Entscheidungsdatum
18.10.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I413 2295902-1/9E
I413 2295903-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde von (1) XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, und (2) XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, beide vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen die Bescheide des BFA, RD Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 13.06.2024, Zl. XXXX (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und vom 13.06.2024, Zl. XXXX (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.10.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde von (1) römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. TÜRKEI, und (2) römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. TÜRKEI, beide vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen die Bescheide des BFA, RD Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 13.06.2024, Zl. römisch 40 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und vom 13.06.2024, Zl. römisch 40 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.10.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Am 22.01.2023 stellten die Beschwerdeführer Anträge auf internationalen Schutz, welche die Beschwerdeführer zusammengefasst damit begründeten, dass der Zweitbeschwerdeführer als Förster in der Türkei gearbeitet habe und es mit Arbeitern zum Streit gekommen sei. Der Zweitbeschwerdeführer sei mit dem Umbringen bedroht worden und habe Angst in die Türkei zurückzukehren. Die Erstbeschwerdeführerin gab keine ihre Person betreffenden Gründe an.
Nach Befragung der Beschwerdeführer am 12.04.2024 wies die belangte Behörde inhaltlich gleichlautend die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.), erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt V.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest (Spruchpunkt VI.).Nach Befragung der Beschwerdeführer am 12.04.2024 wies die belangte Behörde inhaltlich gleichlautend die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte römisch eins. und römisch II.), erteilte keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt römisch III.), erließ gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.), stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen fest (Spruchpunkt römisch VI.).
Gegen diese den Beschwerdeführern am 19.06.2024 durch Hinterlegung zugestellte Bescheide richtet sich die inhaltlich gleichlautende, am 16.07.2024 abgesendete Beschwerde. Zusammengefasst wird vorgebracht, der Zweitbeschwerdeführer sei in der Türkei sehr bekannt, selbständig gewesen und habe zwei Lokale geführt. Er habe weiters als Förster gearbeitet und sei ua für das Baumfällen und die Herstellung von Holzkohle verantwortlich gewesen. Im Oktober 2023 habe er einen Auftrag zur Bearbeitung eines Waldgrundstücks erhalten und eine bekannte Arbeitsgruppe eingesetzt, die pro Kubikmeter bezahlt werden sollte. Der Auftrag hätte die Bearbeitung von einem von zwei Waldteilen umfasst, wobei es sich um den kleineren Teil gehandelt habe. Die Arbeiter seien damit unzufrieden gewesen, weil sie geringere Einnahmen erzielt hätten und wollten den Zweitbeschwerdeführer überzeugen, dass der große Waldteil bearbeitet werden könnte. Dieses Ansinnen, für das sich der Zweitbeschwerdeführer einsetzen wollte, sei von der Behörde abgelehnt worden. Dadurch hätten sich die Arbeiter vom Zweitbeschwerdeführer hintergangen gefühlt und diesen und seine Familie bedroht. Hierbei würde es sich um eine gefährliche und einflussreiche Gruppe handeln, die Diebstähle begehen und andere Gewalttaten verüben würde. Einer der Arbeiter habe sogar jemanden umgebracht und sei mittlerweile nach Deutschland geflohen. Ein namentlich genannter Arbeiter sei besonders verärgert gewesen und hätte den Zweitbeschwerdeführer mit dem Messer bedroht und gedroht, diesen und dessen Familie umzubringen. Die Anzeige des Zweitbeschwerdeführers bei der Polizei sei ergebnislos verlaufen. Der Zweitbeschwerdeführer vermute, dass er aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit diskriminiert werde, so auch beim Zugang zu staatlichem Schutz. Aus Angst vor Verfolgung sei er aus der Türkei geflüchtet. Bei Rückkehr drohe den Beschwerdeführern private Verfolgung von der sie seitens des türkischen Staates nicht geschützt werden könnten.
Am 19.07.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Am 10.10.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, an der die Erstbeschwerdeführerin, deren Rechtsvertretung und eine Dolmetscherin für die türkische Sprache teilnahmen. Der Zweitbeschwerdeführer blieb der Verhandlung unentschuldigt fern. Die belangte Behörde nahm aus Kapazitäts- und dienstlichen Gründen Abstand von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht befragte die Zweitbeschwerdeführerin, erörterte die Lage in der Türkei auf Grundlage der einschlägigen Länderberichte und schloss das Ermittlungsverfahren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer und ihren Lebensumständen
Die Erstbeschwerdeführerin, die am XXXX in XXXX , XXXX , Türkei, geborene XXXX ist türkische Staatsangehörige und mit dem Zweitbeschwerdeführer, dem am XXXX in XXXX , XXXX , Türkei, geborenen türkischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet. Beide Beschwerdeführer haben zwei Söhne, XXXX und XXXX , sowie eine Tochter, XXXX . Beide Beschwerdeführer bekennen sich zum Islam, sunnitische Richtung. Die Erstbeschwerdeführerin ist Türkin. Sie spricht türkisch. Der Zweitbeschwerdeführer ist Kurde. Er spricht türkisch und kurdisch. Die Erstbeschwerdeführerin, die am römisch 40 in römisch 40 , römisch 40 , Türkei, geborene römisch 40 ist türkische Staatsangehörige und mit dem Zweitbeschwerdeführer, dem am römisch 40 in römisch 40 , römisch 40 , Türkei, geborenen türkischen Staatsangehörigen römisch 40 verheiratet. Beide Beschwerdeführer haben zwei Söhne, römisch 40 und römisch 40 , sowie eine Tochter, römisch 40 . Beide Beschwerdeführer bekennen sich zum Islam, sunnitische Richtung. Die Erstbeschwerdeführerin ist Türkin. Sie spricht türkisch. Der Zweitbeschwerdeführer ist Kurde. Er spricht türkisch und kurdisch.
Die Erstbeschwerdeführerin besuchte fünf Jahre lang die Grundschule. Sie erlernte keinen Beruf, half in Restaurants ihres Mannes aus, betrieb eine Zeit lang zwei Restaurants und war zuletzt Hausfrau. Sie ist gesund und arbeitsfähig.
Der Zweitbeschwerdeführer besuchte fünf Jahre lang die Grundschule. Er erlernte den Beruf eines Försters und den eines Kochs. Der Zweitbeschwerdeführer betrieb einige Zeit Restaurants in Aktag Magdeni und in Sayakent und gab diese Tätigkeit zugunsten jener als Förster auf. Zuletzt war er als Förster in der Türkei tätig. Der Zweitbeschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführer haben in Österreich eine Tochter, XXXX , welche seit Jahresbeginn 2024 auf Grundlage eines Jahresvisums in Österreich lebt. Sie ist seit Jänner 2024 mit einem in Österreich lebenden Türken, XXXX , verheiratet, wobei zu diesem kein Kontakt mehr besteht und eine Scheidung angestrebt wird. Der Zweitbeschwerdeführer lebt nicht mehr in Österreich. Er hat Österreich vor ca zwei Monaten verlassen und ist wieder in die Türkei zurückgekehrt, wo er seitdem wieder wohnt. In Österreich leben Geschwister des Zweitbeschwerdeführers, zu denen keine Beziehung besteht. Die Beschwerdeführer haben in Österreich eine Tochter, römisch 40 , welche seit Jahresbeginn 2024 auf Grundlage eines Jahresvisums in Österreich lebt. Sie ist seit Jänner 2024 mit einem in Österreich lebenden Türken, römisch 40 , verheiratet, wobei zu diesem kein Kontakt mehr besteht und eine Scheidung angestrebt wird. Der Zweitbeschwerdeführer lebt nicht mehr in Österreich. Er hat Österreich vor ca zwei Monaten verlassen und ist wieder in die Türkei zurückgekehrt, wo er seitdem wieder wohnt. In Österreich leben Geschwister des Zweitbeschwerdeführers, zu denen keine Beziehung besteht.
In der Türkei leben der Zweitbeschwerdeführer sowie der achtzehnjährige Sohn XXXX und der vierzehnjährige Sohn XXXX , außerdem die Eltern und die vier Brüder der Zweitbeschwerdeführerin. Ferner leben in der Türkei die Mutter und zwei Schwestern des Zweitbeschwerdeführers sowie viele andere Verwandte.In der Türkei leben der Zweitbeschwerdeführer sowie der achtzehnjährige Sohn römisch 40 und der vierzehnjährige Sohn römisch 40 , außerdem die Eltern und die vier Brüder der Zweitbeschwerdeführerin. Ferner leben in der Türkei die Mutter und zwei Schwestern des Zweitbeschwerdeführers sowie viele andere Verwandte.
Die Beschwerdeführer reisten in Österreich aufgrund eines vom 20.12.2023 bis 14.01.2024 gültigen Schengenvisums ein, um an der Hochzeit der ebenfalls aus der Türkei anreisenden Tochter XXXX teilzunehmen. Sie reisten nicht wie vorgesehen nach der Hochzeit wieder in die Türkei zurück, sondern stellten am 22.01.2024 Anträge auf internationalen Schutz.Die Beschwerdeführer reisten in Österreich aufgrund eines vom 20.12.2023 bis 14.01.2024 gültigen Schengenvisums ein, um an der Hochzeit der ebenfalls aus der Türkei anreisenden Tochter römisch 40 teilzunehmen. Sie reisten nicht wie vorgesehen nach der Hochzeit wieder in die Türkei zurück, sondern stellten am 22.01.2024 Anträge auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin lebt aktuell gemeinsam mit ihrer Tochter in einer Wohnung in Wien. Der Zweitbeschwerdeführer verließ Österreich vor ca zwei Monaten, ohne seinen Wohnsitz abzumelden und kehrte in die Türkei zurück, wo er aktuell lebt.
Die Erstbeschwerdeführerin geht in Österreich keiner legalen Tätigkeit nach. Sie verfügt über keine Arbeitserlaubnis, geht aber als Reinigungskraft einer Erwerbstätigkeit nach, welche jedoch nicht bei der Sozialversicherung gemeldet ist. Sie bringt pro Tag rund EUR 50,00 ins Verdienen und geht dieser Tätigkeit zumindest zweimal pro Woche nach. Die Erstbeschwerdeführerin bezog bis 06.03.2024 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung (Krankenversicherung, Verpflegung, Unterbringung, Taschengeld). Aktuell bezieht sie keine derartigen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Die Erstbeschwerdeführerin ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Zweitbeschwerdeführer verfügt in Österreich jeweils seit 13.06.2024 über Gewerbeberechtigungen für Entrümpler, Durchführung einfacher Gartenarbeiten und Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht im grenzüberschreitenden Güterverkehr insgesamt 2.500 kg bzw im innerstaatlichen Güterverkehr 3.500 kg nicht übersteigt und ist seit 13.06.2024 bis laufend als gewerblich selbständig Erwerbstätiger bei der Sozialversicherung gemeldet. Diese Gewerbe werden spätestens seit August 2024 nicht mehr durch ihn ausgeübt. Dem Zweitbeschwerdeführer ist es aufgrund seiner Ausreise aus Österreich im August 2024 auch nicht möglich, Einkommen aus dieser Tätigkeit zu erwirtschaften. Der Zweitbeschwerdeführer bezog bis 06.03.2024 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung (Krankenversicherung, Verpflegung, Unterbringung, Taschengeld). Aktuell bezieht er keine derartigen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.
Die Erstbeschwerdeführerin ist nicht der deutschen Sprache mächtig. Sie besucht keine Kurse, engagiert sich in keinen Vereinen und verfügt über keine nennenswerten sozialen Kontakte. Eine Integration in sprachlicher, sozialer, beruflicher und kultureller Hinsicht liegt nicht vor.
Der zwischenzeitig wieder in der Türkei lebende Zweitbeschwerdeführer ist in Österreich weder in sprachlicher, noch in sozialer, beruflicher oder kultureller Hinsicht integriert.
Beide Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer und der Rückkehrsituation
Die Erstbeschwerdeführerin hat keine eigenen Fluchtgründe. Sie leitet ihre Fluchtgründe vom Zweitbeschwerdeführer ab.
Der Zweitbeschwerdeführer war in der Türkei als Forstarbeiter tätig. Er erhielt am 15.10.2023 den Arbeitsauftrag, ein Waldgelände sauber zu machen. Zu diesem Zweck engagierte er Waldarbeiter. Als der Zweitbeschwerdeführer wegen Schulden die Löhne der Arbeiter nicht mehr zahlen konnte, kam es zwischen den Arbeitern und dem Zweitbeschwerdeführer zu Streit. Die Arbeiter übten telefonisch auf den Zweitbeschwerdeführer Druck aus und drohten ihm, damit er den ausständigen Lohn bezahle. Aufgrund dieses telefonisch ausgeübten Drucks und der dabei gegen den Zweitbeschwerdeführer ausgestoßenen Drohungen der Arbeiter verließen die Beschwerdeführer die Türkei.
Der Zweitbeschwerdeführer wurde in der Türkei nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden verfolgt.
Der Zweitbeschwerdeführer ist im August 2024 freiwillig aus Österreich ausgereist und kehrte wieder in die Türkei zurück. Er unterstellte sich wieder dem Schutz seines Herkunftsstaates.
Weder der Erstbeschwerdeführerin noch dem Zweitbeschwerdeführer droht im Herkunftsstaat die Gefahr, aufgrund ihrer Nationalität, Rasse, politischen oder religiösen Überzeugung oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden.
Es existieren keine Umstände, die einer Abschiebung der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet entgegenstünden. Sie verfügen über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Die Beschwerdeführer werden im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei droht den Beschwerdeführern nicht die Gefahr, durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in ihrem Herkunftsstaat in ihrer körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihnen droht im Fall der Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in ihrer Existenz bedroht zu werden.
1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat
1.3.1. Sicherheitslage
Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, S. 18).Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, Sitzung 18).
Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteid igungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, S. 4; vgl.USDOS 30.11.2023) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, S. 16; vgl. USDOS 30.11.2023) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der „Terrorbekämpfung“ begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, S. 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, S. 5).Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteid igungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, Sitzung 4; vgl.USDOS 30.11.2023) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, Sitzung 16; vergleiche USDOS 30.11.2023) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der „Terrorbekämpfung“ begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, Sitzung 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, Sitzung 5).
Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front – Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vgl. AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 7.2023, S. 34). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte.Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front – Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vergleiche AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 7.2023, Sitzung 34). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte.
Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen […] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“ (EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022a). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht „Recht auf Leben“ siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage.Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, Sitzung 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament „in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen […] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind“ (EP 14.4.2016, Sitzung 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das „Recht auf Leben“ nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022a). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht „Recht auf Leben“ siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage.
Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (MBZ 18.3.2021, S. 12). Die anhaltenden Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus haben die terroristischen Aktivitäten verringert und die Sicherheitslage verbessert (EC 8.11.2023, S.50). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023a), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Bergregionen im Südosten des Landes (MBZ 2.3.2022, S. 13).Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (MBZ 18.3.2021, Sitzung 12). Die anhaltenden Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus haben die terroristischen Aktivitäten verringert und die Sicherheitslage verbessert (EC 8.11.2023, S.50). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023a), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Bergregionen im Südosten des Landes (MBZ 2.3.2022, Sitzung 13).
Die Lage im Südosten gibt laut Europäischer Kommission weiterhin Anlass zur Sorge und ist in der Grenzregion prekär, insbesondere nach den Erdbeben im Februar 2023. Die türkische Regierung hat zudem grenzüberschreitende Sicherheits- und Militäroperationen im Irak und Syrien durchgeführt, und in den Grenzgebieten besteht ein Sicherheitsrisiko durch terroristische Angriffe der PKK (EC 8.11.2023, S.4, 18). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK (und der Kurdistan Freiheitsfa