Entscheidungsdatum
24.10.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W268 2301072-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2024, Zl. 1413076104-24147081, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2024, Zl. 1413076104-24147081, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 33, Absatz eins, Ziffer 2, in Verbindung mit Paragraphen 3, Absatz eins,, 8 Absatz eins,, 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 26.09.2024 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß § 12a Grenzkontrollgesetz (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei, bei welcher er sich nicht ausweisen konnte, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 26.09.2024 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge einer Identitätsfeststellung gemäß Paragraph 12 a, Grenzkontrollgesetz (GrekoG) durch Organe der Bundespolizei, bei welcher er sich nicht ausweisen konnte, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er Indien für eine bessere Zukunft verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr nach Indien befürchte er Armut.
Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet nicht gestattet worden war, wurde er am 07.10.2024 im Rahmen eines Flughafenverfahrens gemäß §§ 31 ff AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.Nachdem die Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet nicht gestattet worden war, wurde er am 07.10.2024 im Rahmen eines Flughafenverfahrens gemäß Paragraphen 31, ff AsylG 2005 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Er gab dort befragt nach seinen Fluchtgründen an, dass er wegen der Armut Indien verlassen habe. Auf nochmalige Nachfrage brachte er dann vor, dass er in Gefahr von bestimmten Personen gewesen sei, die ihm Drogen gegeben hätten, damit er diese verkaufe. Er sei deshalb zwei Mal bei der Polizei gewesen, jedoch sei ihm nicht geholfen worden, da diese von diesen Leuten bestochen worden sei. Er sei von diesen Leuten mit dem Umbringen bedroht worden, falls er die Drogen nicht verkaufe. Zwei Mal sei er von den Leuten gewalttätig unter Drogen gesetzt worden. Er sei dadurch auch ohnmächtig geworden. Die Drogendealer seien von seinem Ort gewesen, jedoch wisse er nicht, wie diese heißen. Das sei vor etwa ein bis zwei Monaten gewesen. Er wisse sonst nichts über diese Drogendealer.
3. Am 10.10.2024 erteilte das UNHCR dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 33 Abs. 2 AsylG 2005 die Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz, da das Vorbringen als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.3. Am 10.10.2024 erteilte das UNHCR dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß Paragraph 33, Absatz 2, AsylG 2005 die Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz, da das Vorbringen als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). 4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 33, Absatz eins, Ziffer 2, in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde teile auch das UNHCR. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Diese Ansicht der Behörde teile auch das UNHCR. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Zu Spruchpunkt römisch III. wurde ausgeführt, dass eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 57, AsylG an dem Umstand scheitere, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und verwies im Wesentlichen auf die schon bisher im Verfahren getätigten Angaben. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Haryana und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs sowie der Volksgruppe der XXXX an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprache Punjabi. Er hat in Indien fünf Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Tagelöhner seinen Unterhalt verdient. Der Beschwerdeführer ist ledig. Er lebte mit seinen Eltern und seinem Bruder im gemeinsamen Haushalt. Es besteht Kontakt zu ihnen.Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Haryana und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs sowie der Volksgruppe der römisch 40 an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprache Punjabi. Er hat in Indien fünf Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Tagelöhner seinen Unterhalt verdient. Der Beschwerdeführer ist ledig. Er lebte mit seinen Eltern und seinem Bruder im gemeinsamen Haushalt. Es besteht Kontakt zu ihnen.
Der Beschwerdeführer reiste am 26.09.2024 legal mit dem Flugzeug aus Indien aus und kam am selben Tag am Flughafen Wien-Schwechat an, konnte sich bei der Einreisekontrolle nicht ausweisen und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seither als Asylwerber im Sondertransitbereich, nämlich in der Erstaufnahmestelle am Flughafen, auf.
Der Beschwerdeführer unterliegt in seinem Heimatland keiner individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung. Der gesunde Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr nach Indien wieder in seinem Elternhaus Unterkunft nehmen und die Grundbedürfnisse seines Lebens wie schon zuvor durch eine eigene Erwerbstätigkeit sichern.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Indien (Schreibfehler teilweise korrigiert, Stand 28.11.2023):
„[...] 3. Politische Lage
Letzte Änderung 2023-11-28 15:05
Die 1950 (2 ½ Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit) in Kraft getretene Verfassung Indiens basiert auf der westlich-liberalen Staatstradition. Indien ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem (ÖB New Delhi 07.2023). Es steht – trotz partieller innenpolitischer Spannungen – auf einer soliden, säkular ausgerichteten Verfassung. Die föderal verfasste Republik verfügt über rechtsstaatliche Strukturen mit einem Mehrparteiensystem. Das Unionsparlament ist in zwei Kammern unterteilt. Das Oberhaus vertritt die Interessen der 28 Unionsstaaten und acht Unionsgebiete (AA 05.06.2023).
Der föderal strukturierten Republik gehören (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien an. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert. Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 07.2023; vgl. FH 2023). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee (KAS 07.2022). Der Präsident wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 07.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 07.2022).Der föderal strukturierten Republik gehören (nach der Abschaffung der Autonomie von Jammu, Kaschmir und Ladakh und Teilung in zwei Unionsterritorien im Jahr 2019) 28 Unionsstaaten (auch Bundes- oder Regionalstaaten) und acht direkt von der Zentralregierung verwaltete Unionsterritorien an. Das Prinzip der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative (Parlament) und einer unabhängigen Justiz ist in der Verfassung verankert. Oberhaupt der Indischen Union ist der Staatspräsident, der von einem Gremium der Abgeordneten des Bundes und der Länder gewählt wird und großteils Repräsentativfunktionen wahrnimmt (ÖB New Delhi 07.2023; vergleiche FH 2023). Zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee (KAS 07.2022). Der Präsident wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird (KAS 07.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 07.2022).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung folgt britischem Muster (AA 05.06.2023). Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Ministerrat mit dem Premierminister an der Spitze. Die Minister werden auf Vorschlag des Premierministers vom Staatspräsidenten ernannt. Der Staatspräsident steht formal der Regierung vor, die tatsächliche Macht liegt jedoch beim Premierminister und dem von ihm zusammengesetzten Ministerrat. Der Vizepräsident ist zugleich Vorsitzender des Oberhauses (Rajya Sabha) des Unionsparlaments. Der Premierminister und sein Kabinett sind kollektiv dem Unterhaus (Lok Sabha) verantwortlich (ÖB New Delhi 07.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.03.2023a).Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung folgt britischem Muster (AA 05.06.2023). Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Ministerrat mit dem Premierminister an der Spitze. Die Minister werden auf Vorschlag des Premierministers vom Staatspräsidenten ernannt. Der Staatspräsident steht formal der Regierung vor, die tatsächliche Macht liegt jedoch beim Premierminister und dem von ihm zusammengesetzten Ministerrat. Der Vizepräsident ist zugleich Vorsitzender des Oberhauses (Rajya Sabha) des Unionsparlaments. Der Premierminister und sein Kabinett sind kollektiv dem Unterhaus (Lok Sabha) verantwortlich (ÖB New Delhi 07.2023; vergleiche FH 2023, USDOS 20.03.2023a).
In den Bundesstaaten liegt die Exekutive formal beim jeweiligen Gouverneur, der vom Staatspräsidenten ernannt wird, und dem Ministerrat, an dessen Spitze der Ministerpräsident (Chief Minister) steht. Der Gouverneur ernennt den Ministerpräsidenten und die von diesem vorgeschlagenen Minister, die kollektiv der gesetzgebenden Versammlung des Unionsstaates (Vidhan Sabha/Legislative Assembly) verantwortlich sind (ÖB New Delhi 07.2023).
Die Unionsterritorien werden direkt von der Zentralregierung verwaltet, wobei einige Unionsterritorien (Delhi, Puducherry) auch über eine eigene parlamentarische Versammlung und eine Regierung verfügen und somit de facto eine Zwischenstellung zwischen Regionalstaat und Unionsterritorium einnehmen (ÖB New Delhi 07.2023).
Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.02.2022; vgl. FH 24.02.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.02.2022).Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.02.2022; vergleiche FH 24.02.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.02.2022).
Indien verfügt über eine weitverzweigte Parteienlandschaft, die von fortschreitender Regionalisierung und Parteineugründungen geprägt ist. Das frühere Zweiparteiensystem ist durch ein kompetitives (regional verankertes) Mehrparteiensystem abgelöst worden (ÖB New Delhi 07.2023). Neben den großen nationalen Parteien Kongress (in ihren Wurzeln sozialistisch inspirierte nationale Sammlungsbewegung), Bharatiya Janata Party (BJP, hindu-nationalistisch) sowie überregional wirkenden kommunistischen Parteien gibt es eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 05.06.2023).
Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts („first past the post“) konnte die BJP unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt (AA 05.06.2023; vgl. KAS 04.2022). Die BJP gewann 37,76 % der Stimmen und 55,8 % der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7 % der Stimmen und 9,7 % der Parlamentssitze (India Votes, ohne Datum).Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts („first past the post“) konnte die BJP unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt (AA 05.06.2023; vergleiche KAS 04.2022). Die BJP gewann 37,76 % der Stimmen und 55,8 % der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7 % der Stimmen und 9,7 % der Parlamentssitze (India Votes, ohne Datum).
Die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien haben ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 12.04.2022). Hinsichtlich der Staatlichkeit weist das Gewaltmonopol des Staates auf seinem Territorium geringe Probleme auf. Die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Die Legitimität des Nationalstaates wird jedoch in abgelegenen Gebieten, in denen der Staat und seine Institutionen praktisch nicht vorhanden sind, die von kleinen ethnischen Gruppen und Stämmen bewohnt werden und die auch durch die Präsenz von Rebellenorganisationen gekennzeichnet sind, in Frage gestellt (BS 23.02.2022).
Aktivisten und Minderheitengruppen zufolge wandelt sich Indien allmählich von einer säkularen multikulturellen Nation zu einem hinduistisch geprägten Staat. Unter der seit 2014 amtierenden Regierung von Premierminister Narendra Modi ist demnach der säkulare Charakter des Landes ins Hintertreffen geraten (DW 15.08.2022). Die Hindutva-Ideologie, von der sich die regierende BJP leiten lässt, befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines „Hindu-Staates“ (einer „Hindu Rashtra“) vor, wobei Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die den Hindus zukommen (Böll 12.07.2022). Die BJP gehört zu einem Netzwerk von Organisationen, in dessen Zentrum die radikal hindunationalistische Kaderorganisation „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ (RSS) steht, die ursprünglich von den italienischen Faschisten in den Zwanzigerjahren inspiriert wurde (Böll 12.07.2022).
Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung setzte ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von religiösen und anderen Minderheiten, insbesondere von Muslimen, fort. BJP-Anhänger verübten zunehmend gewalttätige Angriffe gegen bestimmte Gruppen. Die hinduistische Mehrheitsideologie der Regierung spiegelte sich in der Voreingenommenheit der Institutionen, einschließlich der Justiz und der Verfassungsorgane wie der Nationalen Menschenrechtskommission, wider (HRW 12.01.2023). [...]
4. Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-11-28 15:05
Hinduradikale Gruppen verursachen immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen mit Angehörigen religiöser Minderheiten, v. a. Muslime, gelegentlich aber auch mit nicht traditionell eingestellten Hindus (AA 05.06.2023). Der gegen Minderheiten wie Muslime und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird von offizieller Seite selten in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet. Das Innenministerium gibt jedoch seit 2017 keine entsprechenden Daten mehr weiter, und Zivilgesellschaften berichten, dass die Regierung nicht auf Auskunftsbegehren (nach dem Right to Information) reagiert (ÖB New Delhi 07.2023).
Insgesamt sind die meisten Inder tagtäglich keinen nennenswerten Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt, mit einigen Ausnahmen in bestimmten, abgelegenen Gebieten. Diejenigen, die in Städten leben, können zivilen Unruhen ausgesetzt sein, einschließlich gewalttätiger Ausschreitungen, die von Zeit zu Zeit im ganzen Land auftreten. Die Ursachen für zivile Unruhen sind komplex und vielfältig und können ethnische und religiöse Spannungen, Aufstände und Terrorismus sowie politische und ideologische Gewalt umfassen. In den meisten Fällen werden die meisten Inder solche Situationen vermeiden (DFAT 29.09.2023). Über soziale Medien verbreitete Fehlinformationen führen gelegentlich zu Gewalt. Über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Snapchat, Twitter, WhatsApp und YouTube werden Gerüchte über angebliche Straftaten verbreitet, die zu gelegentlichem Vigilantismus führen. Diese Ereignisse sind unvorhersehbar, bleiben aber meist lokal begrenzt (DFAT 29.09.2023). Das Potenzial von Eskalationen besteht vor allem zwischen hinduistischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen. Es waren jedoch auch wiederholt Angriffe hinduistischer Fundamentalisten auf christliche Kirchen zu verzeichnen (EDA 14.11.2023).
