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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der im Zuge der Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes erfolgten Umwidmung eines bestimmten Grundstückes von Grünland in gemischtes Baugebiet; keine Verletzung des Gebotes der Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen durch unterschiedliche WidmungsartenSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG, den vom Gemeinderat der Marktgemeinde Oberneukirchen am 8. Juli 1987 zur Z Gem 201-15-1987 beschlossenen und mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. August 1987, Z BauR-229117/2-1987, genehmigten Flächenwidmungsplan Nr. 2 insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als die Widmung gemischtes Baugebiet iSd §16 Abs7 des O.ö. Raumordnungsgesetzes hinsichtlich des Grundstückes Nr. 338/3 des Grundbuches über die Kat. Gem. Oberneukirchen erweitert worden ist.
Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist eine Anrainerbeschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung für den Zubau einer Maschinenwerkstatt zu einem bereits bestehenden Tischlereibetrieb auf dem genannten Grundstück.
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Antrag aus, die bekämpfte Flächenwidmungsplanänderung entspreche nicht dem Gemeinwohl iSd §23 Abs1 O.ö. Raumordnungsgesetz, da sie lediglich auf Grund eines Ansuchens des Vaters des Bauwerbers erfolgt sei. Die Widmung gemischtes Baugebiet widerspreche außerdem dem in §16 Abs2 leg. cit. verankerten Gebot der Vermeidung einer gegenseitigen Beeinträchtigung der verschiedenen Widmungskategorien im Bauland, da das umgewidmete Grundstück zur Gänze von Wohngebiet umgeben sei.
Im einzelnen legt der Verwaltungsgerichtshof seine Bedenken wie folgt dar:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat gegen die in Rede stehende Änderung des Flächenwidmungsplanes allerdings insofern Bedenken, als nicht zu erkennen ist, daß sie im Sinne der Vorschrift des §23 Abs1 leg. cit. eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder des Gemeinwohl erfordert hat, wenn man berücksichtigt, daß diese Änderung entsprechend einem im Verordnungsakt erliegenden Aktenvermerk vom 21. August 1985 - offenbar nur - darauf zurückzuführen ist, daß der Vater des mitbeteiligten Bauwerbers um die Erweiterung der Flächenwidmung gemischtes Baugebiet für die in Rede stehende Liegenschaft angesucht hat, da 'sein Sohn ... den Tischlereibetrieb vergrößern möchte. Hierzu wäre ein Zubau erforderlich und somit auch eine Flächenwidmungsplanänderung'. Es kann wohl nicht davon ausgegangen werden, daß die Schaffung der widmungsmäßigen Voraussetzungen für eine baurechtliche Bewilligungsfähigkeit der offensichtlich ausschließlich dem mitbeteiligten Bauwerber dienenden Erweiterung seines Tischlereibetriebes auch dem im §1 Abs2 leg. cit. angesprochenen 'Interesse des Gemeinwohles' entspricht, und es kann auch nicht davon die Rede sein, daß damit der Vorschrift des §16 Abs2 leg. cit. Rechnung getragen wird, die Lage der einzelnen Widmungsgebiete so aufeinander abzustimmen, daß eine gegenseitige Beeinträchtigung möglichst vermieden wird, wenn man in Betracht zieht, daß das für die Erweiterung des Tischlereibetriebes in Aussicht genommene Areal zur Gänze von einem Gebiet mit der Widmung Wohngebiet umschlossen wird, in welchem sich in geringer Entfernung die Wohnhäuser der Beschwerdeführer befinden. Dabei kann nicht entscheidend sein, daß mit der in Rede stehenden Änderung des Flächenwidmungsplanes die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung (lediglich) eines Zubaues zu einem schon bestehenden - auf einer ebenfalls bedenklichen, aber im Beschwerdefall nicht präjudiziellen Widmung beruhenden - Tischlereibetrieb geschaffen worden sind, weil eine Verletzung der Interessen Dritter, also hier der Beschwerdeführer, im Sinne des §23 Abs2 leg. cit. auch dadurch eintreten kann, daß sie infolge der Vergrößerung des vorhandenen Gewerbebetriebes trotz des Umstandes, daß im gemischten Baugebiet nur 'nicht wesentlich störende Betriebe' zulässig sind, mit zusätzlichen Immissionen rechnen müssen. Die im geplanten Zubau vorgesehene 'Maschinenwerkstätte' wird also - weitere - Immissionen mit sich bringen, weshalb die dem alleinigen Ziel der Bewilligungsfähigkeit dieses Projektes dienende Änderung des Flächenwidmungsplanes entgegen der Regelung des §13 Z2 leg. cit. den Grundsätzen des §2 Abs4 Z6 sowie Abs6 Z1 leg. cit. nicht Rechnung trägt. Dem schon erwähnten Gebot des §16 Abs2 leg. cit., eine gegenseitige Beeinträchtigung der Widmungsgebiete möglichst zu vermeiden, wird durch die Änderung des Flächenwidmungsplanes auch deshalb nicht entsprochen, weil auf dem davon betroffenen Grundstück des mitbeteiligten Bauwerbers keine bereits vorhandene Bebauung berücksichtigt werden muß (vgl. dazu das ebenfalls zum O.ö. Raumordnungsgesetz ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1985, Slg. Nr. 10.703). Schließlich kann wohl nicht davon ausgegangen werden, daß durch diese, lediglich auf die Bedürfnisse des mitbeteiligten Bauwerbers abgestellte und daher im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1983, Slg. Nr. 9690, sachlich wohl nicht gerechtfertigte Widmungsänderung ein 'möglichst wirksamer Umweltschutz' im Sinne des §15 Abs8 leg. cit. 'erreicht wird'."
