Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. Oktober 1992, Zl. 12/138-3/1992, betreffend Festnahme und Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol (die belangte Behörde) über die vom Beschwerdeführer, einem nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 5a Fremdenpolizeigesetz gegen die am 12. Oktober 1992 im Anschluß an seine Vernehmung erfolgte Festnahme und die folgende Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde. Er wies diese, soweit sie sich gegen die Festnahme richtete, zurück (Spruchpunkt I). Soweit die Anhaltung in Schubhaft bekämpft wurde, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II). Der Antrag, die Schubhaft formlos aufzuheben, wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt III). Der Antrag auf Ersatz der Verfahrenskosten wurde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt IV). Dem Beschwerdeführer wurde der Ersatz von Verfahrenskosten an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck aufgetragen (Spruchpunkte V und VII). Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde zurückgewiesen (Spruchpunkt VI).
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Inhaltes der an sie gerichteten Beschwerde und des Vorbringens der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck - aus, das den Beschwerdeführer betreffende Asylverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen. Am 12. Oktober 1992 sei der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck niederschriftlich vernommen worden. Im Anschluß daran sei über ihn zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt worden. In diesem Bescheid sei ausgeführt worden, der Beschwerdeführer halte sich nach rechtskräftiger Abweisung seines am 21. August 1991 gestellten Asylantrages weiterhin im Bundesgebiet auf. Er sei nicht im Besitz eines Reisepasses und eines Sichtvermerkes und gehe nach seinen eigenen Angaben keiner Beschäftigung nach, sodaß die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz gegeben seien.
Der Schubhaftbescheid sei dem Beschwerdeführer ausgefolgt worden, er habe jedoch die Bestätigung der Übernahme durch seine Unterschrift verweigert. Noch am gleichen Tag sei der Schubhaftbescheid dem namentlich genannten Vertreter des Beschwerdeführers per Telefax zugestellt worden.
Durch die Ausfolgung des Schubhaftbescheides an den Beschwerdeführer sei die Zustellung erfolgt. Das Vorbringen des Beschwerdevertreters, der Schubhaftbescheid sei ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, weil die Zustellung nicht den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AVG und der Telekopieverordnung BGBl. Nr. 110/1991 entspreche, sei nicht stichhaltig. Zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft sei der Beschwerdeführer durch seinen nunmehr ausgewiesenen Rechtsvertreter nicht vertreten gewesen. Auf Grund der Tatsache allein, daß der Beschwerdeführer ein Schreiben seines nunmehrigen Vertreters vom 26. März 1992 vorgewiesen habe, könne noch nicht dessen Vertretungsbefugnis angenommen werden.
Auf Grund des Begehrens des Beschwerdeführers, seinen Rechtsvertreter zu verständigen, sei dieser telefonisch verständigt und ihm mittels Telefax eine Kopie des Schubhaftbescheides zugestellt worden. Damit habe die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck mehr getan, als sie hätte tun müssen.
Auch für den Fall, daß man davon ausgehe, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides der Beschwerdeführer durch seinen nunmehrigen Rechtsvertreter vertreten gewesen sei, wäre für ihn nichts gewonnen. Die Schubhaft könne auch dann verhängt werden, wenn der Schubhaftbescheid gleichzeitig dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter zugestellt werde. Eine andere Auslegung hätte zur Folge, daß die Schubhaft erst verhängt werden könne, wenn der Bescheid dem Rechtsvertreter ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe sich zudem nicht bemüht, Akteneinsicht zu nehmen.
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen seine Festnahme wende, sei seine Beschwerde zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für eine Maßnahmenbeschwerde im Sinne des § 67a AVG nicht gegeben seien. Die Schubhaft sei nämlich ordnungsgemäß verhängt worden. Einer allfälligen Maßnahmenbeschwerde wäre zudem voraussichtlich kein Erfolg beschieden gewesen, weil § 14e Fremdenpolizeigesetz anzuwenden gewesen wäre.
Nach der Aktenlage sei anzunehmen, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes möglich sein werde. Ob die Abschiebung tatsächlich zulässig sei, habe der unabhängige Verwaltungssenat nicht zu prüfen. Die Verhängung der Schubhaft mit Mandatsbescheid sei wegen Gefahr in Verzug im Sinne des § 57 Abs. 1 AVG zulässig gewesen. Der Antrag des Beschwerdeführers, die Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, sei daher abzuweisen gewesen.
Für die formlose Aufhebung der Schubhaft sei der unabhängige Verwaltungssenat nicht zuständig.
Die Aussprüche über die Verfahrenskosten beruhten auf § 79a
AVG.
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe sei zurückzuweisen gewesen, weil die Gewährung von Verfahrenshilfe im Verfahren über eine Schubhaftbeschwerde nicht vorgesehen sei. Die Bestimmung des § 51a VStG gelte nur im Verwaltungsstrafverfahren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1.1. Eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Inhaftnahme (Festnahme) und die folgende Anhaltung in Schubhaft ist, daß der Inhaftnahme des Fremden die Erlassung eines Schubhaftbescheides vorausgegangen ist und zugrunde liegt. Im Falle einer Beschwerde nach § 5a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz hat der unabhängige Verwaltungssenat unter anderem diese Voraussetzung zu prüfen (siehe die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1992, G 346/91 u.a., und vom 9. Juni 1992, B 1107/91).
1.2. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist demnach unter anderem, daß der Schubhaftbescheid rechtswirksam erlassen wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet dies auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren mit der Behauptung, die Übermittlung des Schubhaftbescheides durch Telekopie an seinen Vertreter sei infolge Fehlens dessen Zustimmung im Sinne des § 18 Abs. 3 letzter Satz AVG und des § 2 Telekopie-Verordnung BGBl. Nr. 110/1991 nicht rechtswirksam erfolgt.
Damit vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Selbst wenn man im Sinne seiner Ausführungen davon ausgeht, daß die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck auf Grund des mit dem Beschwerdevertreter am 12. Oktober 1992 geführten Telefonates diesen im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides als Vertreter des Beschwerdeführers zu behandeln hatte, wurde der Schubhaftbescheid rechtswirksam erlassen, weil der in der fehlenden Zustimmung des Beschwerdevertreters zur Zustellung durch Telekopie liegende Verstoß gegen Zustellvorschriften als gemäß § 7 Zustellgesetz geheilt anzusehen ist (siehe die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1992, Slg. Nr. 13.760/A, und vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0414), ist doch auch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde, insbesondere auf Grund der Bezugnahme auf den Inhalt des Schubhaftbescheides in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 19. Oktober 1992, davon auszugehen, daß dem Beschwerdevertreter der Schubhaftbescheid (in Telekopie) tatsächlich zugekommen ist.
2.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Verhängung der Schubhaft sei rechtswidrig erfolgt, weil ihm im Falle der Abschiebung in seine Heimat die Verhängung der Todesstrafe drohe. Da seine Abschiebung unzulässig sei, dürfe gegen ihn kein Aufenthaltsverbot erlassen und daher auch nicht die Schubhaft verhängt werden.
2.2. Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß der von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck erlassene Schubhaftbescheid der Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gedient hat. Bei der im Rahmen der Entscheidung über eine auf § 5a Fremdenpolizeigesetz gestützte Beschwerde vorzunehmenden Prüfung der Rechtmäßigkeit einer der Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dienenden Anhaltung eines Fremden in Schubhaft kommt der Frage der Zulässigkeit einer allfälligen Abschiebung keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu deren Vorbereitung die Schubhaft notwendig ist, steht nämlich nicht entgegen, daß eine Abschiebung des Fremden - in welches Land auch immer - unzulässig ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 11. November 1993, Zlen. 93/18/0447-0452).
Damit ist auch der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge der Boden entzogen.
3.1. Der Beschwerdeführer meint, die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes seien von der belangten Behörde nicht geprüft worden. Zudem seien die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft mit Mandatsbescheid nicht gegeben.
3.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß schon im Hinblick auf den im Gesetz (§ 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz) umschriebenen Zweck der Schubhaft von der zuständigen Behörde bei ihrer Verhängung und vom unabhängigen Verwaltungssenat bei der Entscheidung über eine gemäß § 5a Fremdenpolizeigesetz erhobene Beschwerde nicht abschließend zu beurteilen ist, ob ein Aufenthaltsverbot erlassen wird, sondern es genügt, wenn auf Grund der bis dahin bekannten Umstände berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes möglich sein werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/18/0379). Derartige Gründe lagen im Falle des Beschwerdeführers vor. Dieser hielt sich nämlich bereits geraume Zeit unerlaubt im Bundesgebiet auf, hatte keinen Reisepaß und Sichtvermerk und ging auch keiner Beschäftigung nach. Da der Beschwerdeführer einen Nachweis im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz nicht geführt hat - die Behauptung, er bestreite seinen Lebensunterhalt aus Überweisungen seines in den USA lebenden Bruders, war dazu nicht geeignet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0211) - konnte davon ausgegangen werden, der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz werde erfüllt sein. Dazu kamen die vom Beschwerdeführer begangenen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes und des Paßgesetzes, die - auch wenn sie mangels rechtskräftiger Bestrafung des Beschwerdeführers nicht den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz erfüllen - im Rahmen der Beurteilung gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. und bei der gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. vorzunehmenden Interessenabwägung mitzuberücksichtigen waren.
Im Hinblick auf die Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet über die grüne Grenze, den seit Abschluß des Asylverfahrens rechtswidrigen Aufenthalt, das Fehlen eines Reisepasses und die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers war die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Interesse der öffentlichen Ordnung notwendig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0072, und vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0078). Aus den gleichen Gründen war die Verhängung der Schubhaft mit Mandatsbescheid zulässig (vgl. in diesem Zusammenhang die - im Beschwerdefall noch nicht anwendbare - Regelung des § 41 Abs. 2 Fremdengesetz, nach der die Verhängung der Schubhaft mit Mandatsbescheid im Regelfall zwingend vorgesehen ist).
4. Soweit der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt habe, ist er auf § 5a Abs. 6 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz hinzuweisen, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Voraussetzung war im Beschwerdefall nach dem zuvor Gesagten gegeben.
5.1. Die Beschwerde gegen die Festnahme hat die belangte Behörde mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Festnahme durch den Schubhaftbescheid gedeckt sei. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung hätte die belangte Behörde die Beschwerde gegen die Festnahme, mit der - wie sich insbesonders aus Punkt 3.1. der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde ergibt - die Inschubhaftnahme (= Festnahme) vom 12. Oktober 1992 gemäß § 5a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz bekämpft und nicht eine andere Maßnahme gemäß § 67a Z. 2 AVG angefochten werden sollte, gleichfalls als unbegründet abweisen müssen. Im Zusammenhang mit der Begründung erweist sich sohin die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Festnahme (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides) inhaltlich als Abweisung der Beschwerde gegen die Festnahme.
5.2. Aus den oben unter II. 1. bis 5.1. genannten Erwägungen war die Abweisung der Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft nicht rechtswidrig. Dasselbe gilt für die davon abhängigen, nicht konkret bekämpften Aussprüche über die Verfahrenskosten (Spruchpunkte IV, V und VII).
5.3. Die Zurückweisung des Antrages auf formlose Aufhebung der Schubhaft (Spruchpunkt III) und des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (Spruchpunkt VI) ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde enthält dazu auch keine Ausführungen.
6.1. Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6.2. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
6.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992180469.X00Im RIS seit
20.11.2000