Entscheidungsdatum
05.02.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W294 2278097-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA Syrien alias Irak, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.8.2023, Zl. 1288072906/211623022, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.1.2024, wie folgt zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA Syrien alias Irak, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.8.2023, Zl. 1288072906/211623022, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.1.2024, wie folgt zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, reiste schlepperunterstützt über mehrere Länder nach Österreich ein, wo er am 28.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass er aus dem Irak geflohen sei, weil in Mosul der IS aufgetreten sei. Er habe in Syrien gelebt, wo er eine syrische Frau geheiratet habe und deshalb sei er wegen dem Krieg aus Syrien geflohen. Er habe alle Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben. Ansonsten habe er keine weiteren Gründe für seine Asylantragstellung. Im Falle einer Rückkehr habe er keine Befürchtungen, er wolle nur gute Zukunftsperspektiven haben.
Zu seinen persönlichen Umständen befragt, erklärte der BF, dass er in Mosul/Irak geboren worden sei und der Volksgruppe der Araber angehöre. Er habe vier Jahre die Grundschule besucht und sei vor seiner Ausreise Landwirt gewesen. In Syrien würden sich nach wie vor seine Eltern, seine drei Schwestern und seine fünf Brüder aufhalten, seine Ehefrau, sein Sohn sowie seine vier Töchter und einer seiner Brüder seien in Syrien wohnhaft.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 7.2.2023 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führte der BF aus, dass er Maktum sei und seine Kinder weder einen Identitätsausweis noch eine Geburtsurkunde erhalten würden, da er Maktum sei. Auf Vorhalt, dass seine Angaben absolut unglaubwürdig seien, da er vor dem Bundesamt angegeben habe, Iraker zu sein und die Behörde aufgrund seines Auftretens sowie seinen falschen Angaben zu seiner Nationalität davon ausgehe, dass er Iraker sei, brachte der BF vor, dass seine Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Zum weiteren Vorhalt, dass seine Angaben, dass die Niederschrift nicht rückübersetzt worden sei, falsch seien, da ihm die Niederschrift sehr wohl rückübersetzt worden sei und er den Inhalt mit seiner eigenen Unterschrift bestätigt habe und er vorgebracht habe, dass er Syrien im Jahr 2013 verlassen habe und er im Jahr 2015 wieder zurückgekehrt sei. Die Frage, ob er Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich habe, die er noch nicht vorgelegt habe, wurde vom BF verneint. Er besitze als Maktum keine Dokumente und habe auch keinen Personalausweis. Zur Frage, wie er zwischen Syrien und dem Irak pendeln habe können, entgegnete der BF, dass damals die Grenze Al-Malikiya geöffnet worden sei und die Flüchtlinge damals ohne Dokumente ausreisen hätten dürfen. Der BF sei in XXXX /Syrien geboren worden und gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religionszugehörigkeit der Sunniten an. Seine Eltern sowie seine Geschwister seien weiterhin im Irak wohnhaft. Seine Ehefrau und seine fünf Kinder würden sich aktuell in Syrien aufhalten, weitere Geschwister würden in der Türkei leben. Er habe keinen Militärdienst abgeleistet, da er als Maktum keinen Militärdienst ableisten könne. Befragt, unter welchen Lebensumständen er konkret gelebt habe, replizierte der BF, dass er in XXXX geboren worden und bei seinen Eltern aufgewachsen sei. Er habe in der Landwirtschaft gearbeitet und Getreide angebaut. Seit seinem 20. Lebensjahr habe er als Chauffeur gearbeitet und sei als Transporteur tätig gewesen. Seine Ehefrau stamme aus demselben Dorf und sie hätten fünf Kinder. Er habe sich bis zu seiner Ausreise aus Syrien bei seiner Familie in Syrien aufgehalten. Nachgefragt, wo XXXX konkret in Syrien liege, erklärte der BF, dass das Dorf zum Bezirk XXXX in Al-Hasaka gehöre. Der BF konnte die Fragen nicht beantworten, wie der kurdische Name seines Heimatortes laute bzw. XXXX in kurdischer Sprache heiße. Befragt, wieso er nicht angeben könne, wie der Bezirk, in welchem er sich das ganz Leben lang aufgehalten habe, auf Kurdisch heiße, entgegnete der BF, dass er diese Frage nicht beantworten könne. Auf die Frage, wo die Provinz Al-Hassaka liege, entgegnete der BF, dass sich diese Provinz im Osten Syriens befinde. Die Frage, ob er jemals versucht habe, syrische Dokumente zu erhalten, wurde vom BF verneint, da dies für sie nicht erlaubt sei. Sein Vater habe dies auch nicht gemacht. Befragt, ob er Kontakt zu seiner Familie gehabt habe, führte der BF an, dass er Kontakt mit seiner Familie habe und mit dieser per WhatsApp in Kontakt stehe. Seine Ehefrau halte sich bei ihren Eltern auf und er stehe mit dieser über WhatsApp in Kontakt. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt durch Zuwendungen ihres Vaters und Ersparnisse des BF. Den Herkunftsstaat habe der BF im Jahr 2021 endgültig verlassen. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 7.2.2023 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führte der BF aus, dass er Maktum sei und seine Kinder weder einen Identitätsausweis noch eine Geburtsurkunde erhalten würden, da er Maktum sei. Auf Vorhalt, dass seine Angaben absolut unglaubwürdig seien, da er vor dem Bundesamt angegeben habe, Iraker zu sein und die Behörde aufgrund seines Auftretens sowie seinen falschen Angaben zu seiner Nationalität davon ausgehe, dass er Iraker sei, brachte der BF vor, dass seine Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Zum weiteren Vorhalt, dass seine Angaben, dass die Niederschrift nicht rückübersetzt worden sei, falsch seien, da ihm die Niederschrift sehr wohl rückübersetzt worden sei und er den Inhalt mit seiner eigenen Unterschrift bestätigt habe und er vorgebracht habe, dass er Syrien im Jahr 2013 verlassen habe und er im Jahr 2015 wieder zurückgekehrt sei. Die Frage, ob er Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich habe, die er noch nicht vorgelegt habe, wurde vom BF verneint. Er besitze als Maktum keine Dokumente und habe auch keinen Personalausweis. Zur Frage, wie er zwischen Syrien und dem Irak pendeln habe können, entgegnete der BF, dass damals die Grenze Al-Malikiya geöffnet worden sei und die Flüchtlinge damals ohne Dokumente ausreisen hätten dürfen. Der BF sei in römisch 40 /Syrien geboren worden und gehöre der Volksgruppe der Araber und der Religionszugehörigkeit der Sunniten an. Seine Eltern sowie seine Geschwister seien weiterhin im Irak wohnhaft. Seine Ehefrau und seine fünf Kinder würden sich aktuell in Syrien aufhalten, weitere Geschwister würden in der Türkei leben. Er habe keinen Militärdienst abgeleistet, da er als Maktum keinen Militärdienst ableisten könne. Befragt, unter welchen Lebensumständen er konkret gelebt habe, replizierte der BF, dass er in römisch 40 geboren worden und bei seinen Eltern aufgewachsen sei. Er habe in der Landwirtschaft gearbeitet und Getreide angebaut. Seit seinem 20. Lebensjahr habe er als Chauffeur gearbeitet und sei als Transporteur tätig gewesen. Seine Ehefrau stamme aus demselben