Entscheidungsdatum
10.10.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W135 2289841-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 31.01.2022 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am selben Tag fand seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien am 13.10.2021 von seinem Wohnort aus illegal in die Türkei verlassen, weil er als Reservist zum syrischen Militär einberufen worden sei. Auf dem Weg zum Arzt sei er von Leuten des syrischen Regimes überfallen und verschleppt worden. Er sei für eine Woche inhaftiert gewesen. Nach der Entlassung sei er geflohen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Im Fall einer Rückkehr fürchte er, getötet zu werden. Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe oder sonstige Sanktionen drohen würden, führte der Beschwerdeführer eine Haft und die Todesstrafe ins Treffen.
Am 29.06.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Kurmanji niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei in XXXX geboren und habe im Dorf XXXX gelebt. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Eltern, seine Ehefrau, seine beiden Kinder und zwei Schwestern seien nach wie vor in diesem Dorf aufhältig. Drei seiner Brüder seien derzeit im Irak aufhältig, ein weiterer lebe in Dänemark und einer sei in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer habe die Grundschule besucht und als Landwirt gearbeitet, ab und zu habe er auch Transporte mit seinem Auto durchgeführt. Seinen Grundwehrdienst habe er von 2001/2022 bis ca. 2004 als Pkw-Fahrer absolviert; er sei als Fahrer für einen Offizier eingeteilt gewesen. Einen Dienstgrad habe er nicht gehabt, er sei auch als Grundwehrdiener abgerüstet. Er habe Syrien am 13.10.2021 verlassen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Arzt in Qamishli besucht, weil der Arzt von ihm einige Analysen haben wollte. Sein Vater sei auch dabei gewesen. Auf dem Weg sei er am 12.09.2021 bei einem Kontrollpunkt von syrischen Soldaten angehalten und nach seinem Personalausweis gefragt worden. Er habe ihnen gesagt, dass dieser im Auto liegen würde, welches er bei einem Markt geparkt habe. Dann sei er nach seinem Geburtsdatum gefragt worden, was er ihnen genannt habe. Ebenso sei er nach seinem Namen und dem Namen des Vaters befragt worden. Die Soldaten hätten dann telefoniert und ihm gesagt, dass er von der Militärbehörde gesucht werde. Er sei inhaftiert worden und zunächst für eine Woche bis zehn Tage im Gefängnis am Flughafen in Qamishli gewesen. Dort sei er beleidigt und geschlagen worden. Dann sei er nach Idlib in die Stadt XXXX zu einer Kaserne des Regimes gebracht worden, wo er für 15 bis 20 Tage gewesen sei, in diesem Zeitraum habe er keine Waffe bekommen, er sei aber unterrichtet worden. Ein kurdischer Soldat habe ihm dann gesagt, dass sie fliehen könnten und dass mit dem Torposten schon alles organisiert sei. Es sei ein Auto gekommen, dass sie am 13.10.2021 von Idlib illegal in die Türkei gebracht habe. Hierfür habe er 3,5 Millionen syrische Lira bezahlen müssen. Er habe nicht gewusst, dass es in diesem Gebiet in Qamishli einen Kontrollpunkt gebe, sonst wäre er nicht dorthin gegangen. Sein Heimatdorf stehe nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung und er habe dort keine Probleme gehabt. Im Falle einer Rückkehr würde er von den syrischen Kräften verhaftet und ermordet werden, weil er als Verräter angesehen werde. Auch könnte es sein, dass er kämpfen müsse und dann dort ermordet werden würde. Nach Rückübersetzung des Protokolls führte der Beschwerdeführer abschließend noch an, dass sein Vater nur mit nach Qamishli gefahren sei, aber nicht am Kontrollpunkt dabei gewesen sei. Am 29.06.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Kurmanji niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei in römisch 40 geboren und habe im Dorf römisch 40 gelebt. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Eltern, seine Ehefrau, seine beiden Kinder und zwei Schwestern seien nach wie vor in diesem Dorf aufhältig. Drei seiner Brüder seien derzeit im Irak aufhältig, ein weiterer lebe in Dänemark und einer sei in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer habe die Grundschule besucht und als Landwirt gearbeitet, ab und zu habe er auch Transporte mit seinem Auto durchgeführt. Seinen Grundwehrdienst habe er von 2001/2022 bis ca. 2004 als Pkw-Fahrer absolviert; er sei als Fahrer für einen Offizier eingeteilt gewesen. Einen Dienstgrad habe er nicht gehabt, er sei auch als Grundwehrdiener abgerüstet. Er habe Syrien am 13.10.2021 verlassen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Arzt in Qamishli besucht, weil der Arzt von ihm einige Analysen haben wollte. Sein Vater sei auch dabei gewesen. Auf dem Weg sei er am 12.09.2021 bei einem Kontrollpunkt von syrischen Soldaten angehalten und nach seinem Personalausweis gefragt worden. Er habe ihnen gesagt, dass dieser im Auto liegen würde, welches er bei einem Markt geparkt habe. Dann sei er nach seinem Geburtsdatum gefragt worden, was er ihnen genannt habe. Ebenso sei er nach seinem Namen und dem Namen des Vaters befragt worden. Die Soldaten hätten dann telefoniert und ihm gesagt, dass er von der Militärbehörde gesucht werde. Er sei inhaftiert worden und zunächst für eine Woche bis zehn Tage im Gefängnis am Flughafen in Qamishli gewesen. Dort sei er beleidigt und geschlagen worden. Dann sei er nach Idlib in die Stadt römisch 40 zu einer Kaserne des Regimes gebracht worden, wo er für 15 bis 20 Tage gewesen sei, in diesem Zeitraum habe er keine Waffe bekommen, er sei aber unterrichtet worden. Ein kurdischer Soldat habe ihm dann gesagt, dass sie fliehen könnten und dass mit dem Torposten schon alles organisiert sei. Es sei ein Auto gekommen, dass sie am 13.10.2021 von Idlib illegal in die Türkei gebracht habe. Hierfür habe er 3,5 Millionen syrische Lira bezahlen müssen. Er habe nicht gewusst, dass es in diesem Gebiet in Qamishli einen Kontrollpunkt gebe, sonst wäre er nicht dorthin gegangen. Sein Heimatdorf stehe nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung und er habe dort keine Probleme gehabt. Im Falle einer Rückkehr würde er von den syrischen Kräften verhaftet und ermordet werden, weil er als Verräter angesehen werde. Auch könnte es sein, dass er kämpfen müsse und dann dort ermordet werden würde. Nach Rückübersetzung des Protokolls führte der Beschwerdeführer abschließend noch an, dass sein Vater nur mit nach Qamishli gefahren sei, aber nicht am Kontrollpunkt dabei gewesen sei.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA einen syrischen Personalausweis im Original (dieser wurde im Rahmen einer Überprüfung als echt befunden), Kopien der Reisepässe seiner Ehefrau und Kinder, einen Ehevertrag in Kopie, einen Auszug aus dem Familienbuch in Kopie, eine Zustellungsurkunde betreffend den Reservedienst im Original samt Übersetzung und einen Dienstvertrag sowie eine Arbeitsbestätigung einer näher genannten Firma vor.
Mit Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).Mit Bescheid vom römisch 40 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei in Syrien nicht persönlich bedroht oder verfolgt worden und habe auch im Falle einer Rückkehr keine Verfolgung zu befürchten. Er sei in seiner Heimat nicht von den Behörden angehalten oder festgenommen worden. Sein diesbezügliches Vorbringen sei widersprüchlich gewesen. Auch werde er nicht von den Behörden gesucht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er als Reservist von der syrischen Militärbehörde gesucht werde oder er derzeit einer Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte unterliegen würde. Das syrische Regime habe auch keinen Zugriff auf den Herkunftsort des Beschwerdeführers und führe dort keine Zwangsrekrutierungen durch. Der Herkunftsort sei auch ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Darüber hinaus könnte sich der Beschwerdeführer durch die Zahlung einer Gebühr vom Reservedienst bei der syrischen Armee befreien lassen. Auch drohe ihm keine Gefahr aufgrund der Ausreise nach Europa oder der Asylantragstellung. Doch drohe dem Beschwerdeführer aufgrund der aktuell schlechten Sicherheitslage und der unzureichenden Situation der Grundversorgung ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, weshalb ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.
Mit Eingabe vom 27.03.2024 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom XXXX . Darin führte er im Wesentlichen aus, er werde in Syrien aufgrund der Verweigerung des Militärdienstes sowie der Desertation verfolgt. Insbesondere würde ihm unterstellt werden, ein politischer Opponent zu sein. Er sei ein junger gesunder Mann im wehrdienstpflichtigen Alter, der bei seiner Rückkehr gezwungen wäre, an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilzunehmen, was er nicht wolle. Er müsse mit Wahrscheinlichkeit damit rechnen, zum Militärdienst eingezogen zu werden, zumal an Checkpoints insbesondere Personen aus Oppositionsgebieten verhaftet würden. Aufgrund der Asylantragstellung gelte er umso mehr als Feind und Verräter. Sein Heimatort sei zwar überwiegend unter kurdischer Kontrolle, aber auch die syrische Regierung und regierungsnahe Milizen seien in der Region präsent. Auch sei es wahrscheinlich, dass das „kurdische“ Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ erneut ausgedehnt werde und der Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden befürchten müsse. Darüber hinaus würde ihm bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion eine Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit drohen. Mit Eingabe vom 27.03.2024 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides vom römisch 40 . Darin führte er im Wesentlichen aus, er werde in Syrien aufgrund der Verweigerung des Militärdienstes sowie der Desertation verfolgt. Insbesondere würde ihm unterstellt werden, ein politischer Opponent zu sein. Er sei ein junger gesunder Mann im wehrdienstpflichtigen Alter, der bei seiner Rückkehr gezwungen wäre, an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilzunehmen, was er nicht wolle. Er müsse mit Wahrscheinlichkeit damit rechnen, zum Militärdienst eingezogen zu werden, zumal an Checkpoints insbesondere Personen aus Oppositionsgebieten verhaftet würden. Aufgrund der Asylantragstellung gelte er umso mehr als Feind und Verräter. Sein Heimatort sei zwar überwiegend unter kurdischer Kontrolle, aber auch die syrische Regierung und regierungsnahe Milizen seien in der Region präsent. Auch sei es wahrscheinlich, dass das „kurdische“ Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ erneut ausgedehnt werde und der Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden befürchten müsse. Darüber hinaus würde ihm bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion eine Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit drohen.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt am 08.04.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.09.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Kurmanji zu seinen Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Syrien Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang brachte der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Kurdisch-Kurmanji.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf namens XXXX im Distrikt XXXX im Gouvernement XXXX . Der Beschwerdeführer ist dort aufgewachsen und hat bis zu seiner Ausreise aus Syrien immer dort gelebt. Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf namens römisch 40 im Distrikt römisch 40 im Gouvernement römisch 40 . Der Beschwerdeführer ist dort aufgewachsen und hat bis zu seiner Ausreise aus Syrien immer dort gelebt.
Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers leben ebenso wie seine Mutter nach wie vor im Dorf XXXX Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Einer seiner Brüder ist ebenfalls in Österreich aufhältig, ein weiterer Bruder lebt in Dänemark. Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers leben ebenso wie seine Mutter nach wie vor im Dorf römisch 40 Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Einer seiner Brüder ist ebenfalls in Österreich aufhältig, ein weiterer Bruder lebt in Dänemark.
Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist das XXXX und dessen umliegende Umgebung anzusehen. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet sich aktuell unter der Kontrolle der kurdischen Autonomiebehörden. Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist das römisch 40 und dessen umliegende Umgebung anzusehen. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet sich aktuell unter der Kontrolle der kurdischen Autonomiebehörden.
Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Oktober 2021 illegal in die Türkei, wo er sich für etwa drei oder vier Monate aufhielt, bevor er über mehrere unbekannte Länder nach Österreich einreiste und hier am 31.01.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Einberufung bzw. Zwangsrekrutierung zum Reservedienst der syrischen Armee ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat seinen Grundwehrdienst im Zeitraum der Jahre 2002 bis 2004 als Pkw-Fahrer abgeleistet; er war als Fahrer eines Offiziers eingeteilt. Er hatte den Rang eines Rekruten inne und erhielt keine Spezialausbildung. Darüber hinaus steht die Herkunftsregion des Beschwerdeführers nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet der syrischen Zentralregierung, sondern unter der Kontrolle der kurdischen SDF. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch ohne Kontakt zu den syrischen Behörden erreichbar.
Auch droht dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien aktuell nicht konkret und individuell die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch die syrische Zentralregierung aufgrund der behaupteten Entziehung von der Ableistung des Reservedienstes in der syrischen Armee bzw. einer ihm hierdurch allenfalls unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2017 nicht zum Reservedienst in die syrische Armee einberufen. Auch wurde der Beschwerdeführer im Jahr 2021 nicht von Soldaten des syrischen Militärs an einem Checkpoint festgenommen und inhaftiert.
In der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“, in der sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet, sind Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, zum „Wehrdienst“ verpflichtet. Der im Jahr XXXX geborene, nunmehr XXXX -jährige Beschwerdeführer unterliegt daher aktuell nicht mehr der „Wehrpflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“. In der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“, in der sich die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet, sind Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben, zum „Wehrdienst“ verpflichtet. Der im Jahr römisch 40 geborene, nunmehr römisch 40 -jährige Beschwerdeführer unterliegt daher aktuell nicht mehr der „Wehrpflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“.
Abgesehen davon würden die kurdischen Autonomiebehörden dem Beschwerdeführer – selbst wenn dieser tatsächlich zum „Wehrdienst“ eingezogen werden sollte – im Falle einer Verweigerung, den Dienst in den „Selbstverteidigungseinheiten“ zu leisten, keine oppositionelle oder politische Gesinnung unterstellen und würde dem Beschwerdeführer auch keine unverhältnismäßige Strafe drohen. Ebenso wäre eine Weigerung des Beschwerdeführers, den „Wehrdienst“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ abzuleisten, auch nicht Ausdruck einer politischen oder oppositionellen Gesinnung.
