Entscheidungsdatum
30.10.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L512 2276279-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. staatenlos, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am römisch 40 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz iVm Art. 12 Abs. 1 lit. a Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz in Verbindung mit Artikel 12, Absatz eins, Litera a, Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die Spruchpunkte II. bis VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.römisch II. Die Spruchpunkte römisch II. bis römisch VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IX. wird als unbegründet abgewiesen.römisch III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch IX. wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein staatenloser Palästinenser und Angehöriger der sunnitischen Religionsgemeinschaft, stellte, nachdem diesem von XXXX Behörden die Einreise in das XXXX verweigert wurde und dieser nach Österreich rücküberstellt wurde, am 19.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein staatenloser Palästinenser und Angehöriger der sunnitischen Religionsgemeinschaft, stellte, nachdem diesem von römisch 40 Behörden die Einreise in das römisch 40 verweigert wurde und dieser nach Österreich rücküberstellt wurde, am 19.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 20.11.2021 zusammengefasst zu seinen Ausreisegründen vor, dass der Gaza-Streifen belagert sei. Es würde keine Lebensbedingungen geben. Es herrsche dort ein stiller Krieg. Man werde an jeder Straßenecke gedemütigt. Bei einer Rückkehr bestehe die Gefahr von Israelis angeschossen zu werden. Selbst die eigenen Leute würden auf sie schießen [Aktenseite (AS) 21]römisch eins.2. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 20.11.2021 zusammengefasst zu seinen Ausreisegründen vor, dass der Gaza-Streifen belagert sei. Es würde keine Lebensbedingungen geben. Es herrsche dort ein stiller Krieg. Man werde an jeder Straßenecke gedemütigt. Bei einer Rückkehr bestehe die Gefahr von Israelis angeschossen zu werden. Selbst die eigenen Leute würden auf sie schießen [Aktenseite (AS) 21]
I.3. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 05.04.2022 im Wesentlichen Folgendes vor: römisch eins.3. Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte der BF am 05.04.2022 im Wesentlichen Folgendes vor:
Der BF habe in einem Gebiet gelebt, welches von Hamas Militärstützpunkten umgeben war. Er sei in einer Nacht nach Hause zurückgekommen und habe gesehen, dass Hamas Leute im Wohngebiet des BF Raketen aufstellten. Der BF habe sich dagegen gewehrt. Er sei aufgefordert worden sofort wegzugehen. Dies sei ein zweites Mal passiert. Der BF sei dabei geschlagen und aufgefordert worden, darüber nicht zu sprechen. Aus diesem Grund sei der BF nicht mehr zu Universität gegangen und sei zu Hause geblieben. Der BF sei von der Hamas bedroht worden und sei es zu mehreren gerichtlichen Verhandlungen gekommen. Aufgrund dieser Situation wandte sich der BF an das Oberhaupt des Viertels. Dieser habe den BF informiert, dass er gerichtlich verfolgt werde und das Innenministerium den BF suche. Er habe den BF versucht zu rekrutieren. Man habe dem BF angeboten, sein Studium zu finanzieren. Der BF habe angelehnt und sich gegen die Aktion mit Raketen der Hamas geäußert. Der BF sei bedroht worden, wenn er seinen Mund nicht halte oder nicht mit der Hamas mitmache, dann würde er ins Gefängnis kommen (AS 129 ff.).
I.4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gaza nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Gaza gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 0 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.) Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 2 AsylG hat der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX verloren (Spruchpunkt IX.).römisch eins.4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gaza nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Gaza gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 53, Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Ziffer 0 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VI.). Gemäß Paragraph 55, Absatz 1a FPG wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt (Spruchpunkt römisch VII.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß Paragraph 18, Absatz 1 Ziffer 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt römisch VIII.) Gemäß Paragraph 13, Absatz 2 Ziffer 2 AsylG hat der BF das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem römisch 40 verloren (Spruchpunkt römisch IX.).
Beweiswürdigend wurde vom BFA unter anderem ausgeführt, dass die Angaben zum Fluchtgrund aufgrund des gesteigerten und widersprüchlichen Vorbingens nicht glaubhaft seien.
I.5. Gegen den Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, vollumfänglich Beschwerde erhoben (AS 419ff.).römisch eins.5. Gegen den Bescheid vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, vollumfänglich Beschwerde erhoben (AS 419ff.).
I.6. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung an und übermittelte dem Beschwerdeführer aktuelle Länderinformationen für Palästinensische Gebiete – Gaza.römisch eins.6. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den römisch 40 eine öffentliche mündliche Verhandlung an und übermittelte dem Beschwerdeführer aktuelle Länderinformationen für Palästinensische Gebiete – Gaza.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der BF die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen.
I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.römisch eins.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der Beschwerdeführerrömisch II.1.1. Der Beschwerdeführer
Die Identität des BF steht fest. Der BF ist staatenloser Palästinenser, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, sunnitischer Moslem und stammt aus dem israelischen Autonomiegebiet des sogenannten Gaza-Streifens (kurz: Gaza).
Der BF ist in XXXX aufgewachsen und hat die Schule bis zur Matura besucht. Die Grundschule, die mittlere Stufe sowie die obere Schule besuchte der BF an UNRWA Schulen. Danach studierte der BF an XXXX zwei Jahre lang XXXX , hat diesen Studienlehrgang nicht abgeschlossen. Der BF hat 5 Monate lang als XXXX im Bereich XXXX gearbeitet. Der BF ist in römisch 40 aufgewachsen und hat die Schule bis zur Matura besucht. Die Grundschule, die mittlere Stufe sowie die obere Schule besuchte der BF an UNRWA Schulen. Danach studierte der BF an römisch 40 zwei Jahre lang römisch 40 , hat diesen Studienlehrgang nicht abgeschlossen. Der BF hat 5 Monate lang als römisch 40 im Bereich römisch 40 gearbeitet.
Der BF lebte vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Eigentumshaus. Der Vater des BF arbeitete unregelmäßig am Bau. Die Mutter des BF ist Hausfrau. Ein Bruder und eine Schwester besuchen die Schule. Eine weitere Schwester des BF absolvierte eine Ausbildung zur XXXX (VS 6).Der BF lebte vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Eigentumshaus. Der Vater des BF arbeitete unregelmäßig am Bau. Die Mutter des BF ist Hausfrau. Ein Bruder und eine Schwester besuchen die Schule. Eine weitere Schwester des BF absolvierte eine Ausbildung zur römisch 40 (VS 6).
Der BF ist als Flüchtling bei der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge UNRWA in Gaza (kur