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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §101;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde der W in U, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat III) vom 25. März 1993, Zl. 400/2-GA8BK-DK/93, betreffend Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund einer beim Wohnsitzfinanzamt der Beschwerdeführerin eingelangten amtlichen Mitteilung über die Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten an der A Gesellschaft m.b.H. (GmbH) in Höhe von S 1.031,-- pro S 100,-- des Nennkapitals änderte das Finanzamt mit dem auf § 295 BAO gestützten, an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid vom 5. November 1992 den früher erlassenen Bescheid über die Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1989 ab.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht, eine Änderungsbefugnis des Finanzamtes gemäß § 295 BAO habe nicht bestanden, weil die Beschwerdeführerin mangels ihr gegenüber bestehender Wirksamkeit des Bescheides über die Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an der GmbH zum 1. Jänner 1989 nicht an diese Feststellung gebunden sei.
Noch vor Erledigung dieser Berufung erhielt das Finanzamt eine weitere amtliche Mitteilung, der zufolge der gemeine Wert der Anteile an der GmbH zum genannten Stichtag mit Berufungsvorentscheidung auf S 725,-- pro S 100,-- des Nennkapitals festgestellt wurde.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1993 änderte das Finanzamt unter abermaliger Bezugnahme auf § 295 BAO die Vermögensteuerfestsetzung ab dem 1. Jänner 1989 neuerlich ab. Gleichzeitig wies es die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 5. November 1992 erhobenene Berufung mittels Berufungsvorentscheidung ab.
Die Beschwerdeführerin führte sodann iS des § 274 BAO aus, die gegen den Bescheid vom 5. November 1992 erhobene Berufung sei auch als gegen den Änderungsbescheid vom 11. Februar 1993 eingebracht anzusehen; sie beantragte die Entscheidung hierüber durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte sie begründend aus, die einheitliche und gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile an der GmbH zum 1. Jänner 1989 sei gemäß § 189 Abs. 2 BAO von Amts wegen und nicht über Antrag eines oder mehrerer Gesellschafter dieser Gesellschaft vorgenommen worden. Aus diesem Grund sei der Feststellungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 lit. b BAO nur an die GmbH ergangen. Im Hinblick darauf erscheine die (mehrmalige) Änderung des Vermögensteuerbescheides "zufolge § 75 Abs. 3 Bewertungsgesetz 1955 in Verbindung mit § 192 BAO" rechtens. Das Finanzamt habe lediglich übersehen, "die Berufung gemäß § 274 BAO im gemäß § 295 BAO ändernden Bescheid gleichzeitig für gegenstandslos zu erklären", was im Rahmen der Berufungsentscheidung nachgeholt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde sei zu einer Gegenstandsloserklärung der gegen den gemäß § 295 BAO geänderten Bescheid vom 5. November 1992 von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung nicht zuständig gewesen, ist entgegenzuhalten, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides keinen derartigen Abspruch enthält. Die die Gegenstandsloserklärung der Berufung betreffenden Ausführungen der belangten Behörde sind dem angefochtenen Bescheid lediglich als Begründung beigegeben. Sie lassen sich auch nicht als Spruchelement deuten. Als Begründungselemente sind sie aber weder selbständiger Anfechtungsgegenstand einer Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof noch auch Anlaß zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde.
Auf die Beschwerdebehauptung, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei unrichtig und stehe im Widerspruch zum Spruch des angefochtenen Bescheides, wäre gegebenenfalls nicht unter dem in der Beschwerde angeführten Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern unter dem Gesichtspunkt der ebenfalls behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes einzugehen, erübrigt sich aber aus folgenden Gründen:
Gemäß § 189 Abs. 1 BAO kann u.a. der gemeine Wert für Anteile an inländischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung einheitlich und gesondert festgestellt werden, wenn für diese Anteile keine Steuerkurswerte festgesetzt worden sind und die Anteile im Inland auch keinen Kurswert haben. Die Feststellung hat gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle auf Antrag zu erfolgen, kann aber auch von Amts wegen getroffen werden. Zur Antragstellung sind die Gesellschaften, um deren Anteile es sich handelt, sowie diejenigen, denen diese Anteile gehören, berechtigt.
Gemäß § 191 Abs. 1 lit. d BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 189 BAO an die juristische Person, um deren Anteile es sich handelt, und wenn der Wert auf Antrag der Inhaber von Anteilen festgestellt wurde, auch an die Antragsteller.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, die Anteile an der GmbH zum 1. Jänner 1989 seien nicht über Antrag von Anteilsinhabern, sondern von Amts wegen festgestellt worden. Davon geht auch die Beschwerdeführerin aus und meint, mangels Wirksamkeit der Anteilswertfeststellung sei ihr gegenüber eine auf § 295 BAO gestützte Änderung des Vermögensteuerbescheides nicht zulässig gewesen.
Mit dieser Ansicht ist die Beschwerdeführerin im Recht. Die in § 191 Abs. 3 lit. c BAO und in § 75 Abs. 3 BewG, idF vor der Aufhebung durch BGBl. Nr. 818/1993, angeordnete Wirkung von Bescheiden, mit denen u.a. der gemeine Wert von inländischen Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung festgestellt wird, für Anteilsinhaber, denen gegenüber dieser Bescheid nicht ergangen ist, setzt nach der Lehre (vgl. Stoll, BAO, Kommentar 2023 zu § 191, und Ritz, BAO, Kommentar, 375 zu § 191) eine Zustellung des Feststellungsbescheides an die Anteilsinhaber voraus. Eine Zustellfiktion greift in diesem Zusammenhang nicht ein.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die in Betracht kommenden Feststellungsbescheide weder an die Beschwerdeführerin gerichtet noch auch ihr zugestellt worden sind. Diese Bescheide entfalteten ihr gegenüber daher keine Wirkung, und zwar auch nicht für den davon abzuleitenden Vermögensteuerbescheid (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1983, Zl. 81/13/0060, wonach die prozessuale Bindung eines abgeleiteten an einen Grundlagenbescheid nur dann zum Tragen kommen kann, wenn der betreffende Abgabepflichtige im Feststellungsverfahren Parteistellung und damit auch die Möglichkeit hatte, gegen den Grundlagenbescheid ein Rechtsmittel zu erheben).
Da die Anwendung des im Beschwerdefall in Betracht kommenden Abs. 1 des § 295 BAO die Bindung eines nachfolgenden Bescheides an einen vorangehenden (siehe Stoll, a.a.O., 2859 zu § 295) bzw. die Wirksamkeit des Grundlagenbescheides gegenüber dem Adressaten des abgeleiteten Bescheides (siehe Ritz, a.a.O., 657 zu § 295) voraussetzt, diese Bindung bzw. Wirkung aber nach dem vorhin Gesagten im Beschwerdefall nicht besteht, hat die belangte Behörde unabhängig vom Verhältnis der Bestimmungen des § 191 Abs. 3 lit. c BAO und des § 75 BewG in der schon genannten Fassung zueinander zu Unrecht die Abänderungsbefugnis gemäß § 295 Abs. 1 BAO bejaht. Sie hat damit den angefochtenen Bescheid mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, aus welchem Grund der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Diese Entscheidung konnte mit Rücksicht auf das zitierte hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1983 im Dreiersenat getroffen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz für Beschwerdebeilagen war nur insoweit zu gewähren, als diese Beilagen zur Beschwerdeführung erforderlich waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993150088.X00Im RIS seit
14.01.2002