Entscheidungsdatum
16.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W283 2265820-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ? Stefanie KUSCHNIG als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1991, StA. SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2022, Zl. 1291765209/ XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ? Stefanie KUSCHNIG als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 1991, StA. SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.12.2022, Zl. 1291765209/ römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei (bP), ein männlicher Staatsangehöriger von Syrien, stellte am XXXX 12.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete die bP in ihrer Erstbefragung insbesondere damit, dass sie Syrien kriegsbedingt verlassen habe und den Reservedienstantritt fürchte.Die beschwerdeführende Partei (bP), ein männlicher Staatsangehöriger von Syrien, stellte am römisch 40 12.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete die bP in ihrer Erstbefragung insbesondere damit, dass sie Syrien kriegsbedingt verlassen habe und den Reservedienstantritt fürchte.
Am 05.07.2022 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der bP vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt). Befragt zu ihren Fluchtgründen ergänzte sie ihr bisheriges Vorbringen vor allem darum, dass türkische Truppen einmarschiert seien, sich die Unterkunft der bP einverleibt und in Folge einem FSA-Angehörigen überlassen hätten. Auch werde die bP seitens der Militärbehörde gesucht. Von Seiten kurdischer Streitkräfte drohe der bP Zwangsrekrutierung.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der bP hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr jedoch den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.). Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der bP hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihr jedoch den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte römisch II. und römisch III.).
Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, wiederholte die bP ihr bisheriges Vorbringen und ergänzte dieses insbesondere dadurch, dass ihr eine Zwangsrekrutierung seitens des Regimes, der Kurden und anderer Gruppierungen drohe. Zudem sei die bP asylrelevanter Verfolgung wegen ihrer illegalen Ausreise, kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit, sunnitischen Glaubensrichtung, Asylantragstellung in Österreich, sowie Herkunft aus einem Oppositionsgebiet ausgesetzt. Darüber hinaus komme es zu Angriffen der türkischen Armee und ihrer Verbündeten gegen Kurden. Auch XXXX sei überfallen und besetzt worden. Dabei sei es zur Tötung, Verschleppung und Vertreibung von Kurden gekommen.Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides, wiederholte die bP ihr bisheriges Vorbringen und ergänzte dieses insbesondere dadurch, dass ihr eine Zwangsrekrutierung seitens des Regimes, der Kurden und anderer Gruppierungen drohe. Zudem sei die bP asylrelevanter Verfolgung wegen ihrer illegalen Ausreise, kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit, sunnitischen Glaubensrichtung, Asylantragstellung in Österreich, sowie Herkunft aus einem Oppositionsgebiet ausgesetzt. Darüber hinaus komme es zu Angriffen der türkischen Armee und ihrer Verbündeten gegen Kurden. Auch römisch 40 sei überfallen und besetzt worden. Dabei sei es zur Tötung, Verschleppung und Vertreibung von Kurden gekommen.
Mit Beweismittelvorlage vom 21.06.2023 brachte die bP einen „Strafregisterauszug“ in Vorlage.
Mit Stellungnahme vom 07.03.2024 teilte die bP die geänderte Situation ihrer Familienmitglieder mit und machte insbesondere Ausführungen zur Situation in XXXX .Mit Stellungnahme vom 07.03.2024 teilte die bP die geänderte Situation ihrer Familienmitglieder mit und machte insbesondere Ausführungen zur Situation in römisch 40 .
Am 12.03.2024 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die bP und ihre Vertretung teilnahmen. Dabei wurde der bP die Möglichkeit geboten ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen und zu den Länderinformationen Stellung zu beziehen. Es wurde zudem erörtert, dass die von der bP vorgelegten Dokumente gegebenenfalls einer Dokumentenprüfung unterzogen werden.
Am 13.03.2024 erging an das Bundesministerium für Inneres das Ersuchen den von der bP vorgelegten „Strafregisterauszug“ auf Echtheit und Unverfälschtheit zu prüfen. Aus dem mit 07.06.2024 datierten Untersuchungsbericht ging in der Folge hervor, dass es sich bei vorgelegtem „Strafregisterauszug“ um eine Totalfälschung handelt.
Mit Stellungnahme vom 03.07.2024 wurde auf das VwGH Erkenntnis vom 29.02.2024, Ra 2023/18/0370 hingewiesen und festgehalten, dass XXXX als Herkunftsregion festzustellen sei.Mit Stellungnahme vom 03.07.2024 wurde auf das VwGH Erkenntnis vom 29.02.2024, Ra 2023/18/0370 hingewiesen und festgehalten, dass römisch 40 als Herkunftsregion festzustellen sei.
Am 09.07.2024 fand vor dem BVwG eine zweite öffentliche Verhandlung statt, an welcher die bP und ihre Vertretung teilnahmen. Dabei wurde der bP die Möglichkeit geboten zum Ergebnis der Dokumentenprüfung Stellung zu nehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der bP:
Die bP führt den im Spruch genannten Namen und das dort angegebene Geburtsdatum. Die bP ist zum Entscheidungszeitpunkt 33 Jahre alt. Die bP ist eine männliche Staatsangehörige von Syrien, gehört der Volksgruppe der Kurden an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und beherrscht ihre Muttersprache Kurdisch-Kurmanci in Wort und Schrift. Überdies beherrscht die bP die Sprache Arabisch auf sehr hohem Niveau und in Wort und Schrift.
Die bP ist in der Stadt XXXX , im Gouvernement ar-Raqqa geboren worden. Anschließend zog die bP nach XXXX , im Gouvernement al-Hassakah, wo diese im Familienverband aufgewachsen ist. Im Oktober 2019 zog die bP gemeinsam mit ihrer Familie nach XXXX , wo sie bis zu ihrer Ausreise aus Syrien am XXXX 12.2021 lebte.Die bP ist in der Stadt römisch 40 , im Gouvernement ar-Raqqa geboren worden. Anschließend zog die bP nach römisch 40 , im Gouvernement al-Hassakah, wo diese im Familienverband aufgewachsen ist. Im Oktober 2019 zog die bP gemeinsam mit ihrer Familie nach römisch 40 , wo sie bis zu ihrer Ausreise aus Syrien am römisch 40 12.2021 lebte.
Die bP absolvierte eine 6jährige Schulbildung und arbeitete im landwirtschaftlichen Bereich. In XXXX eröffnete die bP ein Gebrauchtwarengeschäft, welches diese in Folge betrieb. Die bP absolvierte eine 6jährige Schulbildung und arbeitete im landwirtschaftlichen Bereich. In römisch 40 eröffnete die bP ein Gebrauchtwarengeschäft, welches diese in Folge betrieb.
Die bP ist verheiratet und hat 3 Kinder; diese leben in Syrien. Weiterhin in XXXX leben die Eltern der bP und 2 ihrer Schwestern. Eine weitere Schwester lebt in Erbil. Ansonsten hat die bP 3 weitere Geschwister, welche in Österreich, Deutschland und Bulgarien leben. Dem in Österreich lebenden Bruder XXXX kommt der Status eines Asylberechtigten zu. Die bP steht zum Großteil ihrer Familienangehörigen in regelmäßigem Kontakt.Die bP ist verheiratet und hat 3 Kinder; diese leben in Syrien. Weiterhin in römisch 40 leben die Eltern der bP und 2 ihrer Schwestern. Eine weitere Schwester lebt in Erbil. Ansonsten hat die bP 3 weitere Geschwister, welche in Österreich, Deutschland und Bulgarien leben. Dem in Österreich lebenden Bruder römisch 40 kommt der Status eines Asylberechtigten zu. Die bP steht zum Großteil ihrer Familienangehörigen in regelmäßigem Kontakt.
Die bP ist gesund. Ihr kommt in Österreich der Status der subsidiär Schutzberechtigten zu.
1.2. Zu den Fluchtgründen der bP:
1.2.1. Die Herkunftsregion der bP ist die Stadt XXXX , im Gouvernement al-Hassakah. Die Herkunftsregion der bP steht unter Kontrolle der Kurden bzw. kurdischer Kräfte bzw. der SDF (Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES).1.2.1. Die Herkunftsregion der bP ist die Stadt römisch 40 , im Gouvernement al-Hassakah. Die Herkunftsregion der bP steht unter Kontrolle der Kurden bzw. kurdischer Kräfte bzw. der SDF (Syrian Democratic Forces - Syrische Demokratischen Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES).
1.2.2. In der Vergangenheit war die bP keiner individuellen Bedrohung oder Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt und es droht ihr eine solche auch zum Entscheidungszeitpunkt oder zukünftig nicht. Das syrische Regime hat in der Herkunftsregion der bP, XXXX , im Gouvernement al-Hassakah keine Zugriffs- und Kontrollmöglichkeiten auf gesuchte Personen und kann aufgrund der vorliegenden Machtverhältnisse auch keine Rekrutierungen durchführen. 1.2.2. In der Vergangenheit war die bP keiner individuellen Bedrohung oder Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt und es droht ihr eine solche auch zum Entscheidungszeitpunkt oder zukünftig nicht. Das syrische Regime hat in der Herkunftsregion der bP, römisch 40 , im Gouvernement al-Hassakah keine Zugriffs- und Kontrollmöglichkeiten auf gesuchte Personen und kann aufgrund der vorliegenden Machtverhältnisse auch keine Rekrutierungen durchführen.
1.2.2.1. Die bP hat den regulären Wehrdienst für das syrische Regime bereits in den Jahren 2010 bis 2012 vollständig abgeleistet. Die bP wird auf der Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums als Reservist gesucht. Die bP wurde niemals wegen der Verweigerung des Reservedienstes verurteilt. Die bP hat einen Strafregisterauszug vorgelegt, der als Totalfälschung qualifiziert wurde. Das syrische Regime unterstellt der bP wegen der mit der Flucht verbundenen Entziehung vom Reservedienst oder einer künftigen Verweigerung der Ableistung eines Reservedienstes keine oppositionelle Gesinnung. Für den Fall einer Rückkehr droht der bP mangels Zugriffsmöglichkeit weder die Einziehung zum Reservedienst, noch hat sie Repressalien wegen einer etwaigen Entziehung vom Reservedienst zu erwarten. Die bP hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. Insbesondere droht der bP keine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Herkunft. Im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion XXXX , im Gouvernement al-Hassakah, ist die bP nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. 1.2.2.1. Die bP hat den regulären Wehrdienst für das syrische Regime bereits in den Jahren 2010 bis 2012 vollständig abgeleistet. Die bP wird auf der Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums als Reservist gesucht. Die bP wurde niemals wegen der Verweigerung des Reservedienstes verurteilt. Die bP hat einen Strafregisterauszug vorgelegt, der als Totalfälschung qualifiziert wurde. Das syrische Regime unterstellt der bP wegen der mit der Flucht verbundenen Entziehung vom Reservedienst oder einer künftigen Verweigerung der Ableistung eines Reservedienstes keine oppositionelle Gesinnung. Für den Fall einer Rückkehr droht der bP mangels Zugriffsmöglichkeit weder die Einziehung zum Reservedienst, noch hat sie Repressalien wegen einer etwaigen Entziehung vom Reservedienst zu erwarten. Die bP hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. Insbesondere droht der bP keine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Herkunft. Im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien in ihre Herkunftsregion römisch 40 , im Gouvernement al-Hassakah, ist die bP nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.2.2. Die Herkunftsregion der bP, XXXX ist beispielsweise über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur sicher erreichbar, ohne Gebiete des syrischen Regimes zu durchqueren sowie ohne mit den syrischen Regimekräften in Berührung zu kommen. Auch die Weiterreise, etwa vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur in die Herkunftsregion der bP, ist ohne jeden Kontakt zum syrischen Regime möglich. 1.2.2.2. Die Herkunftsregion der bP, römisch 40 ist beispielsweise über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur sicher erreichbar, ohne Gebiete des syrischen Regimes zu durchqueren sowie ohne mit den syrischen Regimekräften in Berührung zu kommen. Auch die Weiterreise, etwa vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur in die Herkunftsregion der bP, ist ohne jeden Kontakt zum syrischen Regime möglich.
1.2.3. Die bP war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung oder Verfolgung durch die Kurden oder kurdische Kräfte ausgesetzt und es droht ihr eine solche auch zum Entscheidungszeitpunkt oder zukünftig nicht.
1.2.3.1. In Syrien besteht in Gebieten unter kurdischer Kontrolle eine Selbstverteidigungspflicht für Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Die Jahrgänge 1990 bis 1997 wurden von der Selbstverteidigungspflicht befreit.
1.2.3.2. Im Falle der Rückkehr in ihre Herkunftsregion befindet sich die im Jahr 1991 geborene, 33jährige bP nicht unter den wehrpflichtigen Jahrgängen. Die bP ist daher nicht verpflichtet der Selbstverteidigungspflicht nachzukommen und wurde sie in der Vergangenheit hierzu auch niemals dazu aufgefordert.
1.2.3.3. Der bP droht zudem keine Reflexverfolgung wegen der Angehörigeneigenschaft zu ihrem Bruder XXXX , ihrer Schwester XXXX , sowie ihrem Cousin.1.2.3.3. Der bP droht zudem keine Reflexverfolgung wegen der Angehörigeneigenschaft zu ihrem Bruder römisch 40 , ihrer Schwester römisch 40 , sowie ihrem Cousin.
1.2.4. Die bP war in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung oder Zwangsrekrutierung durch irgendwelche Gruppierungen wie die SNA (vormals FSA) oder andere Gruppierungen ausgesetzt. Der bP droht auch gegenwärtig oder künftig keine Zwangsrekrutierung durch irgendwelche Gruppierungen wie die SNA (vormals FSA) oder andere Gruppierungen.
1.2.5. Auch hatte und hat die bP keine Probleme wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden in der Herkunftsregion XXXX . Die bP hatte und hat zudem keine Probleme wegen der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam in der Herkunftsregion XXXX . Überdies war und ist die bP nicht der Gefahr ausgesetzt in der Herkunftsregion XXXX , aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.1.2.5. Auch hatte und hat die bP keine Probleme wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden in der Herkunftsregion römisch 40 . Die bP hatte und hat zudem keine Probleme wegen der Zugehörigkeit zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam in der Herkunftsregion römisch 40 . Überdies war und ist die bP nicht der Gefahr ausgesetzt in der Herkunftsregion römisch 40 , aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.6. Auch aufgrund ihrer Ausreise aus Syrien und ihrer Asylantragstellung in Österreich droht der bP nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung. Eine Verfolgung aufgrund der Ausreise der bP bzw. einer ihr hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist unwahrscheinlich. Nicht alle Rückkehrenden, die unrechtmäßig ausgereist sind oder die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben oder deren Familienmitglieder ausgereist sind oder Asylanträge gestellt haben, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.7. Die bP ist in Syrien nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen und hat keine Strafrechtsdelikte begangen. Sie war auch kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst auf keine Art und Weise politisch aktiv. Die bP genießt nicht den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen. Die bP hat zum Entscheidungszeitpunkt keinen Aufenthaltstitel und kein Aufenthaltsrecht in einem anderen Staat oder Land. Die bP hat kein Verbrechen gegen den Frieden, kein Kriegsverbrechen und kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Die bP hat kein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb von Österreich begangen und sich keine Handlungen zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Die bP ist in Österreich unbescholten und wurde weder von einem inländischen, noch einem ausländischen Gericht verurteilt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.3.1. Auszug aus den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11:
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Letzte Änderung 2023-07-11 09:24
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesenheit der Türkei bringt ein gewisses Maß an Stabilität, aber ihre Abhängigkeit von undisziplinierten lokalen Vertretern, ihre Unfähigkeit, die Fraktionsbildung unter den Dutzenden bewaffneter Gruppen, die mit der SNA verbunden sind, zu überwinden, und ihre Toleranz gegenüber deren Missbrauch und Ausbeutung der Zivilbevölkerung haben dazu geführt, dass ihre Kontrollzone die am wenigsten sichere und am brutalsten regierte im Norden Syriens ist (Brookings 27.1.2023).
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:12
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete