdeführer am 15.05.2022 illegal ausgereist und habe sich in der Zwischenzeit in einer Wohnung in römisch 40 Stadt aufgehalten, in der er seit 2011 arbeitsbedingt auch mit seiner Kernfamilie gewohnt habe. römisch 40 Stadt liege unter der Führung der PKK, deshalb hätte ihm dort durch die Regierung nichts passieren können. Seine Mutter und der römisch 40 geborene Bruder seien immer noch im Heimatdorf, sie hätten keine Probeme, nach seiner Ausreise habe niemand nach dem Beschwerdeführer gefragt. Der Bruder habe den Pflichtwehrdienst schon abgeleistet, sei aber jetzt nicht noch einmal einberufen worden, er habe keine Spezialausbildung und wäre der einzige Erhalter für die Mutter. Bei der Erstbefragung hätte der Beschwerdeführer den Dometscher wegen seines irakischen Dialekts nicht gut verstanden. Das Protokoll sei rückübersetzt worden.
Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß Paragraph 3, Absatz , in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Gegen Spruchpunkt I. wurde rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde erhoben und in dieser im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei syrischer Staatsbürger, Kurde und sunnitischer Moslem. Sein Herkunftsort sei XXXX , Dorf XXXX . Im Mai 2022 habe er einen Einberufungsbefehl erhalten, Syrien verlassen, und werde nun von den syrischen Behörden wegen Wehrdienstverweigerung gesucht. Er wolle sich keinesfalls an den vom syrischen Regime ausgehenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligen. Da er nunmehr in Europa einen Asylantrag gestellt habe, gelte er in Syrien umso mehr als Feind und Verräter des Vaterlandes. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich, seine Heimatregion sicher und legal zu erreichen, ohne in Kontakt mit dem syrischen Regime zu kommen. Auch hätte die Behörde die Tatsache ignoriert, dass Rückkehrer automatisch als politische Opponenten wahrgenommen würden.Gegen Spruchpunkt römisch eins. wurde rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde erhoben und in dieser im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei syrischer Staatsbürger, Kurde und sunnitischer Moslem. Sein Herkunftsort sei römisch 40 , Dorf römisch 40 . Im Mai 2022 habe er einen Einberufungsbefehl erhalten, Syrien verlassen, und werde nun von den syrischen Behörden wegen Wehrdienstverweigerung gesucht. Er wolle sich keinesfalls an den vom syrischen Regime ausgehenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligen. Da er nunmehr in Europa einen Asylantrag gestellt habe, gelte er in Syrien umso mehr als Feind und Verräter des Vaterlandes. Dem Beschwerdeführer sei es nicht möglich, seine Heimatregion sicher und legal zu erreichen, ohne in Kontakt mit dem syrischen Regime zu kommen. Auch hätte die Behörde die Tatsache ignoriert, dass Rückkehrer automatisch als politische Opponenten wahrgenommen würden.
Am 05.09.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Kurmanji eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm, der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen und Fluchtgründen befragt wurde und die erkennende Richterin die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Situation in Syrien vom 27.03.2024 sowie UNHCR: 1. Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung V. und VI.), November 2017 und März 2021; InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020; Schreiben vom Februar 2020: Vorläufige UNHCR Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR Position aus 2017, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 27. 1. 2022: Wehrdienst, ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertion vom 8. 9. 2022, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 14. 11. 2022: Rekrutierungspraxis der syrischen Regierungskräfte, EUAA Country Guidance: Syria vom April 2024, Asylländerbericht Syrien der ÖB Damaskus (Stand: Ende September 2021), Bericht DIS (Danish immigration Service), Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068212/SYRI_SM_Wehrdienst_2022_01_27_KE.odt, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2], 23.05.2022, Staatendokumentation des BFA - Anfragebeantwortung Syrien:, Fragen des BvwG zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerung und Desertion, 16.09.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens [a-12132-1], 14.06.2023, ACCORD –Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen [a-12197], 24.08.2023, ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor): Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen über kurzen zeitlichen Aufschub zum Antritt des Wehrdiensts für Rückkehrer [a-12200], 5. September 2023, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch syrische Grenze, Weiterreise in AANES Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29. März 2023, COUNTRY OF ORIGIN INFORMATION (COI) Report, Syria Military Service, Jänner 2024, Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] 6. September 2023. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: SYRIEN, Zugriff des syrischen Regimes auf Deserteure in der AANES, vom 17. 4. 2024, Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023, EUAA Syria, major human rights, security, socio-economic developments Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Syrien: Rekrutierungspraxis YPG; Rekrutierung von Arabern, 2. März 2023 Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Provinz Aleppo 2012 bis 2017, Akteure in der Region zw. Manbidsch und Al Khafsah, 5. September 2019, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) vom 7. September 2023, EUAA Country of Origin Information – Syria-Security Information vom Oktober 2023 ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Abu Zuwayl (Bezirk Qamischli): Machtverhältnisse (Regierungspräsenz, Regierungszugriff), Checkpoints (Lage, Aufgriff Wehrpflichtiger) [a-12173], 27. Juli 2023 in das Verfahren einführte und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährte.Am 05.09.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Kurmanji eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm, der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Verhältnissen und Fluchtgründen befragt wurde und die erkennende Richterin die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Situation in Syrien vom 27.03.2024 sowie UNHCR: 1. Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung römisch fünf. und römisch VI.), November 2017 und März 2021; InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020; Schreiben vom Februar 2020: Vorläufige UNHCR Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR Position aus 2017, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 27. 1. 2022: Wehrdienst, ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertion vom 8. 9. 2022, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 14. 11. 2022: Rekrutierungspraxis der syrischen Regierungskräfte, EUAA Country Guidance: Syria vom April 2024, Asylländerbericht Syrien der ÖB Damaskus (Stand: Ende September 2021), Bericht DIS (Danish immigration Service), Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068212/SYRI_SM_Wehrdienst_2022_01_27_KE.odt, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2], 23.05.2022, Staatendokumentation des BFA - Anfragebeantwortung Syrien:, Fragen des BvwG zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerung und Desertion, 16.09.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens [a-12132-1], 14.06.2023, ACCORD –Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen [a-12197], 24.08.2023, ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor): Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen über kurzen zeitlichen Aufschub zum Antritt des Wehrdiensts für Rückkehrer [a-12200], 5. September 2023, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch syrische Grenze, Weiterreise in AANES Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29. März 2023, COUNTRY OF ORIGIN INFORMATION (COI) Report, Syria Military Service, Jänner 2024, Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] 6. September 2023. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: SYRIEN, Zugriff des syrischen Regimes auf Deserteure in der AANES, vom 17. 4. 2024, Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023, EUAA Syria, major human rights, security, socio-economic developments Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Syrien: Rekrutierungspraxis YPG; Rekrutierung von Arabern, 2. März 2023 Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Provinz Aleppo 2012 bis 2017, Akteure in der Region zw. Manbidsch und Al Khafsah, 5. September 2019, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) vom 7. September 2023, EUAA Country of Origin Information – Syria-Security Information vom Oktober 2023 ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Abu Zuwayl (Bezirk Qamischli): Machtverhältnisse (Regierungspräsenz, Regierungszugriff), Checkpoints (Lage, Aufgriff Wehrpflichtiger) [a-12173], 27. Juli 2023 in das Verfahren einführte und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährte.
Diese Stellungnahme wurde am 13.09.2024 erstattet. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei 43 Jahre alt und gesund. Laut Accord Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens vom 04.07.2023, könne die Altersgrenze für den Reservedienst angehoben werden, wenn eine Person über bestimmte Qualifikationen verfüge (zB Luftwaffenangehörige). Die Stadt XXXX stehe unter geteilter Kontrolle. In Qamischli gebe es ein Sicherheitsquadrat („security square“), unter der Kontrolle der syrischen Armee, während der Rest der Stadt von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten kontrolliert werde (ACCORD 14.6.2023; vgl. van Wilgenburg 9.10.2023). Die Streitkräfte des syrischen Regimes könnten Personen kontrollieren, wenn diese die Sicherheitsquadrate betreten (van Wilgenburg 9.10.2023). Aber auch außerhalb der Sicherheitsquadrate sei das syrische Regime präsent. So umfasse die derzeitige Kontrolle des syrischen Regimes auch eine Reihe von Dörfern südlich der Stadt XXXX , den Flughafen und auch die Gebiete um den Grenzübergang Nusaybin zwischen XXXX und dem türkischen Gebiet. (vgl BFA Staatendokumentation: Themenbericht der Staatendokumentation; Syrien - Grenzübergänge; aus dem COI-CMS; Version 1, 25. Oktober 2023 https://www.ecoi.net/en/file/local/2100231/2023-10-25_COI_CMS_Themenberichte_Syrien_-_Grenzübergänge,_Version_1-00c9.pdf [Zugriff am 11. Juni 2024]; BFA Anfragebeantwortung vom 22.4.2024, Syrien Sicherheitsquadrate in XXXX ). Aus dem aktuellen LIB ergebe sich, dass die syrische Regierung in Gebieten, wo sie über Enklaven und Sicherheitsdistrikte verfügt, auch rekrutieren könne. Das syrische Regime betrachte Übertritte über Grenzübergänge außerhalb seiner Kontrolle als illegal und diese könnten, so sie entdeckt würden, bei einer Weiterreise in Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung mit einer Haft- wie auch Geldstrafe geahndet werden. Auch komme es zu häufigen Schließungen des Semalka-Grenzübergangs und zuletzt sei auf irakischer Seite eine Mauer um den Grenzübergang gebaut worden. Demnach solle die von Stacheldraht geschützte Betonmauer auf der irakischen Seite entlang der türkischen Grenze vom Grenzübergang Faysh Khabur bis Sinjar verlaufen und damit den inoffiziellen Semalka Grenzübergang abschneiden.Diese Stellungnahme wurde am 13.09.2024 erstattet. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei 43 Jahre alt und gesund. Laut Accord Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens vom 04.07.2023, könne die Altersgrenze für den Reservedienst angehoben werden, wenn eine Person über bestimmte Qualifikationen verfüge (zB Luftwaffenangehörige). Die Stadt römisch 40 stehe unter geteilter Kontrolle. In Qamischli gebe es ein Sicherheitsquadrat („security square“), unter der Kontrolle der syrischen Armee, während der Rest der Stadt von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten kontrolliert werde (ACCORD 14.6.2023; vergleiche van Wilgenburg 9.10.2023). Die Streitkräfte des syrischen Regimes könnten Personen kontrollieren, wenn diese die Sicherheitsquadrate betreten (van Wilgenburg 9.10.2023). Aber auch außerhalb der Sicherheitsquadrate sei das syrische Regime präsent. So umfasse die derzeitige Kontrolle des syrischen Regimes auch eine Reihe von Dörfern südlich der Stadt römisch 40 , den Flughafen und auch die Gebiete um den Grenzübergang Nusaybin zwischen römisch 40 und dem türkischen Gebiet. vergleiche BFA Staatendokumentation: Themenbericht der Staatendokumentation; Syrien - Grenzübergänge; aus dem COI-CMS; Version 1, 25. Oktober 2023 https://www.ecoi.net/en/file/local/2100231/2023-10-25_COI_CMS_Themenberichte_Syrien_-_Grenzübergänge,_Version_1-00c9.pdf [Zugriff am 11. Juni 2024]; BFA Anfragebeantwortung vom 22.4.2024, Syrien Sicherheitsquadrate in römisch 40 ). Aus dem aktuellen LIB ergebe sich, dass die syrische Regierung in Gebieten, wo sie über Enklaven und Sicherheitsdistrikte verfügt, auch rekrutieren könne. Das syrische Regime betrachte Übertritte über Grenzübergänge außerhalb seiner Kontrolle als illegal und diese könnten, so sie entdeckt würden, bei einer Weiterreise in Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung mit einer Haft- wie auch Geldstrafe geahndet werden. Auch komme es zu häufigen Schließungen des Semalka-Grenzübergangs und zuletzt sei auf irakischer Seite eine Mauer um den Grenzübergang gebaut worden. Demnach solle die von Stacheldraht geschützte Betonmauer auf der irakischen Seite entlang der türkischen Grenze vom Grenzübergang Faysh Khabur bis Sinjar verlaufen und damit den inoffiziellen Semalka Grenzübergang abschneiden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der kurdischen Volksgruppe sowie der islamisch-sunnitischen Religion an.
Er wurde im Dorf im Dorf XXXX im Distrikt XXXX im Gouvernement XXXX geboren und lebte bis zu seiner Ausreise im Distrikt XXXX , zuletzt im Stadtviertel XXXX , welches sich – ebenso wie XXXX - unter kurdischer Kontrolle befindet. Er wurde im Dorf im Dorf römisch 40 im Distrikt römisch 40 im Gouvernement römisch 40 geboren und lebte bis zu seiner Ausreise im Distrikt römisch 40 , zuletzt im Stadtviertel römisch 40 , welches sich – ebenso wie römisch 40 - unter kurdischer Kontrolle befindet.
