Entscheidungsdatum
10.10.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W117 2277858-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , Zl., nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch , gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , Zl., nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer (BF), Staatsangehöriger Syriens, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 13.09.2022 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
Der Beschwerdeführer führte zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass die Lage in Syrien sei schlecht geworden. Er müsse zum Militär einrücken und wolle das nicht. Das sind all seine Fluchtgründe, weitere habe er nicht. Bei einer Rückkehr in seine Heimat, befürchte er müsse kämpfen und habe Angst zu sterben.
3. Am 2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, Syrien wegen des drohenden Reservedienstes verlassen zu haben. Er möchte den Reservedienst nicht leisten, da er dort Menschen töten müsse und weil er keine Waffen tragen möchte. Bei einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer zum Reservedienst eingezogen oder verhaftet zu werden.
Im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA legte der Beschwerdeführer ein Original des Personalausweises, eine Kopie des Auszugs des Eheregisters, eine Kopie des Auszugs des Familienregisters, eine Kopie des Auszugs des Personenregisters und eine Kopie des Auszugs seiner syrischen Geburtsurkunde vor.
4. Mit den angefochtenen Bescheid vom wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).4. Mit den angefochtenen Bescheid vom wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
5. Das BFA traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien. Das BFA stellte fest, dass den Beschwerdeführer in Syrien keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war bzw. dass er eine solche Verfolgung zukünftig nicht zu befürchten habe. Die Identität des Beschwerdeführers stehe fest.
Die abweisenden Entscheidungen begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass es den Beschwerdeführern nicht gelungen sei, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität aus einem Konventionsgrund glaubhaft zu machen.
6. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. In diesen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer von 2009 bis Oktober 2011 den regulären Militärdienst abgeleistet habe. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2013 an einem Checkpoint in Manbij von syrischen Behörden kontrolliert und aufgefordert worden, sich innerhalb einer Woche bei der Rekrutierungsstelle zu melden. Weil er den Reservemilitärdienst nicht leisten wollte, verließ der Beschwerdeführer seine Heimatregion und hielt sich für die nächsten fünf Jahre im damals von der FSA kontrollierten Azaz auf. Ende 2022 verließ der Beschwerdeführer auf illegalem Weg Syrien um einer zwangsweisen Einziehung zu entgehen. Der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und gelte für die syrischen Behörden aktuell als zum Reservedienst gesucht., was aus einer Abfrage auf der Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums ergäbe. Würde der BF in seinen Herkunftsort, eigentlich ein von den kurdischen Kräften kontrolliertes Gebiet, zurückkehren, könne er sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einem Zugriff der syrischen Regierung und Armee entziehen. Zudem würde ihnen aufgrund der Ausreise und Asylantragstellung in Europa bei Rückkehr nach Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden und eine staatliche Verfolgung aus politischen Gründen drohen. 6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. In diesen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer von 2009 bis Oktober 2011 den regulären Militärdienst abgeleistet habe. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2013 an einem Checkpoint in Manbij von syrischen Behörden kontrolliert und aufgefordert worden, sich innerhalb einer Woche bei der Rekrutierungsstelle zu melden. Weil er den Reservemilitärdienst nicht leisten wollte, verließ der Beschwerdeführer seine Heimatregion und hielt sich für die nächsten fünf Jahre im damals von der FSA kontrollierten Azaz auf. Ende 2022 verließ der Beschwerdeführer auf illegalem Weg Syrien um einer zwangsweisen Einziehung zu entgehen. Der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und gelte für die syrischen Behörden aktuell als zum Reservedienst gesucht., was aus einer Abfrage auf der Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums ergäbe. Würde der BF in seinen Herkunftsort, eigentlich ein von den kurdischen Kräften kontrolliertes Gebiet, zurückkehren, könne er sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einem Zugriff der syrischen Regierung und Armee entziehen. Zudem würde ihnen aufgrund der Ausreise und Asylantragstellung in Europa bei Rückkehr nach Syrien eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden und eine staatliche Verfolgung aus politischen Gründen drohen.
7. Das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) führte am eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführer, ihre Rechtsvertretungen sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das BFA hat im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.
Die Verhandlung nahm folgenden Verlauf:
„Eröffnung des Beweisverfahrens:
Verlesen wird der bisherige Akteninhalt; festgehalten wird, dass der BF im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehör eine Stellungmahne abgab, diese wird hiermit verlesen.
R: Sie wurden zwei Mal im Verfahren vor der Behörde befragt. Sind diese Angaben richtig und vollständig?
BF: Ja, ich habe die Wahrheit erzählt.
R: Wollen Sie dem noch etwas hinzufügen
BF: Nein.
R: Bei der Erstbefragung am 13.09.2022 haben Sie unter anderem angeführt, dass Sie einen Bruder hätten, namens (…), 26 Jahre alt, welcher in Österreich lebe und asylberechtigt sei. Da wäre ein Namensunterschied. Ihr Name ist (…) und Ihr Bruder heißt (…). Können Sie mir das erklären?
BF: Eigentlich hat er den selben Nachnamen wie ich, das war wahrscheinlich ein Fehler.
R: Ich habe Ihren Bruder nicht im System gefunden. Können Sie irgendetwas vorlegen über den Bruder? Eine Kopie von seiner Asylkarte bspw.?
BF: Reicht ein Foto vom Ausweis? Ich würde ihn jetzt anrufen.
Festgehalten wird, dass der BF mit seinem Bruder im Verhandlungsaal telefonisch Kontakt aufnimmt.
Festgehalten wird, dass der BF die Asylkarte seines Bruders übermittelte.
R: Hat das Schicksal Ihres Bruders mit Ihrem Schicksal zu tun? Stehen Ihre Ausreisegründe/Fluchtgründe in einen unmittelbaren/mittelbaren Zusammenhang? Wann wurde ihrem Bruder Asyl gewährt?
BF: Mein Bruder wird auf Grund seines Wehrdienstes gesucht und ich auf Grund meines Reservedienstes. Nachgefragt: Mein Bruder ist 1996 geboren.
R: Wann haben Sie den Wehrdienst abgeleistet?
BF: Im Jahr 2009 habe ich begonnen und während der Ereignisse war ich fertig.
R. Wie lange haben Sie Wehrdienst abgeleistet?
BF: Zwei Jahre und drei, oder vier Monate.
R: In welcher Funktion waren Sie?
BF: Ich war in der Luftabwehr.
R: Welchen Dienstrang hatten Sie?
BF: Ich war ein einfacher Grundwehrdiener. Ich war auf einer bestimmten Waffe ausgebildet.
R: Auf welcher?
BF: Auf die 23MT.
R: Ist das eine Fliegerabwehrkanone?
BF: Ja.
R: Welche Funktion hatten Sie?
BF: Ich war für das Nachladen zuständig. Nachgefragt: Nicht für das abfeuern. Wir waren zu 5. und meine Aufgaben war das nachladen. Wir wurden auf alles ausgebildet, aber im Fall der Fälle, wäre meine Rolle das Nachladen.
R: Was war Ihr Dienstgrad?
BF: Einfacher Rekrut. Zwei Jahre lang war der Grundwehrdienst und deshalb hatte ich den selben Dienstgrad wie am Anfang.
R: Haben Sie den Grundwehrdienst regulär vollständig abgeleistet gehabt oder vorzeitig?
BF: Ich musste noch weitere 6 Monate nach meinem Wehrdienst dienen, danach bin ich abgerüstet. Eigentlich ist die reguläre Grundwehrdienstzeit ein Jahr und neun Monate lang. Ich hatte + 6 Monate.
R: Wurden Sie kämpferisch während Ihres Wehrdienstes eingesetzt?
BF: Nein, aber wir waren ständig in Bereitschaft, falls etwas passieren sollte.
R: Gab es hinsichtlich Ihrer Person während des Wehrdienstes irgendwelche Vorkommnisse oder hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten?
BF: Es gab immer wieder Strafen, die alle betrafen, aber das hat dazugehört.
R: Was haben Sie beruflich nach dem Grundwehrdienst gemacht?
BF: Ich war in der Landwirtschaft tätig.
R: Haben Sie eine Landwirtschaft?
BF: Mein Vater hat Land und ich habe ihn unterstützt.
R: Wer von Ihren Familienangehörigen lebt aktuell noch in Syrien?
BF: Mein Vater, meine zwei Schwestern und meine Frau und meine Kinder. Nachgefragt: Mein Sohn ist 8 Jahre alt, mein zweiter Sohn ist 6 Jahre alt, meine ältere Tochter ist 4 Jahre alt und die jüngere ist ungefähr 2 Jahre alt.
R: Leben Ihre Familienangehörigen alle zusammen oder leben sie getrennt?
BF: Mein Vater lebt zusammen mit seiner Frau und ihre Kinder. Meine Schwestern sind verheiratet.
R: Leben alle an dem Ort, den Sie bei der Erstbefragung nannten?
BF: Ja. Nachgefragt: Die Landwirtschaft wird immer noch betrieben.
R: Sie haben 6 Brüder?
BF: Wir sind 8 Männer und wir haben zwei Schwestern. Ich habe 7 Brüder. Nachgefragt: Der älteste ist 45 Jahre alt, der nächstältere ist 43 Jahre alt, der drittälteste ist 42, der vierte Bruder ist 40, der fünfte 37, danach komme ich, mein jüngerer Bruder ist 30 Jahre alt und der jüngste ist 28 Jahre alt. Der jüngste ist in Österreich.
R: Leben alle in Syrien außer der eine, in Österreich?
BF: Zwei befinden sich im Irak, zwei in Jordanien, einer in Algerien und einer in Großbritannien.
R: Welchen Staus hat der Bruder in Großbrittanien?
BF: Asyl. Nachgefragt: Weil er auch auf Grund seines Reservedienstes gesucht wird.
R: Warum halten sich die anderen Brüder nicht in Syrien auf?
BF: Mein ältester Bruder Ahmed pendelt zwischen dem Irak und Syrien. Mein zweitältester Bruder lebt im Irak und die zwei Brüder in Jordanien zogen dorthin nachdem der IS bei uns die Kontrolle hatte und der Bruder in Algerien vor dem Wehrdienst dorthin flüchtete.
R: Der pendelnde Bruder hat doch dasselbe Problem oder?
BF: Er ist 45 Jahre alt und der Reservedienst geht nur bis zum 42. Lebensjahr.
R: Haben Sie in Syrien einer Partei angehört?
BF: Nein.
R: Welche Schulbildung haben Sie?
BF: Ich habe die Schule bis zur 6. Klasse besucht.
R: Sonst haben Sie immer in der Landwirtschaft gearbeitet?
BF: Ja.
R: Waren Sie jemals inhaftiert?
BF: Nein, war ich nicht. Ich war immer mit meiner Arbeit beschäftigt, deswegen habe ich das Haus und das Land nie verlassen.
R: Haben Sie an Demos teilgenommen?
BF: In Syrien schon, das war zu Beginn der Ereignisse.
R: War das 2010?
BF: Ungefähr im Jahr 2011. Nachgefragt: Das war nachdem ich den Dienst abgeleistet hatte.
R: Hat es da Konsequenzen wegen der Teilnahme gegeben?
BF: Nein, diese Demos wurden meistens sehr schnell aufgelöst.
R: Haben sie in Österreich an Demos teilgenommen?
BF: Ja, manchmal wenn veröffentlicht wird, dass es eine Demo gibt, dann nehme ich teil.
R: Sind Sie auf Facebook oder sonstigen Sozialen Netzwerken aktiv?
BF: Nein.
R: Kontakt mit der Familie haben Sie nur über Telefon?
BF: Ja.
Festgehalten wird, dass der BF nicht vorbestraft ist. Es erscheint keine Verurteilung auf.
R bringt in das Verfahren ein: Länderinformationsblatt Staatendokumentation, Themenbericht der Staatendokumentation, Grenzübergänge, Country Guidance.
Festgehalten wird, dass das BFA den aktuellen Bescheid über die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsverlängerung des subsidiären Schutzes für 2 Jahre verlängert wurde.
BF: Den Brief habe ich bekommen.
RV: Wurden Sie in Syrien jemals aufgefordert den Reservedienst anzutreten? Regierungsvorlage, Wurden Sie in Syrien jemals aufgefordert den Reservedienst anzutreten?
BF: Ja.
RV: Bitte berichten Sie darüber. Regierungsvorlage, Bitte berichten Sie darüber.
BF: Ich wurde an einem Kontrollposten aufgehaltem. Ich war damals Ende 2012 auf dem Weg zu einer anderen Ortschaft. Man kontrollierte meinen Personalausweis. Der Soldat hat im System nachgesehen und meinte zu mir, ich werde auf Grund meines Reservedienstes gesucht werden und dass ich eine Woche Zeit hätte mich bei der zuständigen Rekrutierungsstelle zu melden. Am nächsten Tag trat ich meine Flucht auf.
R: Wohin sind Sie da geflüchtet?
BF: In die befreiten Gebiete.
R: In Syrien?
BF: Ja.
R: Dort, wo Ihr Vater die Landwirtschaft hat?
BF: Das waren Gebiete, wo die FSA die Kontrolle hatte. In der Nähe von Azaz.
R: Wie lange hab en Sie sich dort aufgehalten?
BF: Zwei bis drei Jahre.
BF: Waren Sie alleine?
BF. Ja.
R: Wo war der Rest der Familie?
BF: Sie blieben dort, wo ich ursprünglich herkomme und zwar in diesem Gebiet, wo das Regime die Kontrolle hat.
R: Was war nach den zwei Jahren?
BF: Nach zwei Jahren erlangte die FSA die Kontrolle über mein Heimatgebiet und ich kehrte zurück.
R: Dann blieben Sie bis zum Verlassen Ihres Herkunftsstaates dort?
BF: Ja, das Regime war am Anfang 50 km von uns entfernt, mit der Zeit waren es nur noch 4 km. Mein Leben befand sich deswegen in Gefahr und ich musste flüchten.
R: Vorhin haben Sie gesagt, Sie haben das Haus ohnehin nicht verlassen. Wieso sehen Sie sich dann gefährdet, wegen der 4 km entfernten Regimekontrolle?
BF: Das Regime könnte jederzeit das gesamte Gebiet einnehmen.
RV: Warum wollen Sie den Reservedienst nicht ableisten? Regierungsvorlage, Warum wollen Sie den Reservedienst nicht ableisten?
BF: Ich bin dagegen, ich möchte das Regime nicht unterstützen und gegen mein Volk kämpfen.
R: Bei der Verwaltungsbehörde haben Sie diese selbige Frage im Rahmen ihrer Einvernahme am 02.08.2023 abweichend geantwortet. Da haben Sie auf die Frage „Warum möchten Sie keinen Reservedienst leisten?“ wörtlich folgende angegeben: „Weil ich dort Menschen töten müsste, ich will keine Waffen tragen und keine Menschen töten.“ Heute weiten Sie diese Antwort aus, in dem Sie das Regime nicht unterstützen wollen. Was sagen Sie dazu?
BF: Ich möchte tatsächlich keine Waffe tragen müssen und ich bin auch gegen das Töten von Menschen.
R: Wenn dem so wäre, dann drängt sich doch die Frage auf, warum haben Sie überhaupt den Wehrdienst im Ausmaß von 2 Jahren und drei Monaten geleistet und wurden an Waffen ausgebildet? Mit dieser Einstellung hätten Sie sich schon im Jahre 2009 verabschieden müssen, da das Asad Regime schon damals ein absolutes Willkür-Regime war und das haben Sie mit ihrem Grundwehrdienst auch unterstützt.
BF: Zu der Zeit meines Wehrdienstes hatten die Ereignisse noch nicht ganz begonnen. Es gab die Demos und vereinzelte Vorfälle. Es gab aber noch nicht diese Massaker.
RV: Wie heißt der Ort in den Sie bis zu Ihrer Ausreise gelebt haben? Regierungsvorlage, Wie heißt der Ort in den Sie bis zu Ihrer Ausreise gelebt haben?
BF: Jub Al-Quatshli (phonetisch).
RV: In welchen Teil Syriens liegt dieser Ort? Regierungsvorlage, In welchen Teil Syriens liegt dieser Ort?
BF: Zwischen Manbij und Sad Tisaril.
RV: Wer hatte die Kontrolle zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise und wer hat hetzt dort die Kontrolle? Regierungsvorlage, Wer hatte die Kontrolle zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise und wer hat hetzt dort die Kontrolle?
BF: So wie damals, als auch jetzt, die Kurden.
RV: Können Sie der Zwangsrekrutierung in ihrem Herkunftsort entkommen? Regierungsvorlage, Können Sie der Zwangsrekrutierung in ihrem Herkunftsort entkommen?
BF: Nein.
RV: Warum nicht? Regierungsvorlage, Warum nicht?
BF: Es ist ein sehr kleines Dorf, man würde mich finden.
RV: Sie haben vorher gesagt, dass dieser Ort unter Kontrolle der Kurden ist, warum glauben Sie, dass Sie die syrische Regierung dort finden könnte? Regierungsvorlage, Sie haben vorher gesagt, dass dieser Ort unter Kontrolle der Kurden ist, warum glauben Sie, dass Sie die syrische Regierung dort finden könnte?
BF: Die Kurden arbeiten mit dem Regime zusammen.
RV: Keine weiteren Fragen. Regierungsvorlage, Keine weiteren Fragen.
Schluss des Beweisverfahrens“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer führt die im Erkenntniskopf genannten Namen und die dort angeführten Geburtsdaten. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch, welche er in Wort und Schrift beherrscht.
Der Beschwerdeführer stammt aus der im Gouvernement Aleppo gelegenen Stadt Manbij. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers steht im Entscheidungszeitpunkt unter Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces – Syrische Demokratische Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES). Im AANES Gebiet gibt es zwar in den Städten Al Hassakah und Qamishli, in sogenannten „Sicherheitsquadraten“, eine Präsenz der syrischen Regierung, doch stammt der Beschwerdeführer aus einem Ort, der sich nicht in der Nähe solcher befindet.
Der Beschwerdeführer besuchte im sechs Jahre lang die Schule. Er war im Herkunftsstaat als Landwirt und Bauarbeiter tätig.
Ende Juni 2022 reiste der Beschwerdeführer aus Syrien in die Türkei aus, bis er schließlich über mehrere Länder unrechtmäßig nach Österreich einreiste und am einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
Die Ehefrau und die vier gemeinsamen Kinder sowie der Vater und seine Schwestern leben in Syrien. Zwei Brüder leben im Irak, zwei Brüder leben in Jordanien, ein Bruder lebt in Algerien, ein Bruder lebt in Großbritannien und ein Bruder lebt in Österreich. Zwei Schwester der Beschwerdeführer sind weiterhin in Syrien aufhältig.
Dem in Österreich lebenden Bruder des Beschwerdeführers wurde in Österreich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W221 2236495-1 vom 10.12.2020 Asyl gemäß §3 AsylG 2005 wegen dessen Entziehung des Wehrdienstes (zur syrischen Armee) gewährt.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet weder an einer schweren noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer verließ Syrien wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges. Die Beschwerdeführer waren in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
Die Beschwerdeführer hat den Militärdienst für die syrische Armee im Jahr 2009 bis Oktober 2011 abgeleistet. Der Beschwerdeführer diente in der Luftabwehr, war auf der Fliegerabwehrkanone „23MT“ ausgebildet war für das Nachladen zuständig. „Im Fall der Fälle, wäre meine Rolle das Nachladen. Sein Dienstrang war von Anfang bis Ende des Wehrdienstes der eines einfachen Grundwehrdieners (einfachen Rekruten). „Es gab immer wieder Strafen, die alle betrafen, aber das hat dazugehört.“
Der 34-jährige Beschwerdeführer, befindet sich damit grundsätzlich im wehrpflichtigen Alter hinsichtlich des gesetzlich vorgesehenen Reservedienstes der syrischen Regierung im Gebiet unter ihrer Kontrolle und es liegen auch keine Ausnahmegründe vor.
Dem Beschwerdeführer droht aber in seinem Herkunftsgebiet im Falle der Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Einberufung zum Reservedienst bei der syrischen Armee und auch keine Bestrafung durch syrische Behörden aufgrund des Entzugs vom Wehrdienst durch seine Ausreise. Die syrische Regierung ist grundsätzlich nicht in der Lage, in Gebieten, die unter Kontrolle der SDF stehen, zu rekrutieren oder Wehrdienstverweigerer zu verhaften und zu bestrafen.
Der Beschwerdeführer kann nach Syrien über den Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur einreisen. Dieser steht unter Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte, sodass er dort von syrischen Sicherheitskräften nicht eingezogen oder festgenommen werden kann. Der Beschwerdeführer hätte bei seiner Rückkehr in ihre Heimatregion auch keine Gebiete zu durchqueren, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden. Dem Beschwerdeführer ist es somit möglich, in das kurdische Gebiet und den Heimatort zu reisen, ohne in den Einflussbereich der syrischen Regierung zu gelangen.
Aber selbst im Falle der hypothetischen Einberufung zum Reservedienst der syrischen Armee, würde den Beschwerdeführe aber aufgrund der Nichtableistung des Reservedienstes keine oppositionelle politische Gesinnung durch die syrische Regierung unterstellt werden.
Der Beschwerdeführer war in Syrien nicht politisch tätig, hat in Syrien keine Straftaten begangen, wurde nie verhaftet und geriet nie als Gegner des Regimes in das Blickfeld der syrischen Regierung; selbst die von ihm angeführten Bestrafungen während des Militärdienstes betrafen alle (Rekruten) und standen in keinem Zusammenhang mit in der GFK genannten Gründen.
Der Beschwerdeführer ist im Fall der Rückkehr nach Syrien auch sonst nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus in der GFK angeführten Gründen der realen Gefahr ausgesetzt, durch das syrische Regime oder die Kontrolle über sein Heimatgebiert ausübende Macht mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem von den SDF kontrollierten Gebiet. In Syrien besteht darüber hinaus in Gebieten unter der Kontrolle der SDF ein verpflichtender Militärdienst für Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Jede Familie ist verpflichtet, eine männliche Person für die SDF zu stellen.
Der Beschwerdeführer hat mit seinen 34 Jahren die Altersgrenze für die Selbstverteidigungspflicht bei den kurdischen Streitkräften bereits überschritten. Seit dem 04.09.2021 sind die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit. Es ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine Zwangsrekrutierung durch die SDF droht.
Selbst im Falle der Einziehung der Beschwerdeführer zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht würde diesen auch durch kurdische Behörden keine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt und ihnen droht im Falle einer Weigerung keine unverhältnismäßige Strafe. Ein Einsatz im Rahmen dieses Militärdienstes würde nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Front erfolgen, sondern mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz. Auch würde den Beschwerdeführern aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit zu den Arabern keine schlechtere Behandlung drohen.
Der Beschwerdeführer wurde nicht unmittelbar rekrutiert und hatte auch kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihnen seitens der kurdischen Kräfte eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde. Er wäre im Fall seiner Rückkehr keiner realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von kurdischen Kräften mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Da das syrische Regime nicht die Kontrolle über die Heimatgegend des Beschwerdeführers hat, kommt seiner Teilnahme an Demonstrationen nach Ableistung des Wehrdienstes im Jahre 2011 keine Relevanz zu; selbst wenn aber das syrische Regime die Kontrolle ausüben würde, würde ihm deswegen keine Konsequenzen drohen, wie er ausdrücklich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht versicherte:
R: Hat es da Konsequenzen wegen der Teilnahme gegeben?
BF: Nein, diese Demos wurden meistens sehr schnell aufgelöst.
Auch wegen der Teilnahme an Demonstrationen in Österreich droht dem Beschwerdeführer keine entsprechende Verfolgung in Syrien, selbst wenn das syrische Regime die Kontrolle über die Heimatregion des Beschwerdeführers wiedererlangen könnte, da der Beschwerdeführer offensichtlich nicht entsprechend auffiel.
BF: Ja, manchmal wenn veröffentlicht wird, dass es eine Demo gibt, dann nehme ich teil.
R: Sind Sie auf Facebook oder sonstigen Sozialen Netzwerken aktiv?
BF: Nein.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Eigenschaft als sunnitischer Araber.
Ebenso wenig droht dem Beschwerdeführer allein aufgrund seiner Ausreise oder Asylantragstellung oder Lebensführung die Gefahr, im Fall seiner Rückkehr nach Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Auch sonst sind ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Im Verfahren wurden die folgenden Quellen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer herangezogen:
● Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024:
● EUAA –Leitfaden April 2024
● Bericht DIS (Danish immigration Service), Syria Treatment upon return vom Mai 2022
● Anfragebeantwortung der Staatendokumentation SYRIEN Zugriff des syrischen Regimes auf Deserteure in der AANES April 2024
● Anfragebeantwortung zu Syrien: Gefälschte Dokumente bzw. echte Dokumente mit wahrheitswidrigem Inhalt (insb. Militär- u. Personalausweise, Strafregister-, Personenstands- und Familienbuchauszüge); Häufigkeit, Erlangung, Vorgehensweise, Preis, Bezahlung, Aushändigung durch Schlepper) [a-12196] 3. August 2023
● Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197] 24.08.2023
● Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] 6. September 2023
● Turkey_Syria_Border_Crossing_Status_Update_20230418 _EN (1).pdf OCHA 18.04.2023
● Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023
Aus dem Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation, Stand: 27.03.2024
„Sicherheitslage
[…]
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweiseruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023). Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen ’Operation Claw-Sword’, die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten ’eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen’ in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen ’Operation Claw-Sword’, die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten ’eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen’ in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei
bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
[…]
Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)
Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streit