TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/20 93/09/0341

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Veröffentlicht am 20.04.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des E in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Mai 1993, Zl. OB. 116-279850-009, betreffend Kriegsopferversorgung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, das heißt insoweit, als das Begehren des Beschwerdeführers auf Anerkennung eines "Nervenleidens" als Dienstbeschädigung wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezieht eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. Als Dienstbeschädigungen sind eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit (mit einem Kausalitätsanteil von zwei Dritteln) und eine Narbe über der rechten Augenbraue anerkannt.

Bereits im Jahr 1974 hatte der Beschwerdeführer ein "Nervenleiden" (bedingt durch die Schwerhörigkeit) als zusätzliche Dienstbeschädigung geltend gemacht. Ein dazu am 4. November 1974 eingeholtes neurologisches Gutachten kam zu der Beurteilung, daß es sich bei der nervlichen Störung (lebhafte vaso-vegetative Überregbarkeit und in diesem Rahmen auch ein leichtes Kopfzittern auf psychogener Basis) um eine anlage- und persönlichkeitsbedingte seelische Fehlentwicklung handle. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 5. März 1975 wurde deshalb der Antrag auf Anerkennung des geltend gemachten Nervenleidens als Dienstbeschädigung abgelehnt.

Einem am 10. Juli 1982 allgemein gestellten Antrag auf Anerkennung (unter anderem) einer Gesundheitsschädigung "Nerven" als Dienstbeschädigung kam ebenfalls kein Erfolg zu. Mit Bescheid vom 19. Oktober 1982 wies das Landesinvalidenamt den Antrag wegen entschiedener Sache zurück und verwies dazu auf die mit Bescheid vom 5. März 1975 erfolgte rechtskräftige Abweisung. Der neuerliche Antrag vom 10. Juni 1982 stütze sich im wesentlichen auf den gleichen Sachverhalt, der schon der seinerzeitigen rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt worden sei (das Nervenleiden betreffende Sachverhaltsfeststellungen erfolgten im Bescheid nicht).

Am 17. Jänner 1989 stellte der Beschwerdeführer neuerlich (niederschriftlich) einen Antrag auf Anerkennung seines "Nervenleidens als Dienstbeschädigung gemäß § 4 KOVG". Diesen Antrag wies das Landesinvalidenamt mit Bescheid vom 13. September 1989 wiederum wegen entschiedener Sache zurück. Der neuerliche Antrag vom 17. Jänner 1989 gründe sich im wesentlichen auf den gleichen Sachverhalt, der schon der rechtlichen Beurteilung im Bescheid vom 5. März 1975 zugrundegelegt worden sei. Auch nach einem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 24. April 1989 sei im Leidenszustand keine wesentliche Änderung eingetreten. Es handle sich nach wie vor um die Folge eines anlagemäßig bedingten und schicksalshaft verlaufenden Zustandes, der in keinem Zusammenhang mit dem Wehrdienst oder wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen stehe.

Bei dem in der Bescheidbegründung erwähnten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 24. April 1989 handelte es sich um ein nervenfachärztliches Gutachten, das sich wiederum auf ein im Rahmen eines Gerichtsverfahrens am 22. Dezember 1983 erstelltes Gutachten stützte. Das Gerichtsgutachten war in einem Strafverfahren erstellt worden und zu dem Ergebnis gekommen, daß der Beschwerdeführer an einer Psychose im Sinne einer Paranoia querulans leide (sodaß - für vorgeworfene "Verbalinjurien" - die medizinisch-psychiatrischen Schuldausschließungsgründe des § 11 StGB vorlägen). Das Gutachten vom 24. April 1989 beurteilte die Paranoia querulans als Nicht-Dienstbeschädigung, weil diese nach allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erfahrung Folge eines anlagemäßig bedingten und schicksalhaft verlaufenden Zustandes sei und in keinen wie immer gearteten Kausalkonnex mit dem Wehrdienst oder wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen, insbesondere der offensichtlich vorliegenden, voll restituierbaren Folgen eines banalen Schädeltraumas, gebracht werden könne.

Im Zuge eines Berufungsverfahrens nach Abweisung eines Antrages auf Neubemessung der zuerkannten Grundrente machte der Beschwerdeführer in der Berufungsschrift vom 4. Mai 1991 neuerlich auf seine Leiden "Nerven - Gicht - Rheuma" aufmerksam. In der abweisenden Berufungserledigung zur Frage der Neubemessung der Beschädigtenrente vom 17. Jänner 1992 wurde darauf hingewiesen, daß über die erst in der Berufung geltend gemachten Leiden "Nerven, Gicht und Rheuma" die Behörde erster Instanz (das Landesinvalidenamt) entscheiden werde.

Ein unter anderem zur Frage des Nervenleidens beim Landesinvalidenamt erstelltes ärztliches Gutachten vom 8. Mai 1992 kommt zu dem Schluß, daß es sich dabei (Nervenleiden mit Zittern beider Knie, Angstträume) um ein schicksalshaftes Leiden handle, das in keinem kausalen Zusammenhang mit der Dienstbeschädigung stehe. Gegenüber "Vergleichsgutachten" sei in bezug auf die Dienstbeschädigung keine wesentliche Veränderung eingetreten.

Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten wies das Landesinvalidenamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung u.a. des "Nervenleidens" mit Bescheid vom 9. Juni 1992 wegen entschiedener Sache zurück. Bereits mit den in Rechtskraft erwachsenen Bescheiden vom 19. Oktober 1982 und 13. September 1989 seien entsprechende Anträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Der neuerliche Antrag vom 8. Mai 1991 (richtig wohl: 4. Mai 1991) stütze sich im wesentlichen auf den gleichen Sachverhalt, der schon der rechtlichen Beurteilung in den Bescheiden vom 19. Oktober 1982 und 13. September 1989 zugrundegelegt worden sei. Auch nach dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 8. Mai 1992 sei im Leidenszustand keine wesentliche Änderung eingetreten. Nach wie vor handle es sich bei dem Nervenleiden um die Folge eines anlagebedingten, schicksalshaft verlaufenden Zustandes, der in keinem Zusammenhang mit dem Wehrdienst oder wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen stehe.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wird zum Nervenleiden eingewendet, daß dieses sehr wohl mit dem Wehrdienst bzw. den wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen im Zusammenhang stehe, weil der Beschwerdeführer im Zuge eines Fronteinsatzes verschüttet gewesen und durch diese Verschüttung ein Trauma ausgelöst worden sei, an dessen Folgen er noch heute leide. Im Berufungsverfahren wurde weiters ein "nervenärztlicher Befundbericht" vom 13. Oktober 1992 (verfaßt von Dr. M) beigebracht. Nach Darstellung der Anamnese kommt der Arzt zur Diagnose unter anderem einer "paranoiden Verarbeitung", die durch die Schwerhörigkeit infolge der Kriegsverletzung ausgelöst worden sei. Eine zusätzliche anlagebedingte Komponente sei schwierig abzuschätzen. Die kriegsbedingte Komponente sei zumindest als teilkausal aufzufassen.

Seitens der belangten Behörde wurden zum Berufungsvorbringen verschiedene fachärztliche Gutachten eingeholt:

Im nervenärztlichen Gutachten vom 20. Oktober 1992 trifft der ärztliche Sachverständige Dr. G die Beurteilung, daß es sich bei dem vom Beschwerdeführer angegebenen "Nervenleiden", nämlich dem Zittern, um einen arteriosklerotischen Tremor handle, der altersbedingt sei und keine Dienstbeschädigung darstelle. Neu angegeben (auch nicht in der Berufung aufscheinend) werde nunmehr auch eine psychische Belastung durch die Schwerhörigkeit, eine Erfahrung, die alle Schwerhörigen machten, und mit der sie je nach ihrer Persönlichkeitsstruktur fertig werden müßten. Der nervenärztliche Befund beziehe sich auf diese Tatsache, wobei der Diagnose einer paranoiden Reaktion nicht gefolgt werden könne, weil die Erlebnisse des Beschwerdeführers den Tatsachen entsprechen und keine paranoiden Ideen nachweisbar seien. Aber auch bei einer paranoiden Reaktion würde es sich nicht um eine Geisteskrankheit handeln, sondern ebenfalls nur um eine "Reaktion".

Ein weiteres Sachverständigengutachten vom 23. November 1992 (erstellt von Dr. T) stellt fest, die als "Nervenleiden" angeführte Symptomatik könne nicht als Dienstbeschädigung anerkannt werden, weil es sich eindeutig um ein altersbedingtes Leiden handle. Es bestehe kein Zusammenhang mit der Dienstbeschädigung. Die psychogene Reaktion bei Schwerhörigkeit stelle eine oft vorkommende Symptomatik bei allen Schwerhörigen, unabhängig von der Kausalität des Leidens, dar (daher keine Dienstbeschädigung).

In einer Äußerung zu diesen Gutachten vom 1. Februar 1992 (richtig wohl: 1993) wird vom Beschwerdeführer ausgeführt, daß den Feststellungen entgegengetreten werden müsse, wonach die psychogene Reaktion der Schwerhörigkeit keine Dienstbeschädigung darstelle. Dr. T habe selbst in seinem Gutachten ausgeführt, daß dies eine Folge der Schwerhörigkeit darstelle. Da die Schwerhörigkeit zu einem kausalen Anteil von zwei Dritteln als Dienstbeschädigung anerkannt sei, müsse "unbedingt" auch die psychogene Reaktion, welche allein auf die Schwerhörigkeit zurückzuführen sei, mit demselben kausalen Faktor als Dienstbeschädigung anerkannt werden. Um neuerliche Überprüfung des Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren werde ersucht. Dieser Stellungnahme war weiters eine ärztliche Bestätigung einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie (Prim.Dr. H) vom 18. Jänner 1993 angeschlossen, in der davon die Rede ist, bei dem Beschwerdeführer sei es aufgrund der bestehenden Hörschwierigkeiten zu einer zunehmenden Freudlosigkeit, inneren Unruhe und Angstzuständen gekommen. Auch paranoide Tendenzen seien während des Gespräches nicht ausschließbar, da der Beschwerdeführer an den Gesprächen seiner Umgebung nicht teilnehmen könne, oft Dinge falsch verstehe oder "gar nicht mitbekomme". Es handle sich dabei zusammenfassend um eine symptomatische Depression.

In der Folge gab die belangte Behörde neuerlich die Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens (insbesondere zur Berücksichtigung der Einwendungen im Berufungsverfahren) in Auftrag.

Das sodann von Univ.Prof.Dr. K am 18. Februar 1993 erstellte Gutachten kam unter Berücksichtigung der bisher im Berufungsverfahren erstatteten Gutachten zum Ergebnis, daß sich an deren Befunden durch das nachgereichte Attest Dris. H keine Änderung ergebe. Das Nervenleiden sei in letzter Zeit angegeben und zum Wehrdienst in Beziehung gebracht worden. Die Aktenunterlagen wiesen keine Angabe auf, daß zur Zeit des schädigenden Ereignisses ein Nervenleiden in der jetzt beschriebenen Art vorgelegen sei. Nach 50 Jahren werde erstmals ein Nervenleiden angegeben. Die Symptome eines Nervenleidens würden in den vorgelegten ärztlichen Attesten als paranoide Reaktion und depressive Verstimmung angeführt. Diese Symptome seien auch im Gutachten Dris. G angegeben mit dem Hinweis, daß es sich dabei um kein systemisiertes Wahngeschehen, somit um keine Geisteskrankheit handle, vielmehr um Symptome, die häufig, je nach Persönlichkeitsstruktur von den meisten Schwerhörigen beobachtet und korrigiert würden. Das Auftreten dieser Störungen sei schicksalshaft bedingt, entsprechend der einzelnen Persönlichkeitsstruktur. Dafür sprächen auch die Symptome des Tremors als arteriosklerotische, altersbedingte Veränderung, "u. damit auch dadurch kein Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Wehrdienst nachzuweisen ist".

Eine Stellungnahme zu diesem Gutachten vom 13. April 1993 seitens des Beschwerdeführers weist die negative Kausalitätsbeurteilung Dris. K zurück, weil diese nicht den rechtlichen Bestimmungen entspreche. Es sei eine "Tatsache", daß ohne die Schwerhörigkeit das Nervenleiden beim Beschwerdeführer nicht ausgelöst worden wäre. Eine entsprechende Veranlagung allein hätte das Nervenleiden nicht auslösen können, weil die Schwerhörigkeit unbedingt "dazukommen" müsse, um solche Reaktionen auszulösen. Aus diesem Grund müsse von einer Folge der Dienstbeschädigung gesprochen werden und weiterhin eine teilkausale Anerkennung des bestehenden Nervenleidens gefordert werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 1993 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge (mit diesem Bescheid erfolgte auch eine abweisende Berufungserledigung betreffend die Zurückweisung wegen entschiedener Sache zur geltend gemachten Gesundheitsschädigung "Rheuma" sowie die Ablehnung der Anerkennung einer "Gicht" als zusätzliche Dienstbeschädigung). Zur Begründung wird - soweit dies für den Beschwerdefall von Bedeutung ist - ausgeführt, die im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten seien als schlüssig anerkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrundegelegt worden. Hinsichtlich des "Nervenleidens" ergebe sich damit vom medizinischen Standpunkt die Beurteilung, daß es sich bei dem "Zittern" um einen arteriosklerotischen Tremor handle, der altersbedingt sei und keine Dienstbeschädigung darstelle. Die Symptome eines Nervenleidens würden in den vorgelegten ärztlichen Attesten als paranoide Reaktion und depressive Verstimmung angeführt. Diese Symptome würden auch vom Sachverständigen Dr. G angegeben mit dem Hinweis, daß es sich dabei um keine Geisteskrankheit handle, vielmehr um Symptome, die häufig, je nach Persönlichkeitsstruktur, von den meisten Schwerhörigen beobachtet und korrigiert würden. Das Auftreten dieser Störungen sei schicksalshaft bedingt, entsprechend der einzelnen Persönlichkeitsstruktur. Mit den Bescheiden des Landesinvalidenamtes vom 19. Oktober 1982 und vom 13. September 1989 seien die Anträge auf Anerkennung dieser Gesundheitsschädigung wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Es sei jeweils ausgesprochen worden, daß es sich bei diesen Leiden um anlagebedingte bzw. schicksalshaft verlaufende Leiden gehandelt habe. Zu dem gleichen Ergebnis seien nun auch die genannten Sachverständigen gekommen. Nach wie vor handle es sich bei den als Dienstbeschädigung geltend gemachten Leiden um akausale Gesundheitsschädigungen. Aufgrund dieser Sachlage sei daher das neuerliche Ansuchen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Zurückweisung seines Antrages auf Anerkennung des "Nervenleidens" wegen entschiedener Sache in seinem Recht auf "rechtskonforme Interpretation" des § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 KOVG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Als Dienstbeschädigung sind auch solche Gesundheitsschädigungen anzuerkennen, die ihre Ursache in einer bereits anerkannten Gesundheitsschädigung haben (mittelbare Dienstbeschädigung; vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1979, 16/79, und vom 17. Dezember 1992, 92/09/0216).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Diese Bestimmung ist aufgrund des § 86 Abs. 1 KOVG 1957 auch in den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung anzuwenden.

Aus § 68 Abs. 1 AVG folgt, daß Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, auch dann wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückzuweisen sind, wenn das Begehren nicht ausdrücklich auf Aufrollung der entschiedenen Sache lautet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Zurückweisung wegen "entschiedener Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG die tatsächliche Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des rechtskräftigen Bescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt ergeben, so liegt keine Identität der Sache vor (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, 90/09/0162, mit weiteren Nachweisen).

Gegenstand der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft ist nur der im Bescheid enthaltene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde gestützt hat.

Für die Berufungsbehörde ist Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich an Hand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1961, Slg. Nr. 5642/A, und vom 10. Dezember 1991, 91/11/0107). Im Falle der Berufung gegen einen Bescheid, der einen Parteiantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, darf die Berufungsbehörde nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den zurückgewiesenen Antrag entscheiden (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1951, Slg. Nr. 2066/A, und vom 26. November 1975, 334/75).

Im Beschwerdefall ist die Ablehnung eines "Nervenleidens" als Dienstbeschädigung erstmals mit Bescheid vom 5. März 1975 erfolgt. Zurückweisungen "wegen entschiedener Sache" erfolgten mit den Bescheiden vom 19. Oktober 1982 und 13. September 1989, wobei sich das Landesinvalidenamt im Bescheid vom 9. Juni 1992 ausdrücklich bei ihrer neuerlichen Zurückweisung auf die beiden zuletzt genannten Bescheide beruft. Weder in der Begründung des Bescheides vom 9. Juni 1992 noch im angefochtenen Bescheid finden sich allerdings Feststellungen über den in den Bescheiden aus den Jahren 1975, 1982 und 1989 für die damaligen Beurteilungen als entscheidungswesentlich erachteten Sachverhalt und jenen Sachverhalt, der in bezug auf das "Nervenleiden" bei der neuerlichen Zurückweisung vom 9. Juni 1992 gegeben war. Derartige Feststellungen wären umso mehr erforderlich gewesen, als die erste Ablehnung vom 5. März 1975 bereits über 15 () Jahre zurücklag, dem Zurückweisungsbescheid vom 19. Oktober 1982 keine Sachverhaltsfeststellungen betreffend das Nervenleiden zu entnehmen sind und sich die Zurückweisung vom 13. September 1989 auf ein Gutachten stützte, dem wiederum (nur) Ausführungen eines Gerichtsgutachtens über die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zugrundelagen. Aus dem beim Landesinvalidenamt am 8. Mai 1992 erstellten ärztlichen Gutachten geht zwar hervor, daß gegenüber "Vergleichsgutachten" in bezug auf die geltend gemachte Dienstbeschädigung keine wesentliche Veränderung eingetreten sei, es wird aber nicht angegeben, welche Gutachten hier konkret zum Vergleich herangezogen wurden. Daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in Ansehung des § 68 Abs. 1 AVG und ihrer dadurch beschränkten Sache des Berufungsverfahrens die Rechtslage verkannt hat, wird auch damit zum Ausdruck gebracht, daß sie zum Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers durch Einholung von Sachverständigengutachten zur Frage der Anerkennung als Dienstbeschädigung selbst (in den Gutachten Dris. G und Univ.Prof.Dris. K ist im übrigen ausdrücklich von neu angegebenen Nervenleiden die Rede) ein umfangreiches Beweisverfahren durchgeführt und ihre Entscheidung mit - nach wie vor - gegebener Akausalität und nicht etwa Sachverhaltsidentität zum Zeitpunkt der erstbehördlichen Entscheidung begründet hat.

Aus diesen Erwägungen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid - im Rahmen des Beschwerdepunktes - mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Bescheid war daher - ohne daß auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG im Umfang der Anfechtung aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand war weder Einheitssatz noch Umsatzsteuer zuzusprechen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 686).

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Diverses Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere Rechtsprobleme Mittelbare Dienstbeschädigung Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Berufungsverfahren Verfahrensrecht Diverses Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993090341.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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