2. Die Oberösterreichische Landesregierung hat in einer Gegenschrift die Abweisung des Antrages begehrt und im wesentlichen vorgebracht, das vom Verwaltungsgerichtshof beanstandete Ansuchen des Vaters des Bauwerbers sei als durchaus legitime, da in §22 O.ö. Raumordnungsgesetz vorgesehene Anregung auf Änderung des Flächenwidmungsplanes zu betrachten. Die bekämpfte Flächenwidmungsplanänderung sei unter Wahrung des Gemeinwohles erfolgt, da die Vergrößerung des bereits bestehenden Tischlereibetriebes für die Verbesserung der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Wirtschaftsstruktur der Gemeinde erforderlich sei. Ganz abgesehen davon sei auch der zweite Änderungstatbestand des §23 O.ö. Raumordnungsgesetz gegeben, da weder öffentliche Interessen noch Interessen Dritter durch die Umwidmung des genannten Grundstückes in gemischtes Baugebiet, wo ja nur "nicht wesentlich störende Betriebe" (§16 Abs2 O.ö. Raumordnungsgesetz) zulässig seien, verletzt würden. Dadurch sei auch die von §16 Abs2 O.ö. Raumordnungsgesetz geforderte möglichst geringe gegenseitige Beeinträchtigung verschiedener Baulandwidmungen gewährleistet. Im übrigen sei dem Flächenwidmungsplan Nr. 2 der Marktgemeinde Oberneukirchen deutlich zu entnehmen, daß das von der Umwidmung betroffene Grundstück - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - keine Enklave im Wohngebiet darstelle, sondern daß es an drei Seiten von als Grünland gewidmeten Flächen umgeben sei und im Norden an eine ebenfalls als gemischtes Baugebiet gewidmete Fläche angrenze.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen (Prozeßhindernisse wurden nicht eingewendet und sind auch sonst nicht hervorgekommen) - Antrag erwogen:
1.a) Zunächst ist festzuhalten, daß auch im Fall einer Flächenwidmungsplanänderung in Form einer (gänzlichen) Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes für ein ganzes Gemeindegebiet die in §23 O.ö. Raumordnungsgesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Sinn und Zweck der genannten Bestimmung ist es, die Abänderung einer einmal erfolgten Planung nicht zuletzt im Interesse der auf diese Planung vertrauenden Grundeigentümer gewissen Einschränkungen zu unterwerfen. §23 O.ö. Raumordnungsgesetz ist also auch dann anzuwenden, wenn ein bestehender Flächenwidmungsplan durch einen (gänzlich) neuen ersetzt wird.
Dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof liegt die im Zuge der Neuerlassung des Flächenwidmungsplanes für die gesamte Gemeinde Oberneukirchen erfolgte Umwidmung eines bestimmten Grundstückes von Grünland in gemischtes Baugebiet zu Grunde. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß §23 O.ö. Raumordnungsgesetz auch auf diese, im Zuge einer (gänzlichen) Neuerlassung des betreffenden Flächenwidmungsplanes, erfolgte Änderung anzuwenden ist, wovon im übrigen auch die Oberösterreichische Landesregierung ausgeht.
b) Gemäß §23 Abs1 leg.cit. sind Flächenwidmungspläne u.a. dann zu ändern, wenn es das Gemeinwohl erfordert. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis V195/91 vom 10. Juni 1992 betreffend den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zell am Pettenfirst ausgesprochen, daß sich die Errichtung von Betrieben vom Standpunkt des Gemeinwohls als notwendig erweisen und daher durchaus Grundlage einer Planänderung sein kann. Ob dies auch auf den nun zu beurteilenden Sachverhalt zutrifft, kann dahingestellt bleiben, da im vorliegenden Fall jedenfalls die Voraussetzungen des §23 Abs2 leg. cit. erfüllt sind. Die bekämpfte Widmung entspricht dem in §23 Abs2 O.ö. Raumordnungsgesetz enthaltenen Gebot der Interessenabwägung (siehe Fröhler-Oberndorfer, Österreichisches Raumordnungsrecht, Band 2, Linz 1986, S. 122ff und 143, vergleiche auch die den Erkenntnissen VfSlg. 10377/1985, 10839/1986 und vom 10. Juni 1992, V195/91 zu Grunde liegenden Abwägungen), und zwar aus folgenden Überlegungen:
Das von der bekämpften Umwidmung betroffene Grundstück befindet sich entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Enklave in einem zur Gänze als Wohngebiet gewidmetem Areal. Vielmehr ist dem Flächenwidmungsplan zu entnehmen, daß das - nunmehr erweiterte - Mischgebiet auf drei Seiten und auf weite Strecken von Grünland, von als land- und forstwirtschaftliche Flächen gewidmeten Grundstücken, umgeben ist. Die Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof führen land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf diesen umliegenden, großen, als Grünland gewidmeten Grundstücken. Nordwestlich schließen an das umstrittene Mischgebiet das bestehende Mischgebiet und an dieses lediglich ein einziges, kleines, als Wohngebiet gewidmetes Grundstück an. Außerdem befindet sich in einiger Entfernung in nordöstlicher Richtung eine kleine Wohngebietenklave im ansonsten ausschließlich dominierenden Grünland. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes beruhen daher insoweit auf unzutreffenden Prämissen.
§16 Abs2 zweiter Satz O.ö. Raumordnungsgesetz kann also bei der Prüfung der bekämpften Flächenwidmungsplanänderung nicht unmittelbar herangezogen werden, da diese Bestimmung lediglich das Gebot der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung durch die verschiedenen Widmungsarten im Bauland enthält, über das Verhältnis von Grünland zu Baugebiet jedoch keine Aussage enthält. Dennoch kann dieser Bestimmung, wie der Verfassungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 10. Juni 1992 betreffend den Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zell am Pettenfirst ausgedrückt hat, der allgemeine Grundsatz des Planungsrechtes entnommen werden, daß verschiedene Flächenwidmungen bei der Planung dergestalt festgelegt und aufeinander abgestimmt werden müssen, daß aus der widmungsgerechten Flächenwidmung eine wechselseitige Beeinträchtigung so weit wie möglich hintangehalten wird. Im zitierten Erkenntnis kam der Verfassungsgerichtshof zu dem Schluß, daß in vielen Fällen ein Aneinandergrenzen der Widmungen Dorfgebiet und Betriebsbaugebiet - und folglich auch ein gewisses Maß wechselseitiger Beeinträchtigungen durch die verschiedenen Nutzungen - nicht vermeidbar sei. Diese Situation werde aber, so der Verfassungsgerichtshof weiter, schon dadurch entschärft, daß die von im Dorfgebiet zulässigen bäuerlichen Betrieben ausgehende Lärmbelästigung sich nicht wesentlich von jener unterscheide, die durch gewerbliche Betriebe im Betriebsbaugebiet verursacht werde.
In diesem Sinne kann bei dem nun zu beurteilenden Sachverhalt, der von den natürlichen Gegebenheiten her durchaus mit jenem, der dem zitierten Erkenntnis zugrundelag, vergleichbar ist, von einer gegen das Gebot des §16 Abs2 zweiter Satz
O.ö. Raumordnungsgesetz verstoßenden gegenseitigen Beeinträchtigung unterschiedlicher Widmungsarten nicht die Rede sein: Ein kleines gemischtes Baugebiet, auf dem ein einziger - nicht über das nach §16 Abs7 O.ö. Raumordnungsgesetz zulässige Maß hinaus störender - Tischlereibetrieb errichtet werden soll, steht mehreren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben auf den umliegenden großen, als Grünland gewidmeten Grundstücken gegenüber. Schon aus diesem Grund ist der vorliegende Fall nicht mit dem vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Erkenntnis VfSlg. 10703/1985 (betreffend den Flächenwidmungsplan Altmünster) vergleichbar, da dieses Erkenntnis über einen Sachverhalt erging, wo ein gemischtes Baugebiet unmittelbar anschließend an ein Betriebsbaugebiet (von dem besonders hohe, nach Gutachten bereits gesundheitsschädliche Lärmemmissionen ausgingen) gewidmet war.
Dem Gebot der sachlichen Rechtfertigung einer Flächenwidmungsplanänderung, das der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 9690/1983 deshalb für verletzt erachtet, weil die bekämpfte Widmungsänderung in erster Linie den Interessen des mitbeteiligten Bauwerbers entspricht, wird schon dadurch Rechnung getragen, daß der bekämpften Widmungsänderung - wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt - eine den Erfordernissen des §23 Abs2 O.ö. Raumordnungsgesetz entsprechende Interessenabwägung zu Grunde liegt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß das auf die nun bekämpfte Flächenwidmungsplanänderung gerichtete Ersuchen des Vaters des mitbeteiligten Bauwerbers die Rechtmäßigkeit dieser Umwidmung keineswegs beeinträchtigen kann, zumal das O.ö. Raumordnungsgesetz in seinem §22 Abs1 die Möglichkeit derartiger Anregungen vorsieht.
2. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist also, da die vorgebrachten Bedenken insgesamt nicht zutreffen, abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Widmungskategorien (Raumordnung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:V2.1992Dokumentnummer
JFT_10078786_92V00002_00