Entscheidungsdatum
02.10.2024Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W278 2291256-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Habitzl als Einzelrichter über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ihren Vater XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2024, Zahl XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Habitzl als Einzelrichter über die Beschwerde der minderjährigen römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ihren Vater römisch 40 , geboren am römisch 40 , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2024, Zahl römisch 40 , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben. XXXX ist gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 ein Fremdenpass auszustellen.Der Beschwerde wird stattgegeben. römisch 40 ist gemäß Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer 3, Fremdenpolizeigesetz 2005 ein Fremdenpass auszustellen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässigDie Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der minderjährigen Beschwerdeführerin (in der Folge BF) wurde erstmals am XXXX .11.2023 eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis zum XXXX .12.2024 ausgestellt. Der minderjährigen Beschwerdeführerin (in der Folge BF) wurde erstmals am römisch 40 .11.2023 eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis zum römisch 40 .12.2024 ausgestellt.
Am 08.02.2024 stellte der gesetzliche Vertreter der BF für den BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG). Am 08.02.2024 stellte der gesetzliche Vertreter der BF für den BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich gemäß Paragraph 88, Absatz eins, Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG).
Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) mit Bescheid vom 19.03.2024 den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 FPG ab.Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) mit Bescheid vom 19.03.2024 den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz eins, FPG ab.
Die belangte Behörde traf folgende Feststellungen zur Person der BF.
Die BF verfüge über eine Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis zum XXXX .12.2024. Aufgrund des Amtswissens sei plausibel, dass die BF derzeit kein afghanisches Reisedokument erlangen könne. Die BF verfüge über eine Aufenthaltsberechtigung „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis zum römisch 40 .12.2024. Aufgrund des Amtswissens sei plausibel, dass die BF derzeit kein afghanisches Reisedokument erlangen könne.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Fremdenpasses seien mangels Rechtsgrundlage nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid brachte die BF mit Schreiben ihres Vertreters vom XXXX .04.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.Gegen diesen Bescheid brachte die BF mit Schreiben ihres Vertreters vom römisch 40 .04.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
In der Beschwerdebegründung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass das BVwG in einem rezenten Erkenntnis vom 25.07.2023, W192 2273616-1, bereits ausgeführt habe, dass für den dort unmündigen Minderjährigen allein aufgrund seines Alters keine Möglichkeit bestehe, die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 FPG zu erwirken. Als Konsequenz sei es ihm, da er nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, für einen langen Zeitraum nicht möglich, mit seinen Eltern, von denen er abhängig sei und die beide über ein gültiges Reisedokument verfügen würden, Aktivitäten außerhalb Österreichs durchzuführen. Die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses aus diesem Grund würde einen unverhältnismäßigen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährleistung des Rechts auf Ausreisefreiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 4. ZPEMRK bilden.In der Beschwerdebegründung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass das BVwG in einem rezenten Erkenntnis vom 25.07.2023, W192 2273616-1, bereits ausgeführt habe, dass für den dort unmündigen Minderjährigen allein aufgrund seines Alters keine Möglichkeit bestehe, die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer 3, FPG zu erwirken. Als Konsequenz sei es ihm, da er nicht in der Lage sei, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, für einen langen Zeitraum nicht möglich, mit seinen Eltern, von denen er abhängig sei und die beide über ein gültiges Reisedokument verfügen würden, Aktivitäten außerhalb Österreichs durchzuführen. Die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses aus diesem Grund würde einen unverhältnismäßigen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährleistung des Rechts auf Ausreisefreiheit gemäß Artikel 2, Absatz 2, 4. ZPEMRK bilden.
Die Eltern der BF würden ebenso über einen afghanischen Reisepass verfügen und der BF sei es nicht möglich, einen Reisepass von Afghanistan zu erhalten. Die soeben zitierten Voraussetzungen würden ebenso auf die BF zutreffen.
Mit Schreiben des BVwG vom 17.06.2024 wurde die BF aufgefordert, zur Klärung des Sachverhaltes binnen zwei Wochen anzugeben und zu belegen, ob ihre Eltern über ein Reisedokument verfügen, und wenn ja, welche Gültigkeit diese Reisedokumente aufweisen.
Mit Stellungnahme des Vertreters des BF vom 25.06.2024 wurden Kopien der afghanischen Reisepässe der Mutter und des Vaters der BF übermittelt.
Dem Bundesamt wurde im Wege des schriftlichen Parteiengehörs die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten, wovon es keinen Gebrauch machte.
Feststellungen:
Die BF führt den im Spruch genannten Namen und ist afghanische Staatsangehörige.
Die BF verfügt über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis zum XXXX .12.2024. Sie wird durch ihren Vater gesetzlich vertreten, der in Österreich rechtmäßig aufhältig ist und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt. Ihr Vater ist im Besitz eines afghanischen Reisepasses, der ihm am 24.10.2019 mit einer Gültigkeit bis zum 24.10.2029 ausgestellt wurde. Ihre Mutter verfügt über einen afghanischen Reisepass, der ihr am 19.09.2017 ausgestellt wurde und dessen Gültigkeit von der afghanischen Botschaft in Islamabad bis 19.09.2027 verlängert wurde. Die BF verfügt über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mit einer Gültigkeit bis zum römisch 40 .12.2024. Sie wird durch ihren Vater gesetzlich vertreten, der in Österreich rechtmäßig aufhältig ist und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt. Ihr Vater ist im Besitz eines afghanischen Reisepasses, der ihm am 24.10.2019 mit einer Gültigkeit bis zum 24.10.2029 ausgestellt wurde. Ihre Mutter verfügt über einen afghanischen Reisepass, der ihr am 19.09.2017 ausgestellt wurde und dessen Gültigkeit von der afghanischen Botschaft in Islamabad bis 19.09.2027 verlängert wurde.
Am 08.02.2024 stellte die BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich.
Aufgrund der aktuellen Situation in Afghanistan werden Anträge auf Ausstellung eines Reisepasses durch die afghanische Konsulatsabteilung der Botschaft nicht bearbeitet und aktuell keine Reisepässe ausgestellt.
Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich, den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde
Die Feststellungen zu der mangelnden Bearbeitung der Anträge bzw. der mangelnden Ausstellung von Reisepässen durch die afghanische Botschaft in Wien ergeben sich aus dem Amtswissen und wurde dies auch im gegenständlichen Bescheid vom Bundesamt so festgehalten.
Die Feststellungen zu den Reisepässen der Eltern und dem Aufenthaltstitel des Vaters des BF ergeben sich aus den vorgelegten Kopien der afghanischen Reisepässe sowie einem rezenten IZR Auszug.
Rechtliche Beurteilung:
Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde fristgerecht am 17.04.20.24 beim BFA eingebracht.
Zu § 88 FPG (Fremdenpass):Zu Paragraph 88, FPG (Fremdenpass):
Gemäß § 88 Abs. 1 FPG kann einem Fremden auf Antrag ein Fremdenpass ausgestellt werden, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist und eine der Voraussetzungen des § 88 Abs. 1 Z 1 bis 5 FPG erfüllt ist.Gemäß Paragraph 88, Absatz eins, FPG kann einem Fremden auf Antrag ein Fremdenpass ausgestellt werden, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist und eine der Voraussetzungen des Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer eins bis 5 FPG erfüllt ist.
Artikel 2 des Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten lautet wie folgt:
„Artikel 2 – Freizügigkeit
(1) Jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen.
(2) Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen.
(3) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als denen, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung des „ordre public“, der Verhütung von Straftaten, des Schutzes der Gesundheit oder der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.
(4) Die in Absatz 1 anerkannten Rechte können ferner für den Bereich bestimmter Gebiete Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt sind.“
Diese Garantie der EMRK gilt auch für Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates der EMRK besitzen, aus dem sie ausreisen wollen (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, Abs. 44 zu § 21, S 217).Diese Garantie der EMRK gilt auch für Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates der EMRK besitzen, aus dem sie ausreisen wollen (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, Absatz 44, zu Paragraph 21,, S 217).
Aus der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (in der Folge EGMR) (EGMR, 14.06.2022, L. B. gegen Litauen, 38121/20) ergibt sich, dass sich aus Art. 2 Abs. 2 4. Zusatzprotokoll zur EMRK in Einzelfällen auch eine positive Verpflichtung des Konventionsstaates ableiten lässt, Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Konventionsstaat aufhalten, Reisedokumente auszustellen, um ihnen eine entsprechende Freizügigkeit zu ermöglichen. Die Weigerung einen Fremdenpass auszustellen, stellt einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht gemäß Art. 2 Abs. 2 4. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge ZPEMRK) dar und steht auch in Widerspruch zu Art. 8 EMRK, wenn die betroffene Person über kein Reisedokument verfügt und nicht in der Lage ist, ein solches zu erhalten. Eingriffe müssen, um zulässig zu sein, gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft zur Verfolgung eines in Art. 2 Abs. 3 4. ZPEMRK genannten legitimen Eingriffszieles notwendig, d. h. geeignet und verhältnismäßig sein. Der Entscheidung des EGMR ist also zu entnehmen, dass keine generelle Verpflichtung besteht, im Mitgliedsstaat aufhältigen Fremden Reisedokumente auszustellen (Rn 59) und bei der Nichterteilung eines Fremdenpasses, welche grundsätzlich einen Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 2 Abs. 2 4. Zusatzprotokoll zur EMRK darstellt, zu prüfen ist, ob dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (Rn 79f).Aus der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (in der Folge EGMR) (EGMR, 14.06.2022, L. B. gegen Litauen, 38121/20) ergibt sich, dass sich aus Artikel 2, Absatz 2, 4. Zusatzprotokoll zur EMRK in Einzelfällen auch eine positive Verpflichtung des Konventionsstaates ableiten lässt, Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Konventionsstaat aufhalten, Reisedokumente auszustellen, um ihnen eine entsprechende Freizügigkeit zu ermöglichen. Die Weigerung einen Fremdenpass auszustellen, stellt einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht gemäß Artikel 2, Absatz 2, 4. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (in der Folge ZPEMRK) dar und steht auch in Widerspruch zu Artikel 8, EMRK, wenn die betroffene Person über kein Reisedokument verfügt und nicht in der Lage ist, ein solches zu erhalten. Eingriffe müssen, um zulässig zu sein, gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft zur Verfolgung eines in Artikel 2, Absatz 3, 4. ZPEMRK genannten legitimen Eingriffszieles notwendig, d. h. geeignet und verhältnismäßig sein. Der Entscheidung des EGMR ist also zu entnehmen, dass keine generelle Verpflichtung besteht, im Mitgliedsstaat aufhältigen Fremden Reisedokumente auszustellen (Rn 59) und bei der Nichterteilung eines Fremdenpasses, welche grundsätzlich einen Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit nach Artikel 2, Absatz 2, 4. Zusatzprotokoll zur EMRK darstellt, zu prüfen ist, ob dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (Rn 79f).
Mit Erkenntnis vom 16.06.2023 zu E 3489/2022 führte der VfGH hinsichtlich der Verfassungskonformität des § 88 FPG aus, dass, wie bereits der EGMR mit Urteil vom 14.06.2022 festgehalten hat, Art. 2 Abs. 2 4. ZPEMRK den Vertragsstaaten keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, Ausländern, die sich in ihrem Hoheitsstaat aufhalten, ein bestimmtes Dokument auszustellen, das ihnen Auslandsreisen ermöglicht. Gleichwohl findet Art. 2 Abs. 2 4. ZPEMRK auf Sachverhalte Anwendung, in denen ein Vertragsstaat Personen, die sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, in seiner Rechtsordnung bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen ein Recht auf Erlangung eines Fremdenpasses einräumt. Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 4. ZPEMRK erstreckt sich also auf Konstellationen wie § 88 FPG (Rz 67). Dem Verfahren gemäß § 88 Abs. 1 FPG kommt insofern grundrechtliche Bedeutung zu, als die Behörde anlässlich eines Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses die Folgen einer Verweigerung auf ihre Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Art. 2 4. ZPEMRK prüfen kann und muss. Angesichts dessen ist die Voraussetzung „sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik liegt“ in § 88 Abs. 1 FPG auch dann erfüllt, wenn die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses eine Verletzung des durch Art. 2 Abs. 2 4. ZPEMRK gewährleisteten Rechts auf Ausreisefreiheit bedeuten würde (Rz 70f).Mit Erkenntnis vom 16.06.2023 zu E 3489/2022 führte der VfGH hinsichtlich der Verfassungskonformität des Paragraph 88, FPG aus, dass, wie bereits der EGMR mit Urteil vom 14.06.2022 festgehalten hat, Artikel 2, Absatz 2, 4. ZPEMRK den Vertragsstaaten keine allgemeine Verpflichtung auferlegt, Ausländern, die sich in ihrem Hoheitsstaat aufhalten, ein bestimmtes Dokument auszustellen, das ihnen Auslandsreisen ermöglicht. Gleichwohl findet Artikel 2, Absatz 2, 4. ZPEMRK auf Sachverhalte Anwendung, in denen ein Vertragsstaat Personen, die sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, in seiner Rechtsordnung bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen ein Recht auf Erlangung eines Fremdenpasses einräumt. Der Schutzbereich des Artikel 2, Absatz 2, 4. ZPEMRK erstreckt sich also auf Konstellationen wie Paragraph 88, FPG (Rz 67). Dem Verfahren gemäß Paragraph 88, Absatz eins, FPG kommt insofern grundrechtliche Bedeutung zu, als die Behörde anlässlich eines Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses die Folgen einer Verweigerung auf ihre Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Artikel 2, 4. ZPEMRK prüfen kann und muss. Angesichts dessen ist die Voraussetzung „sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik liegt“ in Paragraph 88, Absatz eins, FPG auch dann erfüllt, wenn die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses eine Verletzung des durch Artikel 2, Absatz 2, 4. ZPEMRK gewährleisteten Rechts auf Ausreisefreiheit bedeuten würde (Rz 70f).
Ein Interesse der Republik zur Ausstellung eines Fremdenpasses im Sinne des § 88 Abs. 1 FPG ist demnach dann vorhanden, wenn die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses eine Verletzung des Art. 2 4. ZPEMRK und somit einen Verstoß gegen die Verpflichtung der Republik Österreich zur Gewährung dieses Konventionsrechts darstellen würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 FPG ohne Durchführung einer Interessenabwägung bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung verweigert wird.Ein Interesse der Republik zur Ausstellung eines Fremdenpasses im Sinne des Paragraph 88, Absatz eins, FPG ist demnach dann vorhanden, wenn die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses eine Verletzung des Artikel 2, 4. ZPEMRK und somit einen Verstoß gegen die Verpflichtung der Republik Österreich zur Gewährung dieses Konventionsrechts darstellen würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz eins, FPG ohne Durchführung einer Interessenabwägung bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung verweigert wird.
Die BF beantragte die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 FPG. Der Antrag wurde von der belangten Behörde mit dem im Spruch angeführten Bescheid gemäß § 88 Abs. 1 FPG mit der Begründung abgewiesen, dass die BF keinen Nachweis erbracht habe, dass die Voraussetzungen gemäß § 88 Abs. 1 Z 1 bis 5 FPG vorliegen und dadurch die Voraussetzung für die Erteilung eines Fremdenpasses nicht gegeben sei.Die BF beantragte die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz eins, FPG. Der Antrag wurde von der belangten Behörde mit dem im Spruch angeführten Bescheid gemäß Paragraph 88, Absatz eins, FPG mit der Begründung abgewiesen, dass die BF keinen Nachweis erbracht habe, dass die Voraussetzungen gemäß Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer eins bis 5 FPG vorliegen und dadurch die Voraussetzung für die Erteilung eines Fremdenpasses nicht gegeben sei.
Bei der BF liegen die Voraussetzungen im Sinne des § 88 Abs. 1 Z 3 FPG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ nicht vor, zumal ein solcher Aufenthaltstitel nach § 45 Abs. 1 NAG nur Drittstaatsangehörigen erteilt werden kann, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen waren, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles und das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 Integrationsgesetz – IntG) erfüllt haben. Die unmündige minderjährige BF wurde am XXXX .11.2023 in Österreich geboren, weshalb es ihr über eine lange Zeit naturgemäß nicht möglich sein wird, die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 NAG, insbesondere die Absolvierung eines Sprachzertifikats auf dem Niveau B1 gemäß § 10 IntG, zu erfüllen.Bei der BF liegen die Voraussetzungen im Sinne des Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer 3, FPG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ nicht vor, zumal ein solcher Aufenthaltstitel nach Paragraph 45, Absatz eins, NAG nur Drittstaatsangehörigen erteilt werden kann, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen waren, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles und das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (Paragraph 10, Integrationsgesetz – IntG) erfüllt haben. Die unmündige minderjährige BF wurde am römisch 40 .11.2023 in Österreich geboren, weshalb es ihr über eine lange Zeit naturgemäß nicht möglich sein wird, die Voraussetzungen des Paragraph 45, Absatz eins, NAG, insbesondere die Absolvierung eines Sprachzertifikats auf dem Niveau B1 gemäß Paragraph 10, IntG, zu erfüllen.
Für die BF besteht allein aufgrund ihres Alters keine Möglichkeit, die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 FPG zu erwirken. Als Konsequenz ist es der BF, da sie nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, für einen langen Zeitraum nicht möglich, mit ihren Eltern, von denen sie abhängig ist und die beide über ein gültiges Reisedokument verfügen, Aktivitäten außerhalb Österreichs durchzuführen. Es besteht für sie auch im Hinblick auf das Kindeswohl die Notwendigkeit, ihre Eltern bei Auslandsreisen begleiten zu können. Für die BF besteht allein aufgrund ihres Alters keine Möglichkeit, die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer 3, FPG zu erwirken. Als Konsequenz ist es der BF, da sie nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, für einen langen Zeitraum nicht möglich, mit ihren Eltern, von denen sie abhängig ist und die beide über ein gültiges Reisedokument verfügen, Aktivitäten außerhalb Österreichs durchzuführen. Es besteht für sie auch im Hinblick auf das Kindeswohl die Notwendigkeit, ihre Eltern bei Auslandsreisen begleiten zu können.
Da sich die BF rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und sie allein aufgrund ihres Alters über Jahre hinweg nicht in der Lage sein wird, die Voraussetzungen des fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts sowie eines Sprachzertifikates auf dem Niveau B1 für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG) zu erfüllen und dadurch die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 FPG zu erwirken, was zur Konsequenz hat, dass sie ihre Eltern, die sich ebenso rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und jeweils über einen gültigen afghanischen Reisepass verfügen, nicht auf Auslandsreisen begleiten kann, würde die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses aus diesem Grund einen unverhältnismäßigen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährleistung des Rechts auf Ausreisefreiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 4. ZPEMRK bilden (vgl. BVwG 25.07.2023, W192 2273616-1; BVwG 19.09.2023, W163 2276559-1).Da sich die BF rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und sie allein aufgrund ihres Alters über Jahre hinweg nicht in der Lage sein wird, die Voraussetzungen des fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalts sowie eines Sprachzertifikates auf dem Niveau B1 für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (Paragraph 45, NAG) zu erfüllen und dadurch die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß Paragraph 88, Absatz eins, Ziffer 3, FPG zu erwirken, was zur Konsequenz hat, dass sie ihre Eltern, die sich ebenso rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und jeweils über einen gültigen afghanischen Reisepass verfügen, nicht auf Auslandsreisen begleiten kann, würde die Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses aus diesem Grund einen unverhältnismäßigen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährleistung des Rechts auf Ausreisefreiheit gemäß Artikel 2, Absatz 2, 4. ZPEMRK bilden vergleiche BVwG 25.07.2023, W192 2273616-1; BVwG 19.09.2023, W163 2276559-1).
Ausgehend von obigen Erwägungen erweist sich fallbezogen und im Lichte des zitierten Erkenntnisses des VfGH die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses für die BF daher als unverhältnismäßig.
Darüber hinaus wurden von der belangten Behörde zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung des beantragten Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem BVwG nicht hervorgekommen. Es ist insbesondere keine Gefahr erkennbar, dass durch allfällige Auslandsreisen der BF die Republik Österreich durch die damit gegenüber Gastländern übernommene Verpflichtung „in ein schlechtes Licht“ gerückt würde.
Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden, weshalb der BF ein Fremdenpass auszustellen ist. Dies obliegt gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG sowie § 3 Abs. 2 Z 5 BFA-VG dem BFA.Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden, weshalb der BF ein Fremdenpass auszustellen ist. Dies obliegt gemäß Paragraph 5, Absatz eins a, Ziffer 3, FPG sowie Paragraph 3, Absatz 2, Ziffer 5, BFA-VG dem BFA.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Gemäß § 24 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.Gemäß Paragraph 21, Absatz 7, BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Gemäß Paragraph 24, VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, EMRK noch Artikel 47, GRC entgegenstehen.
Darüber hinaus ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung auch dann gerechtfertigt, wenn im zu beurteilenden Rechtsfall das Vorhandensein eines Rechtsanspruchs gerade nicht von der Richtigkeit des Vorbringens eines Antragstellers zu den ins Treffen geführten Tatsachen abhängt. Ist nämlich ein Vorbringen zum Sachverhalt hinreichend konkret, um die rechtliche Prüfung vornehmen zu können (und somit auch nicht ergänzungsbedürftig), aber von vornherein nicht geeignet, einen Rechtsanspruch zu begründen, stellt sich die Frage nicht mehr, ob das sachverhaltsbezogene Vorbringen den Tatsachen entspricht (VwGH 22.01.2016, Ra 2015/20/0157).
Im vorliegenden Fall konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen und dem schriftlichen Parteiengehör geklärt ist. Dem Antrag der BF konnte aufgrund der Aktenlage ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entsprochen werden. Es konnte daher von einer Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.Gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), Bundesgesetzblatt Nr. 10 aus 1985, in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des VwGH, aber auch des VfGH, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.
Die aktuelle Rechtsprechung des VfGH zu Fremdenpässen wurde berücksichtigt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel Auslandsreise Ausreise Daueraufenthalt EU (int. Schutzberechtigte) Fremdenpass Lebensalter Minderjährige rechtmäßiger Aufenthalt Rechtsanschauung des VfGH Reisedokument Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2024:W278.2291256.1.00Im RIS seit
29.10.2024Zuletzt aktualisiert am
29.10.2024