Entscheidungsdatum
03.09.2024Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W227 2237549-2/32E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Amtsbeschwerde der Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmed) vom 5. Juni 2023 gegen den Bescheid der Schiedskommission der Vetmed vom 22. Mai 2023, ZI. 516/2020, nach einer mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2024 und 2. Juli 2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Am 22. Juli 2020 informierte die Rektorin der Vetmed (in der Folge: Beschwerdeführerin) den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen an der Vetmed (in der Folge: AKG) über ihre Absicht, die im Mitteilungsblatt der Vetmed vom 30. April 2020 ausgeschriebene und auf vier Jahre befristete Vollzeitstelle eines Resident (Residents sind Tierärzte in Ausbildung für ein Spezialgebiet der Veterinärmedizin nach einem von europäischen oder US-amerikanischen Colleges vorgegebenen Curriculum) ECVS (European College of Veterinary Surgeons) – Kleintierchirurgie an der Vetmed, Kennzahl 2020/0504, an Dr. XXXX (in der Folge: Erstgereihter) als bestgeeigneten Kandidaten zu vergeben. 1. Am 22. Juli 2020 informierte die Rektorin der Vetmed (in der Folge: Beschwerdeführerin) den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen an der Vetmed (in der Folge: AKG) über ihre Absicht, die im Mitteilungsblatt der Vetmed vom 30. April 2020 ausgeschriebene und auf vier Jahre befristete Vollzeitstelle eines Resident (Residents sind Tierärzte in Ausbildung für ein Spezialgebiet der Veterinärmedizin nach einem von europäischen oder US-amerikanischen Colleges vorgegebenen Curriculum) ECVS (European College of Veterinary Surgeons) – Kleintierchirurgie an der Vetmed, Kennzahl 2020/0504, an Dr. römisch 40 (in der Folge: Erstgereihter) als bestgeeigneten Kandidaten zu vergeben.
2. Dagegen erhob der AKG fristgerecht (siehe dazu BVwG 17.12.2021, W227 2237549-1) eine Diskriminierungsbeschwerde an die Schiedskommission der Vetmed (in der Folge: belangte Behörde).
Darin führte der AKG im Wesentlichen aus:
Es bestünde gegen den Erstgereihten der begründete Verdacht einer geschlechtsbezogenen Belästigung. Durch die bekannt gewordenen glaubwürdigen Vorwürfe einer verbalen sexuellen Belästigung über einen längeren Zeitraum sei die neben der fachlichen Eignung für eine Aufnahme auch entscheidende Beurteilung der sozialen Kompetenz des Kandidaten in Frage gestellt. Diese Vorwürfe seien nicht entsprechend gewürdigt und das Aufnahmeverfahren auch nicht eingestellt worden. Daher werde das vorliegende Aufnahmeverfahren gemäß § 42 Abs. 8 Universitätsgesetz 2002 (UG) beeinsprucht und Beschwerde wegen des Verdachts einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erhoben.Es bestünde gegen den Erstgereihten der begründete Verdacht einer geschlechtsbezogenen Belästigung. Durch die bekannt gewordenen glaubwürdigen Vorwürfe einer verbalen sexuellen Belästigung über einen längeren Zeitraum sei die neben der fachlichen Eignung für eine Aufnahme auch entscheidende Beurteilung der sozialen Kompetenz des Kandidaten in Frage gestellt. Diese Vorwürfe seien nicht entsprechend gewürdigt und das Aufnahmeverfahren auch nicht eingestellt worden. Daher werde das vorliegende Aufnahmeverfahren gemäß Paragraph 42, Absatz 8, Universitätsgesetz 2002 (UG) beeinsprucht und Beschwerde wegen des Verdachts einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erhoben.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Diskriminierungsbeschwerde gemäß §§ 3, 4 und 4a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) und §§ 3 Z 9, §§ 41, 42 Abs. 1 und 8, 43 Abs. 5 und § 44 UG statt.3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Diskriminierungsbeschwerde gemäß Paragraphen 3,, 4 und 4a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) und Paragraphen 3, Ziffer 9,, Paragraphen 41,, 42 Absatz eins und 8, 43 Absatz 5 und Paragraph 44, UG statt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde könne lediglich die Frage sein, ob die Beschwerdeführerin beim Treffen ihrer Auswahlentscheidung rechtmäßig vorgegangen sei oder nicht und ob eine (allenfalls) rechtswidrige Entscheidung eine Diskriminierung von Dr. XXXX (in der Folge: Zweitgereihte) aus Gründen des Geschlechts bewirkt habe. Ein nicht vollständig und nicht nachvollziehbar durchgeführtes Auswahlverfahren sei unzureichend. Die belangte Behörde dürfe (jedoch) nicht selbst Wertungen der Bewerber vornehmen, sondern habe nur festzustellen, ob die herangezogenen Argumente in der Begründung dargelegt worden seien und die Bewertung der Kandidaten im Einklang mit den Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Erkenntnissen der Wissenschaft erfolgt seien. Diesen Kriterien genügten jedoch weder der gegenständliche Aufnahmevorschlag von Univ.-Prof. Dr. XXXX welcher sich lediglich mit den Qualifikationen des Erstgereihten befasst habe, noch die Auswahlentscheidung der Beschwerdeführerin. Auch das herangezogene Beurteilungsraster behebe dieses Manko nicht, da es lediglich als Beilage zu diesem Aufnahmevorschlag diene, von Univ.-Prof. Dr. XXXX weder verfasst noch unterschrieben worden sei und inhaltlich unrichtig sei, da etwa beide Kandidaten zum damaligen Zeitpunkt noch kein Doktorat gehabt hätten; auch seien zwei wesentliche Kriterien („Engagement“ und „Teamfähigkeit“) in eines zusammengefasst und nicht getrennt beurteilt worden. Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde könne lediglich die Frage sein, ob die Beschwerdeführerin beim Treffen ihrer Auswahlentscheidung rechtmäßig vorgegangen sei oder nicht und ob eine (allenfalls) rechtswidrige Entscheidung eine Diskriminierung von Dr. römisch 40 (in der Folge: Zweitgereihte) aus Gründen des Geschlechts bewirkt habe. Ein nicht vollständig und nicht nachvollziehbar durchgeführtes Auswahlverfahren sei unzureichend. Die belangte Behörde dürfe (jedoch) nicht selbst Wertungen der Bewerber vornehmen, sondern habe nur festzustellen, ob die herangezogenen Argumente in der Begründung dargelegt worden seien und die Bewertung der Kandidaten im Einklang mit den Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Erkenntnissen der Wissenschaft erfolgt seien. Diesen Kriterien genügten jedoch weder der gegenständliche Aufnahmevorschlag von Univ.-Prof. Dr. römisch 40 welcher sich lediglich mit den Qualifikationen des Erstgereihten befasst habe, noch die Auswahlentscheidung der Beschwerdeführerin. Auch das herangezogene Beurteilungsraster behebe dieses Manko nicht, da es lediglich als Beilage zu diesem Aufnahmevorschlag diene, von Univ.-Prof. Dr. römisch 40 weder verfasst noch unterschrieben worden sei und inhaltlich unrichtig sei, da etwa beide Kandidaten zum damaligen Zeitpunkt noch kein Doktorat gehabt hätten; auch seien zwei wesentliche Kriterien („Engagement“ und „Teamfähigkeit“) in eines zusammengefasst und nicht getrennt beurteilt worden.
Das unzureichende Auswahlverfahren habe somit eine objektive und umfassende Überprüfung verhindert. Folglich sei eine Anfechtung des Auswahlverfahrens und damit eine Anfechtung der Auswahlentscheidung der Beschwerdeführerin durch den AKG zulässig.
Es sei somit festzustellen, dass die Auswahlentscheidung der Beschwerdeführerin eine Diskriminierung (jedenfalls) der Zweitgereihten aus Gründen des Geschlechts darstelle.
Auf die Frage, ob die dem Erstgereihten vorgeworfene verbale sexuelle Belästigung der Entscheidung für eine Aufnahme des Erstgereihten auf die Resident-Stelle hätte entgegenstehen müssen, sei von der belangten Behörde (hingegen) nicht einzugehen gewesen. Diese Frage hätte sich erst im weiteren Verlauf eines zu vervollständigenden Auswahlverfahrens gestellt.
4. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die vorliegende Beschwerde, in der sie zusammengefasst vorbringt:
Die belangte Behörde habe über eine Frage entschieden, die gar nicht Gegenstand der Diskriminierungsbeschwerde des AKG gewesen sei, weil laut den Beschwerdeschreiben des AKG Beschwerdegegenstand ausschließlich die ,,Diskriminierung der von der sexuellen Belästigung betroffenen Personen“ sei. Ob eine Diskriminierung anderer Bewerber vorliege, könne daher nicht Verfahrensgegenstand sein.
Weiters sei das verwendete Beurteilungsraster vom AKG „akzeptiert“ und nicht innerhalb der Beschwerdefrist beeinsprucht worden.
Auch das (nicht vorhandene) Doktorat sei nicht relevant, da beide Kandidaten zum Entscheidungszeitpunkt keines aufgewiesen hätten. Das Verhalten des Erstgereihten könne zwar als Diskriminierung eingeschätzt werden, das heiße aber nicht, dass auch die Auswahlentscheidung eine Diskriminierung darstelle. Dass der Erstgereihte und die Zweitgereihte in den Bereichen „Engagement“ und „Teamfähigkeit“ die gleiche Punkteanzahl erhalten hätten, sei sachlich gerechtfertigt. Abgesehen davon sei mit der mündlichen Verwarnung am 5. August 2020, der schriftlichen Verwarnung am 16. September 2020 und der Androhung entsprechender arbeitsrechtlicher Konsequenzen eine angemessene Abhilfe geschaffen worden, um weitere sexuelle Belästigungen hintanzuhalten.
Weiters würden allfällige Mängel im Auswahlverfahren nicht zu einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts führen. Die fachlich begründete Auswahl eines Kandidaten bewirke keine Diskriminierung. So werde der Vorwurf der Diskriminierung durch den Nachweis der (im gesamten Verfahren unbestritten gebliebenen) besseren fachlichen Eignung des Erstgereihten entkräftet. Zudem habe die belangte Behörde keine abwägende Gegenüberstellung der Bewerber vorgenommen, welche die Feststellung der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts nachvollziehbar gemacht hätte.
Schließlich könne die belangte Behörde keine Diskriminierung feststellen, wenn sie auf die Frage, ob die vorgeworfene verbale sexuelle Belästigung der Entscheidung der Aufnahme des Erstgereihten entgegenstehen müsste, nicht eingegangen sei.
5. Am 23. Mai 2024 und am 2. Juli 2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, im Rahmen derer u.a. die Sach- und Rechtslage erörtert wurde, weitere bzw. fehlende Unterlagen eingeholt und Zeugen befragt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Erstgereihte und die Zweitgereihte waren (jeweils) als „Universitätsassistent/Fellow“ in der Organisationseinheit Kleintierchirurgie der Vetmed beschäftigt.
Am 30. April 2020 wurde im Mitteilungsblatt der Vetmed eine Stelle als „Resident-ECVS – Kleintierchirurgie“ für ein auf vier Jahre befristetes Arbeitsverhältnis im Ausmaß von 40 Wochenstunden und der Einstufung in die Verwendungsgruppe B1 nach dem Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer der Universitäten öffentlich ausgeschrieben; das Ende der Bewerbungsfrist war der 25. Mai 2020, als Tätigkeitsbeginn wurde der 15. Juli 2020 angeführt.
Die geforderten Kriterien in der Ausschreibung lauten:
„Erforderliche Ausbildung, Qualifikationen und Kenntnisse
? AbsolventIn des Diplomstudiums Veterinärmedizin
? Absolvierung eines Rotating Internship oder einer zweijährigen vergleichbaren Erfahrung
? Deutsch in Wort und Schrift (C1-Level), Englisch (B2-Level)
Weitere erwünschte Qualifikationen und Kompetenzen
? Doktorat
? Praxiserfahrung bzw. Forschungserfahrung
? Teamfähigkeit
? Engagement sowie hohe Leistungsbereitschaft
Weitere Dokumente
? Lebenslauf mit Foto
? 2 Empfehlungsschreiben nicht älter als 6 Monate
? 1 Case-Log
? Motivationsschreiben“
Der Tätigkeitsbereich eines Resident an der Vetmed in der Organisationseinheit Kleintierchirurgie umfasst Forschung (13 %), Lehre (5 %), wissenschaftliche Dienstleistung (75 %) und Erwerben von Fachwissen für Residency (7 %). Geforscht wird im Team mit Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Im Rahmen der Lehre unterrichten Residents Studierende in Kleingruppen (z.B. Operationsbeispiele, Verbandsübungen). Im Rahmen der wissenschaftlichen Dienstleistung ist der Resident vor allem klinisch tätig und arbeitet insbesondere mit Assistenten, Pflegern, anderen Chirurgen und Anästhesisten zusammen.
Den Residents sind Junior-Assistenten und Interns untergeordnet.
Für diese ausgeschriebene Stelle gab es 16 Bewerber.
Frau Dr. XXXX verfasste im Juni 2020 ein Beurteilungsraster zu diesen 16 Bewerbern, aufgegliedert nach den in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen. Allerdings wurden die Voraussetzungen „Teamfähigkeit“ und „Engagement sowie hohe Leistungsbereitschaft“ zu einer gemeinsamen Bewertung („Teamfähigkeit/Engagement“) zusammengefasst und nicht getrennt beurteilt. Frau Dr. römisch 40 verfasste im Juni 2020 ein Beurteilungsraster zu diesen 16 Bewerbern, aufgegliedert nach den in der Ausschreibung genannten Voraussetzungen. Allerdings wurden die Voraussetzungen „Teamfähigkeit“ und „Engagement sowie hohe Leistungsbereitschaft“ zu einer gemeinsamen Bewertung („Teamfähigkeit/Engagement“) zusammengefasst und nicht getrennt beurteilt.
Auf Grundlage dieses Beurteilungsrasters erhielt der Erstgereihte folgende Punkte:
Internship
Abgeschl. Studium
Englisch/
Deutsch
Klinische Erfahrung/Forschung
Doktorat
Teamfähigkeit/
Engagement
3
3
3/3
3/2
3
3
Auf Grundlage dieses Beurteilungsrasters erhielt die Zweitgereihte folgende Punkte:
Internship
Abgeschl. Studium
Englisch/
Deutsch
Klinische Erfahrung/Forschung
Doktorat
Teamfähigkeit/
Engagement
3
3
2/3
3/2
3
3