Entscheidungsdatum
26.09.2024Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I419 2299674-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. MAROKKO, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.2024, Zl. XXXX :Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 alias römisch 40 , StA. MAROKKO, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.2024, Zl. römisch 40 :
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß Paragraph 12 a, Absatz 2, AsylG 2005 rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Am 11.09.2024 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid hob das BFA gegenüber dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete das sinngemäß damit, dass der Beschwerdeführer keinen neuen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der eine Asylrelevanz mit sich brächte. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und würde keinen Eingriff in die in § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG 2005 genannten, durch Art. 2, 3 und 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten.2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid hob das BFA gegenüber dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete das sinngemäß damit, dass der Beschwerdeführer keinen neuen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der eine Asylrelevanz mit sich brächte. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und würde keinen Eingriff in die in Paragraph 12 a, Absatz 2, Ziffer 3, AsylG 2005 genannten, durch Artikel 2,, 3 und 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten.
Da sich auch die Lage im Herkunftsstaat nicht wesentlich geändert habe, sei der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Die Übermittlung des Akts gilt nach § 22 Abs. 10 AsylG 2005 als Beschwerde gegen die Aufhebung des Abschiebeschutzes, der Fremde somit als Beschwerdeführer im gerichtlichen Überprüfungsverfahren.Die Übermittlung des Akts gilt nach Paragraph 22, Absatz 10, AsylG 2005 als Beschwerde gegen die Aufhebung des Abschiebeschutzes, der Fremde somit als Beschwerdeführer im gerichtlichen Überprüfungsverfahren.
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1 Der Beschwerdeführer ist Mitte 30, kinderlos, Staatsangehöriger von Marokko, Sunnit und Berber. Er beherrscht sowohl die Muttersprache Berberisch (Tamazight) als auch Arabisch in Wort und Schrift sowie etwas Spanisch, wurde in der Provinz Guercif in der Region Oriental geboren, wo er auch die Grundschule besucht, in der Landwirtschaft gearbeitet und zuletzt gelebt hat. Dazwischen hat er eine mehrjährige Ausbildung zur Reinigungskraft im Gastgewerbe absolviert, Spanisch gelernt sowie von 2014 bis 2017 in Hotels und Restaurants in Marrakesch und Agadir gearbeitet und davon gelebt.
Im Herkunftsstaat leben zwei Onkel des Beschwerdeführers, bei denen er gewohnt hat; sein Vater und vier volljährige Geschwister leben in Spanien und sind seinen Angaben nach Staatsangehörige Spaniens. Sie finanzierten, nachdem er sich 2019 entschlossen hatte, Marokko zu verlassen und zu ihnen zu ziehen, seine Ausreise am 25.06.2023 auf dem Luftweg mit seinem marokkanischen Reisepasse in die Türkei.
1.1.2 Er stellte am 28.07.2023 nach illegaler Einreise über Ungarn in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA am 19.09.2023 zur Gänze sowie verbunden mit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko abwies, was (nach Hinterlegung im Akt) ohne Beschwerde rechtskräftig wurde.
1.1.3 Der Beschwerdeführer reiste, nachdem er am 16.08.2023 die Verlegung in ein Nachbarbundesland verweigert hatte, nach Frankreich, im Winter nach Spanien und im Frühling 2024 in die Schweiz, wo er am 23.08.2024 internationalen Schutz beantragte und auf die Zuständigkeit Österreichs hingewiesen wurde. Darauf begab er sich nach Salzburg und stellte am 11.09.2024 den Folgeantrag.
1.1.4 Der Beschwerdeführer ist gesund sowie haft- und arbeitsfähig. Er nimmt keine Medikamente und benötigt keine Behandlung. In Europa hat er Berufserfahrung als Erntehelfer und Traktorfahrer erworben. Im Inland ging keiner legalen Arbeit nach, bis er am 24.09.2024 in Schubhaft genommen wurde und am folgenden Tag einen Hungerstreik begann.
1.1.5 Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, selbst wenn ihn Angehörige nicht unterstützen, sei es mit einer bereits ausgeübten oder einer anderen Tätigkeit.
1.1.6 Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Beschwerdeführer ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und hat kaum über die Begegnungen in der Haft hinausgehende - z. B. sprachlichen, kulturellen, beruflichen oder soziale - private Integrationsmerkmale.1.1.6 Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Beschwerdeführer ein „reales Risiko“ einer gegen Artikel 2, oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein im Sinne des Artikel 8, EMRK geschütztes Familienleben und hat kaum über die Begegnungen in der Haft hinausgehende - z. B. sprachlichen, kulturellen, beruflichen oder soziale - private Integrationsmerkmale.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat
Marokko ist nach § 1 Z. 9 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Das BFA hat dem Beschwerdeführer die aktuellen Länderinformationen zu Marokko (Version 8 vom 20.09.2023) mit der Ladung zur Einvernahme für 24.09.2023 übermittelt. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:Marokko ist nach Paragraph eins, Ziffer 9, HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Paragraph 19, BFA-VG. Das BFA hat dem Beschwerdeführer die aktuellen Länderinformationen zu Marokko (Version 8 vom 20.09.2023) mit der Ladung zur Einvernahme für 24.09.2023 übermittelt. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Sicherheitslage
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 9.5.2023). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 6.6.2023). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 8.6.2023; vgl. BMEIA 5.6.2023). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 8.6.2023; vgl. FD 6.6.2023, BMEIA 5.6.2023); zudem besteht eine Bedrohung durch Minen und nicht-detonierte Kampfmittel (AA 8.6.2023; vgl. BMEIA 5.6.2023). Die Grenzregion zu Mauretanien ist zum Großteil vermint. Der einzig offene Grenzübergang nach Mauretanien Guerguarat/ Nouadhibou (Grenzposten PK 55) führt über eine Sandpiste durch vermintes Gebiet. Die Durchfahrt des Bereichs zwischen den beiden Grenzposten wird immer wieder durch wegelagernde Personen erschwert (Anhaltungen, Geldforderungen). Weder die marokkanischen noch mauretanischen Behörden verfügen dort über Exekutivrechte. Aufgrund der Aktivitäten durch die Terrororganisation Al Qaida in der benachbarten Sahelregion und in Westafrika besteht auch in Marokko ein gewisses Risiko (BMEIA 5.6.2023).Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 9.5.2023). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 6.6.2023). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 8.6.2023; vergleiche BMEIA 5.6.2023). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 8.6.2023; vergleiche FD 6.6.2023, BMEIA 5.6.2023); zudem besteht eine Bedrohung durch Minen und nicht-detonierte Kampfmittel (AA 8.6.2023; vergleiche BMEIA 5.6.2023). Die Grenzregion zu Mauretanien ist zum Großteil vermint. Der einzig offene Grenzübergang nach Mauretanien Guerguarat/ Nouadhibou (Grenzposten PK 55) führt über eine Sandpiste durch vermintes Gebiet. Die Durchfahrt des Bereichs zwischen den beiden Grenzposten wird immer wieder durch wegelagernde Personen erschwert (Anhaltungen, Geldforderungen). Weder die marokkanischen noch mauretanischen Behörden verfügen dort über Exekutivrechte. Aufgrund der Aktivitäten durch die Terrororganisation Al Qaida in der benachbarten Sahelregion und in Westafrika besteht auch in Marokko ein gewisses Risiko (BMEIA 5.6.2023).
In der Region Tanger-Tetouan-Al Hoceima – vor allem im Rif-Gebirge – herrscht aufgrund sozialer Konflikte eine angespanntere Situation als im Rest des Landes. Die Kriminalitätsrate ist infolge des Rauschgifthandels sehr hoch. Es besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 5.6.2023; vgl. AA 8.6.2023). [...]In der Region Tanger-Tetouan-Al Hoceima – vor allem im Rif-Gebirge – herrscht aufgrund sozialer Konflikte eine angespanntere Situation als im Rest des Landes. Die Kriminalitätsrate ist infolge des Rauschgifthandels sehr hoch. Es besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 5.6.2023; vergleiche AA 8.6.2023). [...]
1.2.2 Wehrdienst und Rekrutierungen
Die allgemeine Wehrpflicht war seit dem 31.8.2006 ausgesetzt. Ihre durchaus umstrittene Wiedereinführung im August 2018 führte 2019 dazu, dass aus ca. 80.000 Freiwilligen rund 15.000 Rekruten zu einem zwölfmonatigen Wehrdienst an vier Ausbildungszentren ausgewählt wurden. Seitdem werden jährlich junge Soldaten in dieser Größenordnung herangezogen (AA 22.11.2022; vgl. CIA 25.7.2023). Am 25.1.2019 trat das Gesetz in Kraft (DIS 7.2019; vgl. ÖB 8.2021). Die Wehrpflicht wird vor allem als Maßnahme zur Ausbildung und besseren Integration der Bevölkerung präsentiert. Sie wird allerdings nur selektiv angewandt. 2020 wurden im ersten Probebetrieb (auch durch COVID bedingt) lediglich ca. 15.000 Personen tatsächlich rekrutiert (ÖB 8.2021).Die allgemeine Wehrpflicht war seit dem 31.8.2006 ausgesetzt. Ihre durchaus umstrittene Wiedereinführung im August 2018 führte 2019 dazu, dass aus ca. 80.000 Freiwilligen rund 15.000 Rekruten zu einem zwölfmonatigen Wehrdienst an vier Ausbildungszentren ausgewählt wurden. Seitdem werden jährlich junge Soldaten in dieser Größenordnung herangezogen (AA 22.11.2022; vergleiche CIA 25.7.2023). Am 25.1.2019 trat das Gesetz in Kraft (DIS 7.2019; vergleiche ÖB 8.2021). Die Wehrpflicht wird vor allem als Maßnahme zur Ausbildung und besseren Integration der Bevölkerung präsentiert. Sie wird allerdings nur selektiv angewandt. 2020 wurden im ersten Probebetrieb (auch durch COVID bedingt) lediglich ca. 15.000 Personen tatsächlich rekrutiert (ÖB 8.2021).
Das Gesetz sieht Wehrpflicht für Marokkaner im Alter von 19 bis 25 Jahren vor. Insgesamt zwölf Monate sollen Männer und Frauen dienen, bis zum Alter von 25 Jahren (CIA 25.7.2023; vgl. DIS 7.2019). [...]Das Gesetz sieht Wehrpflicht für Marokkaner im Alter von 19 bis 25 Jahren vor. Insgesamt zwölf Monate sollen Männer und Frauen dienen, bis zum Alter von 25 Jahren (CIA 25.7.2023; vergleiche DIS 7.2019). [...]
1.2.3 Ethnische Minderheiten
Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 22.11.2022). Die Verfassung enthält auch die Anerkennung der berberischen Wurzeln, Traditionen und Sprache gleichberechtigt neben dem arabischen und jüdischen Kulturerbe (ÖB 8.2021). Die jüdischen Wurzeln der Nation werden geschützt und gepflegt (AA 22.11.2022).
Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geografischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der „Minderheitencharakter“ der Berber ist bei ca. 40 % der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung aufgrund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 8.2021).
Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 22.11.2022). Mindestens 40 % der Bevölkerung sind Amazigh, und die Mehrheit der Marokkaner hat amazighische Wurzeln. Die Amazigh-Eliten haben Zugang zur Monarchie und ihre Interessen werden im Parlament vertreten, doch der Großteil der Amazigh-Bevölkerung ist sozial, wirtschaftlich und politisch marginalisiert. Die jüngsten Unruhen in Al Hoceïma, in der umliegenden Rif-Region und in anderen Städten Marokkos waren zu einem großen Teil auf die Ungerechtigkeiten zurückzuführen, denen sich viele Amazigh ausgesetzt sahen, und darauf, dass sie nicht in der Lage waren, ihren Unmut über das politische System zu äußern (FH 2023). In Artikel 5 der Verfassung wurde Amazigh, neben Arabisch, als offizielle Sprache anerkannt (BS 23.2.2022), vorerst bestehen aber nur vereinzelt Ansätze, dies in die Praxis umzusetzen (z. B. Straßenschilder) (ÖB 8.2021). Amazigh ist Mitte 2019 per Gesetz als Unterrichtssprache aufgewertet worden (AA 22.11.2022). Der berberische Sprachunterricht im Schulsystem ist nur wenig dicht und führt über die 6. Schulstufe nicht hinaus. Folglich ist eine höhere Bildung in berberischer Sprache nicht möglich (ÖB 8.2021).
1.2.4 Grundversorgung
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert (AA 22.11.2022). Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Wasser, Strom und Abwasserentsorgung verbessert sich allmählich, aber es bestehen nach wie vor große infrastrukturelle Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie innerhalb marginalisierter städtischer Viertel, in denen es immer noch an grundlegenden Dienstleistungen mangelt. Insgesamt sind 77 % der Haushalte an Abwassersysteme und 85 % an verbesserte Wasserquellen angeschlossen. Einigen Gemeinden fehlen noch immer die technischen und finanziellen Mittel für die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel (BS 23.2.2022). Staatliche soziale Unterstützung ist begrenzt (vor allem private Organisationen oder die Fondation Mohammed VI), vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 22.11.2022).Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert (AA 22.11.2022). Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Wasser, Strom und Abwasserentsorgung verbessert sich allmählich, aber es bestehen nach wie vor große infrastrukturelle Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie innerhalb marginalisierter städtischer Viertel, in denen es immer noch an grundlegenden Dienstleistungen mangelt. Insgesamt sind 77 % der Haushalte an Abwassersysteme und 85 % an verbesserte Wasserquellen angeschlossen. Einigen Gemeinden fehlen noch immer die technischen und finanziellen Mittel für die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel (BS 23.2.2022). Staatliche soziale Unterstützung ist begrenzt (vor allem private Organisationen oder die Fondation Mohammed römisch VI), vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie (AA 22.11.2022).
Marokko hatte die Ausnahmesituationen, hervorgerufen durch die Pandemie und die Ukraine-Krise der vergangenen Jahre, bislang gut überstanden und hat sich dynamisch an die Herausforderungen angepasst. Die weltweit gestiegenen Energiepreise (Öl, Gas und Kohle), die Unterbrechung der Gaspipeline aus Algerien und anhaltender Wassermangel und damit einhergehender Probleme für die Landwirtschaft, haben die Preise für Getreide und Gemüse angeheizt und die Inflation 2022 auf 6,7 % steigen lassen. All dies gab dem aufkeimenden wirtschaftlichen Optimismus im Land zumindest 2022 einen ordentlichen Dämpfer (WKO 4.2023a). Ihren Höchststand erreichte die marokkanische Jahresinflation gegen Ende 2022 mit 8,3 % (WB 14.2.2023).
Allerdings konnte Marokko durch das international hohe Preisniveau von Phosphat im Export einiges auffangen. So konnte für 2022, trotz massiven Einbruch im Agrarbereich, ein Wirtschaftswachstum von 1 % erreicht werden. Für 2023 und die Periode bis ca. 2027 gehen Analysten von durchschnittlich 3 % jährlichem Wachstum aus. Aufgrund der starken Preiserhöhungen haben soziale Spannungen im Land zugenommen. Diese werden zwar anhalten, die generelle Stabilität des Landes wird aber dadurch nicht weiter beeinflusst (WKO 4.2023a).
Die trotz Regierungswechsel stabilen, politischen Verhältnisse und die zahlreichen Investitionspläne mit dem Ziel der Diversifizierung und Stärkung der marokkanischen Wirtschaft und einer Umstellung auf erneuerbare Energie, ziehen mittelfristig gute Geschäftschancen in den unterschiedlichsten Bereichen nach sich: Prozessoptimierung und Modernisierung der Industrie steht ganz oben auf der Agenda der marokkanischen Industrie. Hier ergeben sich für Automobilzulieferer, Industrieausstatter, Anlagenlieferanten und Dienstleister gute Marktchancen. Die Casablanca Finance City, wurde kürzlich wieder zum wichtigsten und besten Finanzzentrum auf dem Kontinent gekürt, bietet über Marokkos Grenzen hinaus Chancen im Bereich Dienstleistungen, Informationstechnologie, FinTec und Urban Development. Interessant sind auch die Bereiche erneuerbare Energie und Energieeffizienz, Wasserwirtschaft, Tourismus, Infrastrukturausbau, Chemie, maritime Wirtschaft, Umwelttechnologie sowie Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft. Auch im Agrarbereich (landwirtschaftliche Maschinen) oder im Bereich Papier und Holz (Schnittholz) und nicht zuletzt in der Pharmabranche gibt es gute Absatzchancen (WKO 4.2023a).
Marokko ist ein agrarisch geprägtes Land: Die Landwirtschaft erwirtschaftet in Marokko ca. 20 % des BIP und ist damit der bedeutendste Wirtschaftszweig des Landes. Ca. zwei Drittel der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt, davon 18 % als Ackerland. Da davon nur rund 15 % systematisch bewässert werden, ist die Wetterabhängigkeit sehr hoch. Der Sektor schafft 40 % der Arbeitsplätze und ist Einkommensquelle für drei Viertel der Landbevölkerung. Von den 1,5 Mio. landwirtschaftlichen Betrieben sind mehr als zwei Drittel Kleinstbetriebe, die über weniger als 3 Hektar Land verfügen, mit geringer Mechanisierung arbeiten und nur zu 4 % am Export beteiligt sind. Die modernen Landwirtschaftsbetriebe decken erst rund ein Achtel der kultivierbaren Gesamtfläche ab (WKO 12.5.2023).
Die Arbeitslosenquote liegt für 2023 bei 11 % [Prognose]. Die Arbeitslosenquote der Erwerbstätigen zwischen 15-64 lag 2022 bei 12,9 %, die Jugendarbeitslosenquote (15-24 Jahre) lag bei 24,9 % (WKO 4.2023b). Die Dunkelziffer liegt wesentlich höher - vor allem unter der Jugend. Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z. B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mithilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen (ÖB 8.2021).
Die wirtschaftliche Erholung des Tourismus in Marokko nach COVID erhält nach der Fußball Weltmeisterschaft einen großen Schub. Marokkos Auftritt bei der Weltmeisterschaft war wie eine massive Marketingkampagne für das Land und somit für den Tourismus. Der Sektor ist die wichtigste Devisenquelle des Landes. Ende Oktober 2022 beliefen sich die Einnahmen aus dem Tourismus auf 6,1 Mrd. Euro, was einem deutlichen Anstieg von 148,9 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das Land verzeichnete in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 7,7 Mio. Touristenankünfte. Dieser massive Zustrom von Touristen ermöglichte es dem Sektor, sich nach mehr als zwei Jahren Stagnation und Einnahmenausfällen zu erholen (WKO 1.2023).
Armut ist weit verbreitet und wirtschaftliche Möglichkeiten sind für einen großen Teil der Bevölkerung knapp (FH 2023). [...]
Es kam zu mehreren Demonstrationen gegen die steigenden Preise im Land. Am 4.12.2022 versammelten sich zwischen 1.200 und 3.000 Menschen in Rabat, um gegen die hohen Lebensmittelpreise, Korruption und staatliche Repressionen zu demonstrieren. Als Reaktion darauf hat die Regierung Maßnahmen ergriffen. Im Oktober hat die Regierung einen Fond mit 4,1 Mrd. EUR gestartet, um private Investitionen und die Wirtschaft des Landes zu unterstützen (BAMF 12.12.2022).
Um die Auswirkungen der Lebensmittel- und Energiepreise auf die Haushalte abzumildern, verabschiedete Marokko ein politisches Paket, das allgemeine Subventionen für Grundnahrungsmittel umfasste und die bereits bestehenden regulierten Preise beibehielt. Dieser Ansatz stabilisierte die Preise für Waren und Dienstleistungen, die fast ein Viertel der Ausgaben eines Durchschnittshaushalts ausmachen, und verhinderte so einen möglicherweise stärkeren Anstieg der Armut. Es erforderte die Mobilisierung zusätzlicher öffentlicher Ausgaben in Höhe von fast 2 % des BIP (WB 14.2.2023).
Ungeachtet dieser Maßnahmen litten bescheidene und gefährdete Haushalte immer noch am meisten unter den Auswirkungen der steigenden Lebensmittel- und sonstigen Preise aufgrund der Inflation. Dem Bericht zufolge war die jährliche Inflation für die ärmsten 10 % der Bevölkerung um fast ein Drittel höher als für die reichsten 10 % der Bevölkerung, was in erster Linie auf die Auswirkungen der Preissteigerungen bei Lebensmitteln zurückzuführen ist, die einen höheren Anteil an den Ausgaben der ärmeren Haushalte ausmachen. In dem Bericht heißt es ferner, dass die geplante umfassende Reform des sozialen Sicherheitsnetzes des Königreichs eine wirksame Ausrichtung der Subventionen auf die Unterstützung der Armen und Schwachen ermöglichen wird (WB 14.2.2023).
Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.828 Dirham (ca. EUR 270). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.060 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 8.2021).
Dennoch wird erwartet, dass sich das Wirtschaftswachstum Marokkos dank einer Erholung des Primärsektors im Jahr 2023 auf 3,1 % beschleunigen wird (WB 14.2.2023).
Ein Erdbeben der Stärke 7 mit Epizentrum in der Gemeinde Ighil in der Provinz Al Haouz, hat Marokko in der Nacht von Freitag, 8.9.2023, auf Samstag, 9.9.2023, erschüttert (Le matin.ma 8.9.2023; vgl. Le matin.ma 10.9.2023a). Das Erdbeben war gegen 23:11 Uhr in mehreren Städten Marokkos zu spüren. Das Beben trieb viele Menschen in Casablanca, Rabat, Marrakesch und Agadir auf die Straßen (Le matin.ma 8.9.2023). Laut Reuters-Zeugen flohen Menschen in Rabat, etwa 350 km nördlich von Ighil, dem Epizentrum des Bebens, und in der Küstenstadt Imsouane, etwa 180 km westlich, aus Angst vor einem stärkeren Beben aus ihren Häusern (ORF 9.9.2023). Die Telefonleitungen waren gestört. Nach Angaben des US-amerikanischen Instituts für Geologische Überwachung (USGS) wurde gegen 23:30 Uhr nordöstlich von Taroudant ein zweites Beben der Stärke 4,9 registriert (Le matin.ma 8.9.2023).Ein Erdbeben der Stärke 7 mit Epizentrum in der Gemeinde Ighil in der Provinz Al Haouz, hat Marokko in der Nacht von Freitag, 8.9.2023, auf Samsta