Entscheidungsdatum
19.09.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W142 2260406-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , diese vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2022, Zl. 1287451206/211564956, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch 40 StA. Somalia, vertreten durch die Kindesmutter römisch 40 , diese vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2022, Zl. 1287451206/211564956, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 ASylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.A) Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, ASylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Die minderjährige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine somalische Staatsangehörige, wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren. 1. Die minderjährige Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine somalische Staatsangehörige, wurde am römisch 40 im österreichischen Bundesgebiet geboren.
2. Am 20.10.2021 stellte sie, vertreten durch ihre Mutter, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz (nachgeborenes Kind). Auf dem Antragsformular wurde angegeben, dass ihre Mutter den Status der subsidiär Schutzberechtigten innehabe und die BF eigene Gründe für internationalen Schutz habe bzw. weitere Ermittlungen beantrage. Dem Antrag wurden die Geburtsurkunde der BF; Farbfotos; ein ZMR-Auszug; ein Foto des Reisepasses des Vaters, ausgestellt von der Republik Malta (Alien’s Passport, gültig von 15.09.2020 bis 24.05.2023) sowie ein Foto des österreichischen Fremdenpasses der Mutter (gültig von 09.09.2016 bis 08.09.2021) beigelegt.
3. Am 25.07.2022 wurde die Mutter der BF, in Anwesenheit einer Dolemtscherin für die Somalische Sprache, vom BFA niederschriftlich einvernommen.
Zu den persönlichen Daten der BF gab die Mutter insbesondere an, die BF gehöre der Volksgruppe der Abgaal und der Relgion des sunnitichen Islam an. Die Mutter sowie drei minderjährige Brüder der BF würden in Österreich leben. Der Vater der BF lebe in Malta. Eine minderjährige Schwester der BF (geboren im Jänner 2007), lebe in Mogadischu bei der Großmutter väterlicherseits. Ansonsten würden noch der Großvater und die Großmutter in Somalia leben. Die Muttersprache der BF sei Somalisch.
Befragt, ob die Mutter etwas zum Asylantrag ihrer Tochter angeben wolle, gab diese an, dass die BF bei einer Rückkehr nach Somalia beschnitten werden würde. Ihre Tochter würde in Somalia nicht heiraten können, weil sie nicht beschnitten sei. Die Großeltern würden über die Beschneidung der BF entscheiden. Diese würden in Mogadischu leben. Nach Vorhalt, dass sie nicht zu diesen ziehen müssten, gab die Mutter der BF an, dass sie bei einer Rückkehr bei ihren oder den Eltern ihres Mannes leben müsste. Der Vater der BF lebe derzeit in Malta, sie habe diesen im Jahr 2009 in Saudi-Arabien kennengelernt und traditionell geheiratet. Sie sehe ihn einmal im Jahr. Sie seien beide illegal in Saudi-Arbien gewesen, er sei 2011 nach Somalia zurückgeschoben worden, dann hätten sie den Kontakt verloren. In Österreich habe sie ihn dann auf Facebook gefunden. Sie habe nach Malta gewollt, aber die Polizei habe sie angehalten. Sie habe gewollt, dass ihr Mann nach Österreich kommt.
Weiters gab die Mutter der BF an, dass sie insgesamt fünf Kinder habe. Eine ihrer Töchter lebe in Somalia, diese habe einen anderen Vater. Mit dem Vater der BF hab sie vier Kinder. In Österreich lebe sie von Sozialleistungen. In Somalia würden die Eltern, Geschwister und ihre Tochter leben. Ihre Tochter sei 15 Jahre alt. Diese sei beschnitten, sie habe dies nicht gewollt, aber die Großmutter habe es machen lassen. Die Mutter sei bei der Beschneidung nicht anwesend gewesen. Eine alte Frau habe diese beschnitten, diese kenne sie nicht. Sie sei schon in Österreich gewesen. Der Vater der in Somalia lebenden Tochter sei im Jahr 2014 verstorben. Diese sei von ihrem Vater getötet worden, da er einer anderen Volksgruppe angehört habe und der Vater ihn nicht akzeptiert habe.
Anschließend verneinte die Mutter der BF noch etwas ergänzen zu wollen bzw. weitere Asylgründe für die BF zu haben. Zudem gab sie an, dass die BF gesund sei.
4. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 20.10.2021 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 10.03.2023 erteilt.4. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 20.10.2021 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Der BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG in Verbindung mit Paragraph 34, Absatz 3, AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG bis zum 10.03.2023 erteilt.
Begründend führte das Bundesamt aus, dass die BF in Österreich geboren worden sei und ihre Mutter somit keine eigenen Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates vorgebracht habe. Soweit die Mutter der BF angebe, dass die BF im Falle der Rückkehr nach Somalia eine weibliche Genitalverstümmelung gezwungen werden könnte, werde nicht verkannt, dass der VwGH mehrfach ausgesprochen habe, dass die weibliche Genitalbeschneidung eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK darstellen könne und die Beschneidung von Mädchen in Somalia laut den Länderberichten ein gravierendes Problem darstelle. Zudem werde nicht übersehen, dass in Somalia eine Mutter, die ihre Tochter nicht beschneiden lassen will, in ländlichen Gebieten auf erhebliche Probleme stoßen könne und es auch in urbanen Gebieten zu großem sozialen und psychischen Druck kommen könne, eine Tochter beschneiden zu lassen. Aus den Länderberichten gehe jedoch auch hervor, dass wenngleich 98% aller Frauen und Mädchen beschnitten seien, die Hauptrolle bei der Entscheidung, ob eine Beschneidung stattfinde, in erster Linie bei der Mutter liege und nur in geringem Maße bei der Großmutter. Der Vater spiele bei der Entscheidung kaum eine Rolle. Um eine Verstümmelung zu vermeiden, komme es auf die Standhaftigkeit der Mutter an. Auch der Bildungshintergrund, der soziale Status sowie die kulturelle und geographische Zugehörigkeit spiele eine Rolle. Dass Mächen ohne die Einwilligung ihrer Mutter von Verwandten einer weiblichen Genitalverstümmelung unterzogen werden, sei zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Keine Quelle des Danish Immigration Service habe über einen deratigen Fall berichtet. Die Behörde vertrete daher der Ansicht, dass es den Eltern der BF, welche gegen die in Somalia praktizierende Tradiation der Genitalverstümmelung seien, wohl möglich und zumutbar sei bzw. sein müsste, im Falle der hypothetischen Rückkehr nach Somalia, zu verhindern, dass die BF einer Beschneidung unterzogen werde bzw. eine solche an ihr durchgeführt werde. Aufgrund der Familienzugehörigkeit zu ihrer Mutter sei der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und stehe es der BF bzw. ihrer Familie daher frei, in Österreich zu bleiben und liege eine unmittelbare Rückkehr nach Somalia im Verantwortungsbereich der Familie. Zum Entscheidungszeitpunkt könne ausgeschlossen werden, dass die BF indidividuell und aktuell von den frauenspezifischen Maßnahmen und Lebensbedingungen in Somalia betroffen sei. Vor diesem Hintergrund lasse sich daher in Bezug auf ihre konkrete Situation eine entsprechende konkrete, aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Gefahr, im Falle einer Rückkehr nach Somalia Opfer einer weiblichen Genitalbeschneidung zu werden, nicht erkennen. Aufgrund der allgemeinen Lage in Somalia sei bereits ihrer Mutter sowie dem Vater der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, weshalb auch der BF, im Rahmen des Familienverfahrens, derselbe Schutz zu gewähren sei.
5. Gegen Spruchpunkt I. des gegenständlichen Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF von den Familienangehörigen in Somalia beschnitten werden würde und sich ihre Mutter zwar gegen eine Beschneidung ausspreche bzw. diese ablehne, sie eine soche jedoch nicht verhindern könne. Entgegen der Ansicht des BFA drohe der BF als junges, unbeschnittenes Mädchen im Falle einer Rückkehr Verfolgung aufgrund drohender Genitalverstümmelung, somit aufgrund Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unbeschnittenen Mädchen iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK. Das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und verkannt, dass Nachforschungen zu eventuellen Fluchtgründen/der drohenden Genitalverstümmelung anzustellen seien. Die Länderberichte würden die drohende Genitalverstümmelung bei jungen unbeschnittenen somalischen Mädchen bestätigen. Das BFA wäre auch verpflichtet gewesen zusätzliche/aktuelle Länderberichte einzuholen bzw. diese entsprechend zu würdigen und sei eine drohende FGM auch als notorisches Amtswissen zu bezeichnen. Aus den herangezogenen Länderberichten gehe hervor, dass FGM in Somalia weit verbreitet sei und die Norm bleibe. Nach wie vor seien 90% der Frauen/Mädchen davon betroffen. Ebenso gehe daraus hervor, dass zwar primär die Mutter bzw. die Eltern des Mädchens darüber entscheiden, ob eine Genitalbeschneidung durchgeführt werde, doch gehe ein starker sozialer und gesellschaftlicher Druck von der Umgebung der Familie aus. Mädchen, die nicht beschnitten seien, würden in der somalischen Gesellschaft immer noch stigmatisiert werden. Ebenso ergebe sich aus dem LIB eine verheerende Situation für Kinder in Somalia (Unterernährung, Kindersterblichkeit durch diverse Krankheiten) und gehöre Somalia auch zu den Ländern mit der größten Zahl an Verbrechen an Kindern weltweit (Tötung, Vestümmelung, Rekrutierung, Kampfeinsatz, Missbrauch, Vergewaltigung). Diverse zusätzliche Länderberichte von UNHCR, USDOS etc. hätten herangezogenen werden müssen und würden Frauen, Kinder und Mädchen darin als Risikoprofile dargestellt werden. Somalia habe die weltweit höchste Rate an weiblicher Genitalverstümmelung. Es sei kaum möglich, dem sozialen Druck der traditionellen somalischen Gesellschaft Stand zu halten. Auch wenn Eltern