Entscheidungsdatum
29.10.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L525 2299004-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA: Türkei, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2024, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA: Türkei, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2024, Zl. römisch 40 , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 09.08.2023 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte am drauffolgenden Tag eine Erstbefragung durch. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei vor den Syrern aus der Türkei geflüchtet. In seiner Heimatstadt Mersin befänden sich 400.000 Syrer. Er hätte eine Firma gründen wollen, um Exporte zu machen, denn er sei Exporteur und arbeite mit ausländischen Schiffsagenturen. Es wäre sein Wunsch, eine Firma zu gründen und Exporte zu machen. Weitere Fluchtgründe gebe es keine. Bei einer Rückkehr in seine Heimat hätte er nichts zu befürchten.
Am 01.07.2024 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Beisein einer Dolmetscherin niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er im Wesentlichen an, er habe sich bei seiner Erwerbstätigkeit mit dem Zoll und dem Export beschäftigt. Nach Österreich sei er gekommen, um hier eine eigene Firma zu gründen und Lebensmittel aus der Türkei nach Österreich zu importieren. Das seien seine Fluchtgründe. Sein Ziel sei es gewesen, nach Österreich zu kommen und zwei Jahre zu bleiben, um seine Firma aufzubauen. Als er von der Polizei aufgehalten wurde, hätte er Asyl beantragen müssen, um hier bleiben zu können. Bei einer Rückkehr in seine Heimat hätte er nichts zu befürchten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 22.08.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 22.08.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß Paragraph 55, Absatz 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer hätte im gesamten Verfahren nie angegeben, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden. Es könne auch keine Gefahr einer Verfolgung seiner Person im Falle seiner Rückkehr in die Türkei festgestellt werden. Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz oder die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz seien keine hervorgekommen. Ebenso kein iSv Art. 8 EMRK schützenswertes Familien- oder Privatleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer hätte im gesamten Verfahren nie angegeben, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden. Es könne auch keine Gefahr einer Verfolgung seiner Person im Falle seiner Rückkehr in die Türkei festgestellt werden. Gründe für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz oder die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz seien keine hervorgekommen. Ebenso kein iSv Artikel 8, EMRK schützenswertes Familien- oder Privatleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
Mit Schriftsatz seiner rechtsfreundlichen Vertretung, welcher am 11.09.2024 eingebracht wurde, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte II.-VI. des Bescheids vom 22.08.2024. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass der Behörde die Verletzung von Verfahrensvorschriften in Form von einem mangelhaften Ermittlungsverfahren, mangelhaften Länderfeststellungen und einer mangelhaften Beweiswürdigung anzulasten sei. Die Länderfeststellungen würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen und wären dadurch zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Die Behörde habe es zur Gänze unterlassen, Länderberichte hinsichtlich der aktuellen wirtschaftlichen Lage in der Türkei zu ermitteln. Aus sämtlichen Berichten sei die schlechte wirtschaftliche Lage in der Türkei, welche sich durch die Corona-Pandemie noch verschlimmert hätte, zu entnehmen. Die Länderberichte würden zeigen, dass der Beschwerdeführer bei einer etwaigen Abschiebung in die Türkei keine Möglichkeit hätte, sich eine notwendige Existenzgrundlage in seinem Heimatstaat aufzubauen. Es könne nicht mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat aufgrund der dort vorherrschenden Versorgungsbedingungen und seiner persönlichen Verhältnisse nicht der realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Bei angemessener Wahrnehmung ihrer Ermittlungspflicht und richtiger rechtlicher Beurteilung hätte dem Beschwerdeführer somit der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Außerdem sei auch die erlassene Rückkehrentscheidung rechtswidrig, weil die Behörde durch eine mangelhafte Interessensabwägung verkannt hätte, dass der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt werde. Mit Schriftsatz seiner rechtsfreundlichen Vertretung, welcher am 11.09.2024 eingebracht wurde, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch II.-VI. des Bescheids vom 22.08.2024. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass der Behörde die Verletzung von Verfahrensvorschriften in Form von einem mangelhaften Ermittlungsverfahren, mangelhaften Länderfeststellungen und einer mangelhaften Beweiswürdigung anzulasten sei. Die Länderfeststellungen würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen und wären dadurch zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. Die Behörde habe es zur Gänze unterlassen, Länderberichte hinsichtlich der aktuellen wirtschaftlichen Lage in der Türkei zu ermitteln. Aus sämtlichen Berichten sei die schlechte wirtschaftliche Lage in der Türkei, welche sich durch die Corona-Pandemie noch verschlimmert hätte, zu entnehmen. Die Länderberichte würden zeigen, dass der Beschwerdeführer bei einer etwaigen Abschiebung in die Türkei keine Möglichkeit hätte, sich eine notwendige Existenzgrundlage in seinem Heimatstaat aufzubauen. Es könne nicht mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat aufgrund der dort vorherrschenden Versorgungsbedingungen und seiner persönlichen Verhältnisse nicht der realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Artikel 3, EMRK ausgesetzt wäre. Bei angemessener Wahrnehmung ihrer Ermittlungspflicht und richtiger rechtlicher Beurteilung hätte dem Beschwerdeführer somit der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Außerdem sei auch die erlassene Rückkehrentscheidung rechtswidrig, weil die Behörde durch eine mangelhafte Interessensabwägung verkannt hätte, dass der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten nach Artikel 8, EMRK verletzt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei und spricht Türkisch als Muttersprache. Er gehört der Volksgruppe der Türken und der Kurden an und ist sunnitischer Moslem.
Der Beschwerdeführer wurde in Mersin geboren und verbrachte dort auch den Großteil seines Lebens. Nach dem Abschluss seiner 11-jährigen Schulbildung absolvierte er das vierjährige Studium „Außenhandel und Zollwesen“ an der Isparta Universität. Bis zu seiner Ausreise aus der Türkei sammelte er 15 Jahre Berufserfahrung in der Zollbearbeitung. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er sich mit seinem Gehalt. Gemessen am landesüblichen Durchschnitt, war seine finanzielle Situation gut.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat eine Stieftochter. Er hat familiäre Anknüpfungspunkte in der Türkei, insbesondere leben dort seine Ehegattin, Stieftochter, Mutter und seine Geschwister. Alle genannten Personen leben in Mersin und es besteht Kontakt. Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin und seiner Stieftochter in einem gemeinsamen Haushalt. Vor seiner Hochzeit im Jahr 2019 lebte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zusammen. Er selbst verfügt über keine Besitztümer in der Türkei, jedoch besitzt seine Mutter eine Wohnung und sein Vater (bereits verstorben) ein Haus. Auch der Vater seiner Ehegattin besitzt ein Haus und ein großes Grundstück. Die Ehegattin des Beschwerdeführers geht in der Türkei einer Beschäftigung in der Zollbearbeitung nach und die wirtschaftliche und finanzielle Situation seiner (gesamten) Familie ist gut.
Der Beschwerdeführer leidet seit zehn Jahren an Gastritis, welche medikamentös behandelt wird, ansonsten ist er gesund und arbeitsfähig. Etwaige Verwaltungsübertretungen oder strafrechtliche Verurteilungen in Österreich bestehen keine.
1.2. Zu den Ausreisegründen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Türkei einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat. Etwas Derartiges wurde von Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Vor seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet, versuchte der Beschwerdeführer von seinem Heimatstaat aus vergeblich, ein Visum für Österreich zu bekommen, um sich hier legal niederzulassen. Der Beschwerdeführer verließ die Türkei somit offensichtlich aus rein wirtschaftlichen Interessen.
Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.Weiters kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2,, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit mit sich bringen würde.
1.3. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 09.08.2023 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither ist er durchgehend in Österreich als Asylwerber aufhältig.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandte in Österreich. Abgesehen von Bekanntschaften mit anderen Asylwerbern, welche er bei der Arbeit kennengelernt hat, verfügt er in Österreich über keine sozialen Bindungen.
Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers sind nur gering ausgeprägt, er lernt einmal pro Woche in seiner Unterkunft Deutsch. Er ist derzeit nicht erwerbstätig und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung. Kurzzeitig ging er in Österreich einer Beschäftigung als Koch nach. Der Beschwerdeführer ist in keinem Verein und keiner Organisation Mitglied.
1.4. Länderfeststellungen:
Die dem Bescheid vom 22.08.2024 beigefügten Länderinformationen zur Republik Türkei spiegeln die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wider und wird hier auf diese verwiesen.
Im Folgenden werden nur die im gegenständlichen Fall besonders relevanten Länderinformationen betreffend Sicherheitslage, Grundversorgung/Wirtschaft, Sozialbeihilfen/-versicherung und Arbeitslosenunterstützung kurz wiedergegeben:
Sicherheitslage
Akteure der Sicherheitsbedrohung
Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, S. 18).Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, Sitzung 18).
Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den Islamischen Staat (IS) (AA 20.5.2024, S. 4; vgl. USDOS 30.11.2023, Crisis 24 25.8.2023) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, S. 16; vgl. USDOS 30.11.2023, Crisis 24 25.8.2023) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der "Terrorbekämpfung" begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 20.5.2024, S. 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, S. 5).Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den Islamischen Staat (IS) (AA 20.5.2024, Sitzung 4; vergleiche USDOS 30.11.2023, Crisis 24 25.8.2023) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, Sitzung 16; vergleiche USDOS 30.11.2023, Crisis 24 25.8.2023) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der "Terrorbekämpfung" begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 20.5.2024, Sitzung 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, Sitzung 5).
Höhepunkt der Terroranschläge und bewaffneter Aufstände 2015-2017
Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vgl. AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 7.2024, S. 32f.). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament "in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen [...] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind" (EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das "Recht auf Leben" nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022b). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht "Recht auf Leben" siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage und zum Thema Binnenflüchtlinge das Unterkapitel: Flüchtlinge / Binnenflüchtlinge (IDPs).Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vergleiche AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 7.2024, Sitzung 32f.). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, Sitzung 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament "in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen [...] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind" (EP 14.4.2016, Sitzung 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das "Recht auf Leben" nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022b). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Zum Menschenrecht "Recht auf Leben" siehe auch das Kapitel: Allgemeine Menschenrechtslage und zum Thema Binnenflüchtlinge das Unterkapitel: Flüchtlinge / Binnenflüchtlinge (IDPs).
Aktuelle Entwicklungen und Lage
Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (MBZ 18.3.2021, S. 12). Zwischen 2026 und 2023 stieg die Gewaltrate allmählich im gesamten Nordirak sowie in Nordsyrien an, wo sich die Eskalation zwischen den türkischen Sicherheitskräften, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), der syrischen Schwesterorganisation der PKK, verschärfte. Die Eskalation innerhalb der Türkei hingegen ging in diesem Zeitraum deutlich zurück (ICG 8.1.2024).Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (MBZ 18.3.2021, Sitzung 12). Zwischen 2026 und 2023 stieg die Gewaltrate allmählich im gesamten Nordirak sowie in Nordsyrien an, wo sich die Eskalation zwischen den türkischen Sicherheitskräften, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), der syrischen Schwesterorganisation der PKK, verschärfte. Die Eskalation innerhalb der Türkei hingegen ging in diesem Zeitraum deutlich zurück (ICG 8.1.2024).
Die anhaltenden Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus haben die terroristischen Aktivitäten verringert und die Sicherheitslage verbessert (EC 8.11.2023, S. 50). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023a), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Bergregionen im Südosten des Landes (MBZ 2.3.2022, S. 13). Die Lage im Südosten gibt laut Europäischer Kommission weiterhin Anlass zur Sorge und ist in der Grenzregion prekär, insbesondere nach den Erdbeben im Februar 2023. Die türkische Regierung hat zudem grenzüberschreitende Sicherheits- und Militäroperationen im Irak und Syrien durchgeführt, und in den Grenzgebieten besteht ein Sicherheitsrisiko durch terroristische Angriffe der PKK (EC 8.11.2023, S. 4, 18). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK und der TAK, in der Türkei zu operieren, durch laufende groß angelegte Anti-Terror-Operationen im kurdischen Südosten sowie durch die allgemein verstärkte Präsenz von Militäreinheiten der Regierung erheblich beeinträchtigt (Crisis 24 24.11.2022). Die Berichte der türkischen Behörden deuten zudem darauf hin, dass die Zahl der PKK-Kämpfer auf türkischem Boden zurückgegangen ist (MBZ 31.8.2023, S. 16).Die anhaltenden Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus haben die terroristischen Aktivitäten verringert und die Sicherheitslage verbessert (EC 8.11.2023, Sitzung 50). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023a), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Bergregionen im Südosten des Landes (MBZ 2.3.2022, Sitzung 13). Die Lage im Südosten gibt laut Europäischer Kommission weiterhin Anlass zur Sorge und ist in der Grenzregion prekär, insbesondere nach den Erdbeben im Februar 2023. Die türkische Regierung hat zudem grenzüberschreitende Sicherheits- und Militäroperat