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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Sbg NaturschutzG 1977 betreffend den Schutz fließender Gewässer wegen Verstoß gegen das DeterminierungsgebotSpruch
§19a des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977, LGBl. Nr. 86, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 67/1986 war verfassungswidrig.
Der Landeshauptmann von Salzburg ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der durch die Novelle LGBl. 67/1986 in das Salzburger Naturschutzgesetz 1977, LGBl. 86, eingefügte §19a sowie der darin bezogene §3 Abs3 dieses Gesetzes haben folgenden Wortlaut:
"Schutz fließender Gewässer
§19a
(1) Fließende Gewässer einschließlich ihrer gestauten Bereiche und Hochwasserabflußgebiete sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gesetzlich geschützt. Erhebliche Eingriffe in solche sind nur mit naturschutzbehördlicher Bewilligung zulässig.
(2) Als erhebliche Eingriffe gelten alle Maßnahmen, die abträgliche Auswirkungen auf die besondere Eigenart oder Ökologie der Gewässer einschließlich ihrer nach Abs1 mitgeschützten Bereiche sowie auf das umgebende Landschaftsbild, das Landschaftsgefüge oder den Wert der Landschaft für die Erholung oder den Fremdenverkehr bewirken können.
(3) Nicht als erhebliche Eingriffe gelten jedenfalls die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, der Betrieb und die Instandhaltung bestehender Anlagen, die periodische Ausholzung des Bewuches, das Errichten von kleineren Stein-, Holz- oder anderen Verkleidungen zum Schutz und zur Sicherung des Ufers sowie die Räumung des Bettes und des Ufers, ferner Einwirkungen auf Gewässer nach §32 und Maßnahmen in Erfüllung behördlicher Aufträge nach §47 Abs1 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215, sowie Maßnahmen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung nach den §§9 und 10 des Gesetzes vom 6. Juli 1977, LGBl. Nr. 80, mit dem Ausführungsbestimmungen zum Forstgesetz 1975 erlassen werden.
(4) Eine Bewilligung gemäß Abs1 ist dann zu erteilen, wenn die Auswirkung der geplanten Maßnahme auf die Gewässer oder ihre mitgeschützten Bereiche, insbesondere auch durch Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen, im Sinne des Abs2 unbedeutend ist oder die Voraussetzungen des §3 Abs3 zweiter Satz zutreffen. Durch sie werden auch andere naturschutzbehördliche Bewilligungen auf Grund dieses Gesetzes bzw. der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen, die dasselbe Vorhaben betreffen, ersetzt, wobei jedoch auch die Anforderungen nach diesen Bestimmungen bei der Erteilung der Bewilligung gemäß Abs1 wahrzunehmen sind.
(5) Die Landesregierung kann auf Antrag und nach Anhörung der betroffenen Gemeinden durch Verordnung bestimmte fließende Gewässer oder Teile derselben von der Anwendung des Abs1 ausnehmen oder die mitgeschützten Bereiche einschränken, soweit auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere der Verbauung oder Bebauung in diesem Gebiet, eine Verletzung von Interessen des Naturschutzes nicht zu erwarten ist."
"§3
...
(3) Bei der Anwendung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen ist davon auszugehen, daß dem öffentlichen Interesse am Naturschutz der Vorrang gegenüber allen anderen Interessen eingeräumt werden kann. Für Maßnahmen, die nachweislich unmittelbar besonders wichtigen öffentlichen Interessen dienen, welchen im Einzelfall gegenüber den Interessen des Naturschutzes der Vorrang gebührt, sind die Bestimmungen dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Zweck der genannten Maßnahme nicht verhindert werden darf, die Interessen des Naturschutzes jedoch sonst weitgehend zu berücksichtigen sind."
Die §§19a bis 21 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 wurden zufolge ArtI Z20 der Naturschutzgesetz-Novelle 1992, LGBl. 41, (welche gemäß ihrem ArtII Abs1 mit 1. Juli 1992 in Kraft trat) durch neue Bestimmungen ersetzt.
2. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B526/89 das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 7. März 1989 anhängig, mit welchem der Beschwerdeführerin die naturschutzbehördliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb eines (Klein-)Kraftwerkes im Bereich der Lammer in Abtenau-Voglau versagt wurde. Diese naturschutzbehördliche Entscheidung stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §19a iVm §3 Abs3 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 in der wiedergegebenen novellierten Fassung (im folgenden: NSchG 1977). Die Beschwerdeführerin macht eine Rechtsverletzung infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend und kritisiert insbesondere §19a NSchG 1977 sowohl unter kompetenzrechtlichem Aspekt als auch wegen eines Verstoßes gegen das aus Art18 Abs1 B-VG abzuleitende Bestimmtheitsgebot als verfassungswidrig.
3. Zu B955/91 ist beim Verfassungsgerichtshof ferner ein Verfahren über eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. Juli 1991 anhängig, mit welchem dem Beschwerdeführer die naturschutzbehördliche Bewilligung zum Um- und Ausbau sowie zum Betrieb einer bestehenden (Klein-)Wasserkraftanlage an der Lammer in Golling zwar erteilt, aber - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides - mit weiteren Auflagen, vor allem bezüglich der zulässigen Wasserentnahmemenge, versehen wurde. Auch diese Rechtsmittelentscheidung stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht insbesondere auf §19a NSchG 1977 (im Zusammenhalt mit ArtII Abs2 der Novelle LGBl. 67/1986) und es werden in der Beschwerde, welche eine Rechtsverletzung infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend macht, gleichfalls gegen diesen Paragraphen verfassungsrechtliche Bedenken sowohl aus kompetenzrechtlichen Gründen als auch vom Blickpunkt des Bestimmtheitsgebotes her geäußert.
II. Der Verfassungsgerichtshof leitete aus Anlaß beider Beschwerdefälle gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §19a des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 idF der Novelle LGBl. 67/1986 ein. Er ging davon aus, daß der meritorischen Erledigung der vorliegenden Beschwerden keine Prozeßhindernisse entgegenstünden sowie daß er den bezogenen, anscheinend eine nicht trennbare Einheit bildenden Paragraphen bei den in den Beschwerdesachen zu fällenden Entscheidungen anzuwenden hätte.
Im Einleitungsbeschluß äußerte der Gerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken sowohl aus kompetenzrechtlichen Gründen als auch unter dem Aspekt des Art18 Abs1 B-VG. In letzterer Hinsicht führte er im Prüfungsbeschluß folgendes aus:
"Gegen §19a besteht weiters das Bedenken, daß er das Verhalten der Vollziehung, und zwar was die Annahme eines bewilligungspflichtigen Eingriffs und die Voraussetzungen der darauf aufbauenden Bewilligungserteilung anlangt, nicht in einer den Erfordernissen des Art18 Abs1 B-VG entsprechenden Weise festlegt und es mithin auch ausschließt, eine getroffene Entscheidung anhand des Gesetzes auf ihre Legalität zu überprüfen (s. dazu zB VfGH 11.12.1991 G74,178/90).
Die Salzburger Landesregierung nimmt den Standpunkt ein, daß die im Abs2 des §19a genannten 'erheblichen Eingriffe' durch die anschließende Wortfolge 'alle Maßnahmen, die abträgliche Auswirkungen auf die besondere Eigenart oder Ökologie der Gewässer ... bewirken können' abschließend definiert seien, und gelangt von dieser Position aus - folgerichtig - zur Ansicht, daß auch solche Eingriffe als 'erheblich' gälten, 'die nur ganz geringfügige negative Auswirkungen haben' (Hervorhebung nicht im Original). Dieser Auffassung vermag der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der hier vorzunehmenden vorläufigen Beurteilung der Gesetzeslage jedoch nicht beizutreten. Es hieße zunächst, dem Gesetzgeber geradezu den Gebrauch überflüssiger Worte zuzusinnen, wenn man ihm unterstellen wollte, daß er den begriffsinhaltlich durchaus aussagekräftigen Ausdruck 'erheblich' bloß dazu gebraucht, die Bewilligungspflicht als solche festzulegen. Selbst wenn man diese Meinung nicht teilen wollte, käme man wohl nicht darüber hinweg, dem Gesetzgeber ohne zwingenden Grund zuzuschreiben, das Wort 'erheblich' in einer vom üblichen Sprachsinn wesentlich abweichenden Bedeutung zu gebrauchen (s. etwa die Bedeutungsangaben in Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 2, S. 731 linke Spalte: 'beträchtlich; ins Gewicht fallend (Ggs.: unerheblich)' sowie in Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 16, S. 559, linke Spalte: 'groß, beträchtlich, wichtig, durch das Ausmaß bedeutend'). Schließlich neigt der Gerichtshof zur Annahme, daß ein Umfang der Bewilligungspflicht, die potentielle Eingriffe mit - wie es die Landesregierung nennt - nur ganz geringfügigen negativen Auswirkungen einschließt, mit dem dem Gleichheitsgebot immanenten Sachlichkeitsprinzip nicht vereinbar wäre; denn die Festlegung einer Bewilligungspflicht (nicht etwa einer bloßen Anzeigepflicht) für ganz minimale Fälle erschiene wohl vom Regelungszweck her gesehen nicht mehr sachlich begründbar.
Die dargestellten Erwägungen legen die Auffassung nahe, daß dem Wort 'erheblich' auch normative Bedeutung als Teil der Umschreibung der bewilligungspflichtigen Maßnahmen zukommt. Nimmt man dies an, so besteht - wie die beschwerdeführenden Parteien anscheinend zu Recht bemängeln - kein das Ergebnis der Vollzugstätigkeit zureichend vorherbestimmendes Kriterium für die Abgrenzung zwischen dem erheblichen Eingriff durch eine Maßnahme mit potentiell abträglichen Auswirkungen und deren Beurteilung - im Falle der Konsensfähigkeit der geplanten Maßnahme - als 'unbedeutend' im Sinne des Abs4 im §19a NSchG 1977 (s. etwa die Bedeutungsangaben in Duden, aaO, Bd. 6, S. 2680 rechte Spalte: 'ohne Bedeutung, nicht ins Gewicht fallend' sowie in Brockhaus-Wahrig, aaO, Bd. 20, S. 383 linke Spalte: '(zahlenmäßig) gering, geringfügig, sehr wenig')."
III. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den verfassungsrechtlichen Bedenken entgegentritt und insbesondere ausführt:
"Im §19a wird die Wortfolge 'erhebliche Eingriffe' als Rechtsbegriff eingeführt und auch definiert. Dem Eigenschaftswort 'erheblich' kommt dabei die Funktion zu, die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck zu bringen; zusätzliche normative Bedeutung kommt ihm nicht zu. 'Unerhebliche Eingriffe' im Sinne des §19a sind daher lediglich solche, die überhaupt keine negativen Auswirkungen im Sinne des Abs2 nach sich ziehen können. Dieser Bestimmung liegt eben die Absicht zugrunde, die wichtigsten und bedeutsamsten Bestandteile des natürlichen Umfeldes einem umfassenden Schutz zu unterziehen. Erst im Rahmen eines naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahrens kann geprüft werden, ob die negativen Auswirkungen unbedeutend (ganz geringfügig) sind, ob sie durch die Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen reduziert werden können, ob besonders wichtige öffentliche Interessen für die Maßnahme sprechen oder ob keiner dieser Aspekte zutrifft.
Noch einmal wird hervorgehoben, daß die Wortfolge 'erheblicher Eingriff' hier als einheitlicher Rechtsbegriff in einem etwas anderen Sinn als im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird. Aus eben diesem Grund enthält §19a Abs2 auch eine Definition dieses Begriffes.
Gerade bei fließenden Gewässern zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte sehr deutlich, daß eine Vielzahl an sich kleiner Eingriffe mit für sich genommen oft geringfügig erscheinenden Folgen zur Verunstaltung ganzer Landstriche führen kann. Dazu trägt auch bei, daß sich die genauen Auswirkungen eines menschlichen Eingriffes in Fließgewässer oft genug nur nach langwierigen und gründlichen Erhebungen abschätzen lassen, da sich durch die vernetzende Funktion dieses Gewässertyps die Wirkungen oft weit entfernt vom Eingriffsort einstellen. Diese häufig sehr komplexen Zusammenhänge können so gut wie nie vom Einschreiter selbst beurteilt werden, so daß ein Behördenverfahren unumgänglich ist. Eine bloße Anzeigepflicht könnte bei dieser Ausgangslage zwar auch zu einem rechtspolitisch befriedigenden Ergebnis führen, sie mindert jedoch die Rechtsposition der anderen Parteien. In Verfahren nach dem Salzburger Naturschutzgesetz 1977 sind dies der Naturschutzbeauftragte (§44 leg.cit.) und häufig auch die Salzburger Landesumweltanwaltschaft (Gesetz über die Salzburger Landesumweltanwaltschaft, LGBl. Nr. 25/1987, i.d.F. LGBl. Nr. 89/1989, Nr. 97/1990 und Nr. 42/1992). Bei einer bloßen Anzeigepflicht besteht nämlich für die Behörde die Möglichkeit, durch Untätigbleiben bzw. Nichtuntersagen den Einschreiter zur Durchführung von Maßnahmen zu berechtigen, ohne daß für sonstige (Organ-) Parteien die Möglichkeit bestünde, Verfahrensrechte geltend zu machen. In besonders sensiblen Bereichen sollen jedoch die Verfahrensrechte dieser Parteien voll gewahrt werden, wozu eben eine Bewilligungspflicht normiert werden muß. Eingriffe in fließende Gewässer sind - wie oben dargestellt - grundsätzlich besonders kritisch zu beurteilen. Diese Wertung hat den Gesetzgeber dazu veranlaßt, alle Eingriffe bewilligungspflichtig zu machen."
IV. Das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig; Anhaltspunkte für das Vorliegen von Prozeßhindernissen haben sich nicht ergeben.
V. Die vom Verfassungsgerichtshof unter dem Aspekt des Art18 Abs1 B-VG geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken erweisen sich als begründet.
1. Die Salzburger Landesregierung hält den vorläufigen Annahmen über die Auslegung des Abs2 (- hier und im folgenden ohne Paragraphenangabe bezogene Absätze sind stets solche des in Prüfung stehenden §19a -) entgegen, daß das Eigenschaftswort "erheblich" lediglich die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck bringe, und erblickt in der im Abs2 enthaltenen Umschreibung eine abschließende Definition des von ihr als "einheitlicher Rechtsbegriff" bezeichneten "erheblichen Eingriffs"; dabei gesteht sie zu, daß dieser Ausdruck "in einem etwas anderen Sinn als im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird". Damit räumt die Landesregierung ein, daß das rechtsanwendende Organ bei der Handhabung des Abs2 vor die Auslegungsfrage gestellt ist, ob der (im Einleitungsbeschluß unter Bezugnahme auf das sprachwissenschaftliche Schrifttum näher erläuterte) eigentliche sprachliche Sinn des Ausdrucks "erheblich" interpretativ nahezu beseitigt werden soll oder ob der in Rede stehenden Wendung auch normative Bedeutung als Teil der bewilligungspflichtigen Maßnahmen zukommt. Mit der Überlegung, daß der Zweck der Regelung auch die Erfassung "an sich kleiner Eingriffe" erfordere, und den daran geknüpften Folgerungen allein läßt sich nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes jedoch kein verläßliches Bild vom Gesetzesinhalt machen. Die Landesregierung übergeht nämlich den im gegebenen Zusammenhang notwendig mit in Betracht zu ziehenden Abs3, der eine Reihe von nicht als erheblich geltenden Eingriffen demonstrativ aufzählt und dadurch Anlaß zur Frage gibt, ob etwa weitere aus der bloß beispielhaften Aufzählung abzuleitende Fälle nicht erheblicher Eingriffe in irgendeiner Weise in die Definition des Abs2 - diese allenfalls relativierend - einzugliedern sind, oder ob aus der Zusammenschau der in Abs3 angeführten Fälle ein Maßstab dafür abzuleiten ist, wann eine Auswirkung als "abträglich" einzustufen ist.
Die Äußerung der Salzburger Landesregierung trägt aber auch dem Umstand nicht Rechnung, daß die in Abs4 enthaltene Regelung über die Bewilligungsvoraussetzungen ebenfalls mit besonderen Auslegungsschwierigkeiten belastet ist. Die der Äußerung zugrundeliegende Annahme, daß die Qualifikation der Auswirkung der geplanten Maßnahme als "unbedeutend" dann vorliegt, wenn jene als "ganz geringfügig" einzustufen ist, übergeht die in der Wortfolge "im Sinne des Abs2 unbedeutend" enthaltene, eben hervorgehobene Wendung. Sie bezweckt anscheinend eine nähere Bestimmung, allenfalls sogar eine Relativierung des dem Ausdruck "unbedeutend" zukommenden Begriffsinhaltes und führt damit zur Frage, welche aus Abs2 ableitbaren Kriterien bei der Wertung als mitbestimmend heranzuziehen sind. Hiebei könnte eine Parallele zu einer sich aus dem Zusammenhalt der §§12 und 14 des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 ergebenden Problematik bestehen.
(§12 sowie §14 Abs1 und 2 haben folgenden Wortlaut:
"§12
Gebiete außerhalb geschlossener Ortschaften, die eine besondere landschaftliche Schönheit aufweisen oder für die Erholung der Bevölkerung oder den Fremdenverkehr als charakteristische Naturlandschaft oder als naturnahe Kulturlandschaft bedeutend sind, können zur Wahrung des Landschaftsbildes, des Landschaftsgefüges oder der Bedeutung für die Erholung oder den Fremdenverkehr unter Berücksichtigung der raumordnungsmäßigen Belange durch Verordnung der Landesregierung einschließlich der für ihren Bestand notwendigen Flächen zu Landschaftsschutzgebieten erklärt werden."
"§14
(1) In einer Landschaftsschutzverordnung sind jene Maßnahmen anzuführen, die zur Wahrung des Landschaftsbildes, des Landschaftsgefüges oder des Wertes der Landschaft für die Erholung oder den Fremdenverkehr in diesem Gebiet nur mit einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zulässig sind.
(2) Die Naturschutzbehörde hat die Bewilligung zu erteilen, wenn durch die Maßnahme das Landschaftsbild, das Landschaftsgefüge oder der Wert der Landschaft für die Erholung oder den Fremdenverkehr nicht in einer im Sinne des §12 abträglichen Weise beeinflußt wird. Die Bewilligung kann auch unter Auflagen und befristet erteilt werden.
..."
Die Auslegungsfrage, was unter der "im Sinne des §12 abträglichen Weise" (§14 Abs2) gemeint ist, wird in der Literatur (Loos, Salzburger Naturschutzgesetz 1977, Salzburgdokumentation Bd. 28, 1978, S. 29) wie folgt beantwortet:
"Die Bezugnahme auf den 'Sinn des §12' bezweckt, anläßlich der Entscheidung eine allfällige Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Landschaftsschutzgebietes prüfen zu müssen".)
Überträgt man diesen Gedanken entsprechend auf Abs4 des §19a, so hätte das gesetzanwendende Organ einen nach der gegebenen Sachlage in Betracht kommenden speziellen Schutzzweck des Abs2 zu ermitteln und diesen bei der Wertung, ob eine Auswirkung unbedeutend ist, mitzuberücksichtigen.
Im Hinblick auf die eben beschriebene Gesetzeslage bezweifelt der Verfassungsgerichtshof bereits, daß es selbst unter erschöpfender Heranziehung aller Interpretationsmethoden (s. im grundsätzlichen dazu VfSlg. 10296/1984, S. 791) gelingen würde, den normativen Inhalt der in den Absätzen 2 bis 4 im jeweils gegebenen Zusammenhang enthaltenen relativ unbestimmten Gesetzesbegriffe "erheblich" und "unbedeutend" getrennt mit zureichender Genauigkeit zu ermitteln. Selbst wenn man dies aber ohne eine in weitere Details gehende Prüfung unterstellen wollte, wäre jedenfalls folgendes festzuhalten: Ein gesetzliches Regime, das aus zwei einander notwendig bedingenden, miteinander verzahnten Regelungen (über Bewilligungspflicht und inhaltliche Voraussetzungen der Bewilligung) besteht, von denen jede durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, und zwar jeweils im Rahmen eines zu mannigfaltigen Zweifelsfragen Anlaß bietenden legislativen Umfeldes, gekennzeichnet ist, entspricht nicht den Anforderungen des Art18 Abs1 B-VG (s. dazu im allgemeinen zB VfGH 11.12.1991 G74,178/90), denn es fehlt - wie im Einleitungsbeschluß zu Recht vermutet wurde - an dem das Ergebnis der Vollzugstätigkeit vorherbestimmenden Kriterium für die Abgrenzung zwischen dem erheblichen Eingriff durch eine Maßnahme mit potentiell abträglicher Auswirkung und deren Beurteilung - im Fall der Konsensfähigkeit der geplanten Maßnahme - als "unbedeutend".
2. Es war sohin auszusprechen, daß §19a des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977 (welcher zufolge ArtI Z20 in Verbindung mit ArtII Abs1 der Naturschutzgesetz-Novelle 1992, LGBl. 41, mit 1. Juli 1992 außer Kraft trat) verfassungswidrig war.
Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich auf das weitere, auf kompetenzrechtlichen Erwägungen beruhende verfassungsrechtliche Bedenken einzugehen.
3. Der Ausspruch über die Kundmachungsverpflichtung des Landeshauptmannes stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG.
Schlagworte
Naturschutz, Gewässerschutz, Rechtsbegriffe unbestimmte, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G162.1992Dokumentnummer
JFT_10078788_92G00162_00