Nach wie vor sind auch die sogenannten Ehrenmorde ein Problem, vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana (mit geschätzten mehreren hundert Fällen jährlich) (ÖB New Delhi 07.2023). Diese sind i. d. R. darauf zurückzuführen, dass das Opfer gegen den Willen seiner Familie geheiratet hat oder heiraten will (USDOS 12.04.2022). Die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 07.2023; vgl. USDOS 12.04.2022).Nach wie vor sind auch die sogenannten Ehrenmorde ein Problem, vor allem in Punjab, Uttar Pradesh und Haryana (mit geschätzten mehreren hundert Fällen jährlich) (ÖB New Delhi 07.2023). Diese sind i. d. R. darauf zurückzuführen, dass das Opfer gegen den Willen seiner Familie geheiratet hat oder heiraten will (USDOS 12.04.2022). Die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 07.2023; vergleiche USDOS 12.04.2022).
Sicherheitslage in einzelnen Bundesstaaten
Die Streitkräfte des Landes, die Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten und paramilitärische Kräfte lieferten sich Gefechte mit terroristischen Gruppen in mehreren östlichen Bundesstaaten sowie in Jammu und Kaschmir und mit maoistischen Terroristen im Norden, im Zentrum und im Osten des Landes. Die Intensität der Gewalt in diesen Gebieten nahm jedoch weiter ab (USDOS 20.03.2023b).
In den nordöstlichen Bundesstaaten, vor allem in Manipur, Meghalaya, Mizoram, Nagaland und Assam, war über Jahrzehnte eine Vielzahl von Rebellengruppen aktiv. Die Regierung geht durch den Einsatz von Sicherheitskräften, Verhandlungen, Rehabilitierungsmaßnahmen und Budgeterstattungen für Sicherheitsmaßnahmen der Bundesstaaten dagegen vor (AA 05.06.2023).
Dem österreichischen Außenministerium (BMEIA) zufolge besteht in den westlichen Teilen von Ladakh ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 14.11.2023). Laut [deutschem] Auswärtigem Amt ist im Unionsterritorium Ladakh die Sicherheitslage grundsätzlich stabil. In den direkten Grenzregionen kann es zu Zusammenstößen zwischen indischen und pakistanischen und indischen und chinesischen Sicherheitskräften kommen (AA 05.06.2023).
Laut BMEIA besteht weiters ein hohes Sicherheitsrisiko in den Grenzgebieten und in der Gegend westlich von Mulbek, in den Gebieten entlang der pakistanischen und der chinesischen Grenze, in der unmittelbaren Nachbarschaft zur pakistanischen Grenze, in den Bundesstaaten Rajasthan und Punjab sowie in den Gebieten westlich der Orte Jaisalmer und Bikaner. In den Bundesstaaten Chhattisgarh und Jharkand, in den östlichen Landesteilen von Maharashtra und Madhya Pradesh, sowie vereinzelt in Odisha und Bihar sind linksgerichtete Aufständische aktiv, die immer wieder Anschläge auf öffentliche Einrichtungen bzw. öffentliche Verkehrsmittel und Sicherheitskräfte verüben (BMEIA 14.11.2023).
In den nordöstlichen Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Assam, Nagaland, Manipur, Meghalaya, Mizoram und Tripura) sind vereinzelt aufständische Gruppen aktiv (BMEIA 14.11.2023; vgl. AA 14.11.2023). Diese führen dort einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (FH 2023). Gegen militante Gruppierungen, die für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. maoistisch-umstürzlerischen) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind i. d. R. Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 08.2021).In den nordöstlichen Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Assam, Nagaland, Manipur, Meghalaya, Mizoram und Tripura) sind vereinzelt aufständische Gruppen aktiv (BMEIA 14.11.2023; vergleiche AA 14.11.2023). Diese führen dort einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (FH 2023). Gegen militante Gruppierungen, die für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. maoistisch-umstürzlerischen) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind i. d. R. Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 05.06.2023; vergleiche ÖB New Delhi 08.2021).
Der maoistische Aufstand in der ost- und zentralindischen Bergregion dauert an. Neben anderen Übergriffen haben die Rebellen angeblich illegale Steuern erhoben, Lebensmittel und Unterkünfte beschlagnahmt und Kinder und Erwachsene entführt und zwangsrekrutiert. Lokale Zivilisten und Journalisten, die als regierungsfreundlich gelten, wurden angegriffen (FH 2023). Die radikalen Gruppierungen operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im sogenannten „Red Corridor“ (Schwerpunkte in Chhattisgarh, Odisha, Jharkand, Bihar, West Bengal). Ihre Gesamtzahl wird nunmehr auf unter 10.000 Personen geschätzt. Zwar stellen gewalttätige linksextremistische Gruppen (sog. „Naxaliten“ oder „maoistische Guerilla“) weiter eine innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar; seit dem entschiedenen Vorgehen indischer Sicherheitskräfte (2009 – Operation Green Hunt) gepaart mit gezielter Wirtschaftsförderung in betroffenen Gebieten ist jedoch ein starker Rückgang dieser Gruppierungen zu verzeichnen (AA 05.06.2023).
Nachdem die Lage im Punjab in den letzten Jahren ruhig war, gab es im Frühjahr 2023 ein erneutes Aufflammen der separatistischen Khalistan-Bewegung. Deren Anführer befindet sich nach seiner Flucht in Haft. Der Konflikt beschränkte sich auf Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Separatisten und der Polizei, Zivilisten waren nicht betroffen (ÖB New Delhi 07.2023). [...]
4.1 Jammu und Kaschmir
Letzte Änderung 2023-11-28 15:05
Jammu und Kaschmir, ein Gebiet im Norden Indiens im Himalaya, war bis 2019 ein Staat mit Sonderstatus gemäß Artikel 370 der Verfassung, als die Regierung die Verfassung änderte und den Staat in zwei Unionsterritorien umstrukturierte: Jammu und Kaschmir; und Ladakh. Jammu und Kaschmir hat eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung mit einer bedeutenden hinduistischen Minderheit und kleinen Sikh- und christlichen Gruppen. Pakistan beansprucht die Souveränität über die Region für sich und war Gegenstand bewaffneter Konflikte. Die De-facto-Grenze zwischen den beiden Ländern ist die „Line of Control“. Seit Februar 2021 besteht ein Waffenstillstand zwischen Indien und Pakistan. In der Region sind islamische Extremisten, Aufständische und gewalttätige Separatisten aktiv (DFAT 29.09.2023; vgl. FH 2023 - Indian Kashmir).Jammu und Kaschmir, ein Gebiet im Norden Indiens im Himalaya, war bis 2019 ein Staat mit Sonderstatus gemäß Artikel 370 der Verfassung, als die Regierung die Verfassung änderte und den Staat in zwei Unionsterritorien umstrukturierte: Jammu und Kaschmir; und Ladakh. Jammu und Kaschmir hat eine mehrheitlich muslimische Bevölkerung mit einer bedeutenden hinduistischen Minderheit und kleinen Sikh- und christlichen Gruppen. Pakistan beansprucht die Souveränität über die Region für sich und war Gegenstand bewaffneter Konflikte. Die De-facto-Grenze zwischen den beiden Ländern ist die „Line of Control“. Seit Februar 2021 besteht ein Waffenstillstand zwischen Indien und Pakistan. In der Region sind islamische Extremisten, Aufständische und gewalttätige Separatisten aktiv (DFAT 29.09.2023; vergleiche FH 2023 - Indian Kashmir).
Damit wurden den Bewohnern viele ihrer früheren politischen Rechte entzogen. Auch die bürgerlichen Freiheiten wurden beschnitten, um den anhaltenden öffentlichen Widerstand gegen die Neuordnung zu unterdrücken (FH 2023 - Indian Kashmir). Vor der Aufhebung des Autonomiestatuts entsandte die Unionsregierung ca. eine halbe Million Truppen (Militär und Sonderpolizei), verhängte umfangreiche Ausgangssperren, kappte alle Kommunikationskanäle nach außen (inkl. Festnetz- und Mobiltelefonie und Internet) und ließ Oppositionsanhänger und -führer (ca. 4.000 Personen) präventiv einsperren bzw. unter Hausarrest stellen, um Proteste zu verhindern. Die bürgerlichen Freiheiten wurden erst nach und nach und nur teilweise wiederhergestellt, u. a. wurde der Zugang zum Internet nach 18 Monaten im Februar 2022 wieder ermöglicht (auch wenn es weiter zeitweise beschränkt wird, um Massenansammlungen zu vermeiden) (ÖB New Delhi 07.2023). Die indischen Sicherheitskräfte werden häufig der Verletzung von Menschenrechten beschuldigt, doch die Täter werden nur selten bestraft. Separatistische und dschihadistische Kämpfer führen weiterhin einen langwierigen Aufstand (FH 2023 - Indian Kashmir).
Die Umstrukturierung des ehemaligen Staates in zwei Unionsterritorien verleiht der (nationalen) Unionsregierung auch mehr Macht in der Region, beispielsweise in Bezug auf die Staatsbürgerschaft und den Landbesitz. Dies bedeutet, dass sich indische Staatsbürger nun dauerhaft niederlassen und Land kaufen und verkaufen können, was vor der Neuordnung nicht möglich war (DFAT 29.09.2023).
Seit vielen Jahren sind Proteste gegen die indische Kontrolle oder zugunsten von ethnischem oder islamischem Separatismus üblich und oft gewalttätig, mit z. T. zahlreichen Opfern auf beiden Seiten infolge von Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Rebellen (DFAT 29.09.2023; vgl. HRW 12.01.2023, BAMF 18.09.2023). Die Zahl der zivilen Opfer ist deutlich zurückgegangen und tendiert gegen null (BAMF 18.09.2023). Quellen berichteten dem DFAT jedoch, dass es in der Region seit Mitte 2019 weniger Proteste gibt, was auf die starke Sicherheitspräsenz und die weitreichenden Verhaftungsbefugnisse der Sicherheitskräfte nach dem Jammu and Kashmir Public Safety Act 1978 zurückzuführen ist, der Verhaftungen und Präventivhaft erlaubt (DFAT 29.09.2023).Seit vielen Jahren sind Proteste gegen die indische Kontrolle oder zugunsten von ethnischem oder islamischem Separatismus üblich und oft gewalttätig, mit z. T. zahlreichen Opfern auf beiden Seiten infolge von Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Rebellen (DFAT 29.09.2023; vergleiche HRW 12.01.2023, BAMF 18.09.2023). Die Zahl der zivilen Opfer ist deutlich zurückgegangen und tendiert gegen null (BAMF 18.09.2023). Quellen berichteten dem DFAT jedoch, dass es in der Region seit Mitte 2019 weniger Proteste gibt, was auf die starke Sicherheitspräsenz und die weitreichenden Verhaftungsbefugnisse der Sicherheitskräfte nach dem Jammu and Kashmir Public Safety Act 1978 zurückzuführen ist, der Verhaftungen und Präventivhaft erlaubt (DFAT 29.09.2023).
Die Regierung schloss 2019 die Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir und beauftragte die NHRC mit der Überwachung von Menschenrechtsverletzungen in Jammu und Kaschmir. Die NHRC ist für alle Menschenrechtsverletzungen zuständig, außer in bestimmten Fällen, an denen Militär und paramilitärisches Personal beteiligt sind (USDOS 20.03.2023b).
Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit (Public SafetyAct, PSA), das nur in Jammu und Kaschmir gilt, erlaubt es den Behörden, Personen ohne Anklage oder gerichtliche Überprüfung bis zu zwei Jahre lang ohne Besuch von Familienangehörigen festzuhalten (USDOS 20.03.2023b).
In Jammu und Kaschmir, Punjab und Manipur haben Sicherheitsbeamte besondere Befugnisse zur Durchsuchung und Verhaftung ohne Haftbefehl (USDOS 20.03.2023b; vgl. EDA 14.04.2023) oder auf Personen schießen, die die öffentliche Ordnung missachten. Bei Unruhen setzen sie scharfe Munition ein, verhängen Ausgangssperren und unterbrechen die Mobiltelefon- und Internetverbindungen (EDA 14.04.2023). Offiziellen Angaben zufolge verzeichnete Jammu und Kaschmir zwischen April 2020 und März 2022 den höchsten Anteil an Todesfällen mit Polizeibeteiligung in ganz Indien (AI 28.03.2023).In Jammu und Kaschmir, Punjab und Manipur haben Sicherheitsbeamte besondere Befugnisse zur Durchsuchung und Verhaftung ohne Haftbefehl (USDOS 20.03.2023b; vergleiche EDA 14.04.2023) oder auf Personen schießen, die die öffentliche Ordnung missachten. Bei Unruhen setzen sie scharfe Munition ein, verhängen Ausgangssperren und unterbrechen die Mobiltelefon- und Internetverbindungen (EDA 14.04.2023). Offiziellen Angaben zufolge verzeichnete Jammu und Kaschmir zwischen April 2020 und März 2022 den höchsten Anteil an Todesfällen mit Polizeibeteiligung in ganz Indien (AI 28.03.2023).
Die indischen Behörden verschärften die Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der friedlichen Versammlung in Jammu und Kaschmir (HRW 12.01.2023; vgl. AI 28.03.2023). Die repressive Politik der Regierung und das Versäumnis, mutmaßliche Übergriffe der Sicherheitskräfte zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, haben für die Einwohner die Unsicherheit erhöht (HRW 02.08.2022). Die Behörden berufen sich auf Gesetze sowie auf Terrorismusvorwürfe, um Razzien durchzuführen und willkürlich Journalisten, Aktivisten und politische Anführer ohne Beweise und ohne gerichtliche Überprüfung festzunehmen (HRW 02.08.2022; vgl. USDOS 12.04.2022). Diese können im Übrigen Verdächtige bei Sichtkontakt erschießen und Gebäude zerstören, in denen mutmaßlich Kämpfer oder Waffen untergebracht sind (BS 23.02.2022).Die indischen Behörden verschärften die Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der friedlichen Versammlung in Jammu und Kaschmir (HRW 12.01.2023; vergleiche AI 28.03.2023). Die repressive Politik der Regierung und das Versäumnis, mutmaßliche Übergriffe der Sicherheitskräfte zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, haben für die Einwohner die Unsicherheit erhöht (HRW 02.08.2022). Die Behörden berufen sich auf Gesetze sowie auf Terrorismusvorwürfe, um Razzien durchzuführen und willkürlich Journalisten, Aktivisten und politische Anführer ohne Beweise und ohne gerichtliche Überprüfung festzunehmen (HRW 02.08.2022; vergleiche USDOS 12.04.2022). Diese können im Übrigen Verdächtige bei Sichtkontakt erschießen und Gebäude zerstören, in denen mutmaßlich Kämpfer oder Waffen untergebracht sind (BS 23.02.2022).
Der große Handlungsspielraum, der dem Militär und den paramilitärischen Kräften durch die Sondervollmachten eingeräumt wird, wird auch oft missbraucht (ÖB New Delhi 07.2023). Im März reduzierte die indische Regierung die Zahl der Bezirke, die unter das Gesetz über die Sondervollmachten der Streitkräfte (AFSPA) fallen, in einigen nordöstlichen Bundesstaaten. In Jammu und Kaschmir sowie in 43 von 90 Bezirken in vier nordöstlichen Bundesstaaten blieb das Gesetz jedoch weiterhin in Kraft, sodass Angehörige der Sicherheitskräfte selbst bei schweren Menschenrechtsverletzungen straffrei ausgehen können (HRW 12.01.2023). [...]
5. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2023-11-28 15:04
Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court: Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; als Verfassungsgericht regelt er die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten. Er fungiert auch als Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen der untergeordneten Gerichte, namentlich bei Urteilen, welche eine Interpretation der Verfassung beinhalten, oder bei Todesurteilen. Den High Court: Obergericht in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Sowie dem Subordinate Civil and Criminal Courts: untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten, in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB New Delhi 07.2023).
Die Justiz ist in Indien von der Legislative und der Exekutive getrennt (DFAT 29.09.2023). Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektierte im Allgemeinen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz, doch kam es im Justizsystem zu Verzögerungen, Kapazitätsproblemen und Korruption auf den unteren Ebenen. Das Justizsystem war nach wie vor stark überlastet und verfügte nicht über moderne Fallverwaltungssysteme. Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist gesetzlich verankert, außer in Verfahren, bei denen es um Amtsgeheimnisse oder die Sicherheit des Staates geht, und die Justiz hat dieses Recht im Allgemeinen durchgesetzt (USDOS 20.03.2023b).
Die Justiz in Indien arbeitet formell unabhängig von den politischen Staatsorganen (FH 2023). Es gibt eine verfassungsmäßig garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 05.06.2023). Die häufig überlange Untersuchungshaft/Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie Korruption schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (USDOS 20.03.2023b; vgl. FH 2023, ÖB New Delhi 07.2023). Sehr problematisch ist zudem die sehr lange Verfahrensdauer von Strafverfahren. Die Regeldauer (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023). Ca. 77 % aller Gefangenen sind Untersuchungshäftlinge.Die Justiz in Indien arbeitet formell unabhängig von den politischen Staatsorganen (FH 2023). Es gibt eine verfassungsmäßig garantierte unabhängige Gerichtsbarkeit mit dreistufigem Instanzenzug (AA 05.06.2023). Die häufig überlange Untersuchungshaft/Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie Korruption schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (USDOS 20.03.2023b; vergleiche FH 2023, ÖB New Delhi 07.2023). Sehr problematisch ist zudem die sehr lange Verfahrensdauer von Strafverfahren. Die Regeldauer (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. (AA 05.06.2023; vergleiche ÖB New Delhi 07.2023). Ca. 77 % aller Gefangenen sind Untersuchungshäftlinge.
Fast 71 % der Untersuchungshäftlinge sind zwischen drei Monaten und mehr als fünf Jahren in Haft (AA 05.06.2023). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft, was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung vor Gericht häufig nicht frei aussagen. Auch Zeugen können für ihre Vernehmung gemäß Strafprozessordnung über mehrere Tage inhaftiert werden, sofern Fluchtgefahr besteht: Fälle von Sippenhaft sollen nicht vorkommen (AA 05.06.2023).
In einigen ländlichen Gemeinden gibt es Dorfgerichte (manchmal nyaya panchayat genannt), die manche Inder dem formellen Rechtssystem vorziehen. Die Entscheidungen fallen schneller, sind gemeinschaftsbezogen und oft weniger anfällig für Korruption (DFAT 29.09.2023).
Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen und sieht keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen vor. Die Strafzumessungen bewegen sich regelmäßig im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens. Allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 05.06.2023; vgl. ÖB New Delhi 07.2023), sind oft politisch besetzt bzw. agieren in vorauseilendem Gehorsam gegenüber lokalen Amtsträgern, wie beispielsweise Abgeordneten. Sehr problematisch ist die häufig sehr lange Verfahrensdauer in Folge von Überlastung der Gerichte. Der mangelnde Zeugenschutz führt dazu, dass Zeugen wegen Bestechung oder Bedrohung vor Gericht häufig „umfallen“ (ÖB New Delhi 07.2023).Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen und sieht keine unmenschlichen oder erniedrigenden Strafen vor. Die Strafzumessungen bewegen sich regelmäßig im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens. Allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 05.06.2023; vergleiche ÖB New Delhi 07.2023), sind oft politisch besetzt bzw. agieren in vorauseilendem Gehorsam gegenüber lokalen Amtsträgern, wie beispielsweise Abgeordneten. Sehr problematisch ist die häufig sehr lange Verfahrensdauer in Folge von Überlastung der Gerichte. Der mangelnde Zeugenschutz führt dazu, dass Zeugen wegen Bestechung oder Bedrohung vor Gericht häufig „umfallen“ (ÖB New Delhi 07.2023).
In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z. B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 05.06.2023), z. B. bei Anwendung des Unlawful Activities Prevention Act (UAPA). Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt. Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern oder sich schuldig zu bekennen (USDOS 12.04.2022). Die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden nicht konsequent eingehalten. Die Bürger sehen sich bei der Verfolgung der Rechtsansprüche mit erheblichen Hindernissen konfrontiert, darunter z. B. auch die Forderungen nach Bestechungsgeldern (FH 2023). Generell ist festzuhalten, dass das indische Rechtssystem in vielen Bereichen rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensvorschriften zur Beweislastumkehr kennt (ÖB New Delhi 07.2023).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischem Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse (AA 05.06.2023). Das Heranziehen von erzwungenen Geständnissen (z. B.: durch Gewalt oder Folter) in die Beweislage ist rechtswidrig, kommt aber dennoch vor (ÖB New Delhi 07.2023).
Präventivhaft ist bei Fällen von Gefährdung der öffentlichen Ordnung gesetzlich vorgesehen.
Der National Security Act (NSA) aus 1980 erlaubt Vorbeugehaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu einem Jahr, wenn eine Person als Sicherheitsrisiko eingestuft wird, ohne dass das Gesetz die Sicherheitsgründe näher definiert. Verhaftete Personen müssen innerhalb von 15 Tagen über die Haftgründe informiert werden. Spätestens nach sieben Wochen muss ein Beratungsausschuss über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung befinden (ÖB New Delhi 07.2023).
Das Gesetz zur