Entscheidungsdatum
30.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W299 2274758-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Elisabeth NEUHOLD als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1996, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Elisabeth NEUHOLD als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 1996, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (infolge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 09.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 13.09.2022 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei brachte der BF vor, dass er Syrien wegen des Krieges im Jahr 2016 verlassen hätte. Er sei dabei immer wieder nach Syrien gereist, um seine Familie zu besuchen. Zudem hätte er den Herkunftsstaat wegen des Militärdienstes bei der syrischen Armee und wegen der Zwangsrekrutierung bei den kurdischen Milizen verlassen.
3. Am 29.03.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA). Der BF wiederholte im Wesentlichen seine in der Erstbefragung vorgebrachten Fluchtgründe und führte ergänzend aus, dass er sich im wehrpflichtigen Alter befände und er im Krieg weder andere töten noch selbst getötet werden wolle. Das syrische Regime sei bereits nahe an seinen Wohnort herangerückt. Sollten die syrischen Regimekräfte ihn aufgreifen, drohe ihm wegen des nicht abgeleisteten Wehrdienstes die Festnahme, Inhaftierung und eine Verurteilung zur Todesstrafe.
Im Zuge der Einvernahme legte der BF seinen Personalausweis und sein Militärbuch jeweils im Original sowie seine Geburtsurkunde, die Geburtsurkunde seiner Ehefrau und der gemeinsamen Kinder, die Klagebestätigung auf Anerkennung der traditionell geschlossenen Ehe, die standesamtliche Heiratsurkunde, Zivilregisterauszüge und einen Familienregisterauszug jeweils in Kopie vor.
4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 07.06.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 07.06.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem BF aufgrund der Gebietsherrschaft in der Herkunftsregion des BF keine konkrete Gefahr durch das syrische Regime drohe. Im Herkunftsgebiet des BF sei zudem auch nicht die maßgebliche Gefahr einer Zwangsrekrutierung der kurdischen Milizen gegeben, weil der BF das wehrpflichtige Alter für den Wehrdienst im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet bereits überschritten hätte. Auch würde ihm als Rückkehrer nach Syrien nicht automatisch eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte vor, wonach es im Herkunftsstaat überhaupt bekannt wurde bzw. werden sollte, dass der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Es seien darüber hinaus keine Hinweise hervorgekommen, welche darauf hindeuten würden, dass der BF im Falle der Rückkehr aus Gründen seiner ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter konkret Bedrohung ausgesetzt wäre.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen aus, dass ihn das syrische Regime aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung und -entziehung verfolgen und ihm auch wegen seiner illegalen Ausreise eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würde. Zudem wäre er der Reflexverfolgung wegen der Wehrdienstverweigerung von Familienangehörigen, konkret zwei seiner Brüder und seiner in Österreich asylberechtigten Cousins, ausgesetzt. Zwar stehe die Herkunftsregion des BF grundsätzlich unter Kontrolle der kurdischen Einheiten, die syrische Regierung sei jedoch im Bezirk Manbij militärisch präsent. Darüber hinaus sehe er sich einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Machthaber gegenüber. Eine sichere und legale Einreisemöglichkeit in die Herkunftsregion des BF bestünde im Übrigen nicht.
6. Am 05.03.2024 fand in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und der Rechtsvertretung des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen persönlichen Lebensumständen in Syrien, seinen Fluchtgründen sowie zu seiner Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt wurde.
7. Am 18.03.2024 wurde dem BF die Länderinformation der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-CMS in der Version 10 vom 14.03.2024 zur Kenntnis gebracht und ihm hierbei die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt.
8. Am 19.03.2024 übermittelte der BF im Wege seiner Rechtsvertretung fristwahrend eine schriftliche Stellungnahme und führte darin ergänzend aus, dass der BF in Wien an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen hätte. Durch diese exilpolitische Aktivität habe er seine oppositionelle Gesinnung erneut öffentlich ersichtlich objektiviert. Der BF wäre aufgrund seiner Beteiligung an der Demonstration mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem syrischen Regime durch formelle und informelle Überwachung bekannt geworden und aus politischen Gründen verfolgt. Gleichermaßen verhielte es sich mit der kurdischen Selbstverwaltung, welche in Syrien genauso gegen politische Gegner vorginge. Im Übrigen verwies der BF auf sein bisheriges Vorbringen.
9. Mit Schreiben vom 22.04.2024 wurden dem BF die Länderinformation der Staatendokumentation Syrien aus dem COI-CMS in der Version 11 vom 27.03.2024 sowie die EUAA Country Guidance: Syria vom April 2024 zur Kenntnis gebracht und ihm hierbei die Möglichkeit der Stellungnahme binnen 14-tägiger Frist eingeräumt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und wurde am XXXX .1996 geboren. Er ist im Entscheidungszeitpunkt 28 Jahre alt. Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Arabisch.1.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 .1996 geboren. Er ist im Entscheidungszeitpunkt 28 Jahre alt. Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Arabisch.
1.1.2. Der BF wurde im Dorf XXXX im Distrikt Manbij des Gouvernements Aleppo geboren und wuchs dort auf. 1.1.2. Der BF wurde im Dorf römisch 40 im Distrikt Manbij des Gouvernements Aleppo geboren und wuchs dort auf.
1.1.3. In XXXX besuchte der BF neun Jahre die Schule, bevor er nach einem weiteren dreijährigen Schulbesuch in der Stadt Manbij seine Schullaufbahn mit dem Maturaabschluss beendete. Eine weiterführende Ausbildung schloss der BF nicht ab. In Syrien war der BF als Arbeiter in der familieneigenen Landwirtschaft tätig. In der Türkei arbeitete er neben seiner Arbeit in der Landwirtschaft auch als Schneider. 1.1.3. In römisch 40 besuchte der BF neun Jahre die Schule, bevor er nach einem weiteren dreijährigen Schulbesuch in der Stadt Manbij seine Schullaufbahn mit dem Maturaabschluss beendete. Eine weiterführende Ausbildung schloss der BF nicht ab. In Syrien war der BF als Arbeiter in der familieneigenen Landwirtschaft tätig. In der Türkei arbeitete er neben seiner Arbeit in der Landwirtschaft auch als Schneider.
1.1.4. Der BF gibt an, dass er verheiratet und Vater zweier Töchter ( XXXX , geb. 01.01.2017; XXXX , geb. 01.07.2022) und eines Sohnes ( XXXX , geb. 01.01.2019) ist. Der BF hat zwei Brüder und eine Schwester. Seine Eltern, seine Schwester sowie seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder leben nach wie vor in XXXX . Einer der Brüder des BF befindet sich im Libanon, der andere Bruder in Österreich. 1.1.4. Der BF gibt an, dass er verheiratet und Vater zweier Töchter ( römisch 40 , geb. 01.01.2017; römisch 40 , geb. 01.07.2022) und eines Sohnes ( römisch 40 , geb. 01.01.2019) ist. Der BF hat zwei Brüder und eine Schwester. Seine Eltern, seine Schwester sowie seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder leben nach wie vor in römisch 40 . Einer der Brüder des BF befindet sich im Libanon, der andere Bruder in Österreich.
1.1.5. Der BF lebte bis zum Jahr 2016 mit seinen Eltern, seiner Schwester sowie seiner Ehefrau in XXXX . Ab Juli 2016 war der BF mit seiner Ehefrau und den damals bereits geborenen Kindern ( XXXX ) in der Stadt XXXX in der Türkei ansässig bevor er 2021 nach Syrien, XXXX , zurückkehrte und dann wieder in die Türkei ausreiste. Vom Herbst 2021 bis August 2022 hielt er sich alleine in Istanbul auf, von wo er sich unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder nach Österreich begab. Der BF stellte in Folge am 09.09.2022 im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. 1.1.5. Der BF lebte bis zum Jahr 2016 mit seinen Eltern, seiner Schwester sowie seiner Ehefrau in römisch 40 . Ab Juli 2016 war der BF mit seiner Ehefrau und den damals bereits geborenen Kindern ( römisch 40 ) in der Stadt römisch 40 in der Türkei ansässig bevor er 2021 nach Syrien, römisch 40 , zurückkehrte und dann wieder in die Türkei ausreiste. Vom Herbst 2021 bis August 2022 hielt er sich alleine in Istanbul auf, von wo er sich unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder nach Österreich begab. Der BF stellte in Folge am 09.09.2022 im österreichischen Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.6. Der BF ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.1.7. Dem Beschwerdeführer kommt in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, XXXX , steht unter Kontrolle der kurdisch geführten „Syrian Democratic Forces“ (SDF). Zwar besteht in der Stadt Manbij und im nördlichen, nordwestlichen und nordöstlichen Umland eine geteilte Kontrolle der kurdischen und syrischen Machthaber. Im südlich der Stadt Manbij gelegenen Herkunftsort des BF und der umliegenden Region kommt jedoch den kurdischen Autonomiebehörden die ausschließliche Gebietshoheit zu. 1.2.1. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, römisch 40 , steht unter Kontrolle der kurdisch geführten „Syrian Democratic Forces“ (SDF). Zwar besteht in der Stadt Manbij und im nördlichen, nordwestlichen und nordöstlichen Umland eine geteilte Kontrolle der kurdischen und syrischen Machthaber. Im südlich der Stadt Manbij gelegenen Herkunftsort des BF und der umliegenden Region kommt jedoch den kurdischen Autonomiebehörden die ausschließliche Gebietshoheit zu.
1.2.2. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren.1.2.2. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren.
Wehrpflichtige Männer, die nicht auf den Einberufungsbescheid reagieren, werden von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert. Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert. Den gesetzlichen Wehrdienst bei den syrischen Streitkräften hat der BF noch nicht abgeleistet. Der BF besitzt ein Wehrbuch und wurde der Musterung durch die syrischen Militärbehörden unterzogen. Aufgrund seines Alters im Entscheidungszeitpunkt fällt der BF in die wehrpflichtigen Jahrgänge. Befreiungsgründe hinsichtlich des Militärdienstes liegen nicht vor.
Die Herkunftsregion des BF steht nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern maßgeblich unter der Kontrolle der kurdischen Machthaber. Die syrische Regierung verfügt lediglich über mehrere kleine Enklaven im Selbstverwaltungsgebiet. Der Beschwerdeführer ist in seinem Herkunftsort nicht der Gefahr ausgesetzt, zum verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee einberufen zu werden. Das syrische Regime hat keine Zugriffs- und Rekrutierungsmöglichkeit in dem von der SDF kontrollierten Herkunftsort des Beschwerdeführers. Daher ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch syrische Regimekräfte ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer wird im Falle einer Wehrdienstverweigerung von der syrischen Regierung keine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Der BF vertritt im Übrigen keine politische oder religiöse Überzeugung, die einer Ableistung der Wehrpflicht bei der syrischen Armee entgegensteht.
1.2.3. Der Beschwerdeführer hat keine verinnerlichte regimekritische Haltung und ist nicht oppositionell. Er setzte keine als oppositionell anzusehenden Handlungen, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. Ihm droht keine Verfolgung durch die syrischen Behörden aufgrund einer politischen Haltung.
1.2.4. Im Juni 2019 verabschiedete die „Autonomous Administration of North and East Syria“ (AANES), die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“, ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen, regelt. Am 04.09.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Die Jahrgänge 1990 bis 1997 sind von der Selbstverteidigungspflicht befreit.
Dem 28-jährigen, 1996 geborenen Beschwerdeführer droht nach einer Rückkehr in seine Heimatregion keine Einziehung in den Militärdienst durch kurdische Kräfte. Der Beschwerdeführer hatte und hat in seiner Herkunftsregion keinerlei Probleme mit den Kurden oder Milizen und drohen ihm auch keine konkreten Probleme durch die Kurden. Er setzte keine als oppositionell anzusehenden Handlungen, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld der Kurden gebracht haben.
Im Falle der Rückkehr in seine Herkunftsregion ist der BF sohin nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr der Verfolgung durch die kurdischen Machthaber ausgesetzt.
1.2.6. Die Herkunftsregion des BF ist ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Die Einreise in die nordöstlichen Gebiete Syriens unter kurdischer Kontrolle ist für den BF beispielsweise über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabour möglich. Aufgrund der faktischen Hoheitsgewalt der kurdischen Autonomiebehörden über das Gebiet vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabour bis zum Herkunftsort des BF im Distrikt Manbij ist ihm auch eine Weiterreise in seinen Herkunftsort möglich, ohne mit den syrischen Regimebehörden in Kontakt zu geraten.
1.2.7. Der BF unterlag und unterliegt in Syrien keiner Verfolgung durch die Milizen des IS („Islamischer Staat“) oder Repräsentanten der FSA/SNA („Freie Syrische Armee“ nunmehr „Syrische Nationale Armee“).
1.2.8. Durch die Wehrdienstverweigerung oder etwaiger anderer oppositioneller Aktivitäten von Familienangehörigen ist der BF im Herkunftsstaat keiner Reflexverfolgung ausgesetzt.
1.2.9. Eine Verfolgung auf Grund der Ausreise des Beschwerdeführers und der Asylantragstellung in Österreich bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung ist nicht maßgeblich wahrscheinlich. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr, wegen der illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
1.2.10. Der BF hatte in Syrien keine Probleme wegen seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit oder anderer relevanter Auseinandersetzungen mit Privatpersonen. Überdies ist der BF nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien physische und/oder psychische Gewalt zu erfahren.
1.2.11. Dem Beschwerdeführer droht somit in Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung auf Grund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen Zugehörigkeit oder wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
1.3.1. Auszug aus den Länderinformationen der Version 11 vom 27.03.2024:
1.3.1.1. Politische Lage
[…]
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine ’zweite Front’ in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba’ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, ’Ain al-’Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für „Westen“ (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des „Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien“ (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet ’belohnt’ zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die „autonome Verwaltung“ basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die „autonome Verwaltung“ basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).
Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).
[…]
1.3.1.2. Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024).
[…]
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
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Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024). Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022). Im August 2023 wurde dieser bei Kampfhandlungen mit der HTS getötet und der IS musste zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren einen neuen Führer ernennen. Als Nachfolger wurde Abu Hafs al-Hashimi al-Qurayshi eingesetzt (WSJ 3.8.2023). Die Anit-Terror-Koalition unter der Führung der USA gibt an, dass 98 Prozent des Gebiets, das der IS einst in Syrien und Irak kontrollierte, wieder unter Kontrolle der irakischen Streitkräfte bzw. der SDF sind (CFR 24.1.2024).
Der Sicherheitsrat der VN schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Käm