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41 Innere AngelegenheitenNorm
AsylG 1991 §10 Abs1 Z1Leitsatz
Keine Bedenken gegen die Übergangsbestimmung des AsylG 1991; Festlegung der Behördenzuständigkeit für die ÜbergangszeitSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Die zu B1542/92 eingebrachte Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 17. Juni 1991, gestützt auf das Asylgesetz 1968, BGBl. Nr. 126, aufgrund eines Asylantrages fest, daß der Beschwerdeführer zu B1387/92 (Staatsangehöriger von Zaire) kein Flüchtling iS der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 55/1955, sei (Begründung s.u. II.2.a).
Dieselbe Behörde gab mit Bescheid vom 29. Jänner 1990 dem Asylantrag, der vom Beschwerdeführer zu B1542/92 (einem rumänischen Staatsangehörigen) gestellt worden war, - gleichfalls gestützt auf das AsylG 1968 - keine Folge (Begründung s.u. II.2.b).
Der Bundesminister für Inneres (BMI) wies die dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen mit Bescheiden vom 22. und vom 28. Juli 1992 gemäß §2 Abs2 Z3 und §3 des Asylgesetzes 1991, BGBl. 8/1992, (das vom BMI dem §25 Abs2 erster Satz leg.cit. zufolge nun anzuwenden ist - s.u. II.1.a) ab.
2. Gegen diese Berufungsbescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden. Darin wird die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (nämlich des AsylG 1991) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, zu B1542/92 außerdem hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
3. Der BMI (als jene Behörde, die die angefochtenen Bescheide erlassen hat) legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung von Gegenschriften.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1.a) Zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide erster Instanz stand noch das AsylG 1968 in Kraft.
Das AsylG 1991 trat mit 1. Juni 1992 in Kraft, gleichzeitig trat das AsylG 1968 außer Kraft (§27 AsylG 1991).
§25 AsylG 1991 enthält Übergangsregelungen. Die Abs1 und 2 lauten auszugsweise:
"§25. (1) (Verfassungsbestimmung) Am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängige Verfahren sind nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Ist ein erstinstanzlicher Bescheid durch Bewilligung der Wiedereinsetzung (§72 AVG) oder durch einen die Wiederaufnahme bewilligenden oder verfügenden Bescheid außer Kraft getreten (§70 AVG), so hat das Bundesasylamt einen neuen Bescheid zu erlassen.
(2) Am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. ..."
In den vorliegenden Fällen liefen zum erwähnten Zeitpunkt beim BMI Berufungsverfahren.
Der BMI hatte daher bei Entscheidung über die Berufungen das AsylG 1991 anzuwenden.
b) Der BMI gab mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden den Asylanträgen unter Bezugnahme auf §2 Abs2 Z3 iVm §3 AsylG 1991 nicht statt. Diese Bestimmungen lauten im Zusammenhang:
"§2. (1) Österreich gewährt Flüchtlingen Asyl.
(2) Kein Asyl wird einem Flüchtling gewährt, wenn
1. - 2. ....
3. er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.
(3) . . .
§3. Asyl wird auf Antrag des Asylwerbers gewährt. Die Asylbehörde hat einem Asylantrag mit Bescheid stattzugeben, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß §2 Abs2 und 3 ausgeschlossen ist."
2. Die Behörde begründete ihre ablehnenden Entscheidungen im wesentlichen wie folgt:
a) Zu B1387/92 (Beschwerde des zairischen Staatsangehörigen):
". . .
Sie konnten zwar glaubhaft machen, daß Sie Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sind, doch liegt in Ihrem Fall ein Ausschließungsgrund hinsichtlich der Asylgewährung vor.
Nach Ihren Angaben im Rahmen der Ersteinvernahme sind Sie am 02.02.1991 von Kinshasa nach Rom geflogen. Am 03.02.1991 sind Sie von Rom weiter nach Budapest geflogen. Soweit im Protokoll festgehalten ist, daß Sie am 03.03.1991 von Rom nach Budapest geflogen und am 06.03.1991 nach Österreich eingereist seien, handelt es sich hiebei um offensichtliche Schreibfehler.
Sie hielten sich also einen Tag in Italien auf, wo Sie keiner Verfolgung ausgesetzt waren. Auch wenn Sie das Flughafengelände in Rom und nur am nächsten Tag nach Budapest weiterreisen wollten (sic!), hatten Sie sicher Kontakt mit den italienischen Grenzkontrollorganen und die Möglichkeit der Einbringung eines Asylantrages in Italien und mußten somit nicht befürchten, von Italien ohne Prüfung Ihrer Fluchtgründe wieder in Ihr Heimatland abgeschoben zu werden.
Damit ist der Ausschließungsgrund gemäß §2 Abs2 Ziffer 3
Asylgesetz gegeben, . . .".
b) Zu B1542/92 (Beschwerde des rumänischen Staatsangehörigen):
". . .
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere Ihre niederschriftliche Einvernahme, hat ergeben, daß Sie bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher waren.
Verfolgungssicherheit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Asylwerber vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt war und nicht befürchten mußte, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden. Zur Erfüllung dieses Tatbestandes ist ein bewußtes Zusammenwirken zwischen der Person des Asylwerbers und den Behörden des Drittstaates nicht notwendig. Es mußten lediglich die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz bestehen und tatsächlich die Möglichkeit bestanden haben, ihn durch oder bei Kontaktaufnahme mit der Behörde zu aktualisieren.
Sie haben sich in der Zeit vom 15.7.1989 bis 8.9.1989 legal in Ungarn aufgehalten. Nach Meldung bei den ungarischen Behörden erhielten Sie eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung.
Da Sie offenbar nicht Gefahr gelaufen sind in Ihr Heimatland abgeschoben zu werden und Ihr Verbleib in Ungarn gesichert war, waren Sie vor Verfolgung sicher.
Da sohin der Ausschlußtatbestand des §2 Absatz 2 Ziffer 3 Asylgesetz erfüllt ist und Ihnen demnach gem. §3 leg.cit. nicht Asyl gewährt werden kann, war das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des §1 Ziffer 1 Asylgesetz nicht mehr zu prüfen. ...".
3.a) Ob der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsbestimmung des §25 Abs2 AsylG 1991 (s.o. II.1.a) werden in beiden Beschwerden Bedenken vorgebracht:
Zu B1387/92: Es sei gleichheitswidrig, zweierlei Übergangsrecht zu schaffen, nämlich je nachdem, in welchem Stadium sich das Asylverfahren am 1. Juni 1992 gerade befunden habe (noch bei der ersten oder schon bei der zweiten Instanz). Die Behörde hätte die Möglichkeit gehabt, durch Verzögerung des Verfahrens zu beeinflussen, welche Norm anzuwenden ist. Durch die erwähnte Übergangsbestimmung würden - aufgrund der Asylantragstellung zu Beginn des Jahres 1991 wohlerworbene - Rechte beseitigt: Bei Anwendung des AsylG 1968 wäre der Beschwerdeführer zumindest als Flüchtling nach §7 Abs2 dieses Gesetzes anzuerkennen gewesen. Die neue Rechtslage sei für ihn beträchtlich ungünstiger.
Zu B1542/92 wird ähnlich argumentiert: Die Übergangsregelung ermögliche Willkür und Ungleichbehandlungen (Art14 EMRK). Sie verletze überdies das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter: Die Berufungsbehörde entscheide über einen Sachverhalt - nämlich das Vorliegen eines Ausschlußtatbestandes zur Feststellung der Asyleigenschaft -, der nicht Gegenstand der Entscheidung der Behörde erster Instanz gewesen sei und auch nicht sein konnte, weil aufgrund einer anderen Gesetzeslage diesem Sachverhalt keine Relevanz zugekommen sei.
b) Der Verfassungsgerichtshof teilt diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht; er sieht sich auch nicht veranlaßt, aus anderen Gründen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der erwähnten Übergangsvorschrift einzuleiten:
aa) Keine Verfassungsbestimmung verbietet außerhalb des Strafrechtes (Art7 EMRK) eine Regelung des Inhalts, daß die Berufungsbehörde auch dann nach der zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltenden Rechtslage zu entscheiden hat, wenn sich diese seit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides geändert hat. Eine solche Regelung entspricht vielmehr dem System des Verwaltungsverfahrens (vgl. §66 Abs4 AVG).
Die Möglichkeit, daß die Behörde ein Gesetz willkürlich anwendet, macht das Gesetz noch nicht verfassungswidrig (vgl. zB VfSlg. 10155/1984, S 194; 11912/1988, S 564; 11998/1989, S 217).
bb) Gegen den hier allein präjudiziellen Abs2 des §25 AsylG 1991 bestehen sohin keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn der (auf einfacher Gesetzesstufe stehende) Abs2 mit dem vorangehenden (auf Verfassungsstufe stehenden) Abs1 in Beziehung gesetzt und verglichen wird. Diese Übergangsregelung ist nämlich in ihrer Gesamtheit sachlich und homogen:
Zwar legt der Wortlaut des Abs1 - über dessen Inhalt sich aus den parlamentarischen Materialien (RV 270, AB 328 BlgNR, 18. GP) nichts ableiten läßt - die Annahme nahe, daß die Abs1 und 2 auch auf die materiellen Bestimmungen Bezug nehmen, und zwar der Abs1 auf jene des AsylG 1968 und der Abs2 auf jene des AsylG 1991. Das würde aber bedeuten, daß die Behörde erster Instanz den Asylantrag nach dem AsylG 1968 zu beurteilen hätte, obgleich zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung bereits bekannt ist, daß die zweite Instanz dem Abs2 zufolge das AsylG 1991 anzuwenden haben wird. Die Gesamtregelung wäre dann aber sachlich nicht zu rechtfertigen, sodaß Abs2 allein schon aus diesem Grund verfassungswidrig wäre. Es ist aber - wie unten näher dargelegt wird - möglich, die Verfassungsbestimmung des Abs1 derart auszulegen, daß eine Verfassungswidrigkeit des Abs2 vermieden wird. Eine verfassungskonforme Auslegung, aber auch eine am Sinn und an der Systematik des Gesetzes orientierte Interpretation führen zu einem anderen als dem eingangs erwähnten - sohin zu einem den Wortlaut des Gesetzes berichtigenden - Ergebnis:
Der Umstand, daß der Abs1 als Verfassungsbestimmung erlassen wurde, ist ausschließlich damit erklärbar, daß damit - entgegen dem auf Verfassungsstufe stehenden §10 Abs1 Z1 AsylG 1991 - die am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängigen Asylverfahren weiterhin von den bisher zuständig gewesenen Sicherheitsdirektionen (und nicht vom Bundesasylamt) zu Ende geführt werden sollen. Ein über die - für eine Übergangszeit geltende - Regelung der Behördenzuständigkeit hinausreichender Inhalt kommt dem ersten Satz des Abs1 nicht zu. Eine solche darüber hinausgehende Regelung (nämlich welches Gesetz für bereits anhängige Verfahren materiell angewendet werden soll) ist auch entbehrlich, weil ohne eine solche spezielle Norm für bereits anhängige Verfahren die allgemeine Inkraft- und Außerkrafttretensbestimmung des §27 AsylG 1991 gilt. Für dieses Ergebnis spricht auch der zweite Satz des Abs1, der sprachlich eindeutig nur die Behördenzuständigkeit behandelt.
§25 Abs1 und 2, jeweils erster Satz, AsylG 1991 legen sohin für die Übergangszeit ausdrücklich die Behördenzuständigkeit fest (Abs1: weiterhin die Sicherheitsdirektionen, Abs2: das Bundesministerium für Inneres) und lassen bei einer Gesamtbetrachtung erkennen, daß in jedem Fall ab 1. Juni 1992 materiell das AsylG 1991 anzuwenden ist.
4. Die Beschwerdeführer meinen, daß §2 Abs2 Z3 AsylG 1991 verfassungswidrig sei. Ihre Überlegungen gehen davon aus, daß ein negativer Asylbescheid in durch die EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte (insbesondere nach Art3) eingreifen könne.
Diese Ausgangsposition ist - wie im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. B1035/92, Pkt. III.1.b, dargetan wird - verfehlt.
Der Verfassungsgerichtshof hegt sohin auch im besonderen gegen §2 Abs2 Z3 iVm §3 AsylG 1991 keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
5. Dem Vollzugsbereich anzulastende, vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Fehler hat das Verfahren nicht ergeben:
Im vorhin zitierten Erkenntnis wird ausgeführt, daß ein einen Asylantrag abweisender Bescheid nicht in die durch Art2, 3, 5 und 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eingreift.
In Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, ist es weiters ausgeschlossen, daß sie in dem durch Art7 B-VG und Art2 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurden (vgl. zB VfSlg. 10993/1986, 11813/1988). Art14 EMRK gewährleistet zwar allen Menschen (sohin nicht bloß den