Entscheidungsdatum
28.10.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 2269587-1/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2023, Zl. XXXX, nach Durchführung öffentlich-mündlichen Verhandlungen am 05.09.2023 und 21.03.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung öffentlich-mündlichen Verhandlungen am 05.09.2023 und 21.03.2024 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Die beschwerdeführende Partei („bP“), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützter, nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 22.04.2022 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Zuge ihrer Erstbefragung am gleichenTag gab die bP zum Fluchtgrund sinngemäß an, das gesellschaftliche Umfeld in der Türkei sei gegenüber Kurden feindlich gesinnt. Die politische Lage würde sich wegen Erdogan schlecht darstellen. Es gebe keine Freiheit, auch könne sie ihre eigentliche Muttersprache „Kurdisch Zaza“ nicht verwenden. Außerdem liefen gegen ihre Person einige Anzeigen, da sie gegen die offizielle Regierungspolitik des türkischen Staates gewesen sei. Sonst seien keine Fluchtgründe verwirklicht. Im Rückkehrfall besorge sie, aufgrund der erstatteten Anzeigen einer Inhaftierung zugeführt zu werden.
3.1. Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 25.04.2023 gab die bP zu ihren Fluchtgründen im Detail Folgendes an:
„[…]
LA: Waren Sie politisch aktiv? Waren oder sind Sie im Heimatland Mitglied einer politischen Organisation oder eines politischen Vereins?
VP: 2015 war ich Mitglied der kurdischen Partei HDP – bis 2018. Aufgrund des Druckes, der auf mich ausgeübt wurde, musste ich die Mitgliedschaft aufgeben. Ich war auch politisch im meinem Umkreis aktiv.
LA: Welche Funktion hatten Sie inne innerhalb der Partei?
VP: Ich war ein einfaches Mitglied. Ich habe an Demonstrationen und Versammlungen teilgenommen. Bei den letzten Wahlen in XXXX habe ich sehr viel mitgeholfen. Ich bin in die Dörfer gefahren, ich habe als Fahrer mitgearbeitet. In den Dörfern habe ich Flugblätter verteilt. Es gab 280 Mitglieder in XXXX. Ich habe momentan keine Bestätigung über meine damalige Mitgliedschaft, ich werde aber ein Foto von dem Mitgliedschaftsausweis schicken sollen.VP: Ich war ein einfaches Mitglied. Ich habe an Demonstrationen und Versammlungen teilgenommen. Bei den letzten Wahlen in römisch 40 habe ich sehr viel mitgeholfen. Ich bin in die Dörfer gefahren, ich habe als Fahrer mitgearbeitet. In den Dörfern habe ich Flugblätter verteilt. Es gab 280 Mitglieder in römisch 40 . Ich habe momentan keine Bestätigung über meine damalige Mitgliedschaft, ich werde aber ein Foto von dem Mitgliedschaftsausweis schicken sollen.
[…]
LA: Schildern Sie nochmals, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre jetzige Ausreise waren? Was ist in Ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann.
VP: Seit meiner Geburt wurde ich immer diskriminiert und unter Druck gesetzt. Sowohl in der Schule als auch während des Wehrdienstes und auch in meiner Umgebung. Es ging soweit, dass ich nicht einmal 100 Meter zu Fuß gehen konnte, ich wurde auf dieser Strecke mindestens zweimal kontrolliert. Der Kreisstadtvorsteher von XXXX hat auf Anweisung des Gendarmerie- Kommandanten sehr viel Druck auf mich ausgeübt. Der Vorsteher sagte mir immer, dass ich verfolgt werde, dass Informationen über mich gesammelt werden, dass ich mich mit meinen Freunden nicht treffen dar, dass ich sofort nach der Arbeit nach Hause gehen soll. Im Winter 2021 war meine Großmutter väterlicherseits krank und ich musste sie ins Krankenhaus bringen. Meine Großmutter kann nicht Türkisch, sie spricht nur Kurdisch. Der Arzt war Türke, konnte nicht Kurdisch, ich wollte mithinein zu übersetzen. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung. Die Polizei ist gekommen. Die Polizei hat mich ins Polizeifahrzeug gesetzt und hat mich bedroht. Sie sagten, dass wir in der Türkei sind, dass meine Großmutter auch Türkisch hätte lernen müssen. Weil meine Großmutter aber nicht aufstehen konnte und am Boden saß, musste mich der Polizist wieder aussteigen lassen ansonsten hätte mich diese mitgenommen. Dieser Polizist stammte aus der Schwarzmeerküste und hat mit dem Vornamen „XXXX“ geheißen. Am nächsten Tag habe ich meine Großmutter in das private XXXX-Krankenhaus in die Stadt XXXX gebracht. Weil das ein privates Krankenhaus ist, gab es dort keine Probleme. Im Juli 2021 war ich von XXXX in mein Heimatdorf XXXX unterwegs, es war gegen 23:00 Uhr, die Gendarmerie steht jeden Tag bei der Dorfeinfahrt (einmal in der Früh, einmal am Abend), ein Beamter wollte von mir meinen Personalausweis sehen, ich hatte ihn gerade an diesem Tag nicht mit, ich hatte ihn zu Hause vergessen. Ich war im Fahrzeug eines Nachbarn, ich musste aus dem Auto aussteigen, ein Gendarm hat mich körperlich angegriffen, er hat mich hin und her gestoßen, obwohl ich ihm vorgeschlagen habe, dass ich meinen Ausweis sofort von zu Hause hole und ihm den Ausweis vorlege. Ich musste dort TL 159, -- Strafe bezahlen. Daraufhin ging ich in das städtische Krankenhaus von XXXX/Bingöl. Dort habe ich angegeben, dass ich von der Gendarmerie geschlagen wurde und mein Brustkorb mir wehgetan hat. Ich wollte einen Arztbericht darüber haben. Der Mitarbeiter bei der Anmeldung hat den Sicherheitsdienst angerufen und der Sicherheitsdienst hat die Polizei angerufen, die Polizei hat mich bei der Befragung als Lügner hingestellt. Sie hat mir vorgeworfen, dass die Gendarmerie niemanden schlagen würde und wie ich dazu kommen würde, sich bei der Polizei über die Gendarmerie zu beschweren. Er forderte mich auf, sofort wegzugehen, bevor mir durch ihn etwas Böses getan wird. Ich musste ins Dorf zurückkehren, ohne im Krankenhaus untersucht zu werden. VP: Seit meiner Geburt wurde ich immer diskriminiert und unter Druck gesetzt. Sowohl in der Schule als auch während des Wehrdienstes und auch in meiner Umgebung. Es ging soweit, dass ich nicht einmal 100 Meter zu Fuß gehen konnte, ich wurde auf dieser Strecke mindestens zweimal kontrolliert. Der Kreisstadtvorsteher von römisch 40 hat auf Anweisung des Gendarmerie- Kommandanten sehr viel Druck auf mich ausgeübt. Der Vorsteher sagte mir immer, dass ich verfolgt werde, dass Informationen über mich gesammelt werden, dass ich mich mit meinen Freunden nicht treffen dar, dass ich sofort nach der Arbeit nach Hause gehen soll. Im Winter 2021 war meine Großmutter väterlicherseits krank und ich musste sie ins Krankenhaus bringen. Meine Großmutter kann nicht Türkisch, sie spricht nur Kurdisch. Der Arzt war Türke, konnte nicht Kurdisch, ich wollte mithinein zu übersetzen. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung. Die Polizei ist gekommen. Die Polizei hat mich ins Polizeifahrzeug gesetzt und hat mich bedroht. Sie sagten, dass wir in der Türkei sind, dass meine Großmutter auch Türkisch hätte lernen müssen. Weil meine Großmutter aber nicht aufstehen konnte und am Boden saß, musste mich der Polizist wieder aussteigen lassen ansonsten hätte mich diese mitgenommen. Dieser Polizist stammte aus der Schwarzmeerküste und hat mit dem Vornamen „XXXX“ geheißen. Am nächsten Tag habe ich meine Großmutter in das private XXXX-Krankenhaus in die Stadt römisch 40 gebracht. Weil das ein privates Krankenhaus ist, gab es dort keine Probleme. Im Juli 2021 war ich von römisch 40 in mein Heimatdorf römisch 40 unterwegs, es war gegen 23:00 Uhr, die Gendarmerie steht jeden Tag bei der Dorfeinfahrt (einmal in der Früh, einmal am Abend), ein Beamter wollte von mir meinen Personalausweis sehen, ich hatte ihn gerade an diesem Tag nicht mit, ich hatte ihn zu Hause vergessen. Ich war im Fahrzeug eines Nachbarn, ich musste aus dem Auto aussteigen, ein Gendarm hat mich körperlich angegriffen, er hat mich hin und her gestoßen, obwohl ich ihm vorgeschlagen habe, dass ich meinen Ausweis sofort von zu Hause hole und ihm den Ausweis vorlege. Ich musste dort TL 159, -- Strafe bezahlen. Daraufhin ging ich in das städtische Krankenhaus von XXXX/Bingöl. Dort habe ich angegeben, dass ich von der Gendarmerie geschlagen wurde und mein Brustkorb mir wehgetan hat. Ich wollte einen Arztbericht darüber haben. Der Mitarbeiter bei der Anmeldung hat den Sicherheitsdienst angerufen und der Sicherheitsdienst hat die Polizei angerufen, die Polizei hat mich bei der Befragung als Lügner hingestellt. Sie hat mir vorgeworfen, dass die Gendarmerie niemanden schlagen würde und wie ich dazu kommen würde, sich bei der Polizei über die Gendarmerie zu beschweren. Er forderte mich auf, sofort wegzugehen, bevor mir durch ihn etwas Böses getan wird. Ich musste ins Dorf zurückkehren, ohne im Krankenhaus untersucht zu werden.
Ich wollte die ganze Zeit schon auszureisen, ich hatte es nicht geschafft bis dorthin. Die zwei Vorfälle in einem Jahr waren mir zu viel, diese habe letztendlich meine Ausreise ausgelöst.
Das sind meine Fluchtgründe.
LA: Sie haben die zwei Vorfälle geschildert, haben Sie weitere konkrete persönliche Bedrohungen gegen Ihre Person erfahren?
VP: Vor ca. 1 ½ Jahren habe ich mir einen kurdischen Rechtsanwalt genommen, er heißt XXXX. Er arbeitet auch für die HDP. Ich habe ihm meine Vollmacht gegeben. Sobald ein Verfahren gegen mich eröffnet wird, wird er mich verständigen. Ich habe meinem Vater gebeten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Der Anwalt hat meinem Vater gesagt, dass im Moment kein Verfahren gegen meine Person eröffnet wurde und zu sehen ist, es sei denn, ein geheimes Verfahren wurde gegen mich eröffnet. VP: Vor ca. 1 ½ Jahren habe ich mir einen kurdischen Rechtsanwalt genommen, er heißt römisch 40 . Er arbeitet auch für die HDP. Ich habe ihm meine Vollmacht gegeben. Sobald ein Verfahren gegen mich eröffnet wird, wird er mich verständigen. Ich habe meinem Vater gebeten, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Der Anwalt hat meinem Vater gesagt, dass im Moment kein Verfahren gegen meine Person eröffnet wurde und zu sehen ist, es sei denn, ein geheimes Verfahren wurde gegen mich eröffnet.
LA: Weswegen sollte gerade gegen Ihre Person ein Verfahren eröffnet werden?
VP: Weil ich ein Kurde bin, jeder weiß, dass ich ein Kurde bin. In XXXX wurde vor vier Jahren – Ende 2017/Anfang 2018 die türkische Fahne verbrannt. Der Dorfvorsteher hat mir gesagt, dass ich unter 50 Personen bin, die deswegen beschuldigt werden. Ich stehe seit Jahren unter den staatlichen Druck, der Dorfvorsteher berichtet mir immer, dass die Polizei hinter mir her ist und, dass sie mich ständig beobachten und auf Schritt und Tritt verfolgen. VP: Weil ich ein Kurde bin, jeder weiß, dass ich ein Kurde bin. In römisch 40 wurde vor vier Jahren – Ende 2017/Anfang 2018 die türkische Fahne verbrannt. Der Dorfvorsteher hat mir gesagt, dass ich unter 50 Personen bin, die deswegen beschuldigt werden. Ich stehe seit Jahren unter den staatlichen Druck, der Dorfvorsteher berichtet mir immer, dass die Polizei hinter mir her ist und, dass sie mich ständig beobachten und auf Schritt und Tritt verfolgen.
LA: Sie hätten die Möglichkeit gehabt, sich zum Beispiel in Istanbul niederzulassen. Was sagen Sie dazu?
VP: Die Diskriminierung wäre in einer Großstadt noch größer. In Istanbul sind auch viele Türken, sogar meine Lehrer in der Grundschule waren Türken aus Istanbul und sie denken wie alle anderen. In Konya wurde voriges Jahr ein Kurde ermordet, weil er Kurde ist. Ich habe Ihnen erzählt, in welcher Form ich diskriminiert wurde, ich habe sogar kein Attest von dem Krankenhaus bekommen, sonst hätte ich Ihnen dies als Beweismittel vorgelegt. Auch in Istanbul gibt es überall Polizeikontrollen, als Geburtsort steht im Ausweis „Bingöl“. Allein das ist ein Grund, dass ich überall in der Türkei mit anderen Augen angesehen werde und schikaniert.
LA: Hätten Sie die Möglichkeit gehabt sich woanders innerhalb in der Türkei niederzulassen?
VP: Nein. Es geht nicht ums Geld. Wir sind gut situiert. Aber überall in der Türkei hat man als Kurde Probleme.
LA: Wie ist es Ihren Eltern und Ihren Geschwistern möglich, ohne Problem weiterhin in der Türkei zu leben?
VP: Sie versuchen dort zu leben, es geht ihnen nicht gut. Es gibt auch Druck in der Familie. Ich habe einen Onkel in XXXX, er ist Parteivorsitzender in XXXX bei der AKP. Er übt Druck auf mich aus, dass ich Mitglied bei der AKP werde, er hat mich nie in Ruhe gelassen, ich habe ihn jedes Mal abgewiesen. Jedes Mal wenn er mich gesehen hat, hat er mich mit dem Umbringen auch bedroht. VP: Sie versuchen dort zu leben, es geht ihnen nicht gut. Es gibt auch Druck in der Familie. Ich habe einen Onkel in römisch 40 , er ist Parteivorsitzender in römisch 40 bei der AKP. Er übt Druck auf mich aus, dass ich Mitglied bei der AKP werde, er hat mich nie in Ruhe gelassen, ich habe ihn jedes Mal abgewiesen. Jedes Mal wenn er mich gesehen hat, hat er mich mit dem Umbringen auch bedroht.
LA: Wie lange gingen diese Bedrohungen seitens Ihres Onkels insgesamt?
VP: Vor fünf oder sechs Jahren vor der Ausreise hat er damit begonnen.
LA: Wo lebt Ihr Onkel, wie weit entfernt liegt seine Heimatadresse?
VP: Er lebt in XXXX, 8 bis 9 Kilometer von meinem Heimatdorf zur Kreisstadt XXXX. VP: Er lebt in römisch 40 , 8 bis 9 Kilometer von meinem Heimatdorf zur Kreisstadt römisch 40 .
LA: Wie war es möglich solange Jahre Druck und Bedrohungen seitens Ihres Onkels zu erleben, ohne, dass es zu einem konkreten Vorfall gekommen ist?
VP: Meine Tiere sind an der Grenze zur Stadt XXXX. Ich war sehr selten in XXXX, meine Tiere lies ich an der Grenze der Provinz XXXX/Bingöl weiden. Ich blieb ungefähr acht Monate im Jahr dort und kam sehr selten in mein Heimatdorf zurück, nur im Winter war ich für zwei oder drei Monate im Heimatdorf. Ich flüchtete vor dem Druck des Onkels, weil ich es nicht mehr hören konnte. Wir hatten dort eine Hütte mit einem Raum, alle zwei bis drei Wochen kam mein Bruder dorthin. Dort haben wir auch ein Feld und Landwirtschaft und diese gehören auch meiner Familie. VP: Meine Tiere sind an der Grenze zur Stadt römisch 40 . Ich war sehr selten in römisch 40 , meine Tiere lies ich an der Grenze der Provinz XXXX/Bingöl weiden. Ich blieb ungefähr acht Monate im Jahr dort und kam sehr selten in mein Heimatdorf zurück, nur im Winter war ich für zwei oder drei Monate im Heimatdorf. Ich flüchtete vor dem Druck des Onkels, weil ich es nicht mehr hören konnte. Wir hatten dort eine Hütte mit einem Raum, alle zwei bis drei Wochen kam mein Bruder dorthin. Dort haben wir auch ein Feld und Landwirtschaft und diese gehören auch meiner Familie.
LA: Sie hatten vorhin angegeben, dass Sie in einigen Städten in der Türkei gearbeitet haben, wie war dies dann mit Ihrem Vorbringen zu vereinbaren, dass Sie sich etwa acht Monate bei Ihren Tieren aufgehalten haben?
VP: Ich war zwar in diesen Städten arbeiten, aber als ich zurückkam, war ich sehr oft mit meinen Tieren von XXXX. In der Familie meines Vaters gibt es auch armenische Großmütter, auch das ist ein Grund zur Diskriminierung. Oft wird die Familie beschimpft, weil sie von einer armenischen Frau stammen. Im Jahr 2002 haben die türkischen Soldaten zwischen XXXX und Bingöl unser Haus und auch den Wald niedergebrannt. Sie wollten die Unterschlupfmöglichkeiten den Terroristen verhindern, dabei wurde auch unser Haus verbrannt, wir mussten dann ein neues errichten. VP: Ich war zwar in diesen Städten arbeiten, aber als ich zurückkam, war ich sehr oft mit meinen Tieren von römisch 40 . In der Familie meines Vaters gibt es auch armenische Großmütter, auch das ist ein Grund zur Diskriminierung. Oft wird die Familie beschimpft, weil sie von einer armenischen Frau stammen. Im Jahr 2002 haben die türkischen Soldaten zwischen römisch 40 und Bingöl unser Haus und auch den Wald niedergebrannt. Sie wollten die Unterschlupfmöglichkeiten den Terroristen verhindern, dabei wurde auch unser Haus verbrannt, wir mussten dann ein neues errichten.
LA: Möchten Sie etwas zu Ihrem Vorbringen ergänzen?
VP: Ich möchte angeben, dass mein Vater im Jahre 2002 auf eine Mine im Bereich, wo unsere Tiere weiden (zwischen XXXX und Bingöl), gestiegen ist, er wurde dabei schwer verletzt. Er wurde bis 2008 behandelt und zwar von einem kurdischen Arzt XXXX und gleichzeitig Abgeordneter der HDP, er ist zurzeit in Haft. VP: Ich möchte angeben, dass mein Vater im Jahre 2002 auf eine Mine im Bereich, wo unsere Tiere weiden (zwischen römisch 40 und Bingöl), gestiegen ist, er wurde dabei schwer verletzt. Er wurde bis 2008 behandelt und zwar von einem kurdischen Arzt römisch 40 und gleichzeitig Abgeordneter der HDP, er ist zurzeit in Haft.
LA: Waren Sie im Heimatland oder anderswo in Strafhaft? Wenn ja, weshalb?
VP: Für zwei Tage wurde ich nur angehalten, mehr aber nicht. Während des Wehrdienstes wurde ich zwei Wochen lang eingesperrt.
LA: Besteht gegen Sie ein offizieller Haftbefehl im Heimatland?
VP: Nein.
LA: Was würde bei aktueller (fiktiver) Heimkehr ins Heimatland passieren? Was würde Sie dort erwarten?
VP: Sie würden mich sofort festnehmen, mich befragen, von wo ich komme. Sie wissen ganz genau, dass ich hier einen Asylantrag gestellt habe. Asyl ist für mich die letzte Möglichkeit gewesen, es gibt kein Leben mehr in der Türkei für mich.
[…]“
4. Mit Bescheid vom 28.02.2023, Zl. XXXX, wies das BFA den Antrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde der bP nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). 4. Mit Bescheid vom 28.02.2023, Zl. römisch 40 , wies das BFA den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt römisch II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde der bP nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben der bP im Bundesgebiet würde ebenso wenig vorliegen. Sie habe aber ein Verhalten gesetzt, welches eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle.
5. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
6. Am 02.08.2023 beraumte das Bundesverwaltungsgericht („BVwG“) für den 05.09.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung an und übermittelte den Verfahrensparteien entsprechende Ladungen.
6.1. Mit der Ladung wurde die bP auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönlichen Fluchtgründe und sonstigen Rückkehrbefürchtungen durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine demonstrative Aufzählung von grundsätzlich als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.
Zugleich mit der Ladung wurden der bP ergänzend Berichte zur aktuellen Lage in der Türkei übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das BVwG in seine Entscheidung miteinbezieht. Eine schriftliche Stellungnahmefrist bis zum Verhandlungstermin bzw. eine Stellungnahmemöglichkeit in der Verhandlung wurde dazu eingeräumt.
7. Am 05.09.2023 führte das BVwG in Anwesenheit der bP, ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und eines Dometschers für die Sprache Türkisch eine Verhandlung durch. Das BFA blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
Im Wesentlichen legte die bP gegenüber dem BVwG - in grundsätzlicher Wiederholung ihres mageblichen Parteivorbringens (allerdings mit Abweichungen im Detail) - Begebenheiten dar, wonach sie einmal - wegen Verwendung ihrer (kurdischen) Muttersprache anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes ihrer Großmutter - mit Polizeibeamten in eine verbale Konfrontation geraten sei und in weiterer Folge zwar kurzzeitig in Gewahrsam genommen sowie bedroht, schließlich jedoch wieder freigelassen worden sei. Ein anderers Mal sei sie abends auf ihrer Nachhausefahrt mit dem Auto in einen Kontrollpunkt des türkischen Militärs geraten, wo man sie zu einer Ausweisleistung aufgefordert habe. Da die bP einen solchen jedoch nicht bei sich gehabt habe, sei sie aus dem Wagen gezerrt und zwei Mal gegen eine nahe anliegende Haltestelle gedrückt worden, wobei die Soldaten auch auf sie eingeschlagen hätten. Sie habe Atembeschwerden bekommen und sich daraufhin in einem Krankenhaus einer Behandlung unterzogen. Dort habe sich das Personal geweigert, den Vorfall wahrheitsgetreu - gemäß den Erzählungen der bP - im Gesundheitsakt zu vermerken, weil es ihr die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe. Zuletzt habe man sie in ihrem Heimatdorf als Dorfwächter angeworben. Weil sie sich demgegenüber verwehrt habe, habe man sie dem Pauschalverdacht ausgesetzt, Terroristen zu unterstützen. Sie habe vor ca. zwei Monaten von ihrem türkischen Rechtsanwalt Gerichtsunterlagen bekommen, wonach gegen sie auch offiziell Ermittlungen wegen angeblicher Terrorunterstützung laufen würden, diese wolle sie nunmehr im Wege einer Beweismittelvorlage ins Verfahren einbringen. Im April 2023 hätte sie zu einer Verhandlung bei einem türkischen Gericht erscheinen sollen. Wegen ihrer Abwesenheit sei in der Folge ein Haftbefehl gegen ihre Person erlassen worden. 2018 habe sie in Bingöl mit Freunden am Newroz-Fest teilgenommen; davon habe die Polizei - zur strafrechtlichen Evidenz - Foto- und Videoaufnahmen angefertigt.
Die bP wurde vom BVwG aufgefordert, binnen drei Wochen die wesentlichen für das Verfahren erforderlichen Abschnitte ihrer Unterlagen zu markieren und gegenüber dem Gericht (neuerlich) zur Vorlage zu bringen. Das BVwG nahm die paraten Beweismittel der bP entgegen und fertigte Kopien davon an, die zum Gerichtsakt (als Beilage zur Verhandlungsschrift [siehe OZ 11]) genommen wurden. Im Übrigen wurde die bP aufgefordert, binnen drei Wochen diesbezügliche Auszüge aus dem türkischen E-Government-Portal „e-devlet“ einzuholen und dem Gericht gleichermaßen vorzulegen. Auf die Möglichkeit(-en), über die Homepage des türkischen Innenministeriums Informationen über die entsprechende Zugangsbeschaffung zu erlangen, sowie Entsprechendes hilfsweise über ihren türkischen Rechtsanwalt abzuwickeln, wurde die bP ausdrücklich hingewiesen.
8. Mit ERV-Eingabe vom 20.09.2023 erstattete die bP über ihre Rechtsvertretung eine Urkundenvorlage in Form mehrerer Türkisch abgefasster (Justiz-)Unterlagen (OZ 12). Mit Ausnahme einer Ergänzung wurden dieselben Schrifstücke - wie bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 05.09.2023 - vorgelegt, dadurch kam sie der seinerzeitigen Aufforderung des erkennenden Richters nicht (vollständig) nach. Gleichzeitig teilte die bP mit, dass sie über keine Zugangsdaten (E Devlet Chiffre) verfüge. Diese müsste sie persönlich in der Türkei bei der Post oder im Ausland bei den türkischen Auslandsvertretungen erwerben, was ihr angesichts des laufenden Asylverfahrens nicht zugemutet werden könne.
9. Am gleichen Tag erteilte das BVwG einen Übersetzungsauftrag bezügli