Entscheidungsdatum
19.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W135 2281873-1-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 14.09.2022 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am 14.09.2022 fand seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien im April 2021 illegal in die Türkei verlassen. Sein Heimatland habe er verlassen, weil er in Syrien den Wehrdienst leisten müsste. Er wolle dies jedoch nicht, er wolle nicht kämpfen, töten oder getötet werden. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien fürchte er das syrische Regime und den Militärdienst. Seine Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern sowie die Ehefrau des Beschwerdeführers und ihre drei gemeinsamen Kinder würden noch in Syrien leben.
Am 12.07.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem zu sein. Seine Muttersprache sei Arabisch. Der Beschwerdeführer sei in dem Dorf XXXX nahe der Stadt Manbij im Gouvernement Aleppo geboren, wo er seit seiner Geburt und bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2015 lebte. Er sei verheiratet und habe drei Kinder, seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder seien von 2015 bis März 2022 in der Türkei aufhältig gewesen und seien im März 2022 wieder in den Herkunftsort der Familie, XXXX , zurückgekehrt. Die Mutter des Beschwerdeführers sei verstorben, der Vater und zwei Schwestern des Beschwerdeführers würden noch in Syrien im Herkunftsort leben. Der Beschwerdeführer habe acht Jahre die Schule besucht, verfüge über keine Berufsausbildung und habe in Syrien als Schafhirte und später als Selbstständiger gearbeitet. 2015 habe er Syrien in die Türkei verlassen. In der Türkei habe er von 2015 bis 2022 in Istanbul gelebt, habe über eine Aufenthaltsberechtigung (Kimlik) verfügt und als Autowäscher gearbeitet. In Syrien sei er seit 2015 nicht mehr gewesen. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Er werde seit 2012 vom Militär gesucht, weil er den Wehrdienst bisher nicht geleistet habe. Er wolle diesen auch nicht leisten, da er nicht töten oder getötet werden wolle. Das Regime würde ihn als Verräter ansehen und in seinen Herkunftsort könne er auch nicht zurück, da er es abgelehnt habe und auch jetzt ablehne, für die Kurden zu kämpfen. Der Beschwerdeführer sei nach Österreich gekommen, weil in der Türkei nicht habe bleiben können. Weitere Gründe dafür, dass er Syrien verlassen habe, gebe es nicht. Am 12.07.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem zu sein. Seine Muttersprache sei Arabisch. Der Beschwerdeführer sei in dem Dorf römisch 40 nahe der Stadt Manbij im Gouvernement Aleppo geboren, wo er seit seiner Geburt und bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2015 lebte. Er sei verheiratet und habe drei Kinder, seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder seien von 2015 bis März 2022 in der Türkei aufhältig gewesen und seien im März 2022 wieder in den Herkunftsort der Familie, römisch 40 , zurückgekehrt. Die Mutter des Beschwerdeführers sei verstorben, der Vater und zwei Schwestern des Beschwerdeführers würden noch in Syrien im Herkunftsort leben. Der Beschwerdeführer habe acht Jahre die Schule besucht, verfüge über keine Berufsausbildung und habe in Syrien als Schafhirte und später als Selbstständiger gearbeitet. 2015 habe er Syrien in die Türkei verlassen. In der Türkei habe er von 2015 bis 2022 in Istanbul gelebt, habe über eine Aufenthaltsberechtigung (Kimlik) verfügt und als Autowäscher gearbeitet. In Syrien sei er seit 2015 nicht mehr gewesen. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Er werde seit 2012 vom Militär gesucht, weil er den Wehrdienst bisher nicht geleistet habe. Er wolle diesen auch nicht leisten, da er nicht töten oder getötet werden wolle. Das Regime würde ihn als Verräter ansehen und in seinen Herkunftsort könne er auch nicht zurück, da er es abgelehnt habe und auch jetzt ablehne, für die Kurden zu kämpfen. Der Beschwerdeführer sei nach Österreich gekommen, weil in der Türkei nicht habe bleiben können. Weitere Gründe dafür, dass er Syrien verlassen habe, gebe es nicht.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA einen Melderegisterauszug, eine Geburtsurkunde, eine Heiratsurkunde sowie seine türkische Aufenthaltsberechtigung (Kimlik) vor. Weiters legte der Beschwerdeführer sein syrisches Wehrbuch, einen Beizettel zum Wehrbuchs sowie einen undatierten Einberufungsbefehl vor.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Provinz Aleppo nicht unter Kontrolle der syrischen Regierung stehe. Es bestehe für den Beschwerdeführer daher keine maßgebliche Gefahr, in seiner Herkunftsregion durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert oder verfolgt zu werden. XXXX stehe unter Kontrolle der Kurden und drohe dem Beschwerdeführer keine Verfolgung durch diese. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr im Altersbereich der kurdischen Selbstverteidigungspflicht und drohe ihm keine Rekrutierung durch kurdische Gruppen. Auch aus den sonstigen Umständen habe eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden können. Es bestünden jedoch Gründe für die Annahme, dass im Falle der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung derzeit eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe.Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Provinz Aleppo nicht unter Kontrolle der syrischen Regierung stehe. Es bestehe für den Beschwerdeführer daher keine maßgebliche Gefahr, in seiner Herkunftsregion durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert oder verfolgt zu werden. römisch 40 stehe unter Kontrolle der Kurden und drohe dem Beschwerdeführer keine Verfolgung durch diese. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr im Altersbereich der kurdischen Selbstverteidigungspflicht und drohe ihm keine Rekrutierung durch kurdische Gruppen. Auch aus den sonstigen Umständen habe eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden können. Es bestünden jedoch Gründe für die Annahme, dass im Falle der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung derzeit eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe.
Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides mit Eingabe vom 21.11.2023 fristgerecht Beschwerde. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in XXXX , einem Dorf nahe der Stadt Manbij im Gouvernement Aleppo geboren worden und aufgewachsen sei, welches unter Kontrolle der Kurden stehe. Das syrische Regime sei jedoch nicht weit entfernt und laufe der Beschwerdeführer daher jederzeit Gefahr, mit dem Regime in Kontakt zu kommen und verhaftet zu werden. Der Beschwerdeführer habe den syrischen Militärdienst nicht geleistet. Bei einer Einziehung zum Militär müsse er sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, beteiligen. Im Falle der Verweigerung des Militärdienstes drohten dem Beschwerdeführer unverhältnismäßig hohe Strafen seitens der syrischen Regierung. Zudem würde dem Beschwerdeführer aufgrund der Asylantragstellung im Ausland und der illegalen Ausreise seitens der syrischen Regierung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden. Ergänzend wurde vorgebracht, dass im Haus der Frau des Beschwerdeführers nach ihm gesucht worden sei. Dem Beschwerdeführer drohe auch Verfolgung aufgrund der Ausreise zweier Brüder und der Desertion eines weiteren Bruders.Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides mit Eingabe vom 21.11.2023 fristgerecht Beschwerde. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in römisch 40 , einem Dorf nahe der Stadt Manbij im Gouvernement Aleppo geboren worden und aufgewachsen sei, welches unter Kontrolle der Kurden stehe. Das syrische Regime sei jedoch nicht weit entfernt und laufe der Beschwerdeführer daher jederzeit Gefahr, mit dem Regime in Kontakt zu kommen und verhaftet zu werden. Der Beschwerdeführer habe den syrischen Militärdienst nicht geleistet. Bei einer Einziehung zum Militär müsse er sich an schweren Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder anderen Handlungen, die der Satzung der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, beteiligen. Im Falle der Verweigerung des Militärdienstes drohten dem Beschwerdeführer unverhältnismäßig hohe Strafen seitens der syrischen Regierung. Zudem würde dem Beschwerdeführer aufgrund der Asylantragstellung im Ausland und der illegalen Ausreise seitens der syrischen Regierung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden. Ergänzend wurde vorgebracht, dass im Haus der Frau des Beschwerdeführers nach ihm gesucht worden sei. Dem Beschwerdeführer drohe auch Verfolgung aufgrund der Ausreise zweier Brüder und der Desertion eines weiteren Bruders.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt am 22.11.2023 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.05.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Rechtsvertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch zu seinen Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Syrien Stellung zu nehmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität des Beschwerdeführers steht fest, er führt die im Spruch angeführten Personalien, ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer wurde in dem südlich von Manbij gelegenen Dorf XXXX im Gouvernement Aleppo geboren und wuchs dort auch auf. 2015 verließ der Beschwerdeführer Syrien in Richtung Türkei, wo er sich in Folge legal mit einer Aufenthaltsberechtigung (Kimlik) aufhielt. Nach einem etwa siebenjährigen Aufenthalt in der Türkei – von 2015 bis April 2022 – gelangte der Beschwerdeführer nach Österreich, wo unter Umgehung der Grenzkontrollen einreiste und am 14.09.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.Der Beschwerdeführer wurde in dem südlich von Manbij gelegenen Dorf römisch 40 im Gouvernement Aleppo geboren und wuchs dort auch auf. 2015 verließ der Beschwerdeführer Syrien in Richtung Türkei, wo er sich in Folge legal mit einer Aufenthaltsberechtigung (Kimlik) aufhielt. Nach einem etwa siebenjährigen Aufenthalt in der Türkei – von 2015 bis April 2022 – gelangte der Beschwerdeführer nach Österreich, wo unter Umgehung der Grenzkontrollen einreiste und am 14.09.2023 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist das etwa 20 km südlich von der Stadt Manbij entfernt gelegene Dorf XXXX im Gouvernement Aleppo im Norden Syriens. Das Dorf steht unter Kontrolle der syrischen demokratischen Kräfte (SDF, Syrian Democratic Forces).Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist das etwa 20 km südlich von der Stadt Manbij entfernt gelegene Dorf römisch 40 im Gouvernement Aleppo im Norden Syriens. Das Dorf steht unter Kontrolle der syrischen demokratischen Kräfte (SDF, Syrian Democratic Forces).
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Kinder und die Ehefrau des Beschwerdeführers leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben, der Vater sowie zwei Schwestern und ein Bruder leben weiterhin in XXXX (Gouvernement Aleppo, Syrien), eine Schwester lebt in Wien, eine weitere Schwester ist am Weg nach Wien. Zwei Brüder leben im Libanon, ein weiterer Bruder lebt in Jordanien.Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Kinder und die Ehefrau des Beschwerdeführers leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben, der Vater sowie zwei Schwestern und ein Bruder leben weiterhin in römisch 40 (Gouvernement Aleppo, Syrien), eine Schwester lebt in Wien, eine weitere Schwester ist am Weg nach Wien. Zwei Brüder leben im Libanon, ein weiterer Bruder lebt in Jordanien.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer befindet sich mit seinem aktuellen Lebensalter von 30 Jahren innerhalb der gesetzlichen Altersgrenzen für den Militärdienst der syrischen Armee und hat den Wehrdienst bisher nicht abgeleistet. Der Beschwerdeführer hat sich einer Überprüfung seiner Tauglichkeit unterzogen und verfügt über ein Militärbuch.
Die syrischen Behörden unterstellen nicht sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung und haben sich auch im Fall des Beschwerdeführers keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine eigene politische Überzeugung gegen die syrische Zentralregierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien auch nicht konkret und individuell die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt aufgrund einer (behaupteten) Teilnahme an Demonstrationen gegen die syrische Regierung.
Seitens der kurdischen SDF droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung. Die Selbstverteidigungspflicht der Syrian Democratic Forces (SDF) erstreckt sich auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 und überschreitet der Beschwerdeführer diese Altersgrenze aufgrund seines Alters von 30 Jahren deutlich.
Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in Österreich, wegen seiner Asylantragstellung und/oder wegen seiner allgemeinen Wertehaltung in Syrien keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Er ist auch nicht aus sonstigen Gründen bedroht, von der syrischen Regierung oder einer sonstigen Konfliktpartei als oppositioneller Gegner angesehen zu werden.
Zur Situation im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024 (LIB)
- UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021
- EUAA Country Guidance: Syria April 2024
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024:
3. Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
(…)
3.1 Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).
(…)
3.2 Syrische Interimsregierung und syrische Heilsregierung
Letzte Änderung 2023-07-11 09:24
Im März 2013 gab die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als höchste offizielle Oppositionsbehörde die Bildung der syrischen Interimsregierung (Syrian Interim Government, SIG) bekannt, welche die Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes im ganzen Land verwalten soll. Im Laufe der Zeit schrumpften die der Opposition angehörenden Gebiete jedoch, insbesondere nach den Vereinbarungen von 2018, die dazu führten, dass Damaskus die Kontrolle über den Süden Syriens und die Oppositionsgebiete im Süden von Damaskus und im Umland übernahm. Der Einfluss der SIG ist nun auf die von der Türkei unterstützten Gebiete im Norden Aleppos beschränkt (SD 18.3.2023). Formell erstreckt sich ihr Zuständigkeitsbereich auch auf die von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) kontrollierte Zone. Dort wurde sie von der HTS jedoch an den Rand gedrängt (Brookings 27.1.2023). Die von der HTS kontrollierten Gebiete in Idlib und Teile der Provinzen Aleppo und Latakia werden inzwischen von der syrischen Heilsregierung (Syrian Salvation Government, SSG), dem zivilen Flügel der HTS, regiert (SD 18.3.2023).
Nicht-staatliche Akteure in Nordsyrien haben systematisch daran gearbeitet, sich selbst mit Attributen der Staatlichkeit auszustatten. Sie haben sich von aufständischen bewaffneten Gruppen in Regierungsbehörden verwandelt. In Gebieten, die von der HTS, einer sunnitischen islamistischen politischen und militärischen Organisation, kontrolliert werden, und in Gebieten, die nominell unter der Kontrolle der SIG stehen, haben bewaffnete Gruppen und die ihnen angeschlossenen politischen Flügel den institutionellen Rahmen eines vollwertigen Staates mit ausgefeilten Regierungsstrukturen wie Präsidenten, Kabinetten, Ministerien, Regulierungsbehörden, Exekutivorganen usw. übernommen (Brookings 27.1.2023).
Die nordwestliche Ecke der Provinz Idlib, an der Grenze zur Türkei, ist die letzte Enklave der traditionellen Opposition gegen Assads Herrschaft. Sie beherbergt Dutzende von hauptsächlich islamischen bewaffneten Gruppen, von denen die HTS die dominanteste ist (MEI 26.4.2022). Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).
In den von der Türkei besetzten und kontrollierten Gebieten in Nordwest- und Nordzentral-Syrien ist die SIG die nominelle Regierungsbehörde. Innerhalb der von der Türkei kontrollierten Zone ist eine von der Türkei unterstützte Koalition bewaffneter Gruppen, die Syrische Nationale Armee (SNA) - nicht zu verwechseln mit Assads Syrischen Streitkräften -, mächtiger als die SIG, die sie routinemäßig ignoriert oder außer Kraft setzt (Brookings 27.1.2023). Beide wiederum operieren de facto unter der Autorität der Türkei (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 18.3.2023). Die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte bildeten nach ihrer Machtübernahme 2016 bzw. 2018 in diesem Gebiet Lokalräte, die administrativ mit den angrenzenden Provinzen der Türkei verbunden sind. Laut einem Forscher des Omran Center for Strategic Studies können die Lokalräte keine strategischen Entscheidungen treffen, ohne nicht die entsprechenden türkischen Gouverneure einzubinden. Gemäß anderen Quellen variiert der Abhängigkeitsgrad der Lokalräte von den türkischen Behörden von einem Rat zum nächsten (SD 18.3.2023). Die Anwesen