Entscheidungsdatum
19.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W135 2282183-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC über die Beschwerde von römisch 40 , geb römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die römisch 40 , gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch 40 , Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 28.08.2021 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am 29.08.2021 fand seine Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien im Oktober 2015 illegal in die Türkei verlassen, weil er in Syrien bei der Polizei gewesen sei und im Juni 2012 wegen des Krieges desertiert sei. In seiner Heimat herrsche Krieg und es gebe keine Sicherheit, daher habe er sich entschlossen, Syrien zu verlassen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen führte er aus, er habe Angst vor der syrischen Regierung und vor dem Krieg. Die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe oder sonstige Sanktionen drohen würden, verneinte der Beschwerdeführer.
Am 20.12.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei in XXXX geboren und habe auch vor seiner Ausreise zuletzt dort gelebt. Im Zeitraum von 2011 bis 2012 habe er in XXXX gelebt. Sein Vater sei im April 2012 verstorben, seine Mutter, drei Schwestern und ein Bruder seien in der Türkei aufhältig, vier weitere Brüder seien in Finnland bzw. Wien aufhältig. Er sei verheiratet und habe vier Kinder, welche ebenfalls in der Türkei leben würden. Er habe in Syrien neun Jahr die Schule besucht, anschließend habe er gemeinsam mit seinem Vater in der Baubranche gearbeitet. Im Jahr 2009 habe er sich für die Polizei gemeldet, die Ausbildung habe ein Jahr gedauert. In dieser Zeit hätten sie körperliche Übungen gemacht und gelernt, wie man Waffen – konkret eine Kalaschnikow – trage und benütze. Dann habe er in XXXX bei der Polizei gearbeitet. Er sei als Unterstützung bei der Grenze oder beim Verkehr eingesetzt gewesen. 2011 bzw. 2012 habe der Krieg begonnen, weshalb er die Polizei im Juni 2012 verlassen habe. Im Oktober 2015 habe er Syrien in die Türkei verlassen, wo er sich anschließend sechs Jahre lang aufgehalten habe. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er sei zuerst wegen des Krieges ausgereist. Als Polizist habe er seine Waffe gegen die Demonstranten benützen müssen, er habe die Leute töten müssen, sonst wäre er selbst getötet worden. Er habe nicht auf die Demonstranten schießen wollen, deswegen habe er Urlaub genommen und sei nach XXXX zurückgereist. Er selbst habe nie die Waffe gegen Demonstranten gerichtet. Er werde vom Staat verfolgt, weil er die Polizei verlassen habe. Eine persönliche Bedrohung oder einen Vorfall wegen des Austritts habe es nicht gegeben, aber er habe sich immer verstecken müssen. Er habe an einem Grenzort zum Irak gelebt, dort habe der Staat keinen Einfluss, die Regierungsgebiete seien 100 bis 110 km entfernt. Den Militärdienst habe er nicht abgeleistet. Auch sei er wegen des IS ausgereist. Der IS habe gewollt, dass der Beschwerdeführer mitkämpfe. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, er fürchte sich vor der syrischen Regierung, weil er vom Polizeidienst ausgetreten sei. Er befürchte, dass er mitkämpfen müsste oder sonst selbst getötet werde. Er sei nie an Kriegshandlungen beteiligt und auch nicht politisch aktiv oder Mitglied einer Partei gewesen. Am 20.12.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei in römisch 40 geboren und habe auch vor seiner Ausreise zuletzt dort gelebt. Im Zeitraum von 2011 bis 2012 habe er in römisch 40 gelebt. Sein Vater sei im April 2012 verstorben, seine Mutter, drei Schwestern und ein Bruder seien in der Türkei aufhältig, vier weitere Brüder seien in Finnland bzw. Wien aufhältig. Er sei verheiratet und habe vier Kinder, welche ebenfalls in der Türkei leben würden. Er habe in Syrien neun Jahr die Schule besucht, anschließend habe er gemeinsam mit seinem Vater in der Baubranche gearbeitet. Im Jahr 2009 habe er sich für die Polizei gemeldet, die Ausbildung habe ein Jahr gedauert. In dieser Zeit hätten sie körperliche Übungen gemacht und gelernt, wie man Waffen – konkret eine Kalaschnikow – trage und benütze. Dann habe er in römisch 40 bei der Polizei gearbeitet. Er sei als Unterstützung bei der Grenze oder beim Verkehr eingesetzt gewesen. 2011 bzw. 2012 habe der Krieg begonnen, weshalb er die Polizei im Juni 2012 verlassen habe. Im Oktober 2015 habe er Syrien in die Türkei verlassen, wo er sich anschließend sechs Jahre lang aufgehalten habe. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er sei zuerst wegen des Krieges ausgereist. Als Polizist habe er seine Waffe gegen die Demonstranten benützen müssen, er habe die Leute töten müssen, sonst wäre er selbst getötet worden. Er habe nicht auf die Demonstranten schießen wollen, deswegen habe er Urlaub genommen und sei nach römisch 40 zurückgereist. Er selbst habe nie die Waffe gegen Demonstranten gerichtet. Er werde vom Staat verfolgt, weil er die Polizei verlassen habe. Eine persönliche Bedrohung oder einen Vorfall wegen des Austritts habe es nicht gegeben, aber er habe sich immer verstecken müssen. Er habe an einem Grenzort zum Irak gelebt, dort habe der Staat keinen Einfluss, die Regierungsgebiete seien 100 bis 110 km entfernt. Den Militärdienst habe er nicht abgeleistet. Auch sei er wegen des IS ausgereist. Der IS habe gewollt, dass der Beschwerdeführer mitkämpfe. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, er fürchte sich vor der syrischen Regierung, weil er vom Polizeidienst ausgetreten sei. Er befürchte, dass er mitkämpfen müsste oder sonst selbst getötet werde. Er sei nie an Kriegshandlungen beteiligt und auch nicht politisch aktiv oder Mitglied einer Partei gewesen.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA einen syrischen Personalausweis im Original (dieser wurde im Rahmen einer Überprüfung als echt befunden), einen Polizeiausweis im Original, einen syrischen Führerschein in Kopie, einen türkischen Führerschein im Original, einen Auszug aus dem Familienregister in Kopie, ein Maturazeugnis und integrationsbezeugende Unterlagen vor.
Am 02.02.2023 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Begründend führte er aus, dass seit der Antragstellung die Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG von sechs Monaten verstrichen sei. Die Behörde habe seinen Antrag bis dato nicht entschieden. Es wurde beantragt, das Verwaltungsgericht möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem gestellten Antrag stattgeben.Am 02.02.2023 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Begründend führte er aus, dass seit der Antragstellung die Entscheidungsfrist des Paragraph 73, Absatz eins, AVG von sechs Monaten verstrichen sei. Die Behörde habe seinen Antrag bis dato nicht entschieden. Es wurde beantragt, das Verwaltungsgericht möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem gestellten Antrag stattgeben.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2023, I422 2271644-1, wurde die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG mangels überwiegenden Verschuldens des BFA an der Säumnis abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.06.2023, I422 2271644-1, wurde die Säumnisbeschwerde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, letzter Satz VwGVG mangels überwiegenden Verschuldens des BFA an der Säumnis abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
In der Folge wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 18.10.2023 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).In der Folge wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 18.10.2023 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe eine konkrete asylrelevante Bedrohung maßgeblicher Intensität durch den syrischen Staat nicht glaubhaft machen können. Er habe von 2009 bis 2012 bei der syrischen Polizei in XXXX gearbeitet. Im April 2012 sei er nach XXXX gezogen und habe dort gearbeitet. Aufgrund seiner Angaben zum Polizeidienst sei glaubhaft gemacht worden, dass er seinen Pflichtwehrdienst bei der syrischen Polizei absolviert habe. Auch habe er nach Verlassen des Polizeidienstes im Jahr 2012 zumindest drei Jahre in seiner Heimatprovinz gelebt und gearbeitet und dort auch geheiratet. Eine konkrete und persönliche Bedrohung durch das Regime in dieser Zeit habe er nicht angegeben. Würde der Polizeidienst nicht als Ableistung des Pflichtmilitärdienstes zählen, so hätte der Beschwerdeführer auch die Möglichkeit gehabt, sich nach seinem Auslandsaufenthalt vom Militärdienst freizukaufen. Er habe in Syrien nicht an Demonstrationen teilgenommen, habe keiner politischen Partei angehört und sei auch sonst nicht politisch aktiv gewesen. Er habe Syrien wegen der allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage verlassen. Doch könne nicht ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr aufgrund der derzeitigen Situation Schaden nehmen könnte, weshalb ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe eine konkrete asylrelevante Bedrohung maßgeblicher Intensität durch den syrischen Staat nicht glaubhaft machen können. Er habe von 2009 bis 2012 bei der syrischen Polizei in römisch 40 gearbeitet. Im April 2012 sei er nach römisch 40 gezogen und habe dort gearbeitet. Aufgrund seiner Angaben zum Polizeidienst sei glaubhaft gemacht worden, dass er seinen Pflichtwehrdienst bei der syrischen Polizei absolviert habe. Auch habe er nach Verlassen des Polizeidienstes im Jahr 2012 zumindest drei Jahre in seiner Heimatprovinz gelebt und gearbeitet und dort auch geheiratet. Eine konkrete und persönliche Bedrohung durch das Regime in dieser Zeit habe er nicht angegeben. Würde der Polizeidienst nicht als Ableistung des Pflichtmilitärdienstes zählen, so hätte der Beschwerdeführer auch die Möglichkeit gehabt, sich nach seinem Auslandsaufenthalt vom Militärdienst freizukaufen. Er habe in Syrien nicht an Demonstrationen teilgenommen, habe keiner politischen Partei angehört und sei auch sonst nicht politisch aktiv gewesen. Er habe Syrien wegen der allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage verlassen. Doch könne nicht ausgeschlossen werden, dass er im Falle einer Rückkehr aufgrund der derzeitigen Situation Schaden nehmen könnte, weshalb ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.
Mit Bescheid vom selben Tag stellte die belangte Behörde das Verfahren über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht vom 02.02.2023 ein.
Mit Eingabe vom 20.11.2023 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 18.10.2023, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden war. Er führte im Wesentlichen aus, er sei in XXXX in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen, dieses Gebiet stehe unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Im Jahr 2009 habe er sich dazu entschlossen, die einjährige Ausbildung als Polizist zu absolvieren, anschließend sei er als Polizist im Bereich „crowd an riot control“ tätig gewesen. Nachdem sein Vater im Jahr 2012 im Zuge der Kriegshandlungen getötet worden sei, habe er sich dazu entschlossen, nicht mehr für das Regime arbeiten zu wollen, und sei aus dem Polizeidienst desertiert. Zunächst sei er für etwa drei Monate in seinen Geburtsort zurückgekehrt, welcher zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle der Opposition gestanden sei, dann sei er nach XXXX übersiedelt. Nachdem der IS im Jahr 2015 begonnen habe, massiven Druck auf junge, insbesondere desertierte Männer, auszuüben, sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen, habe er den Entschluss gefasst, Syrien zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe seinen Militärdienst noch nicht abgeleistet, da die Militärdienstbefreiung erst nach fünf Jahren Polizeidienst greife. Dem Beschwerdeführer drohe daher die Zwangsrekrutierung zum Militärdienst bei der syrischen Armee. Der Beschwerdeführer habe Syrien aufgrund wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer zumindest unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung verlassen. Er habe den Dienst bei der Polizei verlassen, weil er die Waffe nicht gegen unschuldige Menschen richten habe wollen. Aus diesem Grund wolle er sich auch nicht als Soldat am Bürgerkrieg beteiligen. Er befürchte, als Fahnenflüchtiger und Verräter behandelt zu werden. Auch fürchte er Verfolgung als Oppositioneller, weil er in Europa gelebt und um Asyl angesucht habe. Erschwerend komme hinzu, dass zwei seiner Brüder in Österreich leben würden – einer als Asylberechtigter –, zwei weitere Brüder seien ebenfalls im Schengenraum aufhältig.Mit Eingabe vom 20.11.2023 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides vom 18.10.2023, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden war. Er führte im Wesentlichen aus, er sei in römisch 40 in der Provinz römisch 40 geboren und aufgewachsen, dieses Gebiet stehe unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Im Jahr 2009 habe er sich dazu entschlossen, die einjährige Ausbildung als Polizist zu absolvieren, anschließend sei er als Polizist im Bereich „crowd an riot control“ tätig gewesen. Nachdem sein Vater im Jahr 2012 im Zuge der Kriegshandlungen getötet worden sei, habe er sich dazu entschlossen, nicht mehr für das Regime arbeiten zu wollen, und sei aus dem Polizeidienst desertiert. Zunächst sei er für etwa drei Monate in seinen Geburtsort zurückgekehrt, welcher zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle der Opposition gestanden sei, dann sei er nach römisch 40 übersiedelt. Nachdem der IS im Jahr 2015 begonnen habe, massiven Druck auf junge, insbesondere desertierte Männer, auszuüben, sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen, habe er den Entschluss gefasst, Syrien zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe seinen Militärdienst noch nicht abgeleistet, da die Militärdienstbefreiung erst nach fünf Jahren Polizeidienst greife. Dem Beschwerdeführer drohe daher die Zwangsrekrutierung zum Militärdienst bei der syrischen Armee. Der Beschwerdeführer habe Syrien aufgrund wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer zumindest unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung verlassen. Er habe den Dienst bei der Polizei verlassen, weil er die Waffe nicht gegen unschuldige Menschen richten habe wollen. Aus diesem Grund wolle er sich auch nicht als Soldat am Bürgerkrieg beteiligen. Er befürchte, als Fahnenflüchtiger und Verräter behandelt zu werden. Auch fürchte er Verfolgung als Oppositioneller, weil er in Europa gelebt und um Asyl angesucht habe. Erschwerend komme hinzu, dass zwei seiner Brüder in Österreich leben würden – einer als Asylberechtigter –, zwei weitere Brüder seien ebenfalls im Schengenraum aufhältig.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.11.2023, Ra 2023/18/0264, wurde schließlich die vom Beschwerdeführer erhobene Revision als gegenstandlos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt am 01.12.2023 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Mit Beweismittelvorlage vom 05.06.2024 brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung einen Landkartenausschnitt in Vorlage, auf welchem sein Geburtsort gekennzeichnet ist.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.06.2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner Rechtsvertreterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch zu seinen Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Syrien Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang führte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers aus, bereits die Behörde habe festgestellt, dass der Beschwerdeführer von 2009 bis 2012 als Polizist tätig gewesen sei. Da der Beschwerdeführer im Jahr 2012 desertiert sei und sein Herkunftsort unter Kontrolle des syrischen Regimes stehe, bestehe die Gefahr, dass er aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung verfolgt werde. Die Länderberichte würden bestätigen, dass Deserteuren mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Repressalien in Form von Haft und Folter bis hin zur Todesstrafe drohen würden. Im Falle des Beschwerdeführers komme hinzu, dass er aus einem Gebiet stamme, das vormals von der Opposition kontrolliert worden wäre. Diese Personen würden besonders in Verdacht stehen, Gegner der Regierung zu sein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat vier minderjährige Kinder.
Der Beschwerdeführer wurde im Dorf El Mereya (auch: Maria´iyah) (dieses liegt südöstlich der Stadt Deir ez-Zor) im Gouvernement Deir ez-Zor geboren und ist dort aufgewachsen. Im Jahr 2009 war er für etwa ein Jahr in Aleppo aufhältig, anschließend lebte er bis 2012 in der Stadt Al-Hasaka. Nachfolgend – etwa im Juni 2012 – kehrte er für ca. drei Monate nach El Mereya (auch: Maria´iyah) zurück, bevor er sich aufgrund der dortigen Kampfhandlungen gezwungen sah, das Dorf zu verlassen. In der Folge ließ er sich in der Stadt Abu Kamal nieder, wo er im Bauwesen bzw. auf Baustellen tätig war. Im Jänner 2015 heiratete er in Abu Kamal seine Ehefrau und lebte dort mit dieser gemeinsam bis zu seiner Ausreise aus Syrien.
Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers leben ebenso wie seine Mutter und seine drei Schwestern in der Türkei. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Zwei seiner Brüder sind in Österreich aufhältig, zwei weitere Brüder leben in Finnland.
Als Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist die Stadt Abu Kamal und dessen umliegende Umgebung anzusehen. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers befindet sich aktuell unter der Kontrolle der syrischen Zentralregierung.
Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Oktober 2015 illegal in die Türkei, wo er sich bis Juli 2021 aufhielt, bevor er über Griechenland, Albanien, den Kosovo, Serbien und Ungarn nach Österreich einreiste und hier am 28.08.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien aktuell nicht konkret und individuell die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch die syrische Zentralregierung aufgrund der behaupteten Desertation aus dem Polizeidienst. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 2009 bis 2012 als Polizist tätig war. Er ist im Juni 2012 aber nicht aus dem Polizeidienst desertiert.
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer befindet sich mit seinem aktuellen Lebensalter von 33 Jahren entsprechend der gesetzlichen Regelung in Syrien im wehrdienstpflichtigen Alter. Er hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet.
Die syrischen Behörden unterstellen aber nicht sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung und haben sich auch im konkreten Fall des Beschwerdeführers keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine glaubhafte eigene politische Überzeugung gegen die syrische Zentralregierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.
Dem Beschwerdeführer droht aktuell in seiner Herkunftsregion auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung oder eine zwangsweise Rekrutierung durch den Islamischen Staat (IS) oder durch eine sonstige bewaffnete Gruppierung.
Dem Beschwerdeführer droht auch nicht als Angehöriger seiner in Österreich bzw. in Finnland aufhältigen Brüder bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer „Reflexverfolgung“ durch die syrische Zentralregierung.
Ebenso droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Herkunft, seiner illegalen Ausreise, seines Auslandsaufenthaltes oder seiner Asylantragstellung im Ausland bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der ausgereist ist und der im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (LIB)
? UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von syrischen Staatsangehörigen aus März 2021 (UNHCR)
? EUAA Country Guidance: Syria aus April 2024 (EUAA)
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
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Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anti-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anti-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).
Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt der IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 2.2.2024). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer