Entscheidungsdatum
14.10.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W278 2284700-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2023, Zl. 1327468005-223123473, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.08.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2023, Zl. 1327468005-223123473, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.08.2024, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 06.10.2022 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
Am 19.09.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt oder BFA) und legte der BF einen syrischen Personenstandsregisterauszug, einen Familienregisterauszug und eine Heiratsurkunde im Original vor.
Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 12.12.2023 wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der BF zwar unzweifelhaft wehrpflichtig für den Militärdienst des syrischen Regimes sei, er jedoch bis zur Ausreise nicht im Regimegebiet gelebt habe und die Regierung bzw. die Armee daher keinen Zugriff auf ihn habe. Der BF habe nicht vorgebracht, eine Rekrutierung durch die Al-Nusra bzw. HTS zu befürchten oder von einem Rekrutierungsversuch betroffen gewesen zu sein. Der BF sei weder politisch aktiv gewesen, noch habe er an Demonstrationen teilgenommen. Glaubhaft und plausibel sei hingegen, dass er sein Heimatland aufgrund der allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage verlassen habe. Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Syrien sei dem BF subsidiärer Schutz zuzuerkennen.Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 12.12.2023 wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der BF zwar unzweifelhaft wehrpflichtig für den Militärdienst des syrischen Regimes sei, er jedoch bis zur Ausreise nicht im Regimegebiet gelebt habe und die Regierung bzw. die Armee daher keinen Zugriff auf ihn habe. Der BF habe nicht vorgebracht, eine Rekrutierung durch die Al-Nusra bzw. HTS zu befürchten oder von einem Rekrutierungsversuch betroffen gewesen zu sein. Der BF sei weder politisch aktiv gewesen, noch habe er an Demonstrationen teilgenommen. Glaubhaft und plausibel sei hingegen, dass er sein Heimatland aufgrund der allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage verlassen habe. Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Syrien sei dem BF subsidiärer Schutz zuzuerkennen.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF am 05.01.2024 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen und führte ergänzend aus, dass ihm im Falle einer Rückkehr die Einberufung zum Wehrdienst in der syrischen Armee drohe, da er den Pflichtwehrdienst noch nicht abgeleistet habe und werde er sich bei der Ableistung an Kriegsverbrechen beteiligen müssen. Es drohe ihm auch eine Zwangsrekrutierung durch die jihadistische HTS. Er lehne eine Beteiligung an Kampfhandlungen aus Gewissensgründen ab. Hinzu komme, dass der BF aus einem Oppositionsgebiet stamme und ihm schon alleine deswegen vom syrischen Regime eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werde. Zudem werde ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise, der Flucht nach Europa und der Asylantragstellung seitens der syrischen Regierung eine feindliche politische Gesinnung unterstellt. Es sei dem BF nicht möglich, auf legalem und sicherem Weg nach Syrien zurückzukehren, ohne in Kontakt mit dem syrischen Regime zu geraten. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt und eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Die von der Behörde zugrunde gelegten Länderberichte seien mangelhaft, teilweise unvollständig und habe das Bundesamt eigenes Amtswissen außer Acht gelassen, insbesondere habe es die Indizwirkung der Berichte von UNHCR und EUAA nicht berücksichtigt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen. Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF am 05.01.2024 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhafter Beweiswürdigung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen und führte ergänzend aus, dass ihm im Falle einer Rückkehr die Einberufung zum Wehrdienst in der syrischen Armee drohe, da er den Pflichtwehrdienst noch nicht abgeleistet habe und werde er sich bei der Ableistung an Kriegsverbrechen beteiligen müssen. Es drohe ihm auch eine Zwangsrekrutierung durch die jihadistische HTS. Er lehne eine Beteiligung an Kampfhandlungen aus Gewissensgründen ab. Hinzu komme, dass der BF aus einem Oppositionsgebiet stamme und ihm schon alleine deswegen vom syrischen Regime eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werde. Zudem werde ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise, der Flucht nach Europa und der Asylantragstellung seitens der syrischen Regierung eine feindliche politische Gesinnung unterstellt. Es sei dem BF nicht möglich, auf legalem und sicherem Weg nach Syrien zurückzukehren, ohne in Kontakt mit dem syrischen Regime zu geraten. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt und eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Die von der Behörde zugrunde gelegten Länderberichte seien mangelhaft, teilweise unvollständig und habe das Bundesamt eigenes Amtswissen außer Acht gelassen, insbesondere habe es die Indizwirkung der Berichte von UNHCR und EUAA nicht berücksichtigt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde dem BF gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen. Beantragt wurde unter anderem die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Die Beschwerdevorlage vom 11.01.2024 und der Verwaltungsakt langten bei der Gerichtsabteilung W278 des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge: BVwG) am 18.01.2024 ein.
