Entscheidungsdatum
24.10.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L504 2262234-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX StA. Irak, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2024, Zl. XXXX zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 geb. römisch 40 StA. Irak, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2024, Zl. römisch 40 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
Die bP stellte nach bereits 2023 ergangener abweislicher Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz und Nichtbefolgung der Ausreiseverpflichtung, am 27.10.2023 gegenständlichen, weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).
Zum Vorverfahren ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts unter GZ. L531 2262234-1/12E Folgendes:
Am 31.07.2021 stellte die bP erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.08.2021 gab die bP an, am 01.01.2000 in Mossul/Irak geboren zu sein. Sie sei ledig, bekenne sich zum Islam und gehöre der arabischen Volksgruppe an.
Zu ihren Ausreisegründen befragt gab die bP Folgendes an: „Unser Vater hat als Dolmetscher bei der amerikanischen Armee gearbeitet und deshalb sind wir auf der schwarzen Liste der Iraker und unser Leben ist immer in Gefahr. Deshalb hat unser Vater gesagt, dass wir unser Land verlassen müssen. Bei einer Rückkehr in den Irak „gibt es keine Sicherheit für unser Leben.“
In ihrer schriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.03.2022 im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache brachte die bP nach allgemeinen Belehrungen und Fragen zu ihren persönlichen Verhältnissen zum Fluchtgrund im Wesentlichen vor, dass es dafür zwei Gründe gäbe: Erstens wären die Turkmenen im Irak nicht gewollt. Sie würden als neutral angesehen werden und dies passe den anderen Irakern nicht. Zudem gab sie an: „Wir Turkmenen werden oft diskriminiert.“ Zweitens sei der Vater lange Zeit Dolmetscher bei den Amerikanern gewesen und habe die bP dadurch Angst. Die Amerikaner hätten gesagt, viele Familien der Dolmetscher seien in Gefahr. Das stünde auch in dem in Vorlage gebrachten Artikel der Washington Post. Zudem würden auch unterschiedliche Militärmilizen die Familien der Dolmetscher bedrohen. Auf Rückfrage durch das vernehmende Organ schildert die bP, dass sie in der Schule gemobbt worden wäre und diese nicht hätte weiter besuchen können; auf der Straße sei sie auch beschimpft worden, da „mein Vater mit Ungläubigen gearbeitet“ hätte.
Per Bescheid des Bundesamtes vom 10.10.2022, Zl.: 1281758304-211062322, wurde der Antrag abgewiesen, der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten wurden nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, gegen die bP wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und ihre Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Irak für zulässig erklärt.
Gegen diesen Bescheid brachte die bP fristgerecht Beschwerde ein.
Eine dagegen gerichtete Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht unter GZ. L531 2262234-1/12E am 20.09.2023 abgewiesen. Das Erstverfahren wurde am 20.09.2023 rechtskräftig abgeschlossen.
Am 27.10.2023 stellte die bP gegenständlichen Folgeantrag.
Bei der niederschriftlichen Erstbefragung am 27.10.2023 gab die bP vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt im Wesentlichen Folgendes an:
(…)
F: Ihr Verfahren wurde am 20.09.2023 bereits rechtskräftig entschieden. Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?
A: Die Lage im Irak hat sich nicht verbessert für uns, sondern verschlechtert. Mein Vater hat mit den Amerikanern zusammen gearbeitet als Dolmetscher und deswegen wird unsere Familie bedroht. Meine Eltern sind außerdem nicht mehr im Irak, sondern in der Türkei. Vor 2 Wochen hat das irakische Militär sich nach mir und meiner Familie erkundigt und wollte wissen wo wir sind. Sie bedrohen meinen Vater und wenn ich in den Irak zurück muss bedrohen sie auch mich. Außerdem sind wir Turkmenen und wir werden sehr schlecht behandelt im Irak. (…)“
Nach Zulassung des Verfahrens gab die bP bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Klagenfurt, am 15.05.2024 vor einem Organwalter des Bundesamtes im Wesentlichen Folgendes an:
(…)
F: Zu Ihren Fluchtgründen aus dem Erstverfahren, gibt es dazu Neuigkeiten, Ergänzungen, bzw. Änderungen? (Anmerkung: dem AW wird der Fluchtgeld aus dem Erstverfahren vorgelesen)
A: Die Fluchtgründe sind gleich. Aber die Milizen haben in unserer Ortschaft nach uns gefragt. Der Rechtsanwalt hat gesagt, dass ich das sagen soll.
