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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art18 Abs1, Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer GeschwindigkeitsbeschränkungsV betreffend die B 174 mangels hinreichender Konkretisierung des örtlichen Geltungsbereichs; keine hinreichende Konkretisierung des Endes der Geschwindigkeitsbeschränkung wegen versetzter Einmündung der Andechsstraße an zwei unterschiedlichen – 80m voneinander entfernten – Stellen; signifikante Abweichung des Aufstellungsortes des Verkehrszeichens (ca 290m) vom räumlichen Geltungsbereich der VerordnungRechtssatz
Aufhebung des Punktes 3. der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16.01.1995, Zlen VI/2 – 16609/1994 – STV und VI/2 – 264/1995 –STV.
Die angefochtene Verordnungsbestimmung ist jedenfalls präjudiziell, soweit damit eine Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Westen verfügt wird. Soweit sich der Antrag darüber hinaus auch auf die Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Osten bezieht, betrifft er zwar eine Bestimmung, die im Anlassfall offenkundig nicht präjudiziell ist, die aber angesichts der Formulierung des Verordnungstextes ("im Bereich zwischen dem Ortsanfang bzw Ortsende und der Andechsstraße bzw der Dr.-Ferdinand-Kogler-Straße in beiden Fahrtrichtungen") in einem konkreten Regelungszusammenhang steht und nicht trennbar ist.
Der Geltungsbereich der angefochtenen Verordnungsbestimmung entspricht den Anforderungen an die genaue Festlegung der Strecke iSd Art18 Abs1 B-VG sowie des §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960, auf der die Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, nicht, zumal von der angefochtenen Verordnungsbestimmung auch keine planliche Darstellung mitumfasst ist.
Der Beginn des örtlichen Geltungsbereiches der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung ist durch die Formulierung "zwischen dem Ortsanfang" ausreichend konkretisiert festgelegt. Es steht für den VfGH fest, dass der "Ortsanfang" in Punkt 2. der Verordnung mit dem Standort der Ortstafel iSd §53 Z17a StVO 1960 gleichzusetzen ist, sodass für den Normunterworfenen schon allein anhand des Verordnungstextes zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung ab dem Standort der Ortstafel gilt.
Das Ende des Geltungsbereiches der mit der angefochtenen Verordnungsbestimmung verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung hingegen ist nicht hinreichend konkretisiert: Punkt 3. der Verordnung bezeichnet das Ende der auf der Amraser-See-Straße (B 174) verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h in der hier präjudiziellen Fahrtrichtung nach Westen mit "der Andechsstraße". Nach dieser Formulierung kommen zwei unterschiedliche Standorte, die ca. 80 Meter voneinander entfernt liegen, in Betracht: Zum einen mündet die rechte Fahrspur der Amraser-See-Straße (B 174) in Fahrtrichtung Norden in die Andechsstraße, zum anderen mündet – etwa 80 Meter danach – eine Spur der Andechsstraße in Fahrtrichtung Süden in die Amraser-See-Straße (B 174) ein. Für den Normunterworfenen kommt daher anhand des Verordnungstextes nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, wie weit das Fahrverbot in der hier präjudiziellen Fahrtrichtung Westen gilt. Schon daraus folgt die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung, weil sie nicht den Erfordernissen an eine möglichst genaue Umschreibung des örtlichen Geltungsbereiches entspricht.
Der Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung in der hier präjudiziellen Fahrtrichtung Westen wird mit dem Standort der Ortstafel festgelegt. Die tatsächliche Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung erfolgte jedoch 286,2 Meter bzw 287,4 Meter davon entfernt. Die Straßenverkehrszeichen waren daher – auch zum Tatzeitpunkt – 286,2 bzw 287,4 Meter von dem in der angefochtenen Verordnungsbestimmung verordneten Geltungsbereich entfernt angebracht. Auch wenn die Rsp des VfGH zur Kundmachung von Verordnungen iSd §44 Abs1 StVO 1960 je nach örtlichen Verkehrsverhältnissen eine bestimmte Fehlertoleranz vorsieht – die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen hat nicht "zentimetergenau" zu erfolgen –, bewirkt die festgestellte Abweichung eine nicht ordnungsgemäße Kundmachung.
Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich die angefochtene – in Fahrtrichtung Westen im Verfahren vor dem LVwG präjudizielle und in Fahrtrichtung Osten angesichts der Formulierung der Verordnungsbestimmung von der präjudiziellen Bestimmung nicht trennbare – Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16.01.1995, enthält weitere Verkehrsregelungen, die auf andere Weise, insbesondere durch Anbringung entsprechender Straßenverkehrszeichen, an näher bezeichneten Orten kundzumachen sind. Eine Aufhebung der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B?VG kommt daher nicht in Betracht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Geschwindigkeitsbeschränkung, Straßenverkehrszeichen, Verordnung Kundmachung, Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, Determinierungsgebot, OrtstafelnEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:V45.2023Zuletzt aktualisiert am
12.11.2024