Der Beschwerdeführer hat sich in Syrien nicht politisch betätigt. Er hat im gesamten Verfahren auch keine oppositionelle Einstellung gegenüber der SDF vorgebracht. Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz. Wenn der Beschwerdeführer im Falle seiner hypothetischen Rückkehr versuchen sollte, diesem Dienst zu entgehen, wird er mit der Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft und allenfalls einer vorhergehenden Haft im Ausmaß von ein bis zwei Wochen. Der Beschwerdeführer ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlungen verpflichtet.
Er ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verlegung an die Front ausgesetzt und muss sich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Begehung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen.
Dem Beschwerdeführer droht auch nicht als Angehöriger seiner in Österreich bzw. in Dänemark aufhältigen Brüder bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer „Reflexverfolgung“ durch die syrische Zentralregierung.
Auch droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nicht die reale Gefahr einer Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit.
Ebenso droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Herkunft, seiner illegalen Ausreise oder seiner Asylantragstellung im Ausland bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (LIB)
? UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021 (UNHCR)
? EUAA Country Guidance: Syria aus April 2024 (EUAA)
? ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07.09.2023 zu Syrien: Aktualität von Dekret Nr. 3 vom 4. September 2021 bezüglich Selbstverteidigungsdienst in der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES); Anwendung des Dekrets in der Stadt Manbidsch; Einberufung älterer Männer zum Selbstverteidigungsdienst; Höchstalter, bis zu dem Wehrdienstverweigerer eingezogen werden können [a-12201-2]
? ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien vom 24.08.2023: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker.innen ermöglichen [a-12197]
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:12
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Sicherheitslage
Türkische Militäroperationen in Nordsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08 12:27
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"Operation Friedensquelle" (türk. "Bar?? P?nar? Harekât?")
Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump Anfang Oktober 2019 ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9.10.2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens. Im Zuge dessen riefen die kurdischen Behörden eine Generalmobilisierung aus. Einerseits wollte die Türkei mithilfe der Offensive die YPG und die von der YPG geführten Syrian Democratic Forces (SDF) aus der Grenzregion zur Türkei vertreiben, andererseits war das Ziel der Offensive, einen Gebietsstreifen entlang der Grenze auf syrischer Seite zu kontrollieren, in dem rund zwei der ungefähr 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben, angesiedelt werden sollen (CNN 10.10.2019). Der UN zufolge wurden innerhalb einer Woche bis zu 160.000 Menschen durch die Offensive vertrieben und es kam zu vielen zivilen Todesopfern (UN News 14.10.2019). Im Hinterland begannen IS-Zellen, Anschläge zu organisieren (GEG 3.4.2023). Medienberichten zufolge sind in dem Gefangenenlager ?Ayn Issa 785 ausländische IS-Sympathisanten auf das Wachpersonal losgegangen und geflohen (Standard 13.10.2019). Nach dem Beginn der Operation kam es außerdem zu einem Angriff durch IS-Schläferzellen auf die Stadt Raqqa. Die geplante Eroberung des Hauptquartiers der syrisch-kurdischen Sicherheitskräfte gelang den Islamisten jedoch nicht (Zeit 10.10.2019). Auch im Zuge der türkischen Militäroperation "Friedensquelle" kam es zu Plünderungen und gewaltsamen Enteignungen von Häusern und Betrieben von Kurden, Jesiden und Christen durch Türkei-nahe Milizen (ÖB Damaskus 12.2022).
Die syrische Armee von Präsident Bashar al-Assad ist nach einer Einigung mit den SDF am 14.10.2019 in mehrere Grenzstädte eingerückt, um sich der "türkischen Aggression" entgegenzustellen, wie Staatsmedien berichteten (Standard 15.10.2019). Laut der Vereinbarung übernahmen die Einheiten der syrischen Regierung in einigen Grenzstädten die Sicherheitsfunktionen, die Administration soll aber weiterhin in kurdischer Hand sein (WP 14.10.2019). Seitdem verblieben die Machtverhältnisse [mit Stand April 2023] weitgehend unverändert (GEG 3.4.2023). Die syrischen Regierungstruppen üben im Gebiet punktuell Macht aus, etwa mit Übergängen zwischen einzelnen Stadtvierteln (z. B. Stadt Qamischli im Gouvernement Al-Hassakah) (AA 29.3.2023). Nach Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und Russland richtete die Türkei eine "Sicherheitszone" in dem Gebiet zwischen Tall Abyad und Ra's al-?Ayn ein (SWP 1.1.2020), die 120 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist (AA 19.5.2020). […]
Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)
Letzte Änderung 2024-03-08 15:02
Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Z