Entscheidungsdatum
25.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W261 2294821-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, vom 31.05.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, vom 31.05.2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 31.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 01.08.2023 fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus XXXX stamme, der Volksgruppe der Kurden angehöre und sunnitischer Muslim sei. Er habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach die Ausbildung zum Schneidermeister absolviert. Neben seinen Eltern würden noch seine Geschwister in Syrien leben. Seine Ehefrau und seine Kinder würden in der Türkei leben. Eine Schwester lebe im Irak.2. Am 01.08.2023 fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus römisch 40 stamme, der Volksgruppe der Kurden angehöre und sunnitischer Muslim sei. Er habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach die Ausbildung zum Schneidermeister absolviert. Neben seinen Eltern würden noch seine Geschwister in Syrien leben. Seine Ehefrau und seine Kinder würden in der Türkei leben. Eine Schwester lebe im Irak.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er sein Land im Jahr 2015 aufgrund des Krieges verlassen habe und mit seiner Familie in die Türkei geflüchtet sei. Dafür habe er einer Schleppergruppe EUR 8.000 zahlen müssen. In der Türkei habe ihn diese Schleppergruppe verfolgt, da er den Chef der Gruppe, einen gewissen XXXX , gekannt habe. Sie hätten versucht ihn unter Druck zu setzen. Am 19.11.2020 sei er von unbekannten Männern entführt und in einem Kofferraum eines gestohlenen PKW versteckt worden. Der PKW sei angehalten und der Beschwerdeführer von der türkischen Polizei befreit worden. Danach habe er in zwei Gerichtsverhandlungen als Zeuge ausgesagt. Als er zuletzt von einem türkischen Kurden angerufen und bedroht worden sei, habe er seine Flucht aus der Türkei organisiert. Bei der Rückkehr habe er sowohl in Syrien als auch in der Türkei Angst um sein Leben. Diese Schlepperorganisation stamme aus Syrien. Sein Handy befinde sich bei ihnen und sie hätten alle Informationen über ihn.Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er sein Land im Jahr 2015 aufgrund des Krieges verlassen habe und mit seiner Familie in die Türkei geflüchtet sei. Dafür habe er einer Schleppergruppe EUR 8.000 zahlen müssen. In der Türkei habe ihn diese Schleppergruppe verfolgt, da er den Chef der Gruppe, einen gewissen römisch 40 , gekannt habe. Sie hätten versucht ihn unter Druck zu setzen. Am 19.11.2020 sei er von unbekannten Männern entführt und in einem Kofferraum eines gestohlenen PKW versteckt worden. Der PKW sei angehalten und der Beschwerdeführer von der türkischen Polizei befreit worden. Danach habe er in zwei Gerichtsverhandlungen als Zeuge ausgesagt. Als er zuletzt von einem türkischen Kurden angerufen und bedroht worden sei, habe er seine Flucht aus der Türkei organisiert. Bei der Rückkehr habe er sowohl in Syrien als auch in der Türkei Angst um sein Leben. Diese Schlepperorganisation stamme aus Syrien. Sein Handy befinde sich bei ihnen und sie hätten alle Informationen über ihn.
3. Am 23.05.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Er gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei Muslim. Er sei in XXXX geboren und habe dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Er habe neun Jahre die Grundschule besucht. Er sei standesamtlich und traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau vier Kinder. Der Beschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer syrische Dokumente vor.3. Am 23.05.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er sich derzeit nicht in ärztlicher Behandlung befinde. Er gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei Muslim. Er sei in römisch 40 geboren und habe dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Er habe neun Jahre die Grundschule besucht. Er sei standesamtlich und traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau vier Kinder. Der Beschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer syrische Dokumente vor.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er Syrien verlassen habe, weil die PYD bei ihm zu Hause gewesen sei, als er in der Türkei gearbeitet habe. Sie hätten gesagt, dass sie seine zwei ältesten Kinder mitnehmen würden, wenn sie den Beschwerdeführer nicht finden würden. Danach sei er nach Syrien zurückgekehrt und habe seine Familie geholt und Syrien verlassen. Sein Haus sei komplett zerstört worden und sei nunmehr nicht mehr bewohnbar. Er wolle eine bessere Zukunft für seine Kinder. Zudem sei in Syrien einmal ein Polizist gekommen und habe ihm eine Ladung überreicht. In der Polizeiinspektion habe er festgestellt, dass er ein Oppositioneller sein solle. Mit der Hilfe eines Alawiten habe er diesen Vorwurf überwinden können. Der Bruder des Beschwerdeführers kenne einen Offizier, laut dessen Auskunft müsse der Beschwerdeführer seinen Reservedienst ableisten. In der Türkei hätten sie ihn berauben und umbringen wollen. Er sei entführt und durch Zufall von der türkischen Polizei gefunden und befreit worden. Später habe ihm die Polizei gesagt, dass sie insgesamt zwei Personen festgenommen hätten. Trotzdem habe er immer wieder Nachrichten bekommen. Das vorgelegte Urteil in türkischer Sprache beweise, was mit ihm passiert sei.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.).4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in den Ländern, die er durchquert habe, einen Asylantrag hätte stellen können. Dem Beschwerdeführer drohe allein aufgrund der Altersgrenze weder vom syrischen Regime noch von Milizen eine Einberufung zum Reservedienst. Der Beschwerdeführer verfüge über keine besondere Qualifikation, zudem stehe seine Herkunftsregion nicht unter Kontrolle der syrischen Armee. Es habe auch nicht festgestellt werden können wann genau er Syrien verlassen habe. Es könne davon ausgegangen werden, dass er bzw. seine Familienangehörigen jeglichen Behördenkontakt vermieden hätten, wenn sie tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt seien und nicht die vorgelegten syrischen Dokumente beantragt hätten. Seine Eltern und seine Geschwister würden weiterhin in seinem Herkunftsgebiet leben, es sei im gesamten Verfahren jedoch nicht hervorgekommen, dass seine Familie vom syrischen Regime unter Druck gesetzt worden sei. Es handle sich beim Beschwerdeführer nicht um eine besonders exponierte Persönlichkeit. Die Fluchtgeschichte bezugnehmend auf die Türkei sei nicht relevant, da sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich seines Heimatlandes Syrien geprüft werde. Er sei im Herkunftsstaat keiner Verfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen. Es habe auch aus den sonstigen Umständen keine Verfolgung aus konventionsrelevanten Gründen festgestellt werden können. Es sei ihm nicht gelungen, den vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen.
Es würden jedoch Gründe für die Annahme bestehen, dass im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung aufgrund der derzeitigen Lage in Syrien für den Beschwerdeführer eine nicht ausreichende Lebenssicherheit bestehe. Daher sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
5. Mit Eingabe vom 28.06.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er seinen Söhnen dabei geholfen habe sich dem Wehrdienst zu entziehen. Er fürchte Racheakte der syrischen und der kurdischen Machthaber. Weiters fürchte er sich vor einer Verfolgung durch die SNA, da er Kurde sei und sich politisch für die kurdischen Belange einsetze. Er sei in Österreich politisch aktiv und setze sich für die Rechte der kurdischen Bevölkerung ein. Ihm sei der Krieg in Syrien zuwider, er verabscheue das Regime. Er lehne auch die kurdischen Machthaber ab, die ebenfalls die Grund- und Menschenrechte mit Füßen treten würden. Der Beschwerdeführer gelte nun umso mehr als Feind und Verräter des Vaterlandes, da er in Europa einen Asylantrag gestellt habe. 5. Mit Eingabe vom 28.06.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er seinen Söhnen dabei geholfen habe sich dem Wehrdienst zu entziehen. Er fürchte Racheakte der syrischen und der kurdischen Machthaber. Weiters fürchte er sich vor einer Verfolgung durch die SNA, da er Kurde sei und sich politisch für die kurdischen Belange einsetze. Er sei in Österreich politisch aktiv und setze sich für die Rechte der kurdischen Bevölkerung ein. Ihm sei der Krieg in Syrien zuwider, er verabscheue das Regime. Er lehne auch die kurdischen Machthaber ab, die ebenfalls die Grund- und Menschenrechte mit Füßen treten würden. Der Beschwerdeführer gelte nun umso mehr als Feind und Verräter des Vaterlandes, da er in Europa einen Asylantrag gestellt habe.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen.Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß Paragraph 3, AsylG zu gewähren gewesen.
6. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 01.07.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 03.07.2024 einlangte.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.08.2024 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt. Der Beschwerdeführer legte Fotos seines Hauses in Syrien, sowie zwei Schreiben (bezugnehmend auf sein Haus und eine Parteimitgliedschaft) vor und verwies auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX im Dorf XXXX (auf Arabisch: XXXX ) in XXXX im Gouvernement Aleppo in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sowie sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Kurdisch, er spricht zudem Arabisch, Englisch und Türkisch.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 im Dorf römisch 40 (auf Arabisch: römisch 40 ) in römisch 40 im Gouvernement Aleppo in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sowie sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Kurdisch, er spricht zudem Arabisch, Englisch und Türkisch.
Der Beschwerdeführer ist seit dem XXXX standesamtlich und traditionell mit XXXX (geb. XXXX ) verheiratet. Der Ehe entstammen vier Kinder, zwei Töchter, XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ), sowie zwei Söhne, XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ). Seine Ehefrau und seine Kinder leben in der Türkei.Der Beschwerdeführer ist seit dem römisch 40 standesamtlich und traditionell mit römisch 40 (geb. römisch 40 ) verheiratet. Der Ehe entstammen vier Kinder, zwei Töchter, römisch 40 (geb. römisch 40 ) und römisch 40 (geb. römisch 40 ), sowie zwei Söhne, römisch 40 (geb. römisch 40 ) und römisch 40 (geb. römisch 40 ). Seine Ehefrau und seine Kinder leben in der Türkei.
Seine Eltern heißen XXXX (ca. XXXX Jahre) und XXXX (ca. XXXX Jahre). Der Beschwerdeführer hat vier Schwestern, XXXX (ca. XXXX Jahre), XXXX (ca. XXXX Jahre), XXXX (ca. XXXX Jahre) und XXXX (ca. XXXX Jahre), sowie zwei Brüder, XXXX (ca. XXXX Jahre) und XXXX (ca. XXXX Jahre). Seine Eltern und Geschwister, sowie zwei Onkel mütterlicherseits wohnen im Gouvernement Aleppo in Syrien. Ein Onkel mütterlicherseits und zwei Cousins leben in Österreich.Seine Eltern heißen römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre) und römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre). Der Beschwerdeführer hat vier Schwestern, römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre), römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre), römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre) und römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre), sowie zwei Brüder, römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre) und römisch 40 (ca. römisch 40 Jahre). Seine Eltern und Geschwister, sowie zwei Onkel mütterlicherseits wohnen im Gouvernement Aleppo in Syrien. Ein Onkel mütterlicherseits und zwei Cousins leben in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat beinahe täglichen Kontakt mit seinen Eltern.
Der Beschwerdeführer zog ca. ein Jahr nach seiner Geburt mit seiner Familie in die Stadt XXXX , dort lebte er bis zu seiner Ausreise aus Syrien. Er besuchte neun Jahre lang die Grundschule. Danach arbeitete er als Schneidermeister und Designer in Syrien. In den Jahren 2002/2003 eröffnete er eine Schneiderei mit 15 Mitarbeitern. Aufgrund von Bombardierungen zog er am 22.03.2013 mit seiner Familie nach XXXX , sechs Monate später reiste er weiter in die Türkei. Dort arbeitete er als Chef in einer Fabrik und in einem Unternehmen namens XXXX als Direktor. Der Beschwerdeführer zog ca. ein Jahr nach seiner Geburt mit seiner Familie in die Stadt römisch 40 , dort lebte er bis zu seiner Ausreise aus Syrien. Er besuchte neun Jahre lang die Grundschule. Danach arbeitete er als Schneidermeister und Designer in Syrien. In den Jahren 2002/2003 eröffnete er eine Schneiderei mit 15 Mitarbeitern. Aufgrund von Bombardierungen zog er am 22.03.2013 mit seiner Familie nach römisch 40 , sechs Monate später reiste er weiter in die Türkei. Dort arbeitete er als Chef in einer Fabrik und in einem Unternehmen namens römisch 40 als Direktor.
Der Beschwerdeführer leistete seinen verpflichtenden Wehrdienst von XXXX bis XXXX in einer Verteidigungsfabrik (Herstellung von Munition) im Rang eines Unteroffiziers (Arif) ab.Der Beschwerdeführer leistete seinen verpflichtenden Wehrdienst von römisch 40 bis römisch 40 in einer Verteidigungsfabrik (Herstellung von Munition) im Rang eines Unteroffiziers (Arif) ab.
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Stadt XXXX im gleichnamigen Gouvernement, befindet sich zum größten Teil unter Kontrolle der syrischen Regierung. Das Stadtgebiet namens XXXX (phonetisch: XXXX ), aus dem der Beschwerdeführer stammt, befindet sich jedoch unter Kontrolle der kurdisch dominierten SDF/PYD (Syrian Democratic Forces/Partei der Demokratischen Union).Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Stadt römisch 40 im gleichnamigen Gouvernement, befindet sich zum größten Teil unter Kontrolle der syrischen Regierung. Das Stadtgebiet namens römisch 40 (phonetisch: römisch 40 ), aus dem der Beschwerdeführer stammt, befindet sich jedoch unter Kontrolle der kurdisch dominierten SDF/PYD (Syrian Democratic Forces/Partei der Demokratischen Union).
Der Beschwerdeführer verließ Syrien Mitte 2014 in Richtung Türkei, wo er bis ca. 26.07.2023 lebte. Danach reiste er in einem LKW weiter und hielt sich in ihm unbekannten Ländern auf und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 31.07.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. In Syrien ist für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit. b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben.1.2.1. In Syrien ist für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben.
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z. B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung).
Der Beschwerdeführer leistete seinen verpflichtenden Wehrdienst von XXXX bis XXXX in einer Verteidigungsfabrik (Herstellung von Munition) im Rang eines Unteroffiziers (Arif) ab. Er erhielt während seines Militärdienstes keine Spezialausbildung. Der Beschwerdeführer befindet sich mit seinen XXXX Jahren nicht mehr im gesetzlich vorgesehenen Reservedienstalter. Der Beschwerdeführer wurde in Syrien niemals vonseiten des syrischen Regimes konkret aufgefordert seinen Reservedienst abzuleisten.Der Beschwerdeführer leistete seinen verpflichtenden Wehrdienst von römisch 40 bis römisch 40 in einer Verteidigungsfabrik (Herstellung von Munition) im Rang eines Unteroffiziers (Arif) ab. Er erhielt während seines Militärdienstes keine Spezialausbildung. Der Beschwerdeführer befindet sich mit seinen römisch 40 Jahren nicht mehr im gesetzlich vorgesehenen Reservedienstalter. Der Beschwerdeführer wurde in Syrien niemals vonseiten des syrischen Regimes konkret aufgefordert seinen Reservedienst abzuleisten.
Dem Beschwerdeführer droht keine Zwangsrekrutierung vonseiten der syrischen Regierung.
1.2.2. Der Beschwerdeführer fällt mit seinen XXXX Jahren (Geburtsjahrgang XXXX ) nicht mehr in das aktuelle Rekrutierungsalter der SDF. Er wurde niemals persönlich aufgefordert, der in AANES-Gebieten geltenden „Selbstverteidigungspflicht“ nachzukommen. Der Beschwerdeführer läuft nicht Gefahr, aufgrund dessen durch kurdische Milizen mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.1.2.2. Der Beschwerdeführer fällt mit seinen römisch 40 Jahren (Geburtsjahrgang römisch 40 ) nicht mehr in das aktuelle Rekrutierungsalter der SDF. Er wurde niemals persönlich aufgefordert, der in AANES-Gebieten geltenden „Selbstverteidigungspflicht“ nachzukommen. Der Beschwerdeführer läuft nicht Gefahr, aufgrund dessen durch kurdische Milizen mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht nicht aufgrund der Wehrdienstverweigerung seiner Söhne und seiner „Familienangehörigeneigenschaft“ Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die syrische Regierung oder die SDF/PYD.
1.2.4. Dem Beschwerdeführer droht in Syrien keine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe.
1.2.5. Der Beschwerdeführer hat sich weder in Syrien noch in Österreich jemals politisch betätigt und etwa an Demonstrationen teilgenommen. Er war auch in Syrien niemals Mitglied einer kurdischen Oppositionspartei. Nach dem Beschwerdeführer wird nicht aufgrund seiner angeblichen Mitgliedschaft zur kurdischen Oppositionspartei „Kurdistan Demokratische Partei-Syrien“ in Syrien gefahndet. Er wird aufgrund dessen weder von der syrischen Regierung noch von der SDF/PYD bedroht.
1.2.6. Ihm droht bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien nicht wegen seiner illegalen Ausreise, der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich oder der Abstammung aus einem als oppositionell angesehenen Gebiet Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die syrische Regierung.
1.2.7. Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.8. Eine Einreise nach Syrien ist dem Beschwerdeführer über alle verfügbaren Grenzübergänge, insbesondere über den Flughafen Damaskus, der unter der Kontrolle des Regimes steht, möglich.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, veröffentlicht am 27.03.2024 (LIB);
- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Version, März 2021 (UNHCR);
- EUAA, Country of Origin Information Report „Syria: Targeting of Individuals”, September 2022 (EUAA 1);- EUAA, Country of Origin Information Report „Syria: Targeting of Individuals”, September 2022 (EUAA 1);
- EUAA, Country Guidance Syria, April 2024 (EUAA 2);
- EUAA, Bericht über die Sicherheitslage, Oktober 2023 (EUAA 3);
- ACCORD, Wehrdienst Syrien, 20.03.2024 (ACCORD).
1.3.1. Politische Lage – Letzte Änderung: 08.03.2024
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (LIB).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen. In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen. Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (LIB).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen. Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten. Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war. Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon, Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft. Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren. Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (LIB).
1.3.1.1. Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien – Letzte Änderung: 08.03.2024
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (LIB).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Die von den USA unterstützten SDF sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen, in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist. Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben. Im März 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe. Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (LIB).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben. Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an. Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen. Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren. Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung. Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen. Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet. Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (LIB).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden. Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht. Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen. Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen. Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (LIB).
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (LIB).
Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an. Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (LIB).
1.3.2. Sicherheitslage – Letzte Änderung: 08.03.2024
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt. Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (LIB).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen. Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand. Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (LIB).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (LIB).
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu. Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden. Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen. Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (LIB).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind. Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen. Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen. Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (LIB).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen. Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (LIB).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden. Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus. Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben. Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (LIB).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah. Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen. Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (LIB).