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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der S-Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Oktober 1994, Zl. MA 63 - Sch 259/94, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführerin das Gewerbe: "Gastgewerbe in der Betriebsart einer Imbißstube" mit den Berechtigungen nach § 142 Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 GewO 1994 im dort näher genannten Standort gestützt auf § 91 Abs. 2 GewO 1994 i.V.m.
§ 87 Abs. 1 Z. 1 und 13 Abs. 1 leg. cit. entzogen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin F weise insgesamt zehn im erstinstanzlichen Bescheid näher angeführte gerichtliche Verurteilungen auf, weiche noch nicht getilgt seien und nicht der Beschränkung der s Auskunft aus dem Strafregister unterlägen. Folgende Verurteilungen bildeten einen Gewerbeausschlußgrund gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994:
Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 8. März 1979 sei F schuldig erkannt worden, am 25. Juli 1978 in Linz Johann E. dadurch, daß er ihm einen Faustschlag ins Gesicht versetzt habe, wodurch dieser zu Boden gestürzt sei, und dem am Boden Liegenden zumindestens einen Fußtritt mit einem Holzpantoffel gegen das Gesicht versetzt und am Körper verletzt habe, wobei die Tat eine schwere Schädigung des Sehvermögens, nämlich eine rechtsseitige Erblindung des Johann E. zur Folge gehabt habe, das Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs. 1 und 85 Z. 1 StGB begangen zu haben und es sei über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verhängt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 21. November 1984 sei F schuldig erkannt worden, in Kirchdorf mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern drei näher genannte Personen durch die Vorspiegelung, ein zahlungswilliger und -fähiger Kunde und Patient zu sein, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet zu haben, die diese in einem insgesamt S 5.000,-- übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt hätten, und habe hiedurch das Vergehen des schweren Betruges nach den 55 146, 147 Abs. 2 StGB begangen. Als Strafe sei über ihn eine Freiheitsstrafe von vier Monaten ausgesprochen worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 6. September 1988 sei F schuldig erkannt worden, in den Jahren 1976 bis 1978 in Linz als Pächter des Gastlokales "L" unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vorsätzlich Umsätze in der Höhe von S 4,827.535,--
nicht offengelegt, für 1976 keine, für 1977 und 1978 unrichtige Steuererklärungen eingereicht und dadurch eine Verkürzung an Abgaben in der Höhe von S 1,700.606,-- bewirkt zu haben. Er habe hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG begangen und sei zu einer Geldstrafe von S 600.000,-
--, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden. Diese Straftaten seien im Zusammenhang mit der Ausübung des Gastgewerbes begangen worden.
Das hier in Rede stehende Gastgewerbe biete Gelegenheit zur Begehung der gleichen oder ähnlicher Straftaten. Dies ergebe sich bereits daraus, daß das Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung bei Ausübung des Gastgewerbes begangen worden sei. Die Ausübung des Gastgewerbes biete aber auch Gelegenheit für das Begehen des schweren Betruges z.B. gegenüber Geschäftspartnern. Damit lägen mit Rücksicht auf die Art der Straftaten Umstände vor, die die Annahme der Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlicher Straftaten hinsichtlich der durch das in Rede stehende Gewerbe gebotenen Gelegenheit rechtfertigten. Aus der Tatsache der Begehung des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung bei Ausübung eines Gewerbes, aus dem der Abgabenhinterziehung und dem schweren Betrug zugrundeliegenden Motiv ("Verschaffung von Vermögensvorteilen und finanzielle Schwierigkeiten"), der Vorgangsweise bei den Straftaten, dem langen Tatzeitraum bei der Abgabenhinterziehung unter Verkürzung mehrerer Abgaben, der Höhe des Schadensbetrages und aus der Tatsache, daß F zwischen 1978 und 1990 außer den bereits angeführten gerichtlichen Verurteilungen noch sieben gerichtliche Verurteilungen wegen schweren Betruges, falscher Beweisaussage vor Gericht, Verletzung der Unterhaltspflicht, Übertretung des Lebensmittelgesetzes und Vollstreckungsvereitlung begangen habe, sei ein Persönlichkeitsbild zu gewinnen, das die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes befürchten lasse. Dabei könne auch nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen dem ins Treffen geführten Wohlverhalten während des relativ kurzen Zeitraumes von ca. 4 Jahren seit der letzten Verurteilung nicht jenes Gewicht beigemessen werden, das die in Rede stehende Annahme unberechtigt erscheinen lasse. Da F ungeachtet der mit Verfahrensanordnung vom 20. Juni 1994 gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 erfolgten Fristsetzung von der Beschwerdeführerin nicht entfernt worden sei, lägen die Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin ihrem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Unterbleiben der Entziehung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. Sie führt hiezu aus, sie hätte ein vitales Interesse am weiteren Verbleib ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers, dessen "Expertise und Fachkenntnis" für sie unentbehrlich sei. Da ohne ihn die wirtschaftliche Existenz der Beschwerdeführerin auf dem Spiel stehe und nach Entzug der Gewerbeberechtigung Steuerleistungen nicht länger erbracht werden könnten, läge auch ein öffentliches Interessen am Weiterverbleib ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers vor, sodaß eine Abwägung zwischen gleichgelagerten Interesse vorzunehmen gewesen wäre. Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei widersprüchlich. Das für den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eingeleitete Gnadenverfahren bilde einen Aussetzungsgrund gemäß § 38 AVG, da es sich hiebei uni eine Vorfrage für das gegenständliche Entzugsverfahren handle. Die belangte Behörde habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bereits seit 4 Jahren nicht mehr straffällig geworden sei. Die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zu entsprechendem Vorbringen anleiten müssen. Grundsätzlich biete zwar jede Tätigkeit die Möglichkeit, Delikte zu begehen; solange aber keine Verurteilung erfolgt sei, gelte jedoch für jedermann die Unschuldsvermutung. Insgesamt erweise sich die Entscheidung als verfehlt, da bei dem hier zu beurteilenden Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin weder ausgedehnte Raufereien noch groß angelegte Abgabenbetrügereien bekannt geworden seien, sodaß die generalpräventiven Überlegungen der belangten Behörde überzogen seien.
Gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361), sofern der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes ist und sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, beziehen, dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen.
Gemäß § 87 Abs. 1 leg. cit. ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn 1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, oder
Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister (§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 in der jeweils geltenden Fassung) unterliegt. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht das Vorliegen eines Ausschlußgrundes gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1994 und auch nicht den Ablauf der von der Behörde gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 gesetzten Frist, meint aber, die weitere im § 87 Abs. 1 Z 1 leg. cit. normierte Voraussetzung der Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat durch ihren Geschäftsführer sei nicht gegeben. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Auch im Entziehungsverfahren gemäß § 91 Abs. 1 i.V.m. § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, in dem als Entziehungsgrund eine strafgerichtliche Verurteilung im Sinne des S 13 Abs. 1 leg. cit. in Frage steht, obliegt der Gewerbebehörde die selbständige Beurteilung, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung gegeben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 93/04/0258). Die belangte Behörde legte in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich und in nicht als unschlüssig zu Erkennender Weise dar, auf Grund welcher Erwägungen sie aus dem Verhalten des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf ein die Befürchtung im Sinne des § 87 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 rechtfertigendes Persönlichkeitsbild ihres Geschäftsführers schloß. Mit Recht verwies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf, daß der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin neben einer Reihe von weiteren Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung des Gastgewerbes das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung und eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen begangen hat.
Schon bei Berücksichtigung dieses Sachverhaltes lagen der belangten Behörde aber konkrete Umstände vor, die sie - ohne einem Rechtsirrtum zu unterliegen - zur Annahme berechtigten, daß nach der Eigenart dieser strafbaren Handlungen die Begehung der gleichen oder ähnlicher Straftaten zu befürchten sei.
Was die weiters erforderliche Würdigung der Persönlichkeit des F anlangt, so ist es schon im Hinblick auf - wie im angefochtenen Bescheid eingehend begründet - die den festgestellten Straftaten zugrundeliegende Vorgangsweise nicht, als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde auf ein Persönlichkeitsbild des handelsrechtlichen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin schloß, das die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des gegenständlichen Gastgewerbes befürchten läßt. Dem Umstand, daß sich der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin seit der letzten strafgerichtlichen Verurteilung wohlverhalten hat, kann schon im Hinblick auf die Dauer dieses Zeitraumes nach den allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen nicht jenes Gewicht beigemessen werden, das die in Rede stehende Annahme der belangten Behörde als rechtswidrig erscheinen ließe.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß die von der belangten Behörde festgestellten Straftaten ihres handelsrechtlichen Geschäftsführers weder getilgt sind noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister unterliegen. Weder ein Nachsichtsverfahren nach § 26 GewO 1994 noch ein anhängiges Verfahren gemäß § 411 Strafprozeßordnung (Gnadengesuche) stellen für ein Entziehungsverfahren gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar. Der Gesichtspunkt einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Gewerbeinhabers hat im Entziehungsverfahren keine rechtliche Relevanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 93/04/0078). Auch bietet § 91 Abs. 2 GewO 1994 keinen Anhaltspunkt für eine Interessensabwägung, wie dies in der Beschwerde ausgeführt wird. Zu welchem Vorbringen die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde im Sinne des § 13a AVG angeleitet hätte werden sollen, wird in der Beschwerde in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise nicht dargelegt.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 25. April 1995
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040237.X00Im RIS seit
23.05.2001Zuletzt aktualisiert am
17.07.2013