In der Heimat hat der Beschwerdeführer die Elementar- und Mittelschule besucht, den Mittelschulabschluss erworben und danach die Sekundarschule landwirtschaftlicher Zweig 2000 mit Matura abgeschlossen. Anschließend begann er ein Studium der Agrarwissenschaften an der Universität, bestand jedoch eine Prüfung nicht und brach ab.Nach seinem Militärdienst war er von 2006 bis 2010 in einem Fotolabor in Kobane als Angestellter tätig, danach von 2010 bis 2011 als Fahrer für einen Firmendirektor und zuletzt zehn Jahre lang als Buchhalter in einem Industriebetrieb.
Den Grundwehrdienst für die syrische Armee leistete der Beschwerdeführer regulär 30 Monate lang Monate bis August 2004 ab, laut eigenen Angaben als Gefreiter.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen, die Kernfamilie befindet sich in Kurdistan in XXXX , die Großmutter vs. und ein Onkel vs. noch im Dorf XXXX , die Mutter und der jüngere Bruder leben ebenso in der Herkunftsregion, im Dorf XXXX oder in XXXX . Deren genauer Wohnort steht, ebenso wie der Zeitpunkt der Übersiedlung der Familie von XXXX nach XXXX , wegen der in diesem Zusammenhang widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht fest. Drei seiner Brüder sind in Deutschland aufhältig.Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen, die Kernfamilie befindet sich in Kurdistan in römisch 40 , die Großmutter vs. und ein Onkel vs. noch im Dorf römisch 40 , die Mutter und der jüngere Bruder leben ebenso in der Herkunftsregion, im Dorf römisch 40 oder in römisch 40 . Deren genauer Wohnort steht, ebenso wie der Zeitpunkt der Übersiedlung der Familie von römisch 40 nach römisch 40 , wegen der in diesem Zusammenhang widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht fest. Drei seiner Brüder sind in Deutschland aufhältig.
Der Beschwerdeführer reiste über mehrere Länder illegal nach Österreich ein und stellte am 09.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer hält sich wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges außerhalb der Heimat auf. Er war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung durch staatliche Stellen oder eine andere Gruppe ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer weist keine verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder die örtlichen Machthaber auf und wird ihm eine solche auch nicht unterstellt. Er hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld des syrischen Regimes oder der örtlichen Machthaber gebracht haben.
Der Beschwerdeführer hat keinen Einerufungsbefehl des syrischen Regimes für den Reservedienst bei der syrischen Armee erhalten.
Dem Beschwerdeführer droht nicht allein aufgrund seiner Ausreise oder der Asylantragstellung die Gefahr der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt.
Der Beschwerdeführer ist auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen in Wien von Verfolgung durch das syrische Regime bedroht.
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers steht unter kurdischer Kontrolle.
Das syrische Regime hat in der Umgebung seines Heimatortes zwar Stützpunkte, jedoch keinen Zugriff auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers selbst und ist dort nicht in der Lage, die Wehrpflicht durchzusetzen oder Oppositionelle zu verhaften. Der Beschwerdeführer wäre daher im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsort jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, zum Reservedienst für die syrische Armee eingezogen oder wegen Wehrdienstverweigerung bzw. –entziehung belangt bzw. verfolgt zu werden. Ihm wird durch das Regime auch keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Dem Beschwerdeführer ist die Einreise in dieses Gebiet ohne Kontakt zum syrischen Regime über den nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur möglich. Er müsste bei einer Rückkehr in seine Heimatregion keine Gebiete durchqueren, die vom syrischen Regime kontrolliert werden.
Der XXXX geborene Beschwerdeführer ist in der Vergangenheit keinem Rekrutierungsversuch durch die kurdische SDF/YPG/PKK ausgesetzt gewesen und hat kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm seitens der kurdischen Autonomiebehörden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Die Autonomiebehörden sehen eine Verweigerung des Militärdienstes in der „Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien“ nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an. Der römisch 40 geborene Beschwerdeführer ist in der Vergangenheit keinem Rekrutierungsversuch durch die kurdische SDF/YPG/PKK ausgesetzt gewesen und hat kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm seitens der kurdischen Autonomiebehörden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Die Autonomiebehörden sehen eine Verweigerung des Militärdienstes in der „Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien“ nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an.
Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keine persönliche Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Jusoor 30.7.2023
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktobe