Entscheidungsdatum
03.10.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I403 2299087-1/2E
I403 2299085-1/2E
I403 2299084-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , der XXXX , geb. XXXX und des minderjährigen XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX , alle türkische Staatsbürger und vertreten durch: RA Dr. Manfred SCHIFFNER, 8054 Seiersberg-Pinka, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten (BFA-K) jeweils vom 09.08.2024, Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , der römisch 40 , geb. römisch 40 und des minderjährigen römisch 40 , geb. römisch 40 , gesetzlich vertreten durch seine Eltern römisch 40 und römisch 40 , alle türkische Staatsbürger und vertreten durch: RA Dr. Manfred SCHIFFNER, 8054 Seiersberg-Pinka, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten (BFA-K) jeweils vom 09.08.2024, Zl. römisch 40 , Zl. römisch 40 und Zl. römisch 40 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
XXXX (Erstbeschwerdeführer), seine Ehefrau XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) und ihr gemeinsamer Sohn XXXX (Drittbeschwerdeführer) reisten gemeinsam am 17.09.2022 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten einen Antrag auf internationalen Schutz, den die beiden volljährigen Beschwerdeführer damit begründeten, dass ihre jeweiligen Familien ihre Ehe ablehnen würden, da der Erstbeschwerdeführer Kurde, die Zweitbeschwerdeführerin dagegen Türkin sei. römisch 40 (Erstbeschwerdeführer), seine Ehefrau römisch 40 (Zweitbeschwerdeführerin) und ihr gemeinsamer Sohn römisch 40 (Drittbeschwerdeführer) reisten gemeinsam am 17.09.2022 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten einen Antrag auf internationalen Schutz, den die beiden volljährigen Beschwerdeführer damit begründeten, dass ihre jeweiligen Familien ihre Ehe ablehnen würden, da der Erstbeschwerdeführer Kurde, die Zweitbeschwerdeführerin dagegen Türkin sei.
Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 09.08.2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft gemacht hatten. Ihnen drohe bei einer Rückkehr in die Türkei keine Gefahr und keine Bedrohung. Eine Integrationsverfestigung sei nicht feststellbar.Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 09.08.2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde den Beschwerdeführern gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung glaubhaft gemacht hatten. Ihnen drohe bei einer Rückkehr in die Türkei keine Gefahr und keine Bedrohung. Eine Integrationsverfestigung sei nicht feststellbar.
Gegen die Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 10.09.2024 vollumfänglich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen unrichtiger Beweiswürdigung sowie fehlender Sachverhaltsdarstellung moniert. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Türkei „Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund der Befleckung der familiären Ehre, welche sich in ihrer eigenmächtigen Vermählung manifestiert“, drohe.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.09.2024 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Beschwerdeführern:
Der Erstbeschwerdeführer gehört der kurdischen Volksgruppe an, die Zweitbeschwerdeführerin der türkischen. Für beide ist Türkisch die Muttersprache. Der gemeinsame Sohn ist vier Jahre alt. Alle drei Beschwerdeführer sind gesund. Die Beschwerdeführer stammen aus XXXX in Gaziantep; in diesem Ort leben überwiegend Kurden.Der Erstbeschwerdeführer gehört der kurdischen Volksgruppe an, die Zweitbeschwerdeführerin der türkischen. Für beide ist Türkisch die Muttersprache. Der gemeinsame Sohn ist vier Jahre alt. Alle drei Beschwerdeführer sind gesund. Die Beschwerdeführer stammen aus römisch 40 in Gaziantep; in diesem Ort leben überwiegend Kurden.
Der Erstbeschwerdeführer besuchte zwölf Jahre die Schule und arbeitete danach in einer Fabrik im Bereich der Qualitätskontrolle. Seinen Militärdienst hat er bereits abgeleistet.
Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte ebenfalls zwölf Jahre die Schule, ehe sie nach zwei Monaten an der Universität begann, in den Sommermonaten bei ihrem Vater im Textilgeschäft zu arbeiten. Dort lernten sich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin kennen. Die Familie des Erstbeschwerdeführers hielt nach drei Monaten bei der Familie der Zweitbeschwerdeführerin um deren Hand an, was aber abgelehnt wurde, weil der Erstbeschwerdeführer aus einer kurdischen Familie stammt.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin heirateten heimlich am 11.05.2018. Nachdem die Familie der Zweitbeschwerdeführerin dies herausfand, zogen der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nach Istanbul, wo sie auch ohne Probleme etwa ein Jahr lebten. Als die Zweitbeschwerdeführerin schwanger war, zogen sie zurück nach Gaziantep, um Unterstützung bei der Betreuung des Kindes zu erhalten. Als der Drittbeschwerdeführer drei Jahre alt war, verließen sie die Türkei. Zuvor wurde der Erstbeschwerdeführer einige Male in eine körperliche Auseinandersetzung mit seinem Schwager verwickelt, zuletzt 2021. Die Ausreise erfolgte allerdings erst ein Jahr später. Die Beschwerdeführer wandten sich nie an die türkischen Behörden um Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Mutter; auch sein Vater und seine Geschwister leben in Gaziantep. Die Zweitbeschwerdeführerin hat keinen Kontakt zu ihren Verwandten in der Türkei.
Die Beschwerdeführer werden nicht vom türkischen Staat verfolgt. Für den Drittbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin lebt in Österreich. Mit Bescheid vom 20.10.2023 wurde dem Erstbeschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung als Küchengehilfe vom AMS Burgenland erteilt. Seit 01.12.2023 ist der unbescholtene Erstbeschwerdeführer als Arbeiter beschäftigt. Der Drittbeschwerdeführer besucht einen Kindergarten. Die Familie hat eine Wohnung von rund 77 Quadratmetern angemietet. Die ebenfalls unbescholtene Zweitbeschwerdeführerin ist schwanger.
1.2. Zur Lage in der Türkei:
Sicherheitslage
Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, S. 18).Sicherheitslage
Die Türkei steht vor einer Reihe von Herausforderungen im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit. Dazu gehören der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes, externe Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Beteiligung der Türkei an Konflikten in Syrien und im Irak sowie die Bedrohung durch Terroranschläge durch interne und externe Akteure (DFAT 10.9.2020, Sitzung 18).
Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, S. 4; vgl.USDOS 30.11.2023) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, S. 16; vgl. USDOS 30.11.2023) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der "Terrorbekämpfung" begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, S. 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, S. 5).Die Regierung sieht die Sicherheit des Staates durch mehrere Akteure gefährdet: namentlich durch die seitens der Türkei zur Terrororganisation erklärten Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, durch die auch in der EU als Terrororganisation gelistete PKK, durch, aus türkischer Sicht, mit der PKK verbundene Organisationen, wie die YPG (Yekîneyên Parastina Gel - Volksverteidigungseinheiten vornehmlich der Kurden in Nordost-Syrien) in Syrien, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) (AA 28.7.2022, Sitzung 4; vgl.USDOS 30.11.2023) und durch weitere terroristische Gruppierungen, wie die linksextremistische DHKP-C und die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (AA 3.6.2021, Sitzung 16; vergleiche USDOS 30.11.2023) sowie durch Instabilität in den Nachbarstaaten Syrien und Irak. Staatliches repressives Handeln wird häufig mit der "Terrorbekämpfung" begründet, verbunden mit erheblichen Einschränkungen von Grundfreiheiten, auch bei zivilgesellschaftlichem oder politischem Engagement ohne erkennbaren Terrorbezug (AA 28.7.2022, Sitzung 4). Eine Gesetzesänderung vom Juli 2018 verleiht den Gouverneuren die Befugnis, bestimmte Rechte und Freiheiten für einen Zeitraum von bis zu 15 Tagen zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einzuschränken, eine Befugnis, die zuvor nur im Falle eines ausgerufenen Notstands bestand (OSCE/ODIHR 15.5.2023, Sitzung 5).
Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vgl. AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 7.2023, S. 34). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, S. 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament "in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen [...] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind" (EP 14.4.2016, S. 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das "Recht auf Leben" nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022a). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022). Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften, vornehmlich durch die PKK und ihren mutmaßlichen Ableger, den TAK (Freiheitsfalken Kurdistans - Teyrêbazên Azadîya Kurdistan), den sog. IS und im geringen Ausmaß durch die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front - Devrimci Halk Kurtulu? Partisi- Cephesi – DHKP-C) (SZ 29.6.2016; vergleiche AJ 12.12.2016). Der Zusammenbruch des Friedensprozesses zwischen der türkischen Regierung und der PKK führte ab Juli 2015 zum erneuten Ausbruch massiver Gewalt im Südosten der Türkei. Hierdurch wiederum verschlechterte sich weiterhin die Bürgerrechtslage, insbesondere infolge eines sehr weit gefassten Anti-Terror-Gesetzes, vor allem für die kurdische Bevölkerung in den südöstlichen Gebieten der Türkei. Die neue Rechtslage diente als primäre Basis für Inhaftierungen und Einschränkungen von politischen Rechten. Es wurde zudem wiederholt von Folter und Vertreibungen von Kurden und Kurdinnen berichtet. Im Dezember 2016 warf Amnesty International der Türkei gar die Vertreibung der kurdischen Bevölkerung aus dem Südosten des Landes sowie eine Unverhältnismäßigkeit im Kampf gegen die PKK vor (BICC 7.2023, Sitzung 34). Kritik gab es auch von den Institutionen der Europäischen Union am damaligen Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte. - Die Europäische Kommission zeigte sich besorgt ob der unverhältnismäßigen Zerstörung von privatem und kommunalem Eigentum und Infrastruktur durch schwere Artillerie, wie beispielsweise in Cizre (EC 9.11.2016, Sitzung 28). Im Frühjahr zuvor (2016) zeigte sich das Europäische Parlament "in höchstem Maße alarmiert angesichts der Lage in Cizre und Sur/Diyarbak?r und verurteilt[e] die Tatsache, dass Zivilisten getötet und verwundet werden und ohne Wasser- und Lebensmittelversorgung sowie ohne medizinische Versorgung auskommen müssen [...] sowie angesichts der Tatsache, dass rund 400.000 Menschen zu Binnenvertriebenen geworden sind" (EP 14.4.2016, Sitzung 11, Pt. 27). Das türkische Verfassungsgericht hat allerdings eine Klage im Zusammenhang mit dem Tod mehrerer Menschen zurückgewiesen, die während der 2015 und 2016 verhängten Ausgangssperren im Bezirk Cizre in der mehrheitlich kurdisch bewohnten südöstlichen Provinz ??rnak getötet wurden. Das oberste Gericht erklärte, dass Artikel 17 der Verfassung über das "Recht auf Leben" nicht verletzt worden sei (Duvar 8.7.2022a). Vielmehr sei laut Verfassungsgericht die von der Polizei angewandte tödliche Gewalt notwendig gewesen, um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten (TM 4.11.2022).
Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (MBZ 18.3.2021, S. 12). Die anhaltenden Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus haben die terroristischen Aktivitäten verringert und die Sicherheitslage verbessert (EC 8.11.2023, S. 50). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023a), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Bergregionen im Südosten des Landes (MBZ 2.3.2022, S. 13). Die Lage im Südosten gibt laut Europäischer Kommission weiterhin Anlass zur Sorge und ist in der Grenzregion präker, insbesondere nach den Erdbeben im Februar 2023. Die türkische Regierung hat zudem grenzüberschreitende Sicherheits- und Militäroperationen im Irak und Syrien durchgeführt, und in den Grenzgebieten besteht ein Sicherheitsrisiko durch terroristische Angriffe der PKK (EC 8.11.2023, S. 4, 18). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK (und der Kurdistan Freiheitsfalken - TAK), in der Türkei zu operieren, durch laufende groß angelegte Anti-Terror-Operationen im kurdischen Südosten sowie durch die allgemein verstärkte Präsenz von Militäreinheiten der Regierung erheblich beeinträchtigt (Crisis 24 24.11.2022). Die Berichte der türkischen Behörden deuten zudem darauf hin, dass die Zahl der PKK-Kämpfer auf türkischem Boden zurückgegangen ist (MBZ 31.8.2023, S. 16).Nachdem die Gewalt in den Jahren 2015/2016 in den städtischen Gebieten der Südosttürkei ihren Höhepunkt erreicht hatte, sank das Gewaltniveau wieder (MBZ 18.3.2021, Sitzung 12). Die anhaltenden Bemühungen im Kampf gegen den Terrorismus haben die terroristischen Aktivitäten verringert und die Sicherheitslage verbessert (EC 8.11.2023, Sitzung 50). Obschon die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der PKK in den ländlichen Gebieten im Osten und Südosten der Türkei ebenfalls stark zurückgegangen sind (HRW 12.1.2023a), kommt es dennoch mit einiger Regelmäßigkeit zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK in den abgelegenen Bergregionen im Südosten des Landes (MBZ 2.3.2022, Sitzung 13). Die Lage im Südosten gibt laut Europäischer Kommission weiterhin Anlass zur Sorge und ist in der Grenzregion präker, insbesondere nach den Erdbeben im Februar 2023. Die türkische Regierung hat zudem grenzüberschreitende Sicherheits- und Militäroperationen im Irak und Syrien durchgeführt, und in den Grenzgebieten besteht ein Sicherheitsrisiko durch terroristische Angriffe der PKK (EC 8.11.2023, Sitzung 4, 18). Allerdings wurde die Fähigkeit der PKK (und der Kurdistan Freiheitsfalken - TAK), in der Türkei zu operieren, durch laufende groß angelegte Anti-Terror-Operationen im kurdischen Südosten sowie durch die allgemein verstärkte Präsenz von Militäreinheiten der Regierung erheblich beeinträchtigt (Crisis 24 24.11.2022). Die Berichte der türkischen Behörden deuten zudem darauf hin, dass die Zahl der PKK-Kämpfer auf türkischem Boden zurückgegangen ist (MBZ 31.8.2023, Sitzung 16).
Gelegentliche bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften einerseits und der PKK und mit ihr verbündeten Organisationen andererseits führen zu Verletzten und Toten unter den Sicherheitskräften, PKK-Kämpfern, aber auch unter der Zivilbevölkerung. Diesbezüglich gibt es glaubwürdige Hinweise, dass die Regierung im Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen die PKK zum Tod von Zivilisten beigetragen hat, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren stetig abnahm (USDOS 20.3.2023a, S. 3, 29). Die Anschläge der PKK richten sich hauptsächlich gegen die Sicherheitskräfte, können aber auch Zivilpersonen treffen. Die Sicherheitskräfte unterhalten zahlreiche Straßencheckpoints und sperren ihre Operationsgebiete vor militärischen Operationen weiträumig ab. Die bewaffneten Konflikte in Syrien und Irak können sich auf die angrenzenden türkischen Gebiete auswirken, zum Beispiel durch vereinzelte Granaten- und Raketenbeschüsse aus dem Kriegsgebiet (EDA 2.10.2023), denn die Türkei konzentriert ihre militärische Kampagne gegen die PKK unter anderem mit Drohnenangriffen in der irakischen Region Kurdistan, wo sich PKK-Stützpunkte befinden, und zunehmend im Nordosten Syriens gegen die kurdisch geführten, von den USA und Großbritannien unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) (HRW 12.1.2023a). Die türkischen Luftangriffe, die angeblich auf die Bekämpfung der PKK in Syrien und im Irak abzielen, haben auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert (USDOS 20.3.2023a, S. 29). Umgekehrt sind wiederholt Anschläge gegen zivile Ziele verübt worden. Das Risiko von Entführungen durch terroristische Gruppierungen aus Syrien kann im Grenzgebiet nicht ausgeschlossen werden (EDA 2.10.2023).Gelegentliche bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sicherheitskräften einerseits und der PKK und mit ihr verbündeten Organisationen andererseits führen zu Verletzten und Toten unter den Sicherheitskräften, PKK-Kämpfern, aber auch unter der Zivilbevölkerung. Diesbezüglich gibt es glaubwürdige Hinweise, dass die Regierung im Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen die PKK zum Tod von Zivilisten beigetragen hat, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren stetig abnahm (USDOS 20.3.2023a, Sitzung 3, 29). Die Anschläge der PKK richten sich hauptsächlich gegen die Sicherheitskräfte, können aber auch Zivilpersonen treffen. Die Sicherheitskräfte unterhalten zahlreiche Straßencheckpoints und sperren ihre Operationsgebiete vor militärischen Operationen weiträumig ab. Die bewaffneten Konflikte in Syrien und Irak können sich auf die angrenzenden türkischen Gebiete auswirken, zum Beispiel durch vereinzelte Granaten- und Raketenbeschüsse aus dem Kriegsgebiet (EDA 2.10.2023), denn die Türkei konzentriert ihre militärische Kampagne gegen die PKK unter anderem mit Drohnenangriffen in der irakischen Region Kurdistan, wo sich PKK-Stützpunkte befinden, und zunehmend im Nordosten Syriens gegen die kurdisch geführten, von den USA und Großbritannien unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) (HRW 12.1.2023a). Die türkischen Luftangriffe, die angeblich auf die Bekämpfung der PKK in Syrien und im Irak abzielen, haben auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert (USDOS 20.3.2023a, Sitzung 29). Umgekehrt sind wiederholt Anschläge gegen zivile Ziele verübt worden. Das Risiko von Entführungen durch terroristische Gruppierungen aus Syrien kann im Grenzgebiet nicht ausgeschlossen werden (EDA 2.10.2023).
Zuletzt kam es im Dezember 2023 und Jänner 2024 zu einer Eskalation. - Am 12.1.2024 wurden bei einem Angriff der PKK auf eine türkische Militärbasis im Nordirak neun Soldaten getötet. Ende Dezember 2023 waren bei einer ähnlichen Aktion zwölf Armeeangehörige ums Leben gekommen. Die türkische Regierung berief umgehend einen Krisenstab ein und holte, wie stets in solchen Fällen, zu massiven Vergeltungsschlägen aus. Bis zum 17.1.2024 waren laut Verteidigungsministerium mehr als siebzig Ziele durch Luftangriffe zerstört worden. Die Türkei beschränkte ihre Vergeltungsaktionen nicht auf den kurdischen Nordirak, sondern griff auch Positionen der SDF sowie Infrastruktureinrichtungen im Nordosten Syriens an. Ankara betrachtet die SDF und vor allem deren wichtigste Einheit, die kurdisch dominierten Volksverteidigungseinheiten (YPG), als Arm der PKK und somit als Staatsfeind (NZZ 18.1.2024; vgl. RND 14.1.2024).Zuletzt kam es im Dezember 2023 und Jänner 2024 zu einer Eskalation. - Am 12.1.2024 wurden bei einem Angriff der PKK auf eine türkische Militärbasis im Nordirak neun Soldaten getötet. Ende Dezember 2023 waren bei einer ähnlichen Aktion zwölf Armeeangehörige ums Leben gekommen. Die türkische Regierung berief umgehend einen Krisenstab ein und holte, wie stets in solchen Fällen, zu massiven Vergeltungsschlägen aus. Bis zum 17.1.2024 waren laut Verteidigungsministerium mehr als siebzig Ziele durch Luftangriffe zerstört worden. Die Türkei beschränkte ihre Vergeltungsaktionen nicht auf den kurdischen Nordirak,