F: Gibt es noch weitere Fluchtgründe?
A: Ich bin Turkmene und bin in meiner Ortschaft natürlich bedroht. Auch wegen der Arbeit meines Vaters für die Amerikaner bin ich natürlich bedroht.
F: Möchten Sie zu den Fluchtgründen noch etwas ergänzen?
A: Das ist alles. Ich wurde nur darüber informiert, dass die Leute in unserer Ortschaft die Milizen informieren sollen, wenn jemand unserer Familie in die Ortschaft zurückkommt.
F: Haben Sie alle Ihre Fluchtgründe genannt?
A: Ja das ist alles.
(…)
F: Hatten Sie persönlich jemals Schwierigkeiten oder Probleme mit den Behörden Ihres Herkunftsstaats?
A: Nein
F: Gehören Sie einer politischen Partei an?
A: Nein.
F: Ist gegen Sie in Ihrem HKS oder einem anderen Drittstaat ein Gerichtsverfahren anhängig?
A: Nein
F: Waren Sie in Haft oder wurden Sie jemals festgenommen? Wenn ja, warum? Wie oft insgesamt?
A: Nein.
F: Wurden Sie jemals von staatlicher oder privater Seite aufgrund Ihrer Herkunft, Volksgruppenzugehörigkeit, politischer Einstellung, sexuellen Orientierung, Religion o.ä. verfolgt?
A: Ja, weil ich Turkmene bin. Als ich in der Schule war, wurde ich immer bedroht, weil ich Turkmene bin. Ich wurde in der Schule auch immer bedroht, wegen der Arbeit meines Vaters.
(…)“
Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:
Von der bP vorgelegte Beweismittel:
? Dienstvertrag RMS- Gastronomie GmbH vom 15.02.2024
? Teilnahmebestätigung VHS „Durchstarten jetzt“ vom 07.05.2024
? Lohn/ Gehaltsabrechnungen Februar, März und April 2024
? AMS Bescheid Beschäftigungsbewilligung vom 31.01.2024, ABB-Nr.: 4406208
Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:
? Die niederschriftliche Erstbefragung bei der PI Fremdenpolizei Klagenfurt am 27.10.2023
? Die niederschriftliche Einvernahme vom 15.05.2024 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt
? Einsichtnahme in den Asylakt,
? Das Vorverfahren, insbesondere das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.09.2023 unter GZ: L531 2262234-1/12E
? Einsichtnahme in den Asylakt Ihres Bruders: IFA: 1281755008 XXXX , geb. XXXX ? Einsichtnahme in den Asylakt Ihres Bruders: IFA: 1281755008 römisch 40 , geb. römisch 40
? Aktuelle LIB Irak (COI CMS, Version 8, Veröffentlicht am 28.03.2024)
? Auszug aus dem fremdenrechtlichen Register vom 10.10.2022
? AJ-Web Auszug vom 10.10.2022
Die Behörde traf folgende Entscheidung:
„I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 27.10.2023 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.„I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 27.10.2023 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 27.10.2023 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.römisch II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 27.10.2023 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 68, Absatz eins, AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
III. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wird Ihnen nicht erteilt.römisch III. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG wird Ihnen nicht erteilt.
IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. römisch IV. Gemäß Paragraph 10, Absatz 1 Ziffer 3 AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 87 aus 2012, (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 100 aus 2005, (FPG) idgF, erlassen.
V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig ist. römisch fünf. Es wird gemäß Paragraph 52, Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Irak zulässig ist.
VI. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.“römisch VI. Gemäß Paragraph 55, Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.“
Das Bundesamt begründete die entschiedene Sache im Wesentlichen damit, dass die bP keine maßgebliche und glaubhafte Änderung der Sach- und/oder Rechtslage darzustellen vermochte. Die bP begehre damit im Wesentlichen über die gleiche Sache nochmals zu entscheiden. Abschiebungshindernisse würden nicht vorliegen. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung seien höher zu werten als die privaten Interessen an einem Verbleib.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Zur Person:
Die Identität der bP ist lt. Bundesamt ungeklärt. Sie ist irakischer Staatsangehöriger und gehört der turkmenischen Volksgruppe im Irak an und ist muslimischen Glaubens.
Die bP ist gesund und arbeitsfähig. Geboren und aufgewachsen ist sie in Mossul.
Im Vorverfahren, rk. abgeschlossen nach Verhandlung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.09.2023, L531 2262234-1/12E, wurde zur persönlichen Gefährdungslage der bP – (nachstehend auch bP2; bei der bP1 handelt es sich um den Bruder der bP) - ua Folgendes festgestellt:
„Die bP2 ist ledig und hat keine Kinder. Sie wurde im Ort al-Ayadia geboren und ist [dort wie die bP1] mit ihrer Familie bis zum Jahr 2014 aufgewachsen. Sie hat etwa sechs Jahre die Schule besucht, keine Berufsausbildung abgeschlossen und war im Irak nicht berufstätig.
Aufgrund des Einmarsches des IS im Jahr 2014 übersiedelte die Familie der bP1 nach Fayda, in der Autonomen Region Kurdistan (KRI), etwa 60 km nördlich von Mossul. Die Familie der bP lebte gemeinsam in einem Haus, welches der Vater angemietet hatte. Sie wohnten nicht in einem Vertriebenencamp.
(…)
II.1.2. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:römisch II.1.2. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:
Die bP1 und 2 gehören in ihrem Herkunftsstaat keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und waren vor ihrer Ausreise keiner individuellen Verfolgung oder sonstiger Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen aufgrund ihrer turkmenischen Volksgruppenzugehörigkeit oder ihres islamisch-sunnitischen Religionsbekenntnisses ausgesetzt und werden im Falle einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion einer solchen auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein.
Auch hatten sie vor ihrer Ausreise keine Probleme mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften ihres Herkunftsstaates zu gewärtigen und verließen sie den Herkunftsstaat legal unter Verwendung ihres irakischen Reisepasses.
Schließlich konnte nicht festgestellt werden, dass die bP1 und/oder die bP2 wegen der früheren Tätigkeit ihres Vaters vom Frühjahr 2004 bis zum 03.03.2009 als Dolmetscher für die amerikanischen Streitkräfte und/oder amerikanische Regierungsagenturen im Zuge der Operation Iraqi Freedom einer individuellen und aktuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen wären oder im Falle ihrer Rückkehr in den Irak ausgesetzt wären.
Den beschwerdeführenden Parteien bzw. der Familie wurden vor ihrer Ausreise auch keine Nähe zum Islamischen Staat unterstellt und wurden von diesem auch nicht aufgefordert sich an Kampfhandlungen zu beteiligen.
Weder der bP1 noch der bP2 droht im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der bP festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe, sowie kriegerische Ereignisse oder terroristische Anschläge oder eine mangelnde existenzielle Lebensgrundlage im Irak.
Sowohl der Heimatort der bP wie auch der letzte Wohnort sind im Luftweg mittels Linienflügen (Wien Schwechat – Erbil) und sodann weiter über die Schnellstraße 2 über Mossul in jeweils ca. 2 bis 3 Stunden sicher und gefahrlos erreichbar. Auch kamen keine Tatsachen hervor, wonach den bP vom Flughafen Erbil aus eine gefahrlose Rückkehr in ihre Heimatregion nicht möglich wäre.
Die bP1 verfügt zumindest über einen Staatsbürgerschaftsnachweis und einen Personalausweis in Kopie. Die bP2 verfügt ebenso zumindest über einen Staatsbürgerschaftsnachweis und einen Personalausweis in Kopie.“
Zu den Gründen für den am 27.10.2023 gestellten 2. Antrag auf internationalen Schutz:
Die bP begründete den Folgeantrag beim Bundesamt nicht glaubhaft damit, dass die im ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe bzw. Rückkehrprobleme noch immer aufrecht seien und ihr dadurch Verfolgung drohe.
Aus der allgemeinen Lage im Irak ergibt sich für Personen mit dem Persönlichkeitsprofil der bP auch unter Berücksichtigung der aktualisierten Position des UNHCR von 2024 nach wie vor keine reale und entscheidungsrelevante Gefährdung ihrer hier maßgeblichen Rechtsgüter.
Es besteht nach wie vor keine reale Gefahr, dass die bP im Falle der Rückkehr in den Irak in eine existentiell aussichtslose Lage geraten würde.
Zum Privat- und Familienleben in Österreich:
Feststellungen zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG im Erstverfahren (20.09.2023):
„Die bP haben in Österreich keine weiteren Verwandten. In Deutschland lebt eine Tante der bP, in Schweden ein weiterer Verwandter und in Norwegen ist ein Bruder der bP aufhältig. Zu diesen Personen besteht keine spezielle Beziehung.
Die beiden Brüder begründeten nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet bis 22.11.2021 und sodann nochmals von 17.01.2022 bis 10.05.2023 einen gemeinsamen Haushalt. Seit 20.06.2023 sind sie wieder in einem gemeinsamen Haushalt gemeldet.
Die bP2 hat seit etwa 5 bis 6 Monaten eine Freundin, die gleichzeitig eine Arbeitskollegin ist.
(…)
Die bP2 hat Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und zwar „Taschengeld“ von 02.08.2021 bis 18.11.2021; „Verpflegung“ von 03.08.2021 bis 01.02.2023;
„Krankenversicherung“ von 03.08.2021 bis 06.02.2023; „Quartier“ bis 15.06.2023; „Unterbringung“ und „Bekleidungshilfe“ bis Anfang 2023.
(…)
Der bP2 wurde mit Bescheid des AMS Klagenfurt vom 19.01.2023 eine Beschäftigungsbewilligung für die XXXX gültig von 11.05.2023 bis 10.05.2024 als „Gastgewerbliche Hilfskraft“ im Ausmaß von 35 Stunden ausgestellt und ist die bP2 seit 07.02.2023 bei dem im Bescheid genannten Arbeitgeber laufend beschäftigt.Der bP2 wurde mit Bescheid des AMS Klagenfurt vom 19.01.2023 eine Beschäftigungsbewilligung für die römisch 40 gültig von 11.05.2023 bis 10.05.2024 als „Gastgewerbliche Hilfskraft“ im Ausmaß von 35 Stunden ausgestellt und ist die bP2 seit 07.02.2023 bei dem im Bescheid genannten Arbeitgeber laufend beschäftigt.
(…)
Die bP2 hat am 13.07.2022 die Integrationsprüfung auf Sprachniveau A1 bestanden und spricht gut Deutsch.
bP1 wie auch bP2 haben in Österreich an mehreren Kursen zu unterschiedlichen Themen (Gesundheit sowie Computerwissen) teilgenommen. Sie haben in Österreich keine Berufsausbildung abgeschlossen.
Die bP sind weder Mitglied in einem Verein noch ehrenamtlich engagiert.
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.
Die bP verfügen über soziale Kontakte, spielen in ihrer Freizeit Fußball und haben vor allem im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit Kontakte geschlossen.
Die beiden Brüder stehen sich nahe und sind durch ihre jeweilige berufliche Tätigkeit in der Lage, selbständig ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Die bP möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit Ende Juli 2021 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein und konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung unbegründeter Anträge auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren.
Eine besondere Integration in beruflicher, gesellschaftlicher oder sozialer Hinsicht in Österreich konnte nicht festgestellt werden.
Bei den beiden volljährigen bP handelt es sich um mobile, gesunde und arbeitsfähige junge Männer. Sie stammen aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und gehören die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.
Die bP stammen aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und können die bP daher Unterstützung durch die Familien ihrer Schwestern erwarten. Es befinden sich nach wie vor Freunde und Bekannte der bP im Irak.
Die bP verfügen im Rahmen einer Gesamtschau über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.“
Feststellungen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung im Folgeverfahren:
Die bP hat der seit rk. Entscheidung des BVwG vom 20.09.2023 bestehenden Ausreiseverpflichtung keine Folge geleistet. Ebenso verblieb sie, ungeachtet der diesbezüglichen Strafbarkeit, folglich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Strafrechtlich ist die bP unbescholten.
Die bP lebt auch aktuell in keiner Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Die bP ging von 15.02.2024 bis zum 20.06.2024 einer Erwerbstätigkeit nach. Eine dauerhafte wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit liegt nicht vor. Seit der rk. Entscheidung des BVwG kamen keine Umstände hervor, die eine außergewöhnliche Integration darstellen würden.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat
Aus nachfolgend genannten Quellen (einschließlich darin zitierter Berichte) ergeben sich nachfolgende Feststellungen über die relevante Lage:
Version 8
Datum der Veröffentlichung: 2024-03-28
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-27 13:35
Mit dem gewaltsamen Sturz Saddam Husseins und der Ba’ath-Partei im März 2003 (KAS 2.5.2018, S.2; vgl.DFAT 17.8.2020, S.9) wurde die politische Landschaft des Irak enorm verändert (KAS 2.5.2018, S.2; vgl. Fanack 8.7.2020). 2005 hielt der Irak erstmals demokratischeMit dem gewaltsamen Sturz Saddam Husseins und der Ba’ath-Partei im März 2003 (KAS 2.5.2018, S.2; vgl.DFAT 17.8.2020, S.9) wurde die politische Landschaft des Irak enorm verändert (KAS 2.5.2018, S.2; vergleiche Fanack 8.7.2020). 2005 hielt der Irak erstmals demokratische
Wahlen ab und führte eine Verfassung ein, die zahlreiche Menschenrechtsbestimmungen enthält. Das Machtvakuum infolge des Regimesturzes und die Misswirtschaft der Besatzungstruppen führten hingegen zu einem langwierigen Aufstand gegen die US-geführten Koalitionstruppen (DFAT 17.8.2020, S.9). Dieses gemischte Bild ist das Ergebnis der intensiven politischen Dynamik, die durch den Aufstieg des Islamischen Staates (IS) auf eine harte Probe gestellt wurde (KAS 2.5.2018, S.2).
Gemäß der Verfassung von 2005 ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine der Hauptquellen der Gesetzgebung (AA 28.10.2022, S.6; vgl. Fanack 8.7.2020). Das Land ist in Gouvernements (muhafaz?t) unterteilt (Fanack 8.7.2020; vgl. DFAT 16.1.2023, S.9), jedes mit einem gewählten Rat. Die Gouverneure werden vom Präsidenten auf Anraten der Bundesregierung ernannt (DFAT 16.1.2023, S.9). Am 16.3.2023 hat das irakische Kabinett as-Sudanis Halabja offiziell als 19. irakisches Gouvernement anerkannt, nachdem die Kurdische Regionalregierung (KRG) bereits am 13.3.2014 beschlossen hatte, es zu einem Gouvernement zu erheben (Alaraby 13.3.2023).Gemäß der Verfassung von 2005 ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch republikanischer Staat. Der Islam ist Staatsreligion und eine der Hauptquellen der Gesetzgebung (AA 28.10.2022, S.6; vergleiche Fanack 8.7.2020). Das Land ist in Gouvernements (muhafaz?t) unterteilt (Fanack 8.7.2020; vergleiche DFAT 16.1.2023, S.9), jedes mit einem gewählten Rat. Die Gouverneure werden vom Präsidenten auf Anraten der Bundesregierung ernannt (DFAT 16.1.2023, S.9). Am 16.3.2023 hat das irakische Kabinett as-Sudanis Halabja offiziell als 19. irakisches Gouvernement anerkannt, nachdem die Kurdische Regionalregierung (KRG) bereits am 13.3.2014 beschlossen hatte, es zu einem Gouvernement zu erheben (Alaraby 13.3.2023).
Die folgende politische Karte weist die administrativen Grenzen der 19 irakischen Gouvernements auf, sowie die Lage der Bundeshauptstadt, der Provinzhauptstädte und weiterer bedeutender Städte.
Quelle: MapsofIndia 6.4.2023
Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (BS 29.4.2020, S. 11; vgl. RIL 15.10.2005, S. 14). An der Spitze der Exekutive steht der Präsident, welcher mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (arab.: majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 8.7.2020). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert die Souveränität und Einheit des Staates (DFAT 17.8.2020, S. 17). Das zweite Organ der Exekutive ist der Premierminister,Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (BS 29.4.2020, Sitzung 11; vergleiche RIL 15.10.2005, Sitzung 14). An der Spitze der Exekutive steht der Präsident, welcher mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (arab.: majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 8.7.2020). Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und repräsentiert die Souveränität und Einheit des S