TE Bvwg Erkenntnis 2024/8/21 W168 2267156-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2024
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Entscheidungsdatum

21.08.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. BFA-VG § 21 heute
  2. BFA-VG § 21 gültig von 01.06.2018 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. BFA-VG § 21 gültig ab 01.06.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  5. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  6. BFA-VG § 21 gültig von 20.07.2015 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  7. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  8. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W168 2267158-1/6E

W168 2267149-1/6E

W168 2267153-1/5E

W168 2267156-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerden von (1) XXXX , (2) XXXX , geb. XXXX , (3) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , (4) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2023, Zlen (1) 1293985909/220190478, (2) 1293985702/220190524, (3) 1293984302/220190435, (4) 1293984607/220190427, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.07.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerden von (1) römisch 40 , (2) römisch 40 , geb. römisch 40 , (3) römisch 40 , geb. römisch 40 , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter römisch 40 , (4) römisch 40 , geb. römisch 40 , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter römisch 40 , alle StA. Syrien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2023, Zlen (1) 1293985909/220190478, (2) 1293985702/220190524, (3) 1293984302/220190435, (4) 1293984607/220190427, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.07.2024 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerden werden gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1.       Verfahrensgang

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2) und den minderjährigen Kindern, dem Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) und der Viertbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF4) in das Bundesgebiet und die beiden stellte am 31.01.2021 für sich und die BF1 als gesetzliche Vertreterin für den BF3 und die BF4 die jeweiligen gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Zu ihren persönlichen Umständen befragt, führte die BF1 im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.02.2022 an, dass sie aus Idlib stamme und 12 Jahre die Grundschule besucht habe.

Zum Fluchtgrund befragt führte die BF1 aus, dass in Syrien Krieg vorgeherrscht habe und sie im Jahr 2014 ihrem Mann in die Vereinigten Arabischen Emirate gefolgt sei. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst vor dem Krieg. Die BF3 und die BF 4 hätten keine eigenen Gründe.

Zu seinen persönlichen Umständen befragt, führte der BF2 im Rahmen seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 01.02.2022 an, dass er aus Idlib stamme und der Religionszugehörigkeit des Islam und der Volksgruppe der Araber angehöre. Er habe im Heimatland sieben Jahre die Grundschule besucht und eine Berufsausbildung als Tischler begonnen. Vor seiner Ausreise sei er als Tischler tätig gewesen. Seine Eltern sowie seine vier Brüder und zwei Schwestern würden nach wie vor in Syrien wohnen. Ein Bruder sowie eine Schwester würden im Libanon leben, ein Bruder lebe in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie ein weiterer in der Türkei.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF2 an, dass er im Jahr 2013 von der syrischen Armee zum Militärdienst einberufen worden sei und Syrien aufgrund des Krieges und aus Angst um sein Leben verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Militärdienst und dem Krieg.

Im Verfahren wurden vom BF2 eine Kopie eines von 09.11.2020 bis zum 09.05.2023 gültigen syrischen Reisepasses, Kopien mehrerer befristeter Visa für die Vereinigten Arabischen Emirate, eine Kopie einer ID-Karte der Vereinigten Arabischen Emiraten, eine Kopie eines syrischen Reisepasses seines Bruders und eine Kopie einer Heiratsurkunde in Vorlage gebracht.

Im Zuge der am 23.05.2022 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte die BF1 vor, dass sie gesund sei, aber Medikamente für ihre Schilddrüsen einnehme. Ihr Sohn leider unter Autismus und stehe aktuell in Behandlung. Sie habe in Syrien in der Provinz Idlib gelebt und stehe derzeit in täglichen WhatsApp Kontakt mit ihrer Mutter. Dieser gehe es zwar gut, die allgemeine Lage in Syrien sei jedoch schlecht. Sie sei im Juni 2014 aus Syrien ausgereist und Ende 2018 für vier Monate wieder mit ihrem Sohn nach Syrien gereist. Sie habe die Ausreise aus Syrien organisiert und Syrien legal verlassen. Die letzte Ausreise habe Anfang 2019 stattgefunden und ihr Mann habe die Reise finanziert, indem er das Haus in Idlib verkauft habe. Zur Frage, wie sich die Ausreise vom Ausgangsort bis zur Grenze gestaltet habe und befragt, ob es auf dem Weg Kontrollen an Checkpoints oder an der Grenze zur Türkei gegeben habe, führte die BF1 an, dass sie keine Probleme bei der Ausreise und Einreise aus Syrien gegeben habe, weil sie immer legal gereist sei. Sie gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religion der sunnitischen Moslems an. Zur Frage, wie sich das Leben bis zur Ausreise gestaltet habe und befragt, ob sie Schulbildung oder einen Beruf erlernt habe und auf die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt finanziert habe, entgegnete die BF1, dass sie XXXX in Idlib Land geboren und aufgewachsen sei. Sie habe 12 Jahre die Schule besucht und im Jahr 2012 maturiert. In diesem Jahr sei sie mit ihren Eltern nach Idlib Stadt gezogen und dort als Friseurin gearbeitet. Anschließend sei sie in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen und habe dort geheiratet. Sie habe in den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Aufenthaltstitel erhalten, der jährlich verlängert worden sei. Die Fragen, ob sie vorbestraft sei, inhaftiert gewesen sei oder Probleme mit den Behörden in ihrem Heimatland gehabt habe, wurden von der BF1 verneint. Gegen sie würden auch keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen bestehen und sie sei politisch nicht aktiv gewesen. Sie habe aufgrund ihres Religionsbekenntnisses, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und mit Privatpersonen keine Probleme gehabt und auch an keinen bewaffneten sowie gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen. Im Zuge der am 23.05.2022 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte die BF1 vor, dass sie gesund sei, aber Medikamente für ihre Schilddrüsen einnehme. Ihr Sohn leider unter Autismus und stehe aktuell in Behandlung. Sie habe in Syrien in der Provinz Idlib gelebt und stehe derzeit in täglichen WhatsApp Kontakt mit ihrer Mutter. Dieser gehe es zwar gut, die allgemeine Lage in Syrien sei jedoch schlecht. Sie sei im Juni 2014 aus Syrien ausgereist und Ende 2018 für vier Monate wieder mit ihrem Sohn nach Syrien gereist. Sie habe die Ausreise aus Syrien organisiert und Syrien legal verlassen. Die letzte Ausreise habe Anfang 2019 stattgefunden und ihr Mann habe die Reise finanziert, indem er das Haus in Idlib verkauft habe. Zur Frage, wie sich die Ausreise vom Ausgangsort bis zur Grenze gestaltet habe und befragt, ob es auf dem Weg Kontrollen an Checkpoints oder an der Grenze zur Türkei gegeben habe, führte die BF1 an, dass sie keine Probleme bei der Ausreise und Einreise aus Syrien gegeben habe, weil sie immer legal gereist sei. Sie gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religion der sunnitischen Moslems an. Zur Frage, wie sich das Leben bis zur Ausreise gestaltet habe und befragt, ob sie Schulbildung oder einen Beruf erlernt habe und auf die Frage, wie sie ihren Lebensunterhalt finanziert habe, entgegnete die BF1, dass sie römisch 40 in Idlib Land geboren und aufgewachsen sei. Sie habe 12 Jahre die Schule besucht und im Jahr 2012 maturiert. In diesem Jahr sei sie mit ihren Eltern nach Idlib Stadt gezogen und dort als Friseurin gearbeitet. Anschließend sei sie in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen und habe dort geheiratet. Sie habe in den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Aufenthaltstitel erhalten, der jährlich verlängert worden sei. Die Fragen, ob sie vorbestraft sei, inhaftiert gewesen sei oder Probleme mit den Behörden in ihrem Heimatland gehabt habe, wurden von der BF1 verneint. Gegen sie würden auch keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen bestehen und sie sei politisch nicht aktiv gewesen. Sie habe aufgrund ihres Religionsbekenntnisses, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und mit Privatpersonen keine Probleme gehabt und auch an keinen bewaffneten sowie gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.

Zum Fluchtgrund befragt, gab die BF1 an, dass sie nicht nach Idlib zurückkehren könnten, da sie nicht wolle, dass ihre Kinder aufgrund der Kriegszustände in Angst leben würden. Die Frage, ob ihr in Syrien persönlich etwas zugestoßen sei, wurde von der BF1 verneint. Sie habe auch im Jahr 2018 am Flughafen keine Probleme gehabt. Die Frage, ob sie persönliche Probleme mit den syrischen Behörden gehabt habe, wurde von der BF1 verneint.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden von der BF1 Auszüge aus dem Familienbuch, ein syrischer Personalausweis in Kopie, eine Kopie eines vom 11.11.2020 bis 10.11.2026 gültigen Reisepasses, Kopien befristeter Aufenthaltsberechtigungen für die Vereinigten Arabischen Emirate, eine Kopie einer syrischen ID-Karte und eine Kopie einer Aufenthaltskarte der Vereinigten Arabischen Emiraten in Vorlage gebracht.

Im Zuge der am 23.05.2022 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der BF2 vor, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Auf die Frage, wie es seinen Kindern gesundheitlich gehe, erklärte der BF1, dass sein Sohn Autist sei und er diesbezüglich auch einen Arztbrief vorlegen könne. Seine Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe und würden sich auf ihre eigenen Fluchtgründe beziehen. Seine drei Brüder und zwei Schwestern würden in Syrien wohnhaft sein, zwei weitere Brüder seien im Libanon sowie ein Bruder in der Türkei aufhältig. Zur Frage, ob er noch Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Heimatstaat oder einem anderen Staat habe, brachte der BF2 vor, dass er zwei bis drei Mal pro Woche über WhatsApp mit seinen Eltern und Geschwistern Kontakt habe. Nachgefragt, wie sich die Ausreise vom Ausgangsort bis zur Grenze gestaltet habe und zur Frage, ob es auf dem Weg Kontrollen an Checkpoints oder an der Grenze zur Türkei gegeben habe, gab der BF2 an, dass er im Jahr 2012 normal am Flughafen in Aleppo kontrolliert worden sei und ausreisen habe dürfen.

Er gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religion der sunnitischen Moslems an. Nachgefragt, wie sich sein Leben bis zur Ausreise gestaltet habe und befragt, ob er Schulbildung oder einen Beruf erlernt habe und zur Frage, wie er seinen Lebensunterhalt finanziert habe, entgegnete der BF1, dass er in Idlib geboren worden sei und acht Jahre die Schule besucht habe. In weiterer Folge sei er als Tischler tätig gewesen und sei 2007 für einige Monate in den Libanon gereist, um dort als Tischler zu arbeiten. Er sei wieder nach Idlib zurückgekehrt und habe bis August 2012 im Supermarkt der Familie gearbeitet, sei anschließend jedoch alleine in die Vereinigten Arabischen Emirate ausgereist, wo er ebenfalls als Tischler tätig gewesen sei. Der BF2 habe von 2012 bis 2016 ein Arbeitsvisum gehabt und bis 2021 aufgrund des Krieges in Syrien für ein Jahr einen Aufenthaltstitel erhalten. Kurz vor seiner Ausreise habe er erneut einen Aufenthaltstitel als Arbeiter bekommen, um als Tourist ausreisen zu können. Auf Nachfrage führte der BF2 an, dass der Aufenthaltstitel als Arbeiter für zwei Jahre, also noch insgesamt bis Oktober 2023 gültig gewesen sei.

Die weiteren Fragen, ob er vorbestraft, inhaftiert oder Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes Probleme gehabt habe, wurden allesamt verneint. Es würden gegen ihn staatliche Fahndungsmaßnahmen wegen dem Militärdienst bestehen. Die weiteren Fragen, ob er politisch aktiv gewesen sei, aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder mit Privatpersonen Probleme gehabt habe, wurden vom BF2 allesamt verneint. Er habe im Herkunftsstaat auch an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF2 aus, dass er Syrien im Jahr 2012 verlassen habe, um in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu arbeiten. Er könne nicht nach Syrien zurückkehren, da er sich aktuell noch im wehrfähigen Alter befinde. Befragt, ob er ein Militärbuch vorlegen könne, gab der BF2 an, dass er das Militärbuch im Jahr 2009 erhalten habe. Er habe bis 2012 Aufschübe erhalten, weil er immer wieder Bestechungsgeld bezahlt habe. Sein letzter Aufschub sei bis März 2013 gültig gewesen, er habe den Militärdienst bislang noch nicht abgeleistet. Sein Militärbuch befinde sich bei seinen Eltern in Syrien, da man das Militärbuch nicht mitnehmen dürfe, seine Eltern würden dieses jedoch nicht mehr finden, da sein Elternhaus durch den Krieg teilweise zerstört worden sei. Seine Eltern würden jedoch nach wie vor ungefähr fünf Minuten vom Haus wohnen würden. Die Frage, ob er besondere militärische Qualifikationen aufweise, wurde vom BF2 verneint. Er habe zudem auch noch nie eine Waffe getragen. Er wisse zwar, dass man sich vom Militärdienst freikaufen könne, wolle jedoch an das Regime kein Geld zahlen, da die Provinz Idlib zur Gänze zerstört worden sei. Es würde ihn insgesamt 8.000,- US-Dollar kosten und es gebe keine Garantie, dass man zum Reservedienst nicht mehr einberufen werde. Nachgefragt, wie seine Brüder in Syrien leben könnten, replizierte der BF2, dass diese den Militärdienst nicht ableisten müssten, da das Gebiet nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehe. Nur sein Bruder Mohamad habe den Militärdienst im Jahr 2003 ableisten müssen. Auf Nachfrage, wieso er nicht in Syrien geblieben sei, wenn seine Heimatregion aktuell nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehe, gab der BF2 an, dass es dort aktuell kein Strom und kein Wasser bzw. keine medizinische Behandlung für seinen Sohn gebe. Zur Frage, woher er die Information habe, dass man den Reservedienst trotz Freikauf dennoch leisten müsste, erklärte der BF2, dass man über Facebook diese Meldungen geteilt habe. Sein Bruder Mohamad habe seinen regulären Militärdienst bereits im Jahr 2003 abgeleistet. Die Frage, ob er seinen Militärdienst leisten würde, wenn es keinen Krieg in Syrien gebe, wurde vom BF2 verneint. Er sei gegen den Militärdienst. Nachgefragt, wieso er gegen den Militärdienst sei, gab der BF2 an, dass er gegen

Waffen und das Töten eintrete. Im Falle eines Krieges gegen ein anderes Land würde er bereit sein, den Militärdienst abzuleisten, nicht jedoch im Falle eines Bürgerkrieges. Die Frage, ob es in Syrien Probleme mit den Behörden gegeben habe, wurde vom BF2 verneint. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien könne es sein, dass er von der Regierung getötet werde, da er keinen Militärdienst abgeleistet habe. Zudem habe er in Dubai im Möbelbereich für den Sender „Orient“ gearbeitet, der zur syrischen Opposition gehöre, wodurch er bedroht worden sei. Auf Nachfrage, ob sein Name in den Medien veröffentlicht worden sei, erwiderte der BF2, dass er in den Büros nur für einige Monate als Tischler tätig gewesen sei. Die Frage, ob er für seine Tätigkeit für den Sender persönlich einmal bedroht worden sei, wurde vom BF2 verneint, sein Vater sei jedoch angesprochen worden, um diesem mitzuteilen, dass der BF2 seinen Arbeitsplatz zu verlassen habe. Auf die Frage, ob seitdem ihm selbst oder seiner Familie in Syrien etwas zugestoßen sei, entgegnete der BF2, dass weder er selbst noch seine Familie in Syrien in weiterer Folge Probleme gehabt noch weitere Nachrichten erhalten hätten.

Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden des BFA vom 02.01.2023 wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.), den BF gemäß § 8 Absatz 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden des BFA vom 02.01.2023 wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz 1 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), den BF gemäß Paragraph 8, Absatz 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend wurde beweiswürdigend zusammengefasst ausgeführt, dass der BF2 Geld dafür bezahlt habe, um seinen Militärdienst aufzuschieben und Syrien im Jahr 2012 verlassen habe. Er habe sich von 2012 bis 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten befunden und keinen Einberufungsbefehl von der syrischen Botschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten. Der BF2 bzw. seine Vertretung habe seine Ehe im Jahr 2014 ohne Probleme bei der syrischen Behörde in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausstellen lassen. Der BF2 lebe seit 2012 nicht mehr in Syrien und habe von 2012 bis 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelebt, weshalb er von der Möglichkeit Gebrauch machen hätte können, sich vom syrischen Militärdienst freizukaufen. Dass er im Heimatstaat nicht politisch aktiv, kein Mitglied einer politischen Partei gewesen sei und keine Probleme mit den Behörden gehabt habe, ergebe sich aus dem Umstand, dass er am 23.5.2022 dezidiert nach all diesen Punkten gefragt worden sei und in den angeführten Punkten Derartiges oder Probleme verneint habe. Dass er in seinem Heimatstaat weder vorbestraft noch inhaftiert gewesen sei und er keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen-und Religionszugehörigkeit gehabt habe, ergebe sich ebenso aus der Einvernahme vor dem BFA, da sämtliche Fragen dahingehend verneint worden seien. Daher könne ihn die syrische Regierung auch nicht als Oppositionellen ansehen. Auch aus seinen übrigen Ausführungen seien etwaige Verfolgungsszenarien nicht ansatzweise erkennbar.

Gegen diese Bescheide des BFA erhoben die BF fristgerecht gleichlautende Beschwerden gegen die Spruchpunkte I.. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass es seitens des BFA unterlassen worden sei, die BF viel ausführlicher zu ihren vorgebrachten Fluchtgründen zu befragen. Diese Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens habe in weiterer Folge auch ihren Niederschlag in den vom BFA getätigten, überaus dürftigen Feststellungen für das Verlassen des Herkunftsstaates des BF erfahren. Die gesetzlich festgelegte Mitwirkungspflicht des BFA sei diesbezüglich keinesfalls in adäquater, rechtskonformer Art und Weise wahrgenommen worden. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Sie würden zwar allgemeine Aussagen über Syrien beinhalten, seien aber aufgrund des mangelhaft durchgeführten Ermittlungsverfahrens des BFA hinsichtlich der Sache des BF2 nicht in dem Maße einschlägig, wie es sich nach einem gehörigen und adäquat gesetzeskonformen Vorgehen dargestellt hätte. Die Feststellungen des Bundesamtes betreffend das Fluchtvorbringen der BF würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer sehr mangelhaften Sachverhaltsermittlung basieren. Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Bescheide beschränke sich vorwiegend auf allgemeine Formulierungen, die teilweise auf den konkreten Fall nicht übertragbar erscheinen würden. Das mangelhafte Ermittlungsverfahren und die mangelhafte Beweiswürdigung der belangten Behörde hätten zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Fluchtvorbringens geführt. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Gegen diese Bescheide des BFA erhoben die BF fristgerecht gleichlautende Beschwerden gegen die Spruchpunkte römisch eins.. Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass es seitens des BFA unterlassen worden sei, die BF viel ausführlicher zu ihren vorgebrachten Fluchtgründen zu befragen. Diese Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens habe in weiterer Folge auch ihren Niederschlag in den vom BFA getätigten, überaus dürftigen Feststellungen für das Verlassen des Herkunftsstaates des BF erfahren. Die gesetzlich festgelegte Mitwirkungspflicht des BFA sei diesbezüglich keinesfalls in adäquater, rechtskonformer Art und Weise wahrgenommen worden. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Sie würden zwar allgemeine Aussagen über Syrien beinhalten, seien aber aufgrund des mangelhaft durchgeführten Ermittlungsverfahrens des BFA hinsichtlich der Sache des BF2 nicht in dem Maße einschlägig, wie es sich nach einem gehörigen und adäquat gesetzeskonformen Vorgehen dargestellt hätte. Die Feststellungen des Bundesamtes betreffend das Fluchtvorbringen der BF würden auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer sehr mangelhaften Sachverhaltsermittlung basieren. Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Bescheide beschränke sich vorwiegend auf allgemeine Formulierungen, die teilweise auf den konkreten Fall nicht übertragbar erscheinen würden. Das mangelhafte Ermittlungsverfahren und die mangelhafte Beweiswürdigung der belangten Behörde hätten zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Fluchtvorbringens geführt. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Am 18.07.2024 fand unter der Beiziehung eines den BF1-BF2 einwandfrei verständlichen Dolmetschers für Arabisch vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher die BF1-BF2 ordnungsgemäß geladen wurden und an welcher diese auch teilnahmen. Ihnen wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich zu ihren Fluchtgründen ausführlich zu äußern.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zu den Personen der BF und zu den Fluchtgründen:

Im gegenständlichen Verfahren liegt ein Familienverfahren vor. Der BF1 ist die Ehefrau des BF2 und die Mutter der minderjährigen BF3 und BF4. Die BF1, sowie der BF3 und die BF4 haben keine eigenen Fluchtgründe. Die BF1, BF2 und die BF4 sind gesund und alle BF sind strafrechtlich unbescholten. Der BF3 ist Autist und steht deswegen in medizinischer Behandlung.

Der BF1 und die BF2 stellten am 31.01.2022 für sich selbst und die BF1 als gesetzliche Vertreterin für den BF3 und BF4 die jeweiligen Anträge auf internationalen Schutz. Aufgrund dieser Anträge wurde ihnen mit den Bescheiden vom 02.01.2023 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Die BF1 stammt aus der Ortschaft XXXX in der Nähe der Stadt Idlib im Gouvernement Idlib und ist dort aufgewachsen. Sie zog im Jahr 2012 nach Idlib Stadt. Der BF2 stammt aus der Stadt Idlib. Die Herkunftsprovinz des BF1 und der BF2 steht unter der ausschließlichen Kontrolle oppositioneller Rebellengruppierungen und Milizen wie der HTS bzw. der FSA. Die BF1 stammt aus der Ortschaft römisch 40 in der Nähe der Stadt Idlib im Gouvernement Idlib und ist dort aufgewachsen. Sie zog im Jahr 2012 nach Idlib Stadt. Der BF2 stammt aus der Stadt Idlib. Die Herkunftsprovinz des BF1 und der BF2 steht unter der ausschließlichen Kontrolle oppositioneller Rebellengruppierungen und Milizen wie der HTS bzw. der FSA.

Die syrische Armee kann im Herkunftsgebiet des BF der Stadt, bzw. Provinz Idlib keine Rekrutierungen durchführen, da diese dort aufgrund der sich dort an der Macht befindlichen HTS keinen Zugriff auf Personen hat. Dem BF droht somit an seinem Herkunftsort keine Gefährdung durch eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime, bzw. die syrische Regimearmee. Die als Hauptfluchtgrund angegebene Gefährdung des BF2 kann somit mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit diesen an seinem Herkunftsort, der Provinz Idlib, nicht betreffen.

Die am Herkuftsort des BF2 vorherrschende Miliz der Hay’at Tahrir ash-Sham setzt im Allgemeinen keine Zwangsrekrutierung ein. HTS ist nicht auf Rekruten angewiesen, da eine große Anzahl von Männern der Organisation freiwillig beitritt. Außerdem setzt die HTS keine Zwangsrekrutierung ein, da es für sie von entscheidender Bedeutung ist, dass die Rekruten motiviert und loyal gegenüber der Organisation sind. Es ist möglich, in von der HTS kontrollierten Gebieten zu leben, ohne bei der HTS einen Wehrdienst ableisten zu müssen, bzw. in einer Milz dienen zu müssen. Männer, die sich entscheiden, der HTS nicht beizutreten, haben ohne Hinzutreten sonstiger Gründe mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit keine verfahrensrelevanten Probleme mit Milizen der HTS ausschließlich deshalb, da sie dieser Miliz nicht beigetreten sind. Unmittelbar konkrete Gründe, bzw. ausreichend glaubhafte Gründe, warum der BF nicht auch als Zivilist, in den von der HTS kontrollierten Gebieten ohne ihn unmittelbar konkret persönlich betreffende asylrelevante Bedrohung leben könnte, hat dieser nicht ausreichend konkret darlegen, bzw. glaubhaft machen können.

Die BF1 war von 2014 bis 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit einem befristeten Aufenthaltstitel wohnhaft. Sie kehrte bzw. versuchte freiwillig im Jahr 2018 bis 2019 aus privaten Gründen nach Syrien zurückzukehren. Die BF1 hat an ihrem Herkunftsregion der Provinz Idlib als verheirate Frau mit Kindern im Familienverband mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit nicht ausschließlich aufgrund ihres Geschlechtes deshalb mit einer sie unmittelbar konkret persönlich betreffenden asylrelevanten Verfolgung oder Bedrohung zu rechnen. Das Vorliegen von allfällig sonstigen sie unmittelbar konkret asylrelevant betreffenden Bedrohungen hat die BF1 nicht, jedenfalls nicht ausreichend konkret dargelegt.

Der BF2 war von 2012 bis 2021 in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit einem befristeten Aufenthaltstitel aufhältig und dort mit einem Arbeitsvisum, das mehrmals verlängert wurde, als Tischler tätig. Der minderjährige BF3 und die minderjährige BF4 wurden in den Vereinigten Arabischen Emiraten geboren.

Der BF2 hat nicht ausreichend konkret darlegen und glaubhaft machen können, bzw. droht dem BF2 im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat und in seiner Herkunftsregion Idlib keine individuell-konkrete Verfolgung seitens der Miliz HTS aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung wegen der Beendigung einer Tätigkeit als Tischler für einen oppositionellen Radiosender. Der BF2 hat auch sonst das Vorliegen einer ihn unmittelbar konkret persönlich betreffenden asylrelevanten Gefährdung nicht ausreichend konkret darlegen, bzw. insgesamt nicht glaubhaft machen können.

Der BF1 und den sonstigen Familienmitgliedern droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit deshalb auch keine Reflexverfolgung aufgrund einer oppositionellen Tätigkeit ihres Ehemannes.

Der BF2 war in keine Kampfhandlungen verwickelt und war in Syrien nicht politisch tätig.

Der BF2 war in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung durch die HTS bzw. Al Nusra Front ausgesetzt. Im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion ist der BF2 nicht der Gefahr ausgesetzt von der HTS bzw. Al-Nusra Front, oder anderen Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden.

Der BF2 ist kein Wehrdienstverweigerer. Der BF2 brachte kein Militärbuch oder einen ihn unmittelbar konkret betreffenden Einberufungsbefehl in Vorlage.

Die BF1, die BF3 und BF4 haben keine sonstigen, bzw. eigenen Fluchtgründe.

Die BF haben nicht glaubhaft machen können, bzw. droht den BF im Falle einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien auch nicht aufgrund einer ihnen allfällig unterstellten oppositionellen Gesinnung eine individuell-konkrete Verfolgung durch die syrische Regierung, die Freie Syrische Armee oder die Türkei.

Ebenso droht den BF auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aufgrund ihrer Ausreise bzw. einer ihr hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

Den BF ist es möglich, über einen nicht von der Regierung kontrollierten Grenzübergang über die Türkei unmittelbar nach Idlib zu gelangen, ohne in Berührung mit dem syrischen Regime zu kommen. Als Grenzübergang käme beispielsweise Grenzübergang Bab al-Hawa in Frage.

Die BF haben insgesamt das Bestehen einer sie unmittelbar konkret drohenden unmittelbaren asylrelevanten Bedrohung von maßgeblicher Intensität im gesamten Verfahren ausreichend konkret und glaubhaft nicht aufzeigen können. Auch aus sonstigen Gründen droht den BF im Falle einer Rückkehr nach Syrien keine sie unmittelbar konkret persönlich betreffende asylrelevante Gefahr.

Die BF haben nicht ausreichend konkret darlegen und glaubhaft machen können, bzw. sind diese nicht unmittelbar persönlich konkret aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter in Syrien bzw. in ihrer Herkunftsregion iSd §3 AsylG unmittelbar konkret persönlich asylrelevant bedroht.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat: (gekürzt durch das BVwG)

Politische Lage

Letzte Änderung: 29.12.2022

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 25.2.2019). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer anderer religiöser Minderheiten. In der Praxis hängt der politische Zugang nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten (FH 24.2.2022).

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen ("Shabiha"). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016). Ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien ist nicht in Sicht. Der Konflikt ist eingefroren, das Land ist geteilt. Dank russischer Unterstützung hat Machthaber Bashar al-Assad seine Macht wieder gefestigt, auch wenn seine Truppen nur einen Teil des Landes – die Rede ist von rund zwei Dritteln – kontrollieren (DF 16.11.2022).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige. Die syrische Verfassung stellt auch sicher, dass die Ba'ath-Partei die Mehrheit in allen Regierungsgremien und Vereinigungen der Bevölkerung, wie Arbeiter- und Frauenorganisationen, hat (USDOS 12.4.2022). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft in Frage stellen könnten (FH 24.2.2022). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch Verfassung und bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich. Durch diese Entwicklungen der letzten Jahre sind die Schutzmöglichkeiten des Individuums vor staatlicher Gewalt und Willkür – welche immer schon begrenzt waren – weiterhin deutlich verringert worden (AA 29.11.2021).

Ausländische Akteure wie Iran, Russland und die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den vom Regime kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik häufig den von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen oder der Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) untergeordnet (FH 24.2.2022).

Zu den Machtverhältnissen in den Gebieten außerhalb der Regimekontrolle siehe die jeweiligen Abschnitte im Kapitel Sicherheitslage.

Wahlen

Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien zu "managen" und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren. Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden nach zweimaligem Verschieben des Wahltermins aufgrund der COVID-19-Pandemie die dritten Parlamentswahlen seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs statt. Vom Urnengang ausgeschlossen waren Syrer, die außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete im Nordwesten und Nordosten Syriens lebten (COAR 27.7.2020). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 % (BS 23.2.2022). Die herrschende Ba'ath-Partei von Präsident Bashar al-Assad gewann wie erwartet die Mehrheit. Die Ba'ath-Partei und deren Verbündete schlossen sich zum Bündnis der "Nationalen Einheit" zusammen (DS 21.7.2020) und erhielten 70 % der Parlamentssitze (Duclos 31.7.2020). Die übrigen Sitze gingen an Parteien, die mit der Ba'ath-Partei verbündet sind, und an nominell unabhängige Kandidaten mit Verbindungen zu Präsident Assad (COAR 27.7.2020).

Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020). Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt kein Al-Jumhuriya.net Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (AAN/MEI 24.7.2020). Somit ist die Reihung auf der Liste durch das Regime und die Nachrichtendienste wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen (BS 23.2.2022).

Im Mai 2021 wurden in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie in einigen syrischen Botschaften Präsidentschaftswahlen abgehalten, bei denen Bashar al-Assad mit 95,1 % (78 % Wahlbeteiligung, ÖB 1.10.2021) gewann und damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt wurde. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 % und 3,3 % der Stimmen (DS 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als "weder frei noch fair" und als "betrügerisch", und die Opposition nannte sie eine "Farce" (DS 28.5.2021).Im Mai 2021 wurden in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie in einigen syrischen Botschaften Präsidentschaftswahlen abgehalten, bei denen Bashar al-Assad mit 95,1 % (78 % Wahlbeteiligung, ÖB 1.10.2021) gewann und damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt wurde. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 % und 3,3 % der Stimmen (DS 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als "weder frei noch fair" und als "betrügerisch", und die Opposition nannte sie eine "Farce" (DS 28.5.2021).

Der politische Prozess gemäß UN-Sicherheitsratsresolution 2254 unter Ägide der Vereinten Nationen stagniert, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Blockadehaltung des jegliche Zugeständnisse verweigernden Regimes (AA 29.11.2021). Am 22.11.2022 fand das 19. Treffen des sogenannten Astana-Formats zu Syrien statt. Es bietet ein Forum für die drei Garantenstaaten des syrischen Friedens - Russland, die Türkei und Iran - sowie für Delegierte der syrischen Regierung und Opposition, um sozioökonomische und humanitäre Fragen sowie Fragen des Staatsaufbaus zu erörtern (FB 22.11.2022). Bei dieser Gelegenheit bekräftigten die Länder ihr festes Engagement für die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität Syriens sowie die Notwendigkeit, den Kampf gegen den Terrorismus fortzusetzen (NA 23.11.2022).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 29.12.2022

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Es ist zu beachten, dass die durch die türkischen Offensiven im Nordosten ausgelöste Dynamik verlässliche grundsätzliche Aussagen und Trendeinschätzungen schwierig macht. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB 1.10.2021).

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018b). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016). Militärisch kontrolliert das syrische Regime den Großteil des Landes mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die andauernde und massive militärische Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans bzw. durch von Iran unterstützte Milizen einschließlich Hizbollah, der bewaffnete oppositionelle Kräfte wenig entgegensetzen können. Die Streitkräfte des Regimes selbst sind mit Ausnahme einiger Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.11.2021). Das Wiederaufflammen der Kämpfe und die Rückkehr der Gewalt geben laut UNHRC (UN Human Rights Council) Anlass zur Sorge. Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen hat am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat vor den besorgniserregenden und gefährlichen Entwicklungen in Syrien gewarnt. Dabei wies er insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022).

Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die Arabische Republik Syrien stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien, die sie als "Operation Claw-Sword" bezeichnet und die nach türkischen Angaben auf Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte und der syrischen Streitkräfte abzielt, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße getroffen hat (HRW 7.12.2022). Die Türkei hat seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien gestartet (France24 20.11.2022). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022) [Zur von Präsident Erdogan ankündigten Militäroffensive siehe das Unterkapitel "Türkische Militäroperationen in Nordsyrien" im Kapitel "Sicherheitslage"].

Im Nordwesten Syriens führte das Vordringen der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen. Russland verstärkte seine Luftangriffe in Idlib, und die Türkei griff kurdische und Regimekräfte an. Russland setzte die Bombardierungen in der Provinz Idlib am 7., 11. und 17.10.2022 fort und belastete damit den Waffenstillstand vom März 2020 (ICG 10.2022).

Mittlerweile leben 66 % der Bevölkerung wieder in den von der Regierung kontrollierten Territorien (ÖB 1.10.2021). Mehr als zwei Drittel der im Land verbliebenen Bevölkerung leben in Gebieten unter Kontrolle des syrischen Regimes. Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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