Am 08.08.2024 fand vor dem BVwG in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch, des BF und seiner Vertreterin eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Das Bundesamt verzichtete mit Schreiben vom 25.07.2024 auf die Teilnahme an der Verhandlung. Im Zuge der Verhandlung wurden dem BF und seiner Vertretung die herangezogenen Länderberichte, darunter die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, der EUAA-Leitfaden vom April 2024 sowie weitere relevante Berichte zur Kenntnis gebracht. Die Vertretung des BF erstattete diesbezüglich eine Stellungnahme binnen der gewährten Frist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige BF führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum. Seine Identität steht nicht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Erstsprache ist Arabisch. Der BF ist verheiratet, der Ehe entstammt ein Kind.
Der BF wurde in XXXX (auch protokolliert unter der Schreibweise: XXXX ) im Gouvernement Idlib in Syrien geboren und ist dort aufgewachsen. Im Jahr 2012 reiste die Familie in die Türkei aus, kehrte jedoch im Jahr 2014 wieder nach Syrien zurück, der BF lebte fortan bis zur Ausreise im September 2022 in der Stadt XXXX . Fest steht, dass der BF aus seinem ursprünglichen Herkunftsort vertrieben wurde, er konnte im neuen Aufenthaltsort durch familiären Anschluss und Erwerbstätigkeit Fuß fassen. Die Stadt XXXX ist die Herkunftsregion des BF. Der Herkunftsort des BF steht unter Kontrolle der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS).Der BF wurde in römisch 40 (auch protokolliert unter der Schreibweise: römisch 40 ) im Gouvernement Idlib in Syrien geboren und ist dort aufgewachsen. Im Jahr 2012 reiste die Familie in die Türkei aus, kehrte jedoch im Jahr 2014 wieder nach Syrien zurück, der BF lebte fortan bis zur Ausreise im September 2022 in der Stadt römisch 40 . Fest steht, dass der BF aus seinem ursprünglichen Herkunftsort vertrieben wurde, er konnte im neuen Aufenthaltsort durch familiären Anschluss und Erwerbstätigkeit Fuß fassen. Die Stadt römisch 40 ist die Herkunftsregion des BF. Der Herkunftsort des BF steht unter Kontrolle der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS).
Von dort reiste er im September 2022 in die Türkei aus und in der Folge schlepperunterstützt über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich.
Der BF besuchte in Syrien zwei Jahre lang die Schule, dann brach er diese ab. Er hat auch keine Berufsausbildung absolviert, arbeitete von 2016 bis 2021 als Kfz-Elektriker in einer Werkstatt in der Stadt XXXX , danach arbeitete er bei seinem Vater. Der Vater des BF betreibt einen Autohandel in XXXX , ein Bruder arbeitet mit dem Vater zusammen, zwei andere Brüder haben ein Geschäft für Autozubehör.Der BF besuchte in Syrien zwei Jahre lang die Schule, dann brach er diese ab. Er hat auch keine Berufsausbildung absolviert, arbeitete von 2016 bis 2021 als Kfz-Elektriker in einer Werkstatt in der Stadt römisch 40 , danach arbeitete er bei seinem Vater. Der Vater des BF betreibt einen Autohandel in römisch 40 , ein Bruder arbeitet mit dem Vater zusammen, zwei andere Brüder haben ein Geschäft für Autozubehör.
Die Eltern des BF, seine Ehefrau und sein Sohn leben unverändert in der Stadt XXXX , ebenso der jüngste Bruder und eine Schwester. Drei weitere Brüder des BF und zwei Schwestern leben mit ihren Familien in umliegenden Dörfern, eine Schwester ist im Libanon aufhältig. Mit seiner Familie und auch seinen Geschwistern steht der BF in regelmäßigem Kontakt. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in Österreich.Die Eltern des BF, seine Ehefrau und sein Sohn leben unverändert in der Stadt römisch 40 , ebenso der jüngste Bruder und eine Schwester. Drei weitere Brüder des BF und zwei Schwestern leben mit ihren Familien in umliegenden Dörfern, eine Schwester ist im Libanon aufhältig. Mit seiner Familie und auch seinen Geschwistern steht der BF in regelmäßigem Kontakt. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in Österreich.
In Österreich besucht der BF einen Alphabetisierungskurs, er ist nicht erwerbstätig oder sonst in einem Verein oder ehrenamtlich aktiv.
Der in Österreich subsidiär schutzberechtigte BF ist gesund, arbeitsfähig und im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der BF reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 04.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF verließ Syrien wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges. Er war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
Dem BF droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Fall seiner Rückkehr nach Syrien keine Verfolgung respektive Zwangsrekrutierung durch oppositionelle Konfliktparteien bzw. bewaffnete Gruppierungen, insbesondere nicht durch die Hay'at Tahrir ash-Sham (auch: HTS, vormals: Al Nusra) oder die Syrian National Army (SNA; vormals: FSA).
Es ist auch nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der BF im Fall seiner Rückkehr von der in seiner Herkunftsregion aktiven Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) als politischer Gegner angesehen werden würde.
Der BF war in Syrien nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.
Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der behaupteten Familienzugehörigkeit zu führenden Mitgliedern der HTS, es ist nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass er wegen des gleichen Familiennamens ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten ist. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien, insbesondere in die Herkunftsregion XXXX , ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der konkreten Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der behaupteten Familienzugehörigkeit zu führenden Mitgliedern der HTS, es ist nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass er wegen des gleichen Familiennamens ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten ist. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien, insbesondere in die Herkunftsregion römisch 40 , ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der konkreten Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der im Entscheidungszeitpunkt XXXX jährige BF unterliegt aktuell der Wehrpflicht bei der syrischen Armee. Er hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet, da er sein ganzes Leben lang im Oppositionsgebiet gelebt hat, er ist auch nicht vom Wehrdienst befreit. Der BF hat weder ein Militärbuch ausgestellt bekommen, noch hat ein Rekrutierungsversuch durch die syrische Armee stattgefunden. Der BF hat den Wehrdienst daher nicht verweigert, er hat sich einer möglichen Einberufung durch seinen Aufenthalt in einem Gebiet außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes und seine Ausreise aus Syrien entzogen.In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der im Entscheidungszeitpunkt römisch 40 jährige BF unterliegt aktuell der Wehrpflicht bei der syrischen Armee. Er hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet, da er sein ganzes Leben lang im Oppositionsgebiet gelebt hat, er ist auch nicht vom Wehrdienst befreit. Der BF hat weder ein Militärbuch ausgestellt bekommen, noch hat ein Rekrutierungsversuch durch die syrische Armee stattgefunden. Der BF hat den Wehrdienst daher nicht verweigert, er hat sich einer möglichen Einberufung durch seinen Aufenthalt in einem Gebiet außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes und seine Ausreise aus Syrien entzogen.
Das syrische Regime kann in jenen Teilen des Gouvernements Idlib, welche sich unter der Kontrolle von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) oder sonstigen oppositionellen Gruppierungen befinden, keine Personen zum Militärdienst einberufen, da es keinen Zugriff auf die dort lebende Bevölkerung hat. Die Herkunftsregion des BF ist zudem ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Im gegenwärtigen Zeitpunkt drohen dem BF daher im Fall der (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht die zwangsweise Rekrutierung durch die syrischen Streitkräfte bzw. Verfolgungshandlungen seitens des syrischen Regimes.
Der BF will seinen Wehrdienst nicht ableisten, um sich nicht den Gefahren auszusetzen, die die Ableistung des Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konflikts mit sich bringt.
Der BF verfügt über keine verinnerlichte oppositionelle Haltung der syrischen Regierung gegenüber und konnte auch eine Ablehnung jeglicher militärischen Gewalt oder der Methoden der syrischen Behörden nicht glaubhaft vorbringen. Die syrischen Behörden unterstellen nicht sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung. Auch dem BF würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Der BF hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. So war der BF in Syrien bzw. im Ausland nicht nachhaltig politisch aktiv oder außenwirksam tätig und nie Mitglied einer oppositionellen Gruppierung. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und hatte keine Probleme mit den syrischen Behörden. Weder wurde in Syrien nach ihm gefahndet, noch wurde er festgenommen oder inhaftiert.
Der BF ist im Falle der Rückkehr nach Syrien nicht aufgrund seiner Herkunft aus einem oppositionell besetzen Gebiet mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, von der syrischen Regierung oder anderen Konfliktparteien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt konkret bedroht zu werden.
Die syrische Regierung greift auch zivile Infrastruktur bzw. die Zivilbevölkerung im Oppositionsgebiet Gouvernement Idlib an. In diesen Angriffen ist eine Kriegstaktik der syrischen Regierung zu sehen, mit welcher die Zivilbevölkerung vertrieben, die Unterstützung oppositioneller Gruppierungen in der Bevölkerung reduziert und die HTS zum Aufgeben gebracht werden soll, damit die syrische Regierung letztlich die (verlorenen) Gebiete des Gouvernements Idlib zurückerobern kann. Die Angriffe erfolgen nicht aufgrund einer der Zivilbevölkerung (pauschal) unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung.
Der BF kann nach Syrien über den Grenzübergang Bab al Hawa ohne Kontakt mit der syrischen Regierung einreisen, da dieser Grenzübergang von der HTS und nicht von der syrischen Regierung kontrolliert wird, sodass er dort von syrischen Sicherheitskräften nicht eingezogen oder festgenommen werden kann. Der BF hätte bei einer Rückkehr in seine Heimatregion auch keine Gebiete zu durchqueren, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden. Dem BF ist es somit möglich, in das HTS Gebiet und seinen Heimatort zu reisen, ohne in den Einflussbereich der syrischen Regierung zu gelangen.
Der BF ist wegen seiner Ausreise aus Syrien, wegen seines Aufenthalts in Österreich oder wegen seiner Asylantragstellung in Syrien keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Ebenso wenig droht dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Eigenschaft als sunnitischer Araber.
Es wird festgestellt, dass der BF im Fall einer fiktiven Rückkehr nach Syrien aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter keiner konkreten Verfolgungsgefährdung oder der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden, ausgesetzt ist.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Aus dem Länderinformationsblatt Syrien der Staatendokumentation, Stand: 27.03.2024
„Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
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Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).
In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).
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Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen:
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor