Entscheidungsdatum
17.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W229 2281256-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung – BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung – BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 19.06.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am 21.06.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, dass der Krieg ihr Land zerstört habe. Es gäbe in Deirezzor (Anm. Deir ez-Zor) noch immer Isis (Anm. Islamischer Staat) und der BF sei zum Eintritt ins Militär aufgefordert worden. Deshalb sei er geflohen. Im Falle der Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben. Die Frage nach konkreten Hinweisen, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, verneinte der BF. 1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 19.06.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am 21.06.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, dass der Krieg ihr Land zerstört habe. Es gäbe in Deirezzor Anmerkung Deir ez-Zor) noch immer Isis Anmerkung Islamischer Staat) und der BF sei zum Eintritt ins Militär aufgefordert worden. Deshalb sei er geflohen. Im Falle der Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben. Die Frage nach konkreten Hinweisen, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, verneinte der BF.
2. Am 17.02.2023 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass sein Vater an einem Bandscheibenvorfall leide, seine Mutter an einem Schilddrüsenleiden. Seine Brüder hätten vereinbart, dass jemand arbeiten und der andere in die Schule gehen solle. Die syrische Armee habe sie schlecht behandelt. Der BF sei auch wegen des Krieges ausgereist. 2016 hätten sie Deir ez-Zor verlassen, weil der IS (Anm. Islamischer Staat) zu ihnen gekommen sei. Sein Vater sei seit 2015 im Bett. Der letzte Aufschub des BF sei bis 2021 gewesen. Die Frage nach weiteren Fluchtgründen verneinte er. Zuvor gab der BF nach Ausführung des Leiters der Einvernahme, dass er im XXXX 18 Jahre alt geworden sei und auf die Frage, warum er dann nicht zum Militär musste, an, dass er den Behörden Geld bezahlt habe und immer arbeiten gewesen sei. Der BF sei manchmal erst in der Nacht nach Hause gefahren. Es gäbe eine Vereinbarung zwischen dem Regime und den Sippen in Deir ez-Zor, dass Personen zum Militär nicht eingezogen werden würden, wenn sie in Deir ez-Zor leben würden. 2. Am 17.02.2023 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass sein Vater an einem Bandscheibenvorfall leide, seine Mutter an einem Schilddrüsenleiden. Seine Brüder hätten vereinbart, dass jemand arbeiten und der andere in die Schule gehen solle. Die syrische Armee habe sie schlecht behandelt. Der BF sei auch wegen des Krieges ausgereist. 2016 hätten sie Deir ez-Zor verlassen, weil der IS Anmerkung Islamischer Staat) zu ihnen gekommen sei. Sein Vater sei seit 2015 im Bett. Der letzte Aufschub des BF sei bis 2021 gewesen. Die Frage nach weiteren Fluchtgründen verneinte er. Zuvor gab der BF nach Ausführung des Leiters der Einvernahme, dass er im römisch 40 18 Jahre alt geworden sei und auf die Frage, warum er dann nicht zum Militär musste, an, dass er den Behörden Geld bezahlt habe und immer arbeiten gewesen sei. Der BF sei manchmal erst in der Nacht nach Hause gefahren. Es gäbe eine Vereinbarung zwischen dem Regime und den Sippen in Deir ez-Zor, dass Personen zum Militär nicht eingezogen werden würden, wenn sie in Deir ez-Zor leben würden.
3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der BF unterliege in seiner Heimat keiner Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung zum Militärdienst durch das syrische Regime. Die Gefahr einer Rekrutierung durch kurdische Kräfte sei möglich. Der BF habe zu relevanten Punkten in den Befragungen widersprüchliche Angaben gemacht. Er habe in seinem Verhalten persönlich unglaubwürdig und wenig interessiert am Verfahrensablauf gewirkt. Die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens habe aus diesem Grund stark in Zweifel gezogen werden müssen. Abgeleitet vom Ausstellungsort der Originaldokumente sei Al- XXXX als seine Heimatregion anzusehen. Mangels Zugriffsmöglichkeiten drohe keine Rekrutierung durch das syrische Regime. Bei Annahme einer möglichen Rekrutierung durch die von den Kurden angeführten Kräfte sei anzuführen, dass den Länderinformationen entnommen werden könne, dass Einsätze der Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz erfolgen würden. Es könne eine Pflicht zur Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kampfhandlungen daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der BF unterliege in seiner Heimat keiner Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung zum Militärdienst durch das syrische Regime. Die Gefahr einer Rekrutierung durch kurdische Kräfte sei möglich. Der BF habe zu relevanten Punkten in den Befragungen widersprüchliche Angaben gemacht. Er habe in seinem Verhalten persönlich unglaubwürdig und wenig interessiert am Verfahrensablauf gewirkt. Die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens habe aus diesem Grund stark in Zweifel gezogen werden müssen. Abgeleitet vom Ausstellungsort der Originaldokumente sei Al- römisch 40 als seine Heimatregion anzusehen. Mangels Zugriffsmöglichkeiten drohe keine Rekrutierung durch das syrische Regime. Bei Annahme einer möglichen Rekrutierung durch die von den Kurden angeführten Kräfte sei anzuführen, dass den Länderinformationen entnommen werden könne, dass Einsätze der Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz erfolgen würden. Es könne eine Pflicht zur Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kampfhandlungen daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht mit Schreiben vom 09.10.2023 Beschwerde und brachte insbesondere vor, dass er in Deir ez-Zor geboren worden und mit dem Eintreffen des IS nach Damaskus geflüchtet sei, wo er bis 2020 verblieben sei. Anschließend sei er nach Deir ez-Zor zurückgekehrt und habe im Stadtviertel XXXX gelebt, welches unter Kontrolle des syrischen Regimes stehe. Der BF verweigere aus politischen und Gewissensgründen den Wehrdienst in der syrischen Armee und den „Selbstverteidigungsdienst“ bei den Kurden. Er stehe dem syrischen Regime politisch zutiefst ablehnend gegenüber und würde niemals für dieses Regime und für die Kurden kämpfen. Ein Freikaufen komme für den BF nicht in Frage, zumal er ein verbrecherisches Regime nicht unterstützen würde. Die belangte Behörde gehe unrichtigerweise davon aus, dass die Herkunftsregion XXXX sei, wo die Kurden die Kontrolle hätten, weshalb dort keine Zwangsrekrutierung drohe. Selbst, wenn man XXXX als Herkunftsregion annähme, gelte, dass es für den BF unmöglich sei bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion die Kontrollen des syrischen Regimes zu umgehen. Der BF fürchte, dass ihm aufgrund der illegalen Ausreise aus Syrien, der Flucht nach Europa und des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Bundesgebiet von der syrischen Regierung eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Die belangte Behörde habe unrichtige Feststellungen getroffen zur Kontrolle über die Herkunftsregion. Der BF habe ausdrücklich angegeben in Deir ez-Zor geboren zu sein und in XXXX gelebt zu haben. Die Behörde leite den vermeintlichen Herkunftsort XXXX vom Ausstellungsort der Originalunterlagen ab. Die Urgroßeltern würden aus dieser Region stammen, der BF sei de facto immer in XXXX beheimatet gewesen (sofern man die Zeit in Damaskus aufgrund der Flucht vom IS unberücksichtigt lasse). Der BF müsse eine Zwangsrekrutierung zum Selbstverteidigungsdienst der Kurden (SDF) fürchten. Bei einer Verweigerung drohe Verfolgung aus politischen Gründen, weil die Kurden eine politische Opposition unterstellen würden und der BF durch Haft, Folter oder Hinrichtung bestraft werden würde. 4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht mit Schreiben vom 09.10.2023 Beschwerde und brachte insbesondere vor, dass er in Deir ez-Zor geboren worden und mit dem Eintreffen des IS nach Damaskus geflüchtet sei, wo er bis 2020 verblieben sei. Anschließend sei er nach Deir ez-Zor zurückgekehrt und habe im Stadtviertel römisch 40 gelebt, welches unter Kontrolle des syrischen Regimes stehe. Der BF verweigere aus politischen und Gewissensgründen den Wehrdienst in der syrischen Armee und den „Selbstverteidigungsdienst“ bei den Kurden. Er stehe dem syrischen Regime politisch zutiefst ablehnend gegenüber und würde niemals für dieses Regime und für die Kurden kämpfen. Ein Freikaufen komme für den BF nicht in Frage, zumal er ein verbrecherisches Regime nicht unterstützen würde. Die belangte Behörde gehe unrichtigerweise davon aus, dass die Herkunftsregion römisch 40 sei, wo die Kurden die Kontrolle hätten, weshalb dort keine Zwangsrekrutierung drohe. Selbst, wenn man römisch 40 als Herkunftsregion annähme, gelte, dass es für den BF unmöglich sei bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion die Kontrollen des syrischen Regimes zu umgehen. Der BF fürchte, dass ihm aufgrund der illegalen Ausreise aus Syrien, der Flucht nach Europa und des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Bundesgebiet von der syrischen Regierung eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde. Die belangte Behörde habe unrichtige Feststellungen getroffen zur Kontrolle über die Herkunftsregion. Der BF habe ausdrücklich angegeben in Deir ez-Zor geboren zu sein und in römisch 40 gelebt zu haben. Die Behörde leite den vermeintlichen Herkunftsort römisch 40 vom Ausstellungsort der Originalunterlagen ab. Die Urgroßeltern würden aus dieser Region stammen, der BF sei de facto immer in römisch 40 beheimatet gewesen (sofern man die Zeit in Damaskus aufgrund der Flucht vom IS unberücksichtigt lasse). Der BF müsse eine Zwangsrekrutierung zum Selbstverteidigungsdienst der Kurden (SDF) fürchten. Bei einer Verweigerung drohe Verfolgung aus politischen Gründen, weil die Kurden eine politische Opposition unterstellen würden und der BF durch Haft, Folter oder Hinrichtung bestraft werden würde.
5. Die Beschwerde wurde mit dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 15.11.2023 einlangend vorgelegt.
6. Am 21.02.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen und der ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch beigezogen wurde. Eine Vertretung des BFA hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.
7. Mit Parteiengehör vom 26.03.2024 teilte das Bundesverwaltungsgericht mit, dass die „Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 10 vom 14.03.2023“ als aktualisierte Länderinformation in das Verfahren eingebracht wird und räumte die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen Frist von einer Woche ab Zustellung des Schreibens ein. Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF, Staatsangehöriger von Syrien, führt den Namen XXXX und stellte am 19.06.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am XXXX im Stadtteil XXXX in Deir ez-Zor im gleichnamigen Gouvernement geboren, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Seine Identität steht fest. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.Der BF, Staatsangehöriger von Syrien, führt den Namen römisch 40 und stellte am 19.06.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am römisch 40 im Stadtteil römisch 40 in Deir ez-Zor im gleichnamigen Gouvernement geboren, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Seine Identität steht fest. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Die Eltern des BF, seine drei Brüder und zwei Schwestern leben in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Beide Elternteile sind aufgrund einer Erkrankung aktuell nicht berufstätig. Ein Bruder des BF leidet an einer psychischen Erkrankung. Die in Damaskus aufhältige Familie bewohnt eine Mietwohnung. Das in ihrem Eigentum stehende Haus in Deir ez-Zor wurde zerstört. Die Familie des BF verfügt über kein nennenswertes Vermögen.
Der BF besuchte acht Jahre lang die Schule in Deir ez-Zor. Er war in Syrien sowohl im Einzelhandel und der Gastronomie sowie mehrere Monate als Friseur berufstätig. In der Türkei arbeitete er in einer Konditorei und in einer Holzfabrik.
Der BF lebte bis 2015/2016 in XXXX , Deir ez-Zor und war anschließend mit seiner Familie in der syrischen Hauptstadt Damaskus aufhältig. Im Jahr 2021 kehrte er letztmalig nach Deir ez-Zor zurück, bevor er 2022 illegal in die Türkei ausreiste. Nach etwa einmonatigem Aufenthalt in der Türkei, gelangte der BF schließlich über Griechenland, Albanien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Der BF lebte bis 2015/2016 in römisch 40 , Deir ez-Zor und war anschließend mit seiner Familie in der syrischen Hauptstadt Damaskus aufhältig. Im Jahr 2021 kehrte er letztmalig nach Deir ez-Zor zurück, bevor er 2022 illegal in die Türkei ausreiste. Nach etwa einmonatigem Aufenthalt in der Türkei, gelangte der BF schließlich über Griechenland, Albanien, Serbien und Ungarn nach Österreich.
Der Stadtteil XXXX , Stadt Deir ez-Zor, Gouvernement Deir ez-Zor befindet sich derzeit unter der Kontrolle des syrischen Regimes.Der Stadtteil römisch 40 , Stadt Deir ez-Zor, Gouvernement Deir ez-Zor befindet sich derzeit unter der Kontrolle des syrischen Regimes.
Der Ort XXXX , Gouvernement Deir ez-Zor befindet sich derzeit unter Kontrolle der Kurden. Der Ort römisch 40 , Gouvernement Deir ez-Zor befindet sich derzeit unter Kontrolle der Kurden.
Der BF ist gesund und strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen:
1.2.1. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten.1.2.1. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten.
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z. B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Reservisten können laut Gesetz bis zum Alter von 42 Jahren mehrfach zum Militärdienst eingezogen werden. Die syrischen Behörden ziehen weiterhin Reservisten ein. Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können.
Der BF befindet sich mit einem aktuellen Lebensalter von XXXX Jahren innerhalb der gesetzlich verankerten Grenzen für die Wehr- und Reservedienstpflicht in den syrischen Streitkräften. Es konnte nicht festgestellt werden, ob er seinen Wehrdienst bereits angetreten und abgeleistet hat. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, ob die syrischen Behörden in diesem Zusammenhang an den BF zwecks Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes herangetreten sind und er einen (schriftlichen) Einberufungsbefehl erhalten hat. Der BF befindet sich mit einem aktuellen Lebensalter von römisch 40 Jahren innerhalb der gesetzlich verankerten Grenzen für die Wehr- und Reservedienstpflicht in den syrischen Streitkräften. Es konnte nicht festgestellt werden, ob er seinen Wehrdienst bereits angetreten und abgeleistet hat. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, ob die syrischen Behörden in diesem Zusammenhang an den BF zwecks Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes herangetreten sind und er einen (schriftlichen) Einberufungsbefehl erhalten hat.
Das syrische Regime unterstellt nicht jedem Wehr- oder Reservedienstverweigerer bzw. -entzieher alleine aufgrund der Entziehung von der Ableistung des Wehr- oder Reservedienstes und ohne Hinzutreten weiterer individueller Umstände eine oppositionelle politische Gesinnung. Der Beschwerdeführer weist keine glaubhafte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich, auf.
1.2.2. Dem BF drohen auch aufgrund einer behaupteten Teilnahme an Demonstrationen im noch minderjährigen Alter keine Repressalien (etwa in Form von Inhaftierung und/oder Folter) durch das syrische Regime. Der BF hat sich bisher weder politisch betätigt noch an sonstigen Aktivitäten teilgenommen, die eine (zumindest unterstellte) politisch oppositionelle Gesinnung seinerseits begründen würden.
1.2.3. Die Selbstverteidigungspflicht in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ gilt nur in jenen Gebieten, die der AANES zugehören. Der Stadtteil XXXX liegt wie auch die gesamte Hauptstadt des Gouvernements Deir ez-Zor westlich des Euphrat und stellt keinen Teil der AANES dar. Die Stadt befindet sich auch nicht unter Kontrolle kurdischer Kräfte. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Syrien keine Einziehung im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“.1.2.3. Die Selbstverteidigungspflicht in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ gilt nur in jenen Gebieten, die der AANES zugehören. Der Stadtteil römisch 40 liegt wie auch die gesamte Hauptstadt des Gouvernements Deir ez-Zor westlich des Euphrat und stellt keinen Teil der AANES dar. Die Stadt befindet sich auch nicht unter Kontrolle kurdischer Kräfte. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Syrien keine Einziehung im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“.
1.2.4. Der IS kann in Syrien keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Seitens der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) besteht für den BF ebenso wenig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgungsgefahr.
1.2.5. Aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien oder der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz in Österreich droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die syrische Regierung.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.3.1. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) war es nach Kämpfen mit der Nusra-Front und gegnerischen arabischen Stämmen im Juli 2014 gelungen, die Provinz Deir ez-Zor fast vollständig einzunehmen. 2017 führte die syrische Armee mit Unterstützung Russlands und Irans größere Militäroperationen durch, die zur Rückeroberung der Stadt Deir ez-Zor führten. Bis Ende 2017 verlor der IS den größten Teil seines Territoriums auf der Westseite des Euphrat. Auf der östlichen Seite des Flusses waren die Syrian Democratic Forces (SDF) bis Anfang 2019 in heftige Kämpfe mit dem IS verwickelt. Der IS kontrollierte damals noch ein kleines Stück Land nahe der syrisch-irakischen Grenze. Im März 2019 wurde das letzte vom IS gehaltene Gebiet, das Dorf Baghouz, von den SDF eingenommen. Das Gouvernement Deir ez-Zor ist grob in zwei Kontrollbereiche unterteilt. Der westliche Teil des Gouvernements - d.h. vor allem die Gebiete westlich des Euphrat - wird von der syrischen Regierung und ihren iranischen und russischen Verbündeten kontrolliert. Dieses Gebiet umfasst die wichtigsten Städte (Deir Ez-Zor, Mayadin und Al-Bukamal) und die logistische Route, die die von der Regierung kontrollierten Gebiete mit der syrisch-irakischen Grenze verbindet. Der östliche Teil des Gouvernements - die meisten Gebiete östlich des Euphrat - wird von den kurdisch dominierten SDF und ihren Verbündeten in der US-geführten Koalition kontrolliert. Die Bemühungen der Regierung Syriens in den 2017 vom IS zurückeroberten Gebieten die Kontrolle zu übernehmen, sind begrenzt, was der lokalen regierungsfreundlichen Miliz, den Nationalen Verteidigungskräften, freie Hand ließ und zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen führte, darunter Plünderungen und die gewaltsame Aneignung von zivilem Eigentum. Das vom Regime kontrollierte Deir ez-Zor wird von einem komplizierten Geflecht lokaler und anderer Sicherheitskräfte überwacht, von denen viele auch wichtige soziale und wirtschaftliche Funktionen in ihren Städten erfüllen. Stammesmilizen, die mit den NDF verbündet sind, Geheimdienstoffiziere und ihre Milizen, Freiwillige und Wehrpflichtige der Republikanischen Garde sowie der syrischen Armee (Syrische Arabische Armee - SAA) sowie eine Vielzahl ausländischer und syrischer Milizen, die unter anderem mit Iran verbündet sind, bemannen Außenposten und verwalten Städte im gesamten Gouvernement. Im August 2023 brachen gewaltsame Konflikte zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor aus. Auslöser war die Verhaftung eines arabischen Stammesführers durch die SDF und sind Ausdruck von jahrelangem Unmut gegenüber dem System der SDF.
1.3.2. Betreffend die Lage in Syrien werden folgende Länderinformationen zugrunde gelegt:
1.3.2.1. EUAA Leitfaden Syrien, November 2011
1.3.2.2. EUAA Country Guidance Syria, Syria, February 2023
1.3.2.3. EUAA Syria: Targeting of Individuals, Country of origin information report, September 2022
1.3.2.4. UNCHR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Version, März 2021
1.3.2.5. Themenbericht der Staatendokumentation Syrien-Grenzübergänge, Version 1, 25.10.2023
1.3.2.6. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11 (=LIB):
Sicherheitslage
Letzte Änderung 08.03.2024
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).
Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 2.2.2024). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien (AA 2.2.2024). IS-Kämpfer sind in der Wüste von Deir ez-Zor, Palmyra und Al-Sukhna stationiert und konzentrieren ihre Angriffe auf Deir ez-Zor, das Umland von Homs, Hasakah, Aleppo, Hama und Raqqa (NPA 15.5.2023). In der ersten Jahreshälfte 2023 wurde von 552 Todesopfer durch Angriffe des IS berichtet (NPA 8.7.2023).
Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent bei Anti-Terror-Operationen auftritt als die SDF (Zenith 11.2.2022). Nach Angaben der International Crisis Group verübten IS-Zellen Ende 2021 durchschnittlich zehn bis 15 Angriffe auf die Regierungsstreitkräfte pro Monat, die meisten davon im Osten von Homs und im ländlichen westlichen Deir Ez-Zour. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2022 fort (EUAA 9.2022). Mitte 2020 gehörten zu den Zielpersonen des IS vor allem lokale Behörden und Personen, die mit den Behörden, Kräften und Gruppen, die gegen den IS kämpfen, zusammenarbeiten oder als mit ihnen kooperierend wahrgenommen werden (DIS 29.6.2020). Der IS profitierte auch von einem Sicherheitsvakuum, das dadurch entstand, dass die verschiedenen militärischen Kräfte ihre Aktivitäten aufgrund der COVID-19-Pandemie reduzierten (USDOS 30.3.2021).
Zivile Todesopfer landesweit
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London (SOHR), verzeichnete für das Jahr 2023 mit 4.361 getöteten Personen die höchste Todesopferzahl in drei Jahren. Darunter zählten sie 1.889 ZivilistInnen, darunter 307 Kinder und 241 Frauen (SOHR 31.12.2023).
Der Großteil der von ACLED gesammelten Daten basiert auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen. Die Daten können daher das Ausmaß an Vorfällen unterschätzen. Insbesondere Daten zur Anzahl an Todesopfern sind den Gefahren der Verzerrung und der ungenauen Berichterstattung ausgesetzt. ACLED gibt an,