sich gegen Genitalverstümmelung aussprechen würden, bleibe das Risiko, dass die Tochter beschnitten werde, bestehen, denn oftmals werde Genitalverstümmeliung durch andere Personen (insbesondere nahe Angehörige), auch ohne Einverständnis der Eltern, praktiziert. Die Eltern müssten laut Bericht des UK Home-Office entweder einen sozio-ökonomischen Hintergrund haben, der es ihnen erlaube, sich von der vorherrschenden gesellschaftlichen Meinung zu distanzieren oder über ein anderes spezielles Merkmal verfügen, der ihnen diese Entscheidungsmacht zuspreche. Viele Somalis würden FGM nicht nur aus Gründen der Keuschheit, sondern auch aus vermeintlich hygienischen Gründen befürworten. Unbeschnittene Frauen, welche als unrein gelten, würden wegen derer mangelhaften Chancen zu heiraten stigmatisiert werden. Zusammengefasst würden junge Mädchen in Somalia einer Genitalverstümmelung praktisch nicht entkommen, die Mehrheit der jungen Mädchen seien von der schwersten und invasivsten Form der Verstümmelung (Infibulation) betroffen und sei die Situation von Kindern allgemein tragisch. Diese folterähnliche Praxis werde an Frauen bis zum 39. Lebensjahr praktiziert, dies auch gegen den Willen der Frauen/Mädchen und auch ohne Einverständnis der Eltern. Da diese Praxis flächendeckend durchgeführt werde und in der somalischen Gesellschaft als ehrenhafte und anerkannte Praxis gelte gelte, sei der Staat weder gewillt, noch in der Lage die BF vor Genitalverstümmelung zu schützen. Die Behörde habe nicht ermittelt, welche Auswirkungen die drohende Verfolgung auf Kinder wie die BF hätte und sei eine detaillierte Befragung dazu unterlassen worden. Auch die Beweiswürdigung der Behörde sei mangelhaft und bestehe zum Teil aus inhaltsleeren Textbausteinen, welche sich nur unzureichend mit dem individuellen Vorbringen auseinandersetzen würden. Zudem sei ein Abgleich mit den Länderfeststellungen der Beweiswürdigung nicht zu entnehmen. Die Familie der Mutter sei streng mit den somalischen Traditionen verbunden. Die Mutter der BF sowie ihre älteste Tochter, welche in Somalia lebe, sei selbst im Kindesalter von ihrer Familie beschnitten worden. Aus den Länderfeststellungen gehe gerade hervor, dass auch Eltern den sozialen Druck der Gesellschaft nicht standhalten können, sodass nicht nachvollziehbar sei, wie die Behörde unter Heranziehung der Länderberichte zu dem Schluss komme, dass die Angst vor Genitalverstümmelung unglaubwürdig sei. Insofern könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Vornahme einer weiblichen Genitalvestümmelung durch Verwandte drohe und sie sich widersetzen könne. Der Mutter der BF sei es nicht möglich, dem sozialen Druck der traditionell somalischen Gesellschaft Stand zu halten und würde eine Genitalverstümmelung selbst dann nicht mit der erfoderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden können, wenn die Eltern des betroffenen Mädchens sich ausdrücklich gegen die Genitalverstümmelung aussprechen würden. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. 5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des gegenständlichen Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF von den Familienangehörigen in Somalia beschnitten werden würde und sich ihre Mutter zwar gegen eine Beschneidung ausspreche bzw. diese ablehne, sie eine soche jedoch nicht verhindern könne. Entgegen der Ansicht des BFA drohe der BF als junges, unbeschnittenes Mädchen im Falle einer Rückkehr Verfolgung aufgrund drohender Genitalverstümmelung, somit aufgrund Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unbeschnittenen Mädchen iSd Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2, GFK. Das BFA habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und verkannt, dass Nachforschungen zu eventuellen Fluchtgründen/der drohenden Genitalverstümmelung anzustellen seien. Die Länderberichte würden die drohende Genitalverstümmelung bei jungen unbeschnittenen somalischen Mädchen bestätigen. Das BFA wäre auch verpflichtet gewesen zusätzliche/aktuelle Länderberichte einzuholen bzw. diese entsprechend zu würdigen und sei eine drohende FGM auch als notorisches Amtswissen zu bezeichnen. Aus den herangezogenen Länderberichten gehe hervor, dass FGM in Somalia weit verbreitet sei und die Norm bleibe. Nach wie vor seien 90% der Frauen/Mädchen davon betroffen. Ebenso gehe daraus hervor, dass zwar primär die Mutter bzw. die Eltern des Mädchens darüber entscheiden, ob eine Genitalbeschneidung durchgeführt werde, doch gehe ein starker sozialer und gesellschaftlicher Druck von der Umgebung der Familie aus. Mädchen, die nicht beschnitten seien, würden in der somalischen Gesellschaft immer noch stigmatisiert werden. Ebenso ergebe sich aus dem LIB eine verheerende Situation für Kinder in Somalia (Unterernährung, Kindersterblichkeit durch diverse Krankheiten) und gehöre Somalia auch zu den Ländern mit der größten Zahl an Verbrechen an Kindern weltweit (Tötung, Vestümmelung, Rekrutierung, Kampfeinsatz, Missbrauch, Vergewaltigung). Diverse zusätzliche Länderberichte von UNHCR, USDOS etc. hätten herangezogenen werden müssen und würden Frauen, Kinder und Mädchen darin als Risikoprofile dargestellt werden. Somalia habe die weltweit höchste Rate an weiblicher Genitalverstümmelung. Es sei kaum möglich, dem sozialen Druck der traditionellen somalischen Gesellschaft Stand zu halten. Auch wenn Eltern sich gegen Genitalverstümmelung aussprechen würden, bleibe das Risiko, dass die Tochter beschnitten werde, bestehen, denn oftmals werde Genitalverstümmeliung durch andere Personen (insbesondere nahe Angehörige), auch ohne Einverständnis der Eltern, praktiziert. Die Eltern müssten laut Bericht des UK Home-Office entweder einen sozio-ökonomischen Hintergrund haben, der es ihnen erlaube, sich von der vorherrschenden gesellschaftlichen Meinung zu distanzieren oder über ein anderes spezielles Merkmal verfügen, der ihnen diese Entscheidungsmacht zuspreche. Viele Somalis würden FGM nicht nur aus Gründen der Keuschheit, sondern auch aus vermeintlich hygienischen Gründen befürworten. Unbeschnittene Frauen, welche als unrein gelten, würden wegen derer mangelhaften Chancen zu heiraten stigmatisiert werden. Zusammengefasst würden junge Mädchen in Somalia einer Genitalverstümmelung praktisch nicht entkommen, die Mehrheit der jungen Mädchen seien von der schwersten und invasivsten Form der Verstümmelung (Infibulation) betroffen und sei die Situation von Kindern allgemein tragisch. Diese folterähnliche Praxis werde an Frauen bis zum 39. Lebensjahr praktiziert, dies auch gegen den Willen der Frauen/Mädchen und auch ohne Einverständnis der Eltern. Da diese Praxis flächendeckend durchgeführt werde und in der somalischen Gesellschaft als ehrenhafte und anerkannte Praxis gelte gelte, sei der Staat weder gewillt, noch in der Lage die BF vor Genitalverstümmelung zu schützen. Die Behörde habe nicht ermittelt, welche Auswirkungen die drohende Verfolgung auf Kinder wie die BF hätte und sei eine detaillierte Befragung dazu unterlassen worden. Auch die Beweiswürdigung der Behörde sei mangelhaft und bestehe zum Teil aus inhaltsleeren Textbausteinen, welche sich nur unzureichend mit dem individuellen Vorbringen auseinandersetzen würden. Zudem sei ein Abgleich mit den Länderfeststellungen der Beweiswürdigung nicht zu entnehmen. Die Familie der Mutter sei streng mit den somalischen Traditionen verbunden. Die Mutter der BF sowie ihre älteste Tochter, welche in Somalia lebe, sei selbst im Kindesalter von ihrer Familie beschnitten worden. Aus den Länderfeststellungen gehe gerade hervor, dass auch Eltern den sozialen Druck der Gesellschaft nicht standhalten können, sodass nicht nachvollziehbar sei, wie die Behörde unter Heranziehung der Länderberichte zu dem Schluss komme, dass die Angst vor Genitalverstümmelung unglaubwürdig sei. Insofern könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Vornahme einer weiblichen Genitalvestümmelung durch Verwandte drohe und sie sich widersetzen könne. Der Mutter der BF sei es nicht möglich, dem sozialen Druck der traditionell somalischen Gesellschaft Stand zu halten und würde eine Genitalverstümmelung selbst dann nicht mit der erfoderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden können, wenn die Eltern des betroffenen Mädchens sich ausdrücklich gegen die Genitalverstümmelung aussprechen würden. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
6. Mit Bescheid des BFA vom 08.02.2023 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der BF für subsidiär Schutzberechtigte für 2 Jahre verlängert (§ 8 Abs. 4 AsylG).6. Mit Bescheid des BFA vom 08.02.2023 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der BF für subsidiär Schutzberechtigte für 2 Jahre verlängert (Paragraph 8, Absatz 4, AsylG).
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.04.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Mutter der BF, eine Dolmetscherin für die somalische Sprache sowie die Rechtsvertreterin der BF teilnahmen.
In der Verhandlung wurde wie folgt vorgebracht:
[…]
R: Wo ist Ihre Tochter?
GV: Ich habe sie bei einer Freundin gelassen.
R: Wie lange sind Sie schon in Österreich?
GV: Seit 8 Jahren.
R: Können Sie Deutsch sprechen?
GV auf Deutsch: Ja, ich kann Deutsch sprechen.
R: Wie viele Kinder haben Sie, die in Österreich leben?
GV auf Deutsch: Vier.
R: Der Vater der BF (Ihrer Tochter) lebt in Malta, stimmt das?
GV: Ja.
R: Seit wann lebt der Vater in Malta?
GV: Seit 2012.
R: Der Name des Vaters lautet XXXX ? R: Der Name des Vaters lautet römisch 40 ?
GV: Ja, das stimmt.
R: Wieso lebt der Vater in Malta?
GV: Wir haben versucht im Jänner 2021, da waren wir beim BFA und haben versucht, dass mein Mann hierherkommt. Da haben wir eine Ablehnung bekommen, da ich zuerst arbeiten muss.
R: Welchen Aufenthaltstatus hat der Vater in Malta?
GV: Ich weiß es nicht genau, aber er hat einen Status.
R: Sehen sie sich regelmäßig?
GV: Er besucht uns zwei Mal im Jahr.
R: Arbeitet er in Malta?
GV: Nein, er arbeitet nicht.
R: Von was lebt er?
GV: In Malta gibt es nicht so viele, er hat früher gearbeitet, aber jetzt bekommt er was vom Staat.
R: Was meinen Sie damit „in Malta gibt es nicht so viele“?
GV: Ich weiß es nicht genau, aber er hat mir erzählt, dass es in Malta nicht so viel Arbeit gibt.
R: Ihre anderen drei Kinder sind Buben, stimmt das?
GV: Ja.
R: Wie alt sind sie?
GV: 11, 6, 5 und 1 Jahr.
R: Haben Sie in Österreich jemals gearbeitet?
GV auf Deutsch: Ich habe nicht gearbeitet, aber ich suche.
R: Was suchen Sie für eine Arbeit?
GV auf Deutsch: Ich möchte gerne Kindergartenassistentin werden.
R: Dann müssen Sie eine Ausbildung machen, wissen Sie das?
GV auf Deutsch: Ja, ich habe schon einen Platz bekommen, ich beginne ab Juli.
R: Wo machen Sie diese Ausbildung?
GV auf Deutsch: Das ist Privat, man muss es selbst bezahlen.
R: Wer ist der Organisator?
GV auf Deutsch: Ich weiß es nicht, ich kann es Ihnen zeigen. Ich habe noch nicht gezahlt, deshalb habe ich noch keine Bestätigung, ich habe es selbst geplant.
R: Das heißt, Sie bekommen vom Staat Geld?
GV auf Deutsch: Ja.
R: Wie viel?
GV auf Deutsch: Insgesamt EURO 2600,-
R: Ist das Sozialhilfe mit Kinderbeihilfe?
GV auf Deutsch: Ich bekomme keine Kinderbeihilfe, nur Sozialhilfe und Geld von der Caritas.
R: Wie hoch ist die Sozialhilfe?
GV auf Deutsch: ca. EURO 1100,-
R: Und die Caritas zahlt den Rest. Wie viel ist das ca.?
GV auf Deutsch: Ich habe ein behindertes Kind und bekomme EURO 500,- von der PVA. Die Caritas zahlt auch ca. EURO 1100,-
R: Ihre Tochter (die BF) ist gesund?
GV auf Deutsch: Ja.
R: Und ist der Vater der BF auch der Vater der anderen Kinder?
GV auf Deutsch: Ja, alle vier Kinder haben den gleichen Vater.
R: Haben Sie gemeinsam mit dem Vater der Kinder Somalia verlassen?
GV: Nein, er hat zuerst verlassen.
R: Wann hat er Somalia verlassen und wann haben Sie Somalia verlassen?
GV: Wir haben in Saudi-Arabien zusammengelebt. Mein Mann ist nach Somalia zurückgeschoben worden und ich habe Ende 2014 Saudi-Arabien verlassen. Ich bin im April 2015 nach Österreich gekommen. Ich kann nicht angeben wann mein Mann Somalia verlassen hat. Ich habe ihn gefunden, als ich hier in Österreich drei Monate war.
R: Sie meinen mit „gefunden haben“, dass Sie erfahren haben, dass er in Malta lebt?
GV: Ja, er war in Malta, wir haben uns per Facebook gefunden.
R: Was glauben Sie theoretischer Weise, was Ihrer Tochter passieren würde, wenn Sie nach Somalia zurückkehren müssten?
GV: Ich weiß, dass sie beschnitten wird.
R: Haben Sie noch Verwandte in Somalia?
GV: Ja.
R: Wer lebt noch in Somalia?
GV: Meine Mutter und meine Geschwister leben in Somalia. Die Mutter meines Ehemannes und seine Geschwister leben auch in Somalia.
R: Wo lebt Ihre Mutter in Somalia?
GV: Sie lebt in Afgooye, man hat aber falsch geschrieben und zwar, dass meine Mutter in Mogadischu lebt, aber das war falsch. Sie lebt in Afgooye und Afgooye liegt in der Nähe von Mogadischu.
R: Wer hat jetzt diese falsche Aussage gemacht?
GV: Ich glaube, bei der BFA-Einvernahme steht das drinnen.
R: Haben Sie es falsch gesagt oder wurde es falsch protokolliert?
GV: Als mir diese Frage gestellt wurde, habe ich gesagt, dass meine Mutter in Somalia lebt. Man hat mich nicht präzise gefragt, wo genau sie lebt. Wenn sie mich gefragt hätten, hätte ich wie jetzt antworten können.
R: Aber warum steht im Einvernahme Protokoll vom 25.07.2022, dass Ihre Eltern in Mogadischu leben? Der einvernehmende Beamte schreibt nur das von Ihnen gesagte nieder.
GV: Auch in der Rückübersetzung habe ich nicht mitbekommen, dass sie Mogadischu geschrieben haben. Ich hatte ein weinendes Kind mit und ich konnte bei der Rückübersetzung nicht folgen, aber als ich das Protokoll später gelesen habe, habe ich es gesehen.
R: In der Beschwerde steht nicht drinnen, dass Mogadischu falsch protokolliert wurde.
GV: Bin ich gezwungen, dass ich es in der Beschwerde sage, aber ich dachte, dass ich es hier korrigieren darf.
R: Das heißt, Ihre Mutter lebt in Afgooye. Wo leben Ihre Geschwister?
GV: Meine Geschwister leben bei meinem Vater in Mogadischu.
R: Wie viele Geschwister haben Sie?
GV: Fünf.
R: Wie viele Schwestern und wie viele Brüder haben Sie?
GV: Drei Brüder und zwei Schwestern.
R: Wieso leben Ihre Mutter und Ihr Vater getrennt?
GV: Sie sind geschieden.
R: Seit wann sind sie geschieden?
GV: Ich erinnere mich nicht, ich war sehr jung, als sie sich getrennt haben.
R: Wo sind Sie geboren?
GV: In Mogadischu.
R: Haben Sie in Mogadischu bis zur Ausreise aus Somalia gelebt?
GV: Ja, von Mogadischu bin ich nach Saudi-Arabien gegangen und von dort dann nach Österreich.
R: Das heißt, als Sie in Somalia gelebt haben, haben Sie immer in Mogadischu gelebt?
GV: Ja.
R: Wann hat Ihre Mutter in Mogadischu gelebt?
GV: Meine Mutter hat nicht früher in Mogadischu gelebt, aber als sie meinen Vater geheiratet hat, lebte sie in Mogadischu. Wie lange sie dort gelebt hat, kann ich nicht angeben, aber als meine Eltern sich scheiden gelassen haben, ist meine Mutter in ihren Heimatort zurückgekehrt.
R: Wo leben die Eltern vom Vater Ihrer Kinder?
GV: Die leben in Mogadischu.
R: Wie viele Geschwister hat der Vater Ihrer Kinder?
GV: Sechs.
R: Wie viele Schwestern und Brüder hat der Vater Ihrer Kinder?
GV: Vier Schwestern und zwei Brüder.
R: Haben Sie Kontakt zur Familie Ihres Mannes?
GV: Nein, ich habe keinen Kontakt.
R: Haben Sie Kontakt zu Ihrem Vater?
GV: Zu meinem Vater nicht, aber zu meiner Mutter schon.
R: Wie oft haben Sie Kontakt zu Ihrer Mutter?
GV: Einmal in der Woche telefoniere ich mit meiner Mutter.
R: Warum glauben Sie, dass Ihre Tochter bei ihrer Rückkehr beschnitten werden würde?
GV: Erstens, es ist eine alte Tradition und zweitens, die Eltern werden das machen.
R: Welche Eltern meinen Sie?
GV: Beide Seiten.
R: Also sowohl Ihr Vater, als auch Ihr Vater würden wollen, dass Ihre Tochter beschnitten wird?
GV: Ja.
R: Aber Sie sind eine sehr selbstständige Frau, man sieht dies. Wieso können Sie nicht sagen, dass Sie nicht wollen, dass Ihre Tochter beschnitten wird?
GV: Das stimmt, ich bin eine selbstständige Frau, aber in meinem Heimatort gibt es kein funktionierendes System und Gerechtigkeit, deswegen kann ich meine Tochter nicht beschützen, aber hier in Österreich schon.
R: Der Vater Ihrer Tochter, der ist auch gegen eine Beschneidung?
GV: Ja, er ist auch gegen eine Beschneidung.
R: Sie sind verheiratet mit dem Vater Ihrer Kinder?
GV: Ja.
R: Seit wann?
GV: 2009, wir haben in Saudi-Arabien geheiratet.
R: Woher sollten Ihre Verwandten wissen, dass Ihre Tochter noch nicht beschnitten ist?
GV: Falls wir nach Somalia zurückkehren, werden wir entweder bei meiner Familie oder bei der Familie meines Mannes unterkommen, sie werden Untersuchungen durchführen und so werden sie es erfahren.
R: Ich kann es nicht ganz verstehen. Sie sind verheiratet und sowohl Sie als auch Ihr Mann sind gegen eine Beschneidung. Wieso sollte das die Familie nicht respektieren?
GV: Sie werden es nicht respektieren, weil sie das für richtig halten.
R: Schicken Sie Ihrem Mann nach Malta Geld?
GV: Nein.
R: Sind Sie auch beschnitten?
GV: Ja.
R: Welche Art?
GV: Die schlechteste Variante, ich war ca. 3 Monate deswegen krank.
R: Wann wurden Sie beschnitten?
GV: Ich war elf Jahre alt.
R: Haben Sie es hier in Österreich schon rückgängig gemacht?
GV: Nein, ich weiß nicht wo man das macht.
R: Das heißt, Sie haben jetzt eine Tochter bekommen. Wurden Sie wieder zugenäht?
GV: Nein, ich habe alle meine Kinder per Kaiserschnitt entbunden.
R: Haben Sie viele somalische Freunde hier in Österreich?
GV: Ja.
R: Das heißt, Sie gehören der somalischen Community hier in Österreich an?
GV: Ja, wenn es dort etwas gibt, dann gehe ich hin.
R: Wo gehen Sie da hin?
GV: Es gibt einen somalischen Verein.
R: Wo ist der?
GV: Früher war er in Johnstraße, jetzt ist er in der Landstraße.
R: Hat der Verein Räumlichkeiten in der Landstraße angemietet?
GV: Ja.
R: Wer ist der Obmann des Vereins?
GV: Jetzt Cadani, das ist der Vorname.
R: Wie ist sein Nachname?
GV: Ich weiß nur seinen Vornamen.
R: Welche Veranstaltungen gibt es bei diesem Verein?
GV: Sie veranstalten wie man die somalische Sprache den Kindern beibringt und wenn es eine Information gibt, veranstalten sie es auch.
R: Welche Informationen meinen Sie?
GV: Informationen vom Staat, z.B. wie in der Coronazeit. Sie haben uns viele Informationen weitergegeben.
R: Wie oft gehen Sie zu diesem Verein?
GV: Es kommt drauf an, aber zwei Mal im Jahr gehe ich sicher hin.
R: Kriegen Sie immer Informationsmaterial zugesandt?
GV: Es gibt eine WhatsApp Gruppe und dort verteilen sie die Informationen.
R: Treffen Sie sich in Ihrer Freizeit regelmäßig mit Staatsangehörigen von Somalia?
GV: Nein, ich bin eine alleinstehende Frau und muss auf meine Kinder aufpassen.
R: Also sind Sie nicht in Kontakt mit anderen somalischen Frauen um sich auszutauschen?
GV: Kontakt habe ich, ich habe aber gemeint, wir treffen uns nicht.
R: Aber durch den Kontakt mit anderen somalischen Frauen haben Sie nie über eine Deinfibulation gesprochen?
GV: Über dieses Thema haben wir noch nicht gesprochen.
BFV: Gibt es noch andere Gründe warum Sie keine Deinfibulation vorgenommen haben und wenn, welche?
GV: Erstens, ich schäme mich und als erwachsene Frau kann ich nicht einfach irgendwo hingehen und sagen, dass ich eine Deinfibulation möchte. Das ist schwierig.
BFV: Können Sie sich noch erinnern wie Ihre eigene Mutter damals zu Ihrer Beschneidung gestanden ist?
GV: Ja, an das erinnere ich mich. Meine Mutter hat zu der Frau, die die Beschneidung durchgeführt hat, gesagt, wenn sie mich nicht gut beschneidet, bekommt sie kein Geld.
R: Was meinen Sie mit „gut beschneiden“?
GV: Ich weiß nicht was sie damals gemeint hat, aber ich erinnere mich nur, dass sie gesagt hat, wenn sie mich nicht gut beschnitten hat, bekommt sie kein Geld.
R: Sind Sie in Somalia in die Schule gegangen?
GV: Nein, ich habe die Schule nicht besucht, aber eine Nachbarin hat mich unterrichtet. Ich war bei meinem Vater, meine Schwiegermutter hat mir nicht erlaubt, dass ich die Schule besuche.
R: Wieso haben Sie nicht bei Ihrer Mutter gelebt?
GV: Mein Vater hat uns mitgenommen.
R: Wie alt waren Sie, als Sie Somalia verlassen haben?
GV: Ich war 18 Jahre alt.
R: Wieso sind Sie nicht mit 18 zu Ihrer Mutter gegangen?
GV: Mein Vater hätte mich zurückgeholt, deswegen habe ich mein Heimatland verlassen.
R: Bis zu welchem Alter haben Sie mit Ihren Eltern gemeinsam in Mogadischu gelebt?
GV: Ich erinnere mich nicht an ein näheres Datum. Ich glaube, dass ich fünf Jahre alt war.
R: Haben Sie auch immer wieder Ihre Mutter besucht?
GV: Ja.
R: Das heißt, Sie sind von Mogadischu nach Afgooye gegangen und haben Ihre Mutter besucht?
GV: Ja.
R: Wie oft haben Sie sie besucht?
GV: Immer Donnerstags und Freitags.
R: Haben nur Sie Ihre Mutter besucht oder auch Ihre Geschwister?
GV: Alle.
R: Wie lange sind Sie dann bei Ihrer Mutter geblieben? Wie lange dauerte der Besuch?
GV: Wir sind Donnerstags hingefahren, Freitags dort geblieben und Samstag zurückgekehrt.
R: Wer hat Sie und Ihre Geschwister begleitet?
GV: Wir alleine.
R: Können Sie mir die Namen und das derzeitige Alter Ihrer Geschwister aufschreiben?
GV: Ja.
Die GV schreibt auf die Beilage B:
XXXX . römisch 40 .
R: XXXX sind Ihre Schwestern? R: römisch 40 sind Ihre Schwestern?
GV: Ja.
R: Haben Sie Berichte zur Situation in Somalia?
BFV: Nein.
Erörtert werden folgende Berichte zur Situation in Somalia.
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand 17.03.2023
- Landkarte von Somalia
R: Welche Clanzugehörigkeit haben Sie?
GV: Abgaal.
R: Wollen Sie eine Stellungnahme abgeben?
BFV: Abschließend zum Verfahren wird darauf hingewiesen, dass der elterliche Widerstand nicht ausreichen würde die Genitalverstümmelung der BF zu verhindern. Nach den aktuellen Länderberichten spielt bei der Beurteilung dieses Risikos auch das soziale und wirtschaftliche Umfeld der Familie eine wichtige Rolle. Die GV der BF hat heute geschildert, dass sie als Kind selbst einer Genitalverstümmelung unterzogen wurde. Sowohl ihre Familie, als auch die Familie des Vaters der BF sind streng mit den somalischen Traditionen verbunden und es muss daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Eltern die Genitalverstümmelung nicht verhindern könnten.
R: Wie verdient Ihr Vater den Lebensunterhalt?
GV: Er ist ein Unternehmer.
R: Wie verdient Ihre Mutter den Lebensunterhalt?
GV: Meine Mutter hat Tiere.
R: Hat Ihre Mutter eine Landwirtschaft?
GV: Ja.
R: Wenn Sie sagen, Ihr Vater sei ein Unternehmer. Was für ein Unternehmer ist er?
GV: Mein Vater hat ein Lager, wo man Lebensmittel lagert. Diese Lebensmittel verkauft er weiter und liefert diese an unterschiedlichen Orten aus.
R: Wie verdient XXXX seinen Lebensunterhalt? R: Wie verdient römisch 40 seinen Lebensunterhalt?
GV: Er ist Mechaniker.
R: Und wie verdient Capdi seinen Lebensunterhalt?
GV: Er ist ein Bajaaj-Fahrer.
R: Was ist ein Bajaaj?
GV: Es ist ein kleines Auto.
R: Heißt das, ich kann das mit einem Taxifahrer vergleichen?
GV: Ja.
R: Und XXXX verdient wie seinen Lebensunterhalt? R: Und römisch 40 verdient wie seinen Lebensunterhalt?
GV: XXXX arbeitet mit seinem Vater. GV: römisch 40 arbeitet mit seinem Vater.
R: Sind Sie mit Ihren Geschwistern in Kontakt?
GV: Ja.
R: Geheiratet haben Sie einmal, nämlich den Vater Ihrer Kinder?
GV: Nein, er ist der zweite Ehemann. Ich habe eine Tochter aus erster Ehe.
R: Wo ist Ihre Tochter?
GV: In Somalia.
R: Wo genau?
GV: Mit ihrer Familie, sie lebt mit meiner Ex-Schwiegermutter in Mogadischu.
R: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Tochter?
GV: Jetzt schon.
R: Wie alt ist Ihre Tochter?
GV: Sie ist 15.
R: Wollen Sie diese auch nach Österreich holen?
GV: Ja, wenn es möglich wäre.
R: Besucht Ihre Tochter eine Schule?
GV: Ja.
R: Wann haben Sie sich von Ihrem ersten Mann scheiden lassen?
GV: Er ist getötet worden.
R: Wann wurde er getötet?
GV: Im Jahr 2006.
R: Wer hat ihn getötet?
GV: Ich weiß nicht wer ihn getötet hat, die Leute haben ihn getötet. Mein getöteter Ehemann und mein Vater hatten kein gutes Verhältnis. Die Familie meines getöteten Mannes vermuten, dass mein Vater jemanden beauftragt hat, ihn zu töten.
R: Wie lange nach der Tötung Ihres Ehemannes waren Sie in Somalia aufhältig?
GV: Weniger als einen Monat.
R: Sie sind dann gleich nach Saudi-Arabien?
GV: Ja.
R: Von wann bis wann waren Sie in Saudi-Arabien?
GV: Von 2007 bis 2014.
R: Was haben Sie in Saudi-Arabien gemacht? Haben Sie gearbeitet?
GV: Ich habe als Reinigungskraft gearbeitet.
R: Hatten Sie eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis für Saudi-Arabien?
GV: Nein.
R: Also hätten Sie auch nach Somalia abgeschoben werden sollen und deshalb haben Sie Saudi-Arabien verlassen?
GV: Ja.
R: Haben Sie Verwandte hier in Österreich, Schweden oder Deutschland?
GV: Meine Schwägerin lebt in Deutschland.
R: Von wem ist sie die Frau?
GV: Sie ist die Schwester von meinem Ehemann.
R: Wie heißt sie?
GV: Sie heißt XXXX . GV: Sie heißt römisch 40 .
R: Seit wann ist die Schwägerin in Deutschland?
GV: Sie war auch früher hier, im Jahr 2016 ist sie hierher nach Österreich gekommen. Sie hat einen negativen Bescheid erhalten, dann ist sie im Jahr 2017 nach Deutschland gegangen, dort hat sie geheiratet und seitdem lebt sie dort.
R: Sind Sie in Kontakt mit ihr?
GV: Ja.
R: Wie lange hat Ihre Schwägerin hier in Österreich gelebt?
GV: Neun Monate.
R: Wie heißt Ihre Schwägerin mit Nachnamen?
GV: XXXX . GV: römisch 40 .
R: Wollen Sie noch etwas zur Situation in Ihrem Heimatland angeben?
GV: Nein, danke.
R: In welchem Bezirk von Mogadischu leben Ihr Vater und Ihre Geschwister?
GV: In Karan.
R: Welche Art von Beschneidung würde bei der BF (Ihrer Tochter) durchgeführt werden?
GV: Die Pharaonische Beschneidung.
R: Sie meinen, Sie könnten nicht entscheiden, welche Beschneidung bei Ihrer Tochter durchgeführt werden würde?
GV: Nein.
[...]
In der Verhandlung wurde eine ärztliche Bestätigung vom 25.04.2023 vorgelegt, wonach sich bei der BF keine Hinweise auf eine durchgeführte Beschneidung ergeben würden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und den Familienangehörigen der BF:
Die minderjähirge BF wurde am XXXX in Österreich geboren. Sie ist somalische Staatsangehörige und gehört dem Clan der Abgaal, einem Subclan der Hawiye, an. Die minderjähirge BF wurde am römisch 40 in Österreich geboren. Sie ist somalische Staatsangehörige und gehört dem Clan der Abgaal, einem Subclan der Hawiye, an.
Die Mutter der BF, XXXX , eine somalische Staatsangehörige, stellte am 24.03.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 10.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen wurde. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 10.03.2017 erteilt. Gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten brachte die Mutter der BF eine Beschwerde beim BVwG ein. Mit rechtskräftigem Erkenntis des BVwG vom 01.06.2016, GZl. W206 2123590-1/7E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und die Revsion gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Die Mutter der BF, römisch 40 , eine somalische Staatsangehörige, stellte am 24.03.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 10.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen wurde. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG bis zum 10.03.2017 erteilt. Gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten brachte die Mutter der BF eine Beschwerde beim BVwG ein. Mit rechtskräftigem Erkenntis des BVwG vom 01.06.2016, GZl. W206 2123590-1/7E, wurde die Beschwerde gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und die Revsion gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt.
Die befristete Aufenthaltsberechtigung der Mutter als subsidiär Schutzberechtigte wurde zuletzt vom BFA bis 15.02.2025 verlängert.
Den drei in Österreich aufhältigen minderjährigen Brüdern der BF ( XXXX ) wurde jeweils der Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Zuge eines Familienverfahrens zuerkannt (gültig bis 15.02.2025). Den drei in Österreich aufhältigen minderjährigen Brüdern der BF ( römisch 40 ) wurde jeweils der Status eines