Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der H in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 30. Jänner 1995, Zl. Senat-NK-94-436, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit einer Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Beschwerdevorbringens und des Inhalts des angefochtenen Bescheides ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführerin ist Filialleiterin einer Filiale der B-AG in Graz und in dieser Eigenschaft verantwortlich Beauftragte gemäß § 9 (Abs. 2) VStG. Anläßlich einer Überprüfung der Filiale durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Graz am 28. April 1992 wurde festgestellt, daß der Boden im Bereich der Feinkostinsel nicht mit einem fußwarmen Bodenbelag versehen war, obwohl an ständigen Arbeitsplätzen ein Fußboden mit ausreichend hoher Wärmedämmung und geringer Wärmeableitung vorhanden sein muß.
Die Bezirkshauptmannschaft Mödling, die offenbar auf Grund des in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Sitzes der B-AG einschritt, trat am 31. Juli 1992 das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 27 VStG an den "Magistrat" Graz ab. Dabei ging sie von dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens aus, wonach die Beschwerdeführerin verantwortliche Beauftragte in ihrer Eigenschaft als Filialleiterin ist.
Der "Magistrat" Graz seinerseits übertrug gemäß § 29a VStG das Strafverfahren an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als die sachlich zuständige Behörde, in deren Sprengel die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz hat.
Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (als zuständige Wohnsitzbehörde) erkannte die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 20. Juli 1993 für schuldig, als gemäß § 9 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte den in der Anzeige des Arbeitsinspektorates Graz umschriebenen Tatbestand verwirklicht zu haben.
Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung - in der unter anderem die örtliche Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde eingewandt wurde - wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 30. Juni 1994 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Berufung zur Erledigung an die belangte Behörde überwiesen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid erklärte sich (auch) die belangte Behörde für unzuständig.
Über die dagegen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.
Es trifft zwar zu, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/18/0416, vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0070, sowie vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0215) es für den Bereich des VStG in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen - und dies trifft auch auf in Filialen gegliederte Unternehmungen zu -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort ankommt, an dem das Unternehmen betrieben wird (also insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes); vielmehr ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, ist demnach der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen.
Läßt sich - wie dies in der Beschwerde im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde behauptet wird - aus dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoweit der Tatort nicht entnehmen (die dort enthaltene örtliche Umschreibung der Filiale soll nur als ein - wenn auch wesentliches - Sachverhaltselement im Sinne des § 44a Z. 1 VStG anzusehen sein) ist der konkretisierte Tatvorwurf, wie er sich aus den Akten in Verbindung mit der Bescheidbegründung in der Regel notwendig ergibt, zugrunde zu legen (vgl. die bereits angeführten Erkenntnisse vom 14. Jänner 1993, vom 3. Mai 1993 und vom 8. Juli 1993 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Im Beschwerdefall ist - wie die Beschwerdeführerin auch zutreffend erkennt - der Erfolg des behaupteten mit Strafe bedrohten Verhaltens in der Filiale in Graz eingetreten. Für diese Filiale war aber die Beschwerdeführerin - wie sie auch noch vor dem Verwaltungsgerichtshof vorbringt - als verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt.
Wenn aber für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs. 2 VStG bestellt ist, dann liegt der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung, sondern am Standort dieser Filiale (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0055).
Soweit die Beschwerdeführerin versucht, auf die Baumaßnahmen und deren Planung hinsichtlich der Filiale zu verweisen, die am Sitz der B-AG vorgenommen worden wären, übersieht sie, daß sie nicht behauptet, keine ihrem Verantwortungsbereich als Filialleiterin entsprechende Anordnungsbefugnis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG gehabt zu haben; der Tatort lag somit dort, wo sie die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätte setzen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1994 mit weiteren Nachweisen).
Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
örtliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995020069.X00Im RIS seit
20.11.2000