TE Vwgh Beschluss 1995/4/20 95/09/0089

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Veröffentlicht am 20.04.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §54c;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, in der Beschwerdesache des A in G, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 27. Jänner 1995, Zl. A 4-St 728/1-1990/303, betreffend Abweisung eines Antrages auf Enthaftung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde, des mit dieser vorgelegten angefochtenen Bescheides und auf Grund der vom Verfassungsgerichtshof angeforderten Verwaltungsakten geht der Verwaltungsgerichtshof von Folgendem aus:

Mit Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 25. Mai 1994 wurde der Behörde aus in der Rechtssphäre des Beschwerdeführers gelegenen Gründen für die Verbüßung mehrerer Ersatzfreiheitsstrafen ein Zeitplan vorgeschlagen, nach dem die in Rede stehende Ersatzfreiheitsstrafe vom 5. September bis 13. November 1994 zu verbüßen gewesen wäre. Mangels Beachtung dieses Termines wurde der Beschwerdeführer zur Verbüßung von mehreren Ersatzfreiheitsstrafen am 3. Jänner 1995 verhaftet.

Mit an den Magistrat Graz gerichtetem Schreiben vom 24. Jänner 1995 beantragte der Beschwerdeführer unter Bezug auf die unter Zl. A 4-St 728/1990/304 in Verbindung mit einer Geldstrafe von S 600.000,-- verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Wochen, hinsichtlich der - so sein damaliges Vorbringen - am "24. 1. 1995" Vollstreckungsverjährung gemäß § 31 Abs. 3 VStG eingetreten sein soll, seine Enthaftung spätestens am 29. Jänner 1995, weil bis dahin auf alle Fälle auch die Strafe Zl. A 4-St 17/1-1990/304 verbüßt worden sei.

Über diesen Antrag auf Enthaftung sprach die belangte

Behörde wie folgt ab:

In der Verwaltungsvollstreckungssache GZ: A 4 St 728/1-1990 wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl 1975/218 des A, derzeit im polizeilichen Gefangenenhaus in 8010 Graz, Paulustorgasse 8, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, wird der Antrag des A, ihn am 29.1.1995 zu enthaften, gem. § 31 Abs 3 VStG 1991

ABGEWIESEN."

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, über den Beschwerdeführer seien mit Bescheid des Landeshauptmannes als Berufungsbehörde eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S 600.000,-- bzw. im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von insgesamt sechs Wochen verhängt worden. Dieser Bescheid sei am 24. Jänner 1992 in Rechtskraft erwachsen. Da die Geldstrafe uneinbringlich gewesen sei, seien in der Folge mehrere Aufforderungen zum Antritt der Ersatzarreststrafe an den Beschwerdeführer ergangen. In der gegenständlichen Strafsache sei letztlich am 10. Jänner 1995 das Ersuchen an die Bundespolizeidirektion Graz um Vorführung zum Strafantritt erfolgt. Am 19. Jänner 1995 sei in Entsprechung dieses Ersuchens der Beschwerdeführer, der schon vom 3. Jänner bis 19. Jänner 1995 die Ersatzfreiheitsstrafe zur Zl. A 4 St 126/1-1990 verbüßt habe, zur Vollziehung der gegenständlichen Ersatzfreiheitsstrafe weiter in Haft behalten worden.

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Antrag habe der Beschwerdeführer begehrt, ihn mit 29. Jänner 1995 zu enthaften, weil Vollstreckungsverjährung eingetreten sei.

Die Vollstreckungsverjährung sei im § 31 Abs. 3 VStG dahingehend geregelt, daß eine Strafe nicht mehr vollstreckt werden dürfe, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen seien, wobei Zeiten eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof, ferner Zeiten, in denen die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen gewesen sei, nicht einzurechnen seien. Das Straferkenntnis vom 22. Jänner 1992 sei am 24. Jänner 1992 rechtskräftig geworden. Da der Beschwerdeführer zum Zwecke der Vollstreckung am 19. Jänner 1995 in Haft behalten worden sei, die Aufforderungen zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafen bzw. zur Vorführung zum Strafantritt vorangegangen seien, sei in jedem Fall die Strafvollstreckung innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren eingeleitet worden, auch wenn die Dreijahresfrist später während der Dauer des Vollzuges zu Ende gegangen sei. Dies könne die Fortsetzung der Vollstreckung nicht hindern, weil - wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 15. Jänner 1983, Zl. 81/05/0046, und vom 10. September 1986, Zl. 84/03/0043, ausgesprochen habe - während der Dauer der Vollstreckung Verjährung nicht mehr eintreten könne.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde ausgeführt, es sei "analog § 54c VStG 1991" gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel zulässig.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde nach Einleitung des Vorverfahrens und Aktenvorlage mit Beschluß vom 16. März 1995 ablehnte und - die bereits auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ausgeführte Beschwerde - an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Der Beschwerdeführer sieht sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch den angefochtenen Bescheid

a) in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde und

b) in dem einfachgesetzlich geregelten Recht auf Enthaftung nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 3 VStG verletzt.

Gemäß § 54c VStG ist gegen die Entscheidung über Anträge auf Aufschub oder Unterbrechung des Strafvollzuges (§ 54a) oder auf Zahlungserleichterungen (§ 54b Abs. 3) kein Rechtsmittel zulässig.

§ 54a VStG regelt "Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges".

Im Beschwerdefall handelt es sich weder um einen Antrag um Aufschub noch um Unterbrechung des Strafvollzuges, sondern um einen an den Magistrat Graz gerichteten Antrag auf Enthaftung. Eine Heranziehung des § 54c VStG und der darin normierten Einschränkung des Instanzenzuges kommt daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht in Frage. Es ist daher im Beschwerdefall - mangels einer entgegenstehenden ausdrücklich gesetzlichen Regelung - ein Instanzenzug gegeben (vgl. in diesem Sinne den Beschluß eines verstärkten Senates vom 31. März 1950, Slg. N. F. Nr. 1351/A).

Das im Art. 131 Abs. 1 B-VG aufgestellte Erfordernis der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges hat zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges im Einzelfall in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde niederer Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann

(vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 30. Oktober 1958, Slg. N. F. Nr. 4788/A).

Da die Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges vorliegendenfalls jedenfalls nicht gegeben ist, mußte die Beschwerde im Hinblick darauf gemäß § 34 VwGG als unzulässig zurückgewiesen werden.

Im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung wird auf § 71 AVG hingewiesen. Bei der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage wird die dem Magistrat Graz im Instanzenzug in dieser Angelegenheit übergeordnete Behörde auch auf die Zuständigkeitsregelung des § 53a VStG Bedacht zu nehmen haben.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995090089.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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