Entscheidungsdatum
10.10.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W299 2285804-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Elisabeth NEUHOLD als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Elisabeth NEUHOLD als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein, wo er am 10.08.2022 um 07:10 Uhr in der Park & Ride Anlage B 50 in Steinberg im Burgenland aufgegriffen wurde und sogleich einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2. Am nächsten Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des BFs vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu den Fluchtgründen befragt, gab er an, aus Syrien wegen dem Krieg und der mangelnden Sicherheit und eines geplanten Studiums geflüchtet zu sein. Zu seiner Rückkehrbefürchtung befragt, gab der BF an, dass er nicht wisse, was er im Falle einer Rückkehr zu befürchten habe.
Im Zuge der Antragstellung stellte sich heraus, dass der BF am 28.07.2022 in Griechenland XXXX erkennungsdienstlich behandelt worden war. Damit konfrontiert gab der BF während der Befragung an, dass er bei der Einreise festgenommen worden sei und ihm gegen seinen Willen die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Er habe dann einen Landesverweis bekommen und anschließend seine Reise Richtung Österreich fortgesetzt.Im Zuge der Antragstellung stellte sich heraus, dass der BF am 28.07.2022 in Griechenland römisch 40 erkennungsdienstlich behandelt worden war. Damit konfrontiert gab der BF während der Befragung an, dass er bei der Einreise festgenommen worden sei und ihm gegen seinen Willen die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Er habe dann einen Landesverweis bekommen und anschließend seine Reise Richtung Österreich fortgesetzt.
3. In der Folge kamen Zweifel an der Minderjährigkeit des BF auf, weswegen er am 24.08.2022 zu einer ärztlichen Untersuchung für den 31.08.2022 geladen wurde. Um Zweifel zu zerstreuen, legte der BF, seiner Mitwirkungspflicht folgend, am 24.08.2022 seinen syrischen Personalausweis in Kopie vor. Zu einer Sicherstellung des Personalausweises kam es zum damaligen Zeitpunkt jedoch noch nicht. Der BF nahm an der anvisierten Röntgenuntersuchung seiner Hand zur Bestimmung seines Knochenalters teil. In weiterer Folge erhielt er am 13.09.2022 eine erneute Ladung für eine am 27.09.2022 geplante ärztliche Untersuchung (Altersfeststellung). Dabei stellte sich heraus, dass das festgestellte Mindestalter des BF zum Asylantragsdatum mit seinem Altersvorbringen vereinbar ist. Seine Minderjährigkeit zum Asylantragsdatum sei möglich, wenngleich nicht wahrscheinlich.
4. Am 07.06.2023 wurde der syrische Personalausweis des BF sichergestellt und die darin enthaltenen Einträge übersetzt. Am 20.06.2023 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) die Landespolizeidirektion Oberösterreich (in der Folge: LPD) den vorgelegten Personalausweis auf seine Echtheit zu überprüfen.
5. Am 19.07.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, er hätte in Syrien seinen Pflichtwehrdienst für das Regime und für die kurdische Armee ableisten müssen und hätte Angst vor dem Krieg. Hinsichtlich seines in der Erstbefragung geäußerten Studienwunsches in Österreich gab der BF an, dass er zuerst die Matura in Österreich machen wollen würde, um dann studieren zu können, wenn sich dieses Unterfangen als nicht schwierig herausstellen würde. Bezüglich des kurdischen Militärdienstes gab er an, dass er Araber sei, und diese den Informationen des Internets und seinen eigenen Wahrnehmungen zwischen 2019 und seiner Ausreise zufolge, an die Front geschickt werden würden, um die Türkei und die FSA zu bekämpfen. Für die syrische Armee möchte er keinen Militärdienst leisten, weil er niemanden töten und auch von niemanden getötet werden wolle. Von der Ableistung des Militärdienstes bei der syrischen Armee möchte er sich nicht freikaufen, da er nicht die Regierung finanzieren möchte. Persönlich bedroht oder verfolgt sei er in Syrien noch nie worden und hätte dort auch keinen Kontakt mit Islamisten gehabt. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er gefoltert zu werden, da er das Land illegal verlassen habe und Personen, die das Land illegal verlassen haben, in Syrien als Landesverräter bezeichnet werden würden. Divergenzen zwischen seiner jetzigen Aussage und der bei der Erstbefragung ergäben sich daraus, dass er damals müde und krank gewesen sei und keine Kraft gehabt habe zu sprechen. Um die Einvernahme zu beenden habe er nur kurz gesprochen.
6. Am 30.08.2023 langte beim BFA der Untersuchungsbericht der LPD ein, aus dem hervorgeht, dass es sich bei dem untersuchten Personalausweis nach derzeitigem Wissensstand um ein Originaldokument handeln würde. In weiterer Folge wurde der Personalausweis rückübermittelt.
7. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 07.11.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).7. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 07.11.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde seitens des BFA im Wesentlichen damit begründet, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden konnte, da der Beschwerdeführer bis zum Verlassen Syriens am 09.05.2022 weder von syrischen noch von kurdischen Streitkräften einen Einberufungsbefehl erhalten habe. Bis zum Verlassen Syriens sei der BF keiner Bedrohung, Verfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung ausgesetzt gewesen und es drohe ihm auch zukünftig keine Verfolgung aufgrund seiner Ausreise und einer deswegen allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Mangels Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des syrischen Regimes in seiner Herkunftsregion XXXX sei eine Verfolgung bzw. Zwangsrekrutierung seitens des syrischen Regime im Falle einer Rückkehr nicht maßgeblich wahrscheinlich. Festgestellt wurde, dass es bei einem Militärdienst für die kurdischen Streitkräfte zu keinen Menschenrechtsverletzungen kommen würde. Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde seitens des BFA im Wesentlichen damit begründet, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht festgestellt werden konnte, da der Beschwerdeführer bis zum Verlassen Syriens am 09.05.2022 weder von syrischen noch von kurdischen Streitkräften einen Einberufungsbefehl erhalten habe. Bis zum Verlassen Syriens sei der BF keiner Bedrohung, Verfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung ausgesetzt gewesen und es drohe ihm auch zukünftig keine Verfolgung aufgrund seiner Ausreise und einer deswegen allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Mangels Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des syrischen Regimes in seiner Herkunftsregion römisch 40 sei eine Verfolgung bzw. Zwangsrekrutierung seitens des syrischen Regime im Falle einer Rückkehr nicht maßgeblich wahrscheinlich. Festgestellt wurde, dass es bei einem Militärdienst für die kurdischen Streitkräfte zu keinen Menschenrechtsverletzungen kommen würde.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wiederholte seine in der Einvernahme vorgebrachten Fluchtgründe. Ergänzend führte seine rechtsfreundliche Vertretung an, dass sich der BF den Freikauf von der Verpflichtung zur Ableistung des syrischen Militärdienstes nicht leisten könne, ihm im Fall seiner Rückkehr aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung vom syrischen Regime bzw. der SDF eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde, ihm eine legale Einreise über die Türkei oder den Irak nicht zumutbar sei, da es dort zu Grenzschließungen komme und die Grenzübergänge nicht sicher seien. Der Bescheid des BFA sei rechtswidrig, da dieser Verfahrensfehler enthalten würde und die Beweiswürdigung mangelhaft sei. Mangelhaft seien auch die Länderfeststellungen hinsichtlich der Themen: Einberufung des BF zum Wehrdienst, Verbrechen im Zuge der Wehrpflicht, Verfolgung von Rückkehrern und bei Asylantragstellung im Ausland, Verfolgung am Weg der Rückkehr in den Herkunftsort, Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen und völkerrechtlichen Verbrechen der SDF gewesen. Im Zuge der Bescheiderstellung sei es auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung bezüglich der Wehrdienstverweigerung, der Verfolgung als Rückkehrer, der Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen und der Rechtswidrigkeit von Spruchpunkt I. gekommen. 8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wiederholte seine in der Einvernahme vorgebrachten Fluchtgründe. Ergänzend führte seine rechtsfreundliche Vertretung an, dass sich der BF den Freikauf von der Verpflichtung zur Ableistung des syrischen Militärdienstes nicht leisten könne, ihm im Fall seiner Rückkehr aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung vom syrischen Regime bzw. der SDF eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde, ihm eine legale Einreise über die Türkei oder den Irak nicht zumutbar sei, da es dort zu Grenzschließungen komme und die Grenzübergänge nicht sicher seien. Der Bescheid des BFA sei rechtswidrig, da dieser Verfahrensfehler enthalten würde und die Beweiswürdigung mangelhaft sei. Mangelhaft seien auch die Länderfeststellungen hinsichtlich der Themen: Einberufung des BF zum Wehrdienst, Verbrechen im Zuge der Wehrpflicht, Verfolgung von Rückkehrern und bei Asylantragstellung im Ausland, Verfolgung am Weg der Rückkehr in den Herkunftsort, Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen und völkerrechtlichen Verbrechen der SDF gewesen. Im Zuge der Bescheiderstellung sei es auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung bezüglich der Wehrdienstverweigerung, der Verfolgung als Rückkehrer, der Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen und der Rechtswidrigkeit von Spruchpunkt römisch eins. gekommen.
9. Per Ladung vom 17.06.2024 wurden die Parteien von der geplanten Durchführung einer Verhandlung am 08.08.2024 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: BVwG) verständigt. Dabei wurden folgende Dokumente in das Verfahren eingebracht und die Parteien um eine mögliche Stellungnahme in der Verhandlung bzw. schriftlich bis zwei Tage vor der Verhandlung ersucht:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024; EUAA Country Guidance: Syria, April 2024; EASO Syria Military service Country of Origin Information Report, September 2022; EUAA Targeting of individuals, September 2022; EUAA Syria Country Focus, Oktober 2023; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. Aktualisierte Fassung, März 2021. Das BFA gab mit Schreiben vom 25.06.2024 die Nichtteilnahme an der Verhandlung bekannt.
9. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes fand am 08.08.2024 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung statt. Während der Verhandlung wurden weitere Länderinformatioen eingebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, zu diesen im Zuge der Verhandlung bzw. schriftlich binnen vierzehn Tagen Stellungnahme einzubringen. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien, seinen Fluchtgründen sowie zu seiner Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt. Im Zuge der Befragung wiederholte er im Wesentlichen seine bereits getätigten Angaben in der Einvernahme vor dem BFA. Ergänzend führte er an, dass kurdische Streitkräfte sowohl im Jänner 2024 als auch im April 2024 zu seinem Elternhaus gekommen seien und nach ihm gefragt hätten. Sein in der Türkei befindlicher Bruder sei zwischenzeitlich nach Syrien abgeschoben worden. Im Zuge der weiteren Befragung ergänzte er seine Angaben insofern, als er angab, dass zwei Brüder und eine Schwester aus der Türkei nach Syrien abgeschoben worden seien. Seine Eltern hätten einen Supermarkt und würden in der Landwirtschaft arbeiten, die seinem Vater gehören würde. Dieser habe sein Leben finanziert nachdem der BF die Schule nach Abschluss der neunten Schulstufe verlassen habe. Im Supermarkt seines Vaters hätte er gelegentlich mitgeholfen aber nicht gearbeitet. Er habe regelmäßig via WhatsApp mit seinen finanziell gut situierten Eltern Kontakt, denen es gut gehen würde und die bisher keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt seien. Zwei seiner Brüder hätten in Syrien nicht den Militärdienst abgeleistet, wobei einer der beiden nach einer Festnahme im Jahr 2012 oder 2103 fliehen konnte. Ein dritter Bruder habe den Militärdienst vor der Revolution abgeleistet. Ein vierter Bruder sei während der Ableistung seines Militärdienstes nach einem Jahr und acht Monaten desertiert. Er selbst habe keinen konkreten Einberufungsbefehl und kein Militärbuch vom syrischen Regime bekommen und sei auch bei keiner Musterung gewesen. Einmal sei er von den Kurden im Rahmen eines Rekrutierungsversuchs festgehalten worden. Ein Freikauf vom Wehrdienst bei der syrischen Armee käme für ihn nicht in Frage, da er das syrische Regime nicht finanziell unterstützen wolle. Aus Syrien sei er geflohen, da er sonst mit Erreichen des achtzehnten Geburtstages gezwungen worden wäre, seinen Grundwehrdienst für das syrische Regime bzw. die kurdischen Milizen abzuleisten. Das hätte zu Folge, dass er gezwungen wäre, gegen die eigene Bevölkerung zu kämpfen und unschuldige Menschen zu töten. Im Fall seiner Rückkehr käme es daher zu seiner Zwangsrekrutierung und im Fall seiner Weigerung den Militärdienst abzuleisten, zur Verbüßung einer Gefängnisstrafe aus der er nicht lebend herauskommen würde, da er gefolterter werden würde und an dieser Folter sterben würde. Er selbst habe im Gegensatz zu seinen älteren Brüdern nicht an einer Demonstration gegen das Regime im Jahr 2012 teilgenommen und sei wie diese auch nicht politisch aktiv.
Gegen Ende der Beschwerdeverhandlung wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine abschließende Stellungnahme abgegeben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im wehrfähigen Alter sei und seinen verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee nicht abgeleistet habe und sowohl bei der syrischen Armee als auch bei der kurdischen Armee eingezogen werden würde. Im Fall seiner Weigerung würde dem BF eine Gefängnisstrafe drohen, die mit Anwendung von Folter verbunden wäre. Dieses Schicksal würde dem BF drohen, da er sich dem Wehrdienst durch seine illegale Ausreise entzogen habe. Aufgrund seines Wehrdienstentzuges sowie aufgrund seiner Herkunft aus einem (ehemaligen) Oppositionsgebiet würde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Abschließend verwies der Rechtsvertreter auf die bisherigen Anträge in der Beschwerde, die aktuellen Länderberichte und ersuchte um Stattgabe der Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der im Entscheidungszeitpunkt XXXX -jährige Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in XXXX (alternativ XXXX ) im Distrikt XXXX im Gouvernement XXXX geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise am 09.05. 2022 im Familienverband gelebt. 1.1.1. Der im Entscheidungszeitpunkt römisch 40 -jährige Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 in römisch 40 (alternativ römisch 40 ) im Distrikt römisch 40 im Gouvernement römisch 40 geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise am 09.05. 2022 im Familienverband gelebt.
1.1.2. Der BF hat in Syrien die neunte Schulstufe abgeschlossen und mit der zehnten begonnen. Er hat keine Berufsausbildung abgeschlossen und im Supermarkt seines Vaters mitgeholfen, ohne dort beschäftigt gewesen zu sein. Sein Lebensunterhalt in Syrien wurde von seinem Vater getragen.
1.1.4. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Syrien leben seine Eltern, vier Schwestern ( XXXX , geb. 1991; XXXX , geb. 1995; XXXX , geb. 1999 und XXXX , geb. 2001) und ein Bruder ( XXXX , geb. 1993). Drei Brüder ( XXXX , geb. 1987; XXXX , geb. 1989 und XXXX , geb. 1997) leben in der Türkei.1.1.4. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Syrien leben seine Eltern, vier Schwestern ( römisch 40 , geb. 1991; römisch 40 , geb. 1995; römisch 40 , geb. 1999 und römisch 40 , geb. 2001) und ein Bruder ( römisch 40 , geb. 1993). Drei Brüder ( römisch 40 , geb. 1987; römisch 40 , geb. 1989 und römisch 40 , geb. 1997) leben in der Türkei.
Sein Vater besitzt in Syrien einen Supermarkt mehrere Landwirtschaften ein Einfamilienhaus und ein Auto. Seinen Brüdern gehören zwei Häuser. Die finanzielle Situation der Familie ist gut.
Der Beschwerdeführer hat via WhatsApp Kontakt zu seiner Familie in Syrien.
1.1.5. Der Beschwerdeführer hielt sich nach seiner Ausreise vom 09.05.2022 bis zum 13.07.2022 in der Türkei auf und reiste anschließend über Griechenland, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde ohne einen Asylantrag zu stellen, Albanien, Kosovo, Serbien und Ungarn unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich, wo er am 10.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid des BFA vom 07.11.2023 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
1.1.6. Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Gefahr der Einziehung zum verpflichtenden staatlichen Wehrdienst:
1.2.1.1. Das Dorf XXXX (alternativ XXXX ) im Distrikt XXXX im Gouvernement XXXX steht nicht im Einfluss- und Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern unter der Kontrolle der kurdisch geführten „Syrian Democratic Forces“ (SDF). Das syrische Regime hat in XXXX keine Zugriffsmöglichkeit auf die Zivilbevölkerung und keine Möglichkeit zu rekrutieren. 1.2.1.1. Das Dorf römisch 40 (alternativ römisch 40 ) im Distrikt römisch 40 im Gouvernement römisch 40 steht nicht im Einfluss- und Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern unter der Kontrolle der kurdisch geführten „Syrian Democratic Forces“ (SDF). Das syrische Regime hat in römisch 40 keine Zugriffsmöglichkeit auf die Zivilbevölkerung und keine Möglichkeit zu rekrutieren.
1.2.1.1. In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für syrische Staatsbürger im Alter von 18 bis 42 Jahren.
Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt XXXX Jahre alt und hat den Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet. Er hat bislang kein Militärbuch erhalten. Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime auf Grund einer Desertation bzw. Wehrdienstverweigerung oder einer (ihm seitens des syrischen Regimes unterstellten) oppositionellen Gesinnung. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion, in das Dorf XXXX , ist der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Der BF könnte sich von der Ableistung des Wehrdienstes freikaufen.Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt römisch 40 Jahre alt und hat den Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet. Er hat bislang kein Militärbuch erhalten. Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime auf Grund einer Desertation bzw. Wehrdienstverweigerung oder einer (ihm seitens des syrischen Regimes unterstellten) oppositionellen Gesinnung. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion, in das Dorf römisch 40 , ist der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Der BF könnte sich von der Ableistung des Wehrdienstes freikaufen.
Der Beschwerdeführer war in Syrien nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und auch sonst nicht, in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten.
Der Beschwerdeführer kann seinen Herkunftsort über den Grenzübergang XXXX erreichen, ohne vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet betreten zu müssen oder in Kontakt mit Angehörigen des syrischen Militärs oder der syrischen Regierung zu kommen.Der Beschwerdeführer kann seinen Herkunftsort über den Grenzübergang römisch 40 erreichen, ohne vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet betreten zu müssen oder in Kontakt mit Angehörigen des syrischen Militärs oder der syrischen Regierung zu kommen.
1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in Syrien nicht an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen. Ihm wird daher aus diesem Grund auch keine oppositionelle Gesinnung durch das syrische Regime unterstellt. Ebensowenig wird dem Beschwerdeführer aus einem anderen Grund eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Der Beschwerdeführer hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. Dem Beschwerdeführer droht keine Verfolgung durch die syrischen Behörden auf Grund einer politischen Haltung.
1.2.3. Dem Beschwerdeführer wird auf Grund seiner Familienzugehörigkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine oppositionelle Gesinnung durch die syrische Regierung unterstellt. Im droht keine Verfolgung durch die syrischen Behörden auf Grund seiner Familienzugehörigkeit.
1.2.4. Gefahr der Einziehung zur Selbstverteidigungspflicht in der kurdischen Armee:
1.2.4.1. In der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ sind Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, zum „Wehrdienst“ verpflichtet. Die Jahrgänge 1990 bis 1997 sind von der Selbstverteidigungspflicht befreit.
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und XXXX Jahre alt, womit er zu dem Personenkreis gehört, der zur Ableistung des Militärdienstes in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ verpflichtet ist. Der Beschwerdeführer müsste den Militärdienst für ein Jahr erfüllen und würde dabei, vermutlich im Bereich der Versorgung, des Nachschubs oder der Objektbewachung eingesetzt werden. Zum Kampf an der Front werden der „Selbstverteidigungspflicht“ unterliegende Rekruten im Allgemeinen – wenngleich ein solches Risiko im Konfliktfall nicht gänzlich auszuschließen ist – nicht eingesetzt.Der Beschwerdeführer ist am römisch 40 geboren und römisch 40 Jahre alt, womit er zu dem Personenkreis gehört, der zur Ableistung des Militärdienstes in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ verpflichtet ist. Der Beschwerdeführer müsste den Militärdienst für ein Jahr erfüllen und würde dabei, vermutlich im Bereich der Versorgung, des Nachschubs oder der Objektbewachung eingesetzt werden. Zum Kampf an der Front werden der „Selbstverteidigungspflicht“ unterliegende Rekruten im Allgemeinen – wenngleich ein solches Risiko im Konfliktfall nicht gänzlich auszuschließen ist – nicht eingesetzt.
Die Autonomiebehörden sehen eine Verweigerung des Militärdienstes in der „Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien“ nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an. Bei Nichtbefolgung der Einberufung kann – zum Zweck der zwangsweisen Durchsetzung der Wehrpflicht – eine Verhaftung und Anhaltung von ein bis zwei Wochen sowie eine Verlängerung des Militärdienstes um ein Monat drohen. Bei Verweigerung des Militärdienstes ist der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder einer längeren Haftstrafe bedroht.
1.2.4.2.Der Beschwerdeführer ist in der Vergangenheit keinem Rekrutierungsversuch durch kurdische SDF (YPG) ausgesetzt gewesen und hat kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm seitens der kurdischen Autonomiebehörden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Er läuft daher nicht Gefahr seitens der Autonomiebehörden mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.5. Eine Verfolgung auf Grund der Herkunft, der Ausreise der BF und der Asylantragstellung in Österreich bzw. einer ihnen hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist nicht maßgeblich wahrscheinlich. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Den BF droht keine Gefahr, wegen der illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.6. Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von keiner Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Volksgruppenzugehörigkeit, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Im Verfahren wurden im Wesentlichen die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024
- EUAA County Guidacnce: Syria, April 2024
- EASO Syria Military service Country of Origin Information Report April 2021
- EUAA Syria: Security Situation, Country of Origin Information Report, September 2022
- EUAA Targeting of individuals, September 2022
- EUAA Syria Country Focus, Oktober 2023
- UNHCR- Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. Aktualisierte Fassung, März 2021
- Themenbericht der Staatendokumentation, Syrien-Grenzübergänge vom 25. Oktober 2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front (a-12188) vom 18. August 2023
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Aktualität von Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 bezüglich Selbstverteidigungsdienst in der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES); Anwendung des Dekrets in der Stadt Manbidsch; Einberufung älterer Männer zum Selbstverteidigungsdienst; Höchstalter, bis zu dem Wehrdienstverweigerer eingezogen werden können (a-12201-2) 7. September 2023
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Strafregisterauszug und Rekrutierung bei Manbij vom 13. Dezember 2023
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) a- 12201-1 vom 7. September 2023
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, landstreifen entlang der türlischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker:innen ermöglichen (a-12197 vom 24. August 2023)
1.3.1. Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation zu „Syrien“
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2023, wiedergegeben:
„[…]
1.3.1.1. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 08.03.2024
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Jusoor 30.7.2023
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF