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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über den Antrag des A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. Juni 1994, Zl. UVS-03/04/02060/94, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 1994, Zl. 94/02/0431, wurde das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend die obzitierte Beschwerde eingestellt, weil der Beschwerdeführer den ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag insofern nicht nachgekommen sei, daß der ursprüngliche Mangel der Beschwerde zwar behoben, die Beschwerde selbst jedoch nicht mehr vorgelegt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 2. März 1995 wird nunmehr in dieser Hinsicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung begehrt, der Rechtsfreund des Beschwerdeführers habe fristgerecht den ergänzenden Schriftsatz verfaßt, diesem die Beschwerde angeschlossen und die Kanzleiangestellte S.M. damit beauftragt, die beiden Schriftstücke zu kuvertieren und abzusenden. Durch ein offenbares Versehen der Kanzleiangestellten sei beim Kuvertieren zwar der ergänzende Schriftsatz, nicht aber die ursprüngliche Beschwerde in das Kuvert gesteckt worden. Bei der Angestellten handle es sich um eine absolut zuverlässige Kanzleikraft, die bereits mehrere Jahre bei Anwälten tätig gewesen und seit mehr als einem Jahr in der Kanzlei des Rechtsfreundes des Beschwerdeführers beschäftigt sei. Bisher seien ihr noch niemals Fehler beim Kuvertieren von Poststücken unterlaufen. Dieses Versehen der sonst absolut zuverlässigen und tüchtigen Kanzleikraft sei sowohl für den Rechtsfreund als auch für den Beschwerdeführer unvorhersehbar und unabwendbar. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde eine diesbezügliche "eidesstättige Erklärung" der Kanzleiangestellten angeschlossen; weiters bestätigte diese als Zeugin das oben dargestellte Geschehen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluß vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0004).
Ausgehend davon war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995020087.X00Im RIS seit
20.11.2000