Entscheidungsdatum
23.08.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W218 2281560-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, bevollmächtigt vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 05.10.2023, Zl. XXXX , wegen § 3 AsylG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2024, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, bevollmächtigt vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 05.10.2023, Zl. römisch 40 , wegen Paragraph 3, AsylG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2024, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 24.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer am 26.05.2022 an, Staatsangehöriger von Syrien, ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Araber, mit muslimischem Glauben, am XXXX geboren und in XXXX , wohnhaft gewesen zu sein. 2. In der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer am 26.05.2022 an, Staatsangehöriger von Syrien, ledig, Angehöriger der Volksgruppe der Araber, mit muslimischem Glauben, am römisch 40 geboren und in römisch 40 , wohnhaft gewesen zu sein.
Er habe Syrien im Oktober 2018 verlassen, habe zwei Monate in der Türkei und vier Jahre in Griechenland gelebt und sei anschließend schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, es herrsche in Syrien Krieg. Er sei durch den Krieg an seinen Beinen verletzt worden, wodurch er zwei Jahre nicht auf seinen Beinen habe stehen können. Dem Beschwerdeführer drohe eine Einberufung zum Wehrdienst, er wolle aber nicht kämpfen, niemanden töten oder selbst getötet werden.
3. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.02.2023 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er gesund sei. Im Herkunftsstaat leben noch Tanten, Onkel und Cousins des Beschwerdeführers. Er sei Hebräer, habe sieben Jahre die Schule besucht und als Fotograf gearbeitet. Seine Familie lebe in Deutschland und in der Türkei.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er wolle für keine Streitkraft in Syrien kämpfen. Der Beschwerdeführer sei zudem von einer Person der FSA entführt worden und mit 70 Peitschenhieben gefoltert worden, da er wegen Gotteslästerung und Atheismus angezeigt worden wäre. Er sei vom 03.08.2017 bis 03.11.2017 inhaftiert gewesen. Der Beschwerdeführer sei zudem im Jahr 2013 oder 2014 auf seiner Landwirtschaft angeschossen worden.
Der Beschwerdeführer legte Dokumente vor.
4. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.04.2023 gab der Beschwerdeführer an, er habe sieben Jahre die Grundschule besucht und vor dem Krieg als Näher gearbeitet. Vor Ausbruch des Krieges habe der Beschwerdeführer in Damaskus und XXXX gelebt, ab 2010 nur noch in XXXX und von 2013 bis 2017 in Aleppo. Ab 2017 habe er in XXXX , XXXX , mit Freunden gelebt. Das Haus in XXXX habe er mit Freunden gebaut, da seine Familie aus Syrien ausgereist sei. Er habe nicht mit seiner Familie 2014 ausreisen können, da er noch verletzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Hebräer an, es sei bereits 100 Jahre her, dass seine Familie zum Islam konvertiert sei. Er habe deshalb aber nie Probleme gehabt. 4. Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.04.2023 gab der Beschwerdeführer an, er habe sieben Jahre die Grundschule besucht und vor dem Krieg als Näher gearbeitet. Vor Ausbruch des Krieges habe der Beschwerdeführer in Damaskus und römisch 40 gelebt, ab 2010 nur noch in römisch 40 und von 2013 bis 2017 in Aleppo. Ab 2017 habe er in römisch 40 , römisch 40 , mit Freunden gelebt. Das Haus in römisch 40 habe er mit Freunden gebaut, da seine Familie aus Syrien ausgereist sei. Er habe nicht mit seiner Familie 2014 ausreisen können, da er noch verletzt gewesen sei. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Hebräer an, es sei bereits 100 Jahre her, dass seine Familie zum Islam konvertiert sei. Er habe deshalb aber nie Probleme gehabt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei im Jahr 2017 von der bewaffneten Gruppierung Jabhat Alnusra einen Monat lang festgehalten und mit
40 Peitschenhieben bestraft worden. Da alle Fotografen verhaftet und gefoltert worden wären, sei er schließlich aus Syrien geflüchtet. Im Jahr 2013 sei etwas in der Nähe von ihm explodiert und er sei von einem Splitter verletzt worden. Als Fotograf habe er Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Idlib und Aleppo fotografiert, diese seien von Fernsehsendern und von ihm selbst auf seiner Facebookseite veröffentlicht worden. Die Fotos habe er auf seiner Facebookseite aber bereits gelöscht.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Absatz 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. 5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß
§ 3 Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
6. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime und der FSA/YPG/SDF drohe. Darüber hinaus drohe ihm aufgrund der Lebensführung und Asylantragstellung in Österreich Verfolgung, da ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde. Der Beschwerdeführer wolle zudem Korrekturen des Bescheides vornehmen, so habe die Verhaftung und Auspeitschung bereits im Jahre 2015 und nicht 2017 stattgefunden. Die weiteren „Prügel“ hätten zudem im Jahr 2016 und nicht 2017 stattgefunden. Aufgrund seines Berufes als Fotograf sei er in Syrien bereits von verschiedenen bewaffneten Gruppen bedroht worden. Darüber hinaus könne das syrische Regime die durch die Explosion erlittene Verletzungen als Teilnahme an Kämpfen werten.
7. Die Spruchpunkte II. und III. sind in Rechtskraft erwachsen.7. Die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. sind in Rechtskraft erwachsen.
8. Am 23.04.2024 langte eine Stellungnahme des bevollmächtigt vertretenen Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. In dieser wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in XXXX geboren worden sei, aber bis 2010 in Damaskus gelebt hätte. Da seine Mutter Ärztin in Aleppo gewesen sei, sei die Familie nach Aleppo Stadt gezogen und hätte der Beschwerdeführer bis 2016 dort gelebt, der Beschwerdeführer habe sich jedoch auch in dieser Zeit gelegentlich in Idlib aufgehalten. Aufgrund des Krieges verließ der Beschwerdeführer Ende 2016/Anfang 2017 Aleppo und habe in XXXX gelebt. Den Großteil seines Lebens habe der Beschwerdeführer sohin an Orten gelebt, welche unter Kontrolle des syrischen Regimes gestanden seien. XXXX sei nicht als Herkunftsort des Beschwerdeführers anzusehen, da er Aleppo bereits kriegsbedingt verlassen habe. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers liege jedenfalls im Regimegebiet. Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe dem Beschwerdeführer sohin die Zwangsrekrutierung bzw. eine unverhältnismäßige Bestrafung als Wehrdienstverweigerer. Der Beschwerdeführer könne sich jedoch nicht vom Wehrdienst freikaufen, da er nicht über die notwendigen Mittel verfüge. Der Freikauf schütze zudem nicht vor Verfolgungshandlungen. Es bestehe zudem aufgrund der EU-Verordnung 36/2012 ein Verbot dem syrischen Regime unmittelbar oder mittelbar Gelder zukommen zu lassen. Die Befreiungsgebühr habe zudem aufgrund ihrer Höhe eine Strafcharakter. Darüber hinaus habe sich auch ein Bruder des Beschwerdeführers dem Wehrdienst entzogen und drohe dem Beschwerdeführer auch deshalb eine Verfolgung. Dem Beschwerdeführer drohe zudem eine Zwangsrekrutierung bzw. eine unverhältnismäßig hohe Bestrafung durch oppositionelle Kräfte. Aufgrund der Tätigkeit als Fotograf sei der Beschwerdeführer bereits von oppositionellen bewaffneten Milizen festgenommen worden und sei ihm Atheismus und Gotteslästerung zur Last gelegt worden. Er sei gefoltert und festgenommen worden, daher drohe dem Beschwerdeführer auch in Idlib Verfolgung aus politischen Gründen. 8. Am 23.04.2024 langte eine Stellungnahme des bevollmächtigt vertretenen Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. In dieser wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer in römisch 40 geboren worden sei, aber bis 2010 in Damaskus gelebt hätte. Da seine Mutter Ärztin in Aleppo gewesen sei, sei die Familie nach Aleppo Stadt gezogen und hätte der Beschwerdeführer bis 2016 dort gelebt, der Beschwerdeführer habe sich jedoch auch in dieser Zeit gelegentlich in Idlib aufgehalten. Aufgrund des Krieges verließ der Beschwerdeführer Ende 2016/Anfang 2017 Aleppo und habe in römisch 40 gelebt. Den Großteil seines Lebens habe der Beschwerdeführer sohin an Orten gelebt, welche unter Kontrolle des syrischen Regimes gestanden seien. römisch 40 sei nicht als Herkunftsort des Beschwerdeführers anzusehen, da er Aleppo bereits kriegsbedingt verlassen habe. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers liege jedenfalls im Regimegebiet. Bei einer Rückkehr nach Syrien drohe dem Beschwerdeführer sohin die Zwangsrekrutierung bzw. eine unverhältnismäßige Bestrafung als Wehrdienstverweigerer. Der Beschwerdeführer könne sich jedoch nicht vom Wehrdienst freikaufen, da er nicht über die notwendigen Mittel verfüge. Der Freikauf schütze zudem nicht vor Verfolgungshandlungen. Es bestehe zudem aufgrund der EU-Verordnung 36/2012 ein Verbot dem syrischen Regime unmittelbar oder mittelbar Gelder zukommen zu lassen. Die Befreiungsgebühr habe zudem aufgrund ihrer Höhe eine Strafcharakter. Darüber hinaus habe sich auch ein Bruder des Beschwerdeführers dem Wehrdienst entzogen und drohe dem Beschwerdeführer auch deshalb eine Verfolgung. Dem Beschwerdeführer drohe zudem eine Zwangsrekrutierung bzw. eine unverhältnismäßig hohe Bestrafung durch oppositionelle Kräfte. Aufgrund der Tätigkeit als Fotograf sei der Beschwerdeführer bereits von oppositionellen bewaffneten Milizen festgenommen worden und sei ihm Atheismus und Gotteslästerung zur Last gelegt worden. Er sei gefoltert und festgenommen worden, daher drohe dem Beschwerdeführer auch in Idlib Verfolgung aus politischen Gründen.
8. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 29.04.2024 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, mit muslimisch sunnitischem Glauben. Er wurde in XXXX geboren und wohnte die ersten Jahre zum Teil in Idlib und zum Teil in Damaskus, von 2013 bis 2017 lebte er in Aleppo und bis zu seiner Ausreise wieder in Idlib. Seine Herkunftsregion ist XXXX . Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer hat in XXXX sieben Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, mit muslimisch sunnitischem Glauben. Er wurde in römisch 40 geboren und wohnte die ersten Jahre zum Teil in Idlib und zum Teil in Damaskus, von 2013 bis 2017 lebte er in Aleppo und bis zu seiner Ausreise wieder in Idlib. Seine Herkunftsregion ist römisch 40 . Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Der Beschwerdeführer hat in römisch 40 sieben Jahre die Schule besucht.
Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt in Deutschland, ein Bruder in der Türkei.
Der Beschwerdeführer verließ Syrien zumindest drei Jahre vor der Einreise nach Österreich, er lebte bereits mehrere Jahre in Griechenland, wo er bereits einen Antrag auf Zuerkennung von Asyl stellte, dieser wurde abgewiesen.
war in Syrien keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass in Syrien aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht. Auch nicht aufgrund seiner illegalen Ausreise oder seiner Asylantragstellung in Österreich. Nicht jedem Rückkehrer, der aus Syrien ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
hatte keine Probleme mit den Behörden im Heimatland. Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Syrien weder vorbestraft noch war er dort inhaftiert.
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist aktuell unter der Kontrolle von der HTS (vgl. https://syria.liveuamap.com/), dem Beschwerdeführer droht weder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung durch eine oppositionelle Gruppierung, noch eine Verfolgung durch das Regime, die syrische Armee oder andere Organe des Regimes. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers ist aktuell unter der Kontrolle von der HTS vergleiche https://syria.liveuamap.com/), dem Beschwerdeführer droht weder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung durch eine oppositionelle Gruppierung, noch eine Verfolgung durch das Regime, die syrische Armee oder andere Organe des Regimes.
Dem Beschwerdeführer ist es im Falle einer Einreise über den nicht vom syrischen Regime kontrollierten Grenzübergang Bab al-Hawa möglich, ohne mit dem syrischen Regime in Kontakt zu kommen, in seine Heimatregion bzw. Heimatort zurückzukehren. Dem Beschwerdeführer drohen daher weder beim Grenzübertritt in seinen Herkunftsstaat, noch bei der Weiterreise in seine Heimatregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgungshandlungen seitens syrischer Behörden.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet und hat keinen Einberufungsbefehl erhalten.
Der exakte Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus Syrien lässt sich nicht feststellen, er reiste jedenfalls zwischen Oktober 2018 und August 2019 aus Syrien aus. Der Beschwerdeführer lebte jedenfalls von 2019 bis 2022 in Griechenland.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend.
Der Beschwerdeführer ist 26 Jahre alt und somit grundsätzlich im wehrpflichtigen Alter für die syrische Armee. Er hat den Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit. Er ist nicht im Besitz eines Militärbuches. Die Heimatregion des Beschwerdeführers steht jedoch nicht unter Einfluss- oder Kontrolle des syrischen Regimes, sondern unter der Kontrolle der syrischen Opposition, insbesondere der Hayat Tahrir Al-Sham (HTS). Die syrischen staatlichen Behörden haben in diesen Gebieten keinen Zugriff auf bestimmte Personen und können dort keine staatliche oder behördliche Macht (ua. Vollstreckung von Einberufungs- oder Haftbefehlen) ausüben.
Der Beschwerdeführer war in Syrien keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan.
Der Beschwerdeführer wurde nicht von der HTS (vormals Al Nusra Front) verhaftet und gefoltert und drohen ihm keine Verfolgungshandlungen von dieser Gruppierung. Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion bzw. in seinen Heimatort ist der Beschwerdeführer keiner asylrelevanten Verfolgung durch bewaffnete Gruppen bzw. Milizen, wie der HTS ausgesetzt.
Eine Verfolgung aufgrund der Herkunft des Beschwerdeführers bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist ebenfalls unwahrscheinlich. Nicht jedem Menschen, der aus der Provinz Idlib stammt, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen sind nicht glaubhaft und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.
1.3. Zur relevanten Situation in Syrien:
Hinsichtlich der relevanten Situation in Syrien wird zunächst prinzipiell auf die Länderfeststellungen der belangten Behörde zu Syrien verwiesen (Version 9, Stand: 17.07.2023). Es wird die aktuelle Version der Länderfeststellungen herangezogen, die sich in den für den Beschwerdeführer relevanten Teilen kaum von der Vorversion unterscheidet (Version 11, Stand: 24.03.2024). Weiters werden herangezogen: UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021 (UNHCR) und EASO Country Guidance: Syria aus November 2021 (EASO).
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
(…)
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).
(…)
Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Letzte Änderung 2023-07-11 09:24
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).
In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forsche