Dorf und sie hätten fünf Kinder. Er habe sich bis zu seiner Ausreise aus Syrien bei seiner Familie in Syrien aufgehalten. Nachgefragt, wo römisch 40 konkret in Syrien liege, erklärte der BF, dass das Dorf zum Bezirk römisch 40 in Al-Hasaka gehöre. Der BF konnte die Fragen nicht beantworten, wie der kurdische Name seines Heimatortes laute bzw. römisch 40 in kurdischer Sprache heiße. Befragt, wieso er nicht angeben könne, wie der Bezirk, in welchem er sich das ganz Leben lang aufgehalten habe, auf Kurdisch heiße, entgegnete der BF, dass er diese Frage nicht beantworten könne. Auf die Frage, wo die Provinz Al-Hassaka liege, entgegnete der BF, dass sich diese Provinz im Osten Syriens befinde. Die Frage, ob er jemals versucht habe, syrische Dokumente zu erhalten, wurde vom BF verneint, da dies für sie nicht erlaubt sei. Sein Vater habe dies auch nicht gemacht. Befragt, ob er Kontakt zu seiner Familie gehabt habe, führte der BF an, dass er Kontakt mit seiner Familie habe und mit dieser per WhatsApp in Kontakt stehe. Seine Ehefrau halte sich bei ihren Eltern auf und er stehe mit dieser über WhatsApp in Kontakt. Sie bestreite ihren Lebensunterhalt durch Zuwendungen ihres Vaters und Ersparnisse des BF. Den Herkunftsstaat habe der BF im Jahr 2021 endgültig verlassen.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass er von der Gruppierung „APO“ sowie von mehreren allgemeinen Sicherheitsbehörden in XXXX und XXXX gesucht worden sei, die wissen hätten wollen, wieso er nicht regelmäßig bei seiner Dienststelle erscheine und weshalb er nicht in XXXX sei. In XXXX sei er von einem Kollegen namens XXXX sowie von einem Kollegen namens XXXX festgenommen worden. Er sei gefragt worden, wieso er sich der Gruppierung XXXX nicht angeschlossen habe. Da er unter Druck gesetzt worden sei, habe er Syrien verlassen. Nachgefragt, was er unter XXXX verstehe, gab der BF an, dass es sich um eine Miliz handle, die zu APO gehöre. Bei APO handle es sich um eine Partei der Kurden. Nachgefragt, was die Kurden von ihm genau gewollt hätten, erklärte der BF, dass er seinen Pflichten als Wachperson auf Straßen und an Checkpoints nachkommen habe müssen. Auf die Frage, welche Aufgaben er an den Checkpoints oder auf der Straße verrichten habe müssen, brachte der BF vor, dass er die Autos kontrollieren habe müssen und die Fahrer fragen habe müssen, wo sie genau hinfahren würden. Er wisse nicht, wieso diese Personen gerade ihn für diese Aufgabe ausgewählt hätten. Die Frage, ob er eine militärische Ausbildung habe, wurde vom BF verneint. Befragt, wann diese Leute begonnen hätten, sich an ihn zu wenden, replizierte der BF, dass diese im Jahr 2018 mit ihm Kontakt aufgenommen hätten. Auf die Frage, welche Eigenschaften er vor Augen dieser Personen gehabt habe, um diese Aufgaben zu übernehmen, erwiderte der BF, dass die Eigenschaften nicht wichtig gewesen seien und die Männer in jedem Dorf entweder bei der Gruppierung namens APO oder bei der Al Jouhariya als Art Unterstützung sein müssten. Zum weiteren Vorhalt, dass weder glaubhaft noch nachvollziehbar sei, dass Leute einen 36-jährigen Mann ohne militärische Ausbildung, der Araber sei und zu den Maktumen gehöre, seitens der Kurden für derartige Aufgaben beauftragen würden, führte der BF an, dass er einen 60-jährigen Mann kenne, der ebenfalls für derartige Aufgaben beauftragt worden sei. Auf weiteren Vorhalt, dass er am 29.10.2021 vor der Polizei vorgebracht habe, dass er als Iraker von 2015 bis 2021 in Syrien aufhältig gewesen sei, seine Ehefrau jedoch syrische Staatsbürgerin gewesen sei, führte der BF aus, dass er Syrien im Jahr 2013 aufgrund des Konfliktes zwischen verschiedenen Parteien, insbesondere „APO“, verlassen habe und in den Irak gezogen sei. Im Jahr 2015 sei er nach Syrien zurückgekehrt. Im Jahr 2015 sei er nach Syrien zurückgekehrt, im Irak habe er sich die gesamte Zeit im autonomen Gebiet aufgehalten. Zum weiteren Vorhalt, dass er nunmehr andere Fluchtgründe angegeben habe als in der Erstbefragung, replizierte der BF, dass er im Jahr 2015 das autonome Gebiet im Irak verlassen habe und sie immer nähergekommen seien. Die Fragen, ob er in seiner Heimat vorbestraft sei bzw. im Herkunftsland Strafrechtsdelikte begangen habe, in einem anderen Land vorbestraft sei bzw. Strafrechtsdelikte begangen habe, von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht bzw. einer sonstigen staatlichen Behörde gesucht werde, wurden vom BF verneint. Er sei in seiner Heimat auch von staatlichen Behörden nicht festgenommen worden, habe persönlich und direkt keine Probleme mit staatlichen Behörden gehabt und es gebe gegen ihn keinen Haftbefehl in seinem Heimatland. Er habe niemals an Kampfhandlungen teilgenommen, sei in seiner Heimat niemals Mitglied einer politischen Gruppierung und Partei gewesen und sei in seiner Heimat persönlich und direkt niemals wegen seiner politischen Gesinnung, Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Religion oder sozialen Gruppe verfolgt worden. Es habe gegen ihn auch weder von staatlicher noch privater Seite irgendwelche Übergriffe gegeben. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor jedem, der keine Angst vor Gott habe. Er wolle lieber sterben als in die Heimat zurückzukehren. Die Frage, ob er im Falle einer eventuellen Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätte, wurde vom BF verneint. Auf die Frage, wie er trotz der geschilderten Probleme noch weitere drei Jahre in Syrien leben habe können, führte der BF an, dass sie von einem Ort zum nächsten flüchten hätten wollen. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, dass er sich bis zu seiner Ausreise bei seiner Familie aufgehalten habe, entgegnete der BF, dass diese Angaben stimmen würden und er sich bis zur Ausreise bei seiner Familie in XXXX aufgehalten habe. Die Frage, ob er über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in seiner Heimat Bescheid wisse, wurde vom BF verneint. Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass er von der Gruppierung „APO“ sowie von mehreren allgemeinen Sicherheitsbehörden in römisch 40 und römisch 40 gesucht worden sei, die wissen hätten wollen, wieso er nicht regelmäßig bei seiner Dienststelle erscheine und weshalb er nicht in römisch 40 sei. In römisch 40 sei er von einem Kollegen namens römisch 40 sowie von einem Kollegen namens römisch 40 festgenommen worden. Er sei gefragt worden, wieso er sich der Gruppierung römisch 40 nicht angeschlossen habe. Da er unter Druck gesetzt worden sei, habe er Syrien verlassen. Nachgefragt, was er unter römisch 40 verstehe, gab der BF an, dass es sich um eine Miliz handle, die zu APO gehöre. Bei APO handle es sich um eine Partei der Kurden. Nachgefragt, was die Kurden von ihm genau gewollt hätten, erklärte der BF, dass er seinen Pflichten als Wachperson auf Straßen und an Checkpoints nachkommen habe müssen. Auf die Frage, welche Aufgaben er an den Checkpoints oder auf der Straße verrichten habe müssen, brachte der BF vor, dass er die Autos kontrollieren habe müssen und die Fahrer fragen habe müssen, wo sie genau hinfahren würden. Er wisse nicht, wieso diese Personen gerade ihn für diese Aufgabe ausgewählt hätten. Die Frage, ob er eine militärische Ausbildung habe, wurde vom BF verneint. Befragt, wann diese Leute begonnen hätten, sich an ihn zu wenden, replizierte der BF, dass diese im Jahr 2018 mit ihm Kontakt aufgenommen hätten. Auf die Frage, welche Eigenschaften er vor Augen dieser Personen gehabt habe, um diese Aufgaben zu übernehmen, erwiderte der BF, dass die Eigenschaften nicht wichtig gewesen seien und die Männer in jedem Dorf entweder bei der Gruppierung namens APO oder bei der Al Jouhariya als Art Unterstützung sein müssten. Zum weiteren Vorhalt, dass weder glaubhaft noch nachvollziehbar sei, dass Leute einen 36-jährigen Mann ohne militärische Ausbildung, der Araber sei und zu den Maktumen gehöre, seitens der Kurden für derartige Aufgaben beauftragen würden, führte der BF an, dass er einen 60-jährigen Mann kenne, der ebenfalls für derartige Aufgaben beauftragt worden sei. Auf weiteren Vorhalt, dass er am 29.10.2021 vor der Polizei vorgebracht habe, dass er als Iraker von 2015 bis 2021 in Syrien aufhältig gewesen sei, seine Ehefrau jedoch syrische Staatsbürgerin gewesen sei, führte der BF aus, dass er Syrien im Jahr 2013 aufgrund des Konfliktes zwischen verschiedenen Parteien, insbesondere „APO“, verlassen habe und in den Irak gezogen sei. Im Jahr 2015 sei er nach Syrien zurückgekehrt. Im Jahr 2015 sei er nach Syrien zurückgekehrt, im Irak habe er sich die gesamte Zeit im autonomen Gebiet aufgehalten. Zum weiteren Vorhalt, dass er nunmehr andere Fluchtgründe angegeben habe als in der Erstbefragung, replizierte der BF, dass er im Jahr 2015 das autonome Gebiet im Irak verlassen habe und sie immer nähergekommen seien. Die Fragen, ob er in seiner Heimat vorbestraft sei bzw. im Herkunftsland Strafrechtsdelikte begangen habe, in einem anderen Land vorbestraft sei bzw. Strafrechtsdelikte begangen habe, von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht bzw. einer sonstigen staatlichen Behörde gesucht werde, wurden vom BF verneint. Er sei in seiner Heimat auch von staatlichen Behörden nicht festgenommen worden, habe persönlich und direkt keine Probleme mit staatlichen Behörden gehabt und es gebe gegen ihn keinen Haftbefehl in seinem Heimatland. Er habe niemals an Kampfhandlungen teilgenommen, sei in seiner Heimat niemals Mitglied einer politischen Gruppierung und Partei gewesen und sei in seiner Heimat persönlich und direkt niemals wegen seiner politischen Gesinnung, Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Religion oder sozialen Gruppe verfolgt worden. Es habe gegen ihn auch weder von staatlicher noch privater Seite irgendwelche Übergriffe gegeben. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor jedem, der keine Angst vor Gott habe. Er wolle lieber sterben als in die Heimat zurückzukehren. Die Frage, ob er im Falle einer eventuellen Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätte, wurde vom BF verneint. Auf die Frage, wie er trotz der geschilderten Probleme noch weitere drei Jahre in Syrien leben habe können, führte der BF an, dass sie von einem Ort zum nächsten flüchten hätten wollen. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, dass er sich bis zu seiner Ausreise bei seiner Familie aufgehalten habe, entgegnete der BF, dass diese Angaben stimmen würden und er sich bis zur Ausreise bei seiner Familie in römisch 40 aufgehalten habe. Die Frage, ob er über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in seiner Heimat Bescheid wisse, wurde vom BF verneint.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde vom BF ein Auszug aus dem Zivilregister im Original sowie in englischer Übersetzung in Vorlage gebracht.
Mit Bescheid des BFA vom 1.8.2023, Zl. 1288072906/211623022, wurde der Antrag des BF vom 28.10.2021 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Mit Bescheid des BFA vom 1.8.2023, Zl. 1288072906/211623022, wurde der Antrag des BF vom 28.10.2021 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF nicht glaubhaft darzustellen vermocht habe, dass er in Syrien einer aktuellen Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei. Der BF sei ausdrücklich aufgefordert worden, den ausreisekausalen Sachverhalt detailgetreu zu schildern, sodass es ihm schon aus der Fragestellung erkennbar gewesen sei, diesen Umstand so genau, wie es ihm möglich sei, zu schildern. Dennoch sei er augenscheinlich nicht in der Lage gewesen, ein den Prämissen erstattetes Vorbringen zu erstatten, was die Annahme, dieses habe nicht stattgefunden, bescheinige. Der BF sei somit nicht in der Lage gewesen, diesen Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes zu entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen sei die vom BF vor der Asylbehörde präsentierte „Fluchtgeschichte“ als zu „blass“, zu oberflächlich und vor allem widersprüchlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren. Der BF habe in Serbien und vor der Polizei am 29.10.2021 vorgebracht, irakischer Staatsangehöriger zu sein und zur Volksgruppe der Araber zu gehören. Zu Beginn der Einvernahme vor dem Bundesamt am 07.02.2023 habe er nunmehr behauptet, syrischer Staatsbürger zu sein und der Volksgruppe der Araber anzugehören. Im Zuge der Befragung am 07.02.2023 habe er im Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben angegeben, staatenlos bzw. „Maktum“ aus Syrien zu sein. Er habe aber vor der erkennenden Behörde vorgebracht, zur Volksgruppe der Araber zu gehören. Es sei weder glaubhaft noch nachvollziehbar, gleichzeitig Araber und Maktum zu sein. Zu den vom BF vorgelegten Schriftstücken sei zu befinden, dass diese keinen tauglichen Beweis darstellen, um die vom BF behauptete Identität als „staatenloser Kurde“ bzw. „Maktum“ auch nur annähernd erhärten zu können.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen Spruchpunkt I. und führte darin aus, dass die Behörde die eigens herangezogenen und im Bescheid wiedergegebenen Länderberichte und Anfragebeantwortungen nur unrichtig auswerte und es unterlasse, weitere Länderberichte heranzuziehen. Da die belangte Behörde sich willkürlich nicht mit den einschlägigen UNHCR Richtlinien zu Syrien auseinandergesetzt habe und dazu keine Feststellungen getroffen habe, habe sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Aufgrund der Zugehörigkeit zur Gruppe der Maktumeen bzw. der nicht registrierten Staatenlosen sei der BF diversen erheblichen Diskriminierungen und Benachteiligungen in Syrien ausgesetzt. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflichten also nicht voll wahrgenommen und das Verfahren damit mit groben Mängeln belastet. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen Spruchpunkt römisch eins. und führte darin aus, dass die Behörde die eigens herangezogenen und im Bescheid wiedergegebenen Länderberichte und Anfragebeantwortungen nur unrichtig auswerte und es unterlasse, weitere Länderberichte heranzuziehen. Da die belangte Behörde sich willkürlich nicht mit den einschlägigen UNHCR Richtlinien zu Syrien auseinandergesetzt habe und dazu keine Feststellungen getroffen habe, habe sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Aufgrund der Zugehörigkeit zur Gruppe der Maktumeen bzw. der nicht registrierten Staatenlosen sei der BF diversen erheblichen Diskriminierungen und Benachteiligungen in Syrien ausgesetzt. Die Behörde habe ihre Ermittlungspflichten also nicht voll wahrgenommen und das Verfahren damit mit groben Mängeln belastet. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.1.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein der Rechtsberatung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde zu seinen Fluchtgründen befragt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe darzulegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des BF
Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der sunnitischen Moslems. Die genaue Identität steht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest. Er hat sich zuletzt in der Stadt XXXX in der Provinz Al-Hasaka aufgehalten und war von 2013 bis 2015 im Irak wohnhaft. Er war vor seiner Einreise in Österreich als Taxifahrer tätig. Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der sunnitischen Moslems. Die genaue Identität steht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest. Er hat sich zuletzt in der Stadt römisch 40 in der Provinz Al-Hasaka aufgehalten und war von 2013 bis 2015 im Irak wohnhaft. Er war vor seiner Einreise in Österreich als Taxifahrer tätig.
Der BF ist verheiratet und hat fünf Kinder. Die Ehefrau und die Kinder des BF sind nach wie vor in Syrien wohnhaft und der BF steht mit diesen nach wie vor in regelmäßigen Kontakt. Weitere Verwandte des BF sind im Irak sowie in der Türkei wohnhaft.
Der BF stellte am 28.10.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund dieses Antrages wurde ihm mit Bescheid vom 1.8.2023 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
1.2 Zum Fluchtgrund des BF
Der dem Verfahren zugrunde gelegte Herkunftsort des BF, die Stadt XXXX in der Provinz Al-Hasaka, stand im Zeitpunkt der Ausreise des BF und steht auch aktuell unter der Kontrolle der kurdischen „Selbstverwaltung“ (auch „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ bzw. „Autonomous Administration of North and East Syria – AANES“ oder „Selbstverwaltungsgebiet“;). Der dem Verfahren zugrunde gelegte Herkunftsort des BF, die Stadt römisch 40 in der Provinz Al-Hasaka, stand im Zeitpunkt der Ausreise des BF und steht auch aktuell unter der Kontrolle der kurdischen „Selbstverwaltung“ (auch „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ bzw. „Autonomous Administration of North and East Syria – AANES“ oder „Selbstverwaltungsgebiet“;).
Mit Stand 17.07.2023 sind Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) zum „Wehrdienst“ (auch „kurdische Selbstverteidigungspflicht“) in der Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien verpflichtet. Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall „höherer Gewalt“ einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets.
Der im Entscheidungszeitpunkt 42-jährige BF fällt nicht mehr in die Altersgrenze für die Wehrpflicht im kurdischen Gebiet. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion, in die Stadt XXXX in der Provinz Al-Hasaka, droht dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht die Gefahr, zur kurdischen „Selbstverteidigungspflicht“ bzw. zum kurdischen Militärdienst eingezogen zu werden.Der im Entscheidungszeitpunkt 42-jährige BF fällt nicht mehr in die Altersgrenze für die Wehrpflicht im kurdischen Gebiet. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion, in die Stadt römisch 40 in der Provinz Al-Hasaka, droht dem BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht die Gefahr, zur kurdischen „Selbstverteidigungspflicht“ bzw. zum kurdischen Militärdienst eingezogen zu werden.
Der BF erhielt vor seiner Ausreise aus Syrien keinen schriftlichen Einberufungsbefehl.
Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er in Syrien einer individuellen, konkreten Verfolgungshandlung oder Bedrohung durch eine Miliz namens XXXX bzw. APO ausgesetzt war und droht ihm auch bei einer Rückkehr nach Syrien individuell und konkret keine Lebensgefahr bzw. kein Eingriff in seine körperliche Integrität durch syrische Streitkräfte oder oppositionelle Milizen. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er in Syrien einer individuellen, konkreten Verfolgungshandlung oder Bedrohung durch eine Miliz namens römisch 40 bzw. APO ausgesetzt war und droht ihm auch bei einer Rückkehr nach Syrien individuell und konkret keine Lebensgefahr bzw. kein Eingriff in seine körperliche Integrität durch syrische Streitkräfte oder oppositionelle Milizen.
Der BF wurde nicht von kurdischen Milizen oder anderen Gruppierungen für den Dienst im Militär oder sonst als Kämpfer angeworben noch wurden sonstige Rekrutierungshandlungen von diesen Stellen in diesem Zusammenhang gesetzt. Der BF war in Syrien nicht politisch tätig und war nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung.
Ihm droht bei einer Rückkehr nach Al-Hasaka, Syrien, nicht wegen seiner illegalen Ausreise oder der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die syrische Regierung.
Dem BF droht bei allfälliger Rückkehr nach Syrien, Provinz Al-Hasaka, insbesondere beim Grenzübertritt und potentieller Rückkehr nach Syrien, Provinz Al-Hasaka, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine reale Gefahr einer Verfolgung durch die syrische Regierung, durch kurdische Kräfte oder andere Gruppierungen. Er kann seinen Herkunftsort ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichen bzw. ohne vom syrischen Regime kontrolliertes Gebiet durchqueren zu müssen.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-07-10 12:22
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).
Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).
Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).
SYRISCHE ARABISCHE REPUBLIK
Letzte Änderung 2023-07-10 12:56
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v.a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 29.3.2023).
Institutionen und Wahlen Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Institutionen und Wahlen Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebend