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80 Land-und ForstwirtschaftLeitsatz
Aufhebung der Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Registergebühren im DüngemittelG wegen Verstoß gegen das Determinierungsgebot; Aufhebung der Düngemittel-RegistergebührenV mangels gesetzlicher GrundlageSpruch
1. §30 Düngemittelgesetz, BGBl. Nr. 488/1985, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1993 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
2. Die Düngemittel-Registergebührenverordnung, BGBl. Nr. 208/1987, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1993 in Kraft.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1328/90, B263/91 und B39/92 Verfahren über Beschwerden anhängig, mit denen Bescheide über die Vorschreibung von Registergebühren nach §30 Düngemittelgesetz, BGBl. 488/1985 (DMG), in Zusammenhalt mit der Düngemittel-Registergebührenverordnung,BGBl. 208/1987 (DM-RV), gemäß Art144 Abs1 B-VG angefochten wurden.
§30 Düngemittelgesetz, BGBl. 488/1985, lautet:
"(1) Für die im Düngemittelregister eingetragenen Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel ist von der Partei eine Gebühr zu entrichten.
(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen die Höhe der Gebühren durch Verordnung festzusetzen.
(3) Die Höhe der Gebühren ist so festzusetzen, daß die voraussichtlich erwachsenden Kosten der Überwachung und der Registerführung aus den Gebühren gedeckt werden können. Hiebei ist insbesondere auf den Anwendungsbereich und den Anwendungsumfang Bedacht zu nehmen.
(4) Die Gebühr ist mit Erlagschein für ein Jahr im voraus zu entrichten. Bemessungszeitraum ist der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Wird die Gebühr nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Höhe entrichtet, so ist die Gebühr oder der Fehlbetrag vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vorzuschreiben."
Die Düngemittel-Registergebührenverordnung, BGBl. 208/1987, lautet:
"Auf Grund des §30 des Düngemittelgesetzes, BGBl. Nr. 488/1985, wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen verordnet:
§1. Für die im Düngemittelregister eingetragenen Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel ist von der Partei eine Registergebühr zu entrichten.
§2. (1) Die Registergebühr beträgt für den Zeitraum vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des Folgejahres (Bemessungszeitraum) 5 000 S.
(2) Die Gebühr ist erstmals für den auf die Eintragung in das Düngemittelregister folgenden Bemessungszeitraum zu entrichten.
§3. (1) Von der Gebühr ist die Partei auf ihren Antrag mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zu befreien, wenn ein Düngemittel, Bodenhilfsstoff, Kultursubstrat oder Pflanzenhilfsmittel derselben Partei mit derselben Zusammensetzung, aber unter einer anderen Handelsbezeichnung bereits in das Düngemittelregister eingetragen ist.
(2) Der Antrag auf Gebührenbefreiung ist bis spätestens einen Monat vor Beginn des Bemessungszeitraumes, für den die Gebührenbefreiung erstmals gelten soll, beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft einzubringen.
§4. Die Gebühr ist mit Erlagschein auf das Postscheckkonto Nr. 5060.007 des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft für ein Jahr im voraus zu entrichten. Wird die Gebühr nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Höhe entrichtet, so ist die Gebühr oder der Fehlbetrag vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vorzuschreiben.
§5. Der erste Bemessungszeitraum ist der Zeitraum vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 1988. Die Registergebühr für diesen Bemessungszeitraum ist bis zum 31. August 1987 zu entrichten. Soll die Gebührenbefreiung gemäß §3 Abs1 erstmals für diesen Bemessungszeitraum gelten, ist der Antrag auf Gebührenbefreiung bis spätestens 31. Juli 1987 beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft einzubringen.
§6. Diese Verordnung tritt mit 1. Juli 1987 in Kraft."
2. Bei der Beratung über die angeführten Beschwerden entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §30 DMG und der Gesetzmäßigkeit der DM-RV.
Unter Hinweis auf seine Vorjudikatur nahm der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß §30 Abs2 und 3 DMG keine dem Bestimmtheitserfordernis des Art18 Abs2 B-VG genügende Rechtsgrundlage für die Erlassung der DM-RV bildet. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gründeten darauf, daß das Gesetz weder eine Höchstgrenze für die durch Verordnung kostendeckend festzusetzenden Registergebühren festlege noch erkennen lasse, in welchem Umfang und mit welcher Intensität die über die Registerführung im engeren Sinn hinausgehende und für die Höhe der Gebühr ganz überwiegend maßgebliche Überwachung der registrierten Düngemittelprodukte stattfinden solle.
Die DM-RV ermangle - so der Verfassungsgerichtshof im Beschluß vom 17. Juni 1992, B1328/90 ua. - bei Zutreffen der gegen §30 DMG sprechenden verfassungsrechtlichen Bedenken nach Aufhebung dieser Bestimmung der gemäß Art18 Abs2 B-VG erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Aber auch wenn §30 DMG nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist, hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die einheitliche Festsetzung der Registergebühr mit S 5.000,-- pro Jahr und Produkt kraft §2 Abs1 DM-RV dem §30 Abs3 DMG widerspreche, weil entgegen dem letzten Satz dieser gesetzlichen Bestimmung bei Festsetzung der Gebühr "auf den Anwendungsbereich und den Anwendungsumfang" der einzelnen Düngemittelprodukte kein Bedacht genommen worden sei.
Schließlich hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die einheitliche Festsetzung der Registergebühr mit S 5.000,-- pro Jahr und Produkt im §2 Abs1 der DM-RV dem §30 Abs3 DMG deshalb widerspreche, weil sie von einer fehlerhaften Aufwandsberechnung ausgehen dürfte.
3. Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung vom 29. September 1992 beschlossen, in den Gesetzesprüfungsverfahren G136-138/92 "im Hinblick auf die Vorjudikatur von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen".
Vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wurde in den Verordnungsprüfungsverfahren V50-52/92 keine Äußerung erstattet.
II. 1. §30 DMG sowie die DM-RV bilden die Rechtsgrundlage der beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheide. Der Verfassungsgerichtshof hat daher bei deren Prüfung auch jene Rechtsnormen anzuwenden.
Da die Abs1 bis 4 des §30 DMG ebenso wie die Vorschriften der DM-RV jeweils in einem untrennbaren inneren Zusammenhang stehen, sind die Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren in dem dieses Verfahren einleitend beschlossenen Umfang zulässig.
2.a. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 8468/1978 und die dort angeführte Vorjudikatur) die Auffassung vertreten, daß es Art18 Abs2 B-VG zuwiderläuft, wenn die Höhe der von den Abgabe(Beitrags)pflichtigen insgesamt zu entrichtenden Abgaben (Beiträge) einzig und allein davon abhängt, wie hoch der aus der Abgabe (dem Beitrag) zu deckende Aufwand vom zuständigen Organ angesetzt wird. Durch eine derartige Regelung wird der Verwaltung eine verfassungswidrige Blankettvollmacht erteilt. Wohl kann aber - so schon VfSlg. 6873/1972 - die Festlegung der Maximalhöhe einer Abgabe (eines Beitrages) im Gesetz eine den Erfordernissen des Art18 B-VG entsprechende determinierende Wirkung haben, wenn die Bezugnahme auf den zu deckenden Aufwand allein eine ausreichende inhaltliche Bestimmung einer Verordnung nicht zu geben vermag.
Legt sohin der Gesetzgeber keine Höchstgrenze und auch sonst keine ausreichenden Bestimmungsgründe für den Aufwand der Behörde, der durch eine Abgabe abzugelten ist, fest und läßt er dem Verordnungsgeber sowohl hinsichtlich des durch eine Verwaltungsaufgabe bewirkten direkten Personal- und Sachaufwandes der Behörde als auch hinsichtlich des dadurch verursachten Anteils an den Allgemeinkosten der Verwaltung für die Abgabe einen zu großen Gestaltungsspielraum, so widerspricht die gesetzliche Ermächtigung zur Festsetzung der Abgaben dem Art18 Abs2 B-VG.
b. §30 Abs2 und 3 DMG legen keine Höchstgrenze für die durch Verordnung festzusetzenden Registergebühren fest. Der durch die Gebühr abzugeltende Aufwand ist in §30 Abs3 DMG mit den "voraussichtlich erwachsenden Kosten der Überwachung und der Registerführung" umschrieben. Während der Hinweis auf die "Registerführung" auf Grund des §17 DMG, aus dem sich der Inhalt des Düngemittelregisters ergibt und der den aus dessen Führung erwachsenden Verwaltungsaufwand mit hinreichender Deutlichkeit errechnen läßt, dem Legalitätsprinzip gemäß Art18 Abs2 B-VG genügt, fehlt es den durch die Registergebühren ebenfalls abzudeckenden "Kosten der Überwachung" an der verfassungsgesetzlich notwendigen Bestimmtheit.
Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des DMG beruft §22 DMG den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, der sich dazu fachlich befähigter Personen als Aufsichtsorgane zu bedienen hat. Die Befugnisse und Pflichten jener Aufsichtsorgane sind in §23 DMG, das Verfahren der Probenahme und der Untersuchung der Proben ist in einer auf §24 DMG gestützten Düngemittel-Probenahmeverordnung, BGBl. 121/1987, geregelt. Zu kontrollieren ist gemäß §23 Abs1 DMG, "ob Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechend in Verkehr gebracht werden".
Anders als etwa bei den den Untersuchungsgebühren gemäß §28 DMG und den Kontrollgebühren gemäß §29 DMG zugrundeliegenden Untersuchungen und Begutachtungen, deren jeweils einmaliger Anlaß aus dem Gesetz deutlich ablesbar ist und die von einer registrierungspflichtigen Partei begehrt werden, ergibt sich aus dem Gesetz nicht, mit welcher Intensität, also vor allem wie häufig amtswegige Kontrollen und Untersuchungen gemäß den §§22 und 23 DMG stattzufinden haben. Die aus der Überwachung der im Düngemittelregister registrierten Stoffe erwachsenden Kosten, die für die Höhe der Registergebühr überwiegend maßgeblich sind, sind insoweit durch das Gesetz im vorhinein nicht hinreichend bestimmt. Sie hängen davon ab, wie häufig entsprechende Kontrollen von der zuständigen Behörde veranlaßt werden.
Zwar wäre vom Standpunkt des Art18 Abs2 B-VG nichts dagegen einzuwenden, wenn eine entsprechend dem Verwaltungsaufwand zu bemessende Gebühr jeweils im Falle einer tatsächlich vorgenommenen Kontrolluntersuchung zu entrichten wäre. Die gesetzliche Verpflichtung zur regelmäßigen Entrichtung einer Gebühr "im voraus" (so §30 Abs4 DMG) für eine Verwaltungstätigkeit, bei der es dem Ermessen der zuständigen Behörde überlassen ist, wie oft sie hinsichtlich der einzelnen Produkte der Gebührenpflichtigen tatsächlich stattfindet, widerspricht aber Art18 Abs2 B-VG.
Auch die im letzten Satz des §30 Abs3 DMG gesetzlich gebotene Bedachtnahme "auf den Anwendungsbereich und den Anwendungsumfang" (der einzelnen Düngemittelprodukte) bildet keinen im Sinne des Art18 Abs2 B-VG ausreichenden Bestimmungsgrund für die Höhe der Registergebühr, weil dadurch ausgehend von der im vorhergehenden Satz des §30 Abs3 DMG geforderten Kostendeckung lediglich eine Differenzierung der Gebührenhöhe für die einzelnen Düngemittelprodukte angeordnet wird, ohne daß das Gesetz dadurch Anhaltspunkte für deren absolute Höhe erkennen läßt.
§30 DMG ist sohin insgesamt wegen Widerspruchs zu Art18 Abs2 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Da es der DM-RV nach Aufhebung des §30 DMG an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt, ist die Verordnung schon aus diesem Grund gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufzuheben. Es erübrigt sich sohin, auf die sonstigen, im Beschluß vom 17. Juni 1992, B1328/90 ua., gegen die Verordnung aufgeworfenen rechtlichen Bedenken einzugehen.
4. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebungen stützt sich auf Art140 Abs5 B-VG und Art139 Abs5 B-VG.
5. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten gründet sich ebenfalls auf Art140 Abs5 und Art139 Abs5 B-VG; der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Düngemittel, Abgabenwesen, Legalitätsprinzip, Gebühr (Düngemittel-Register), DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G136.1992Dokumentnummer
JFT_10078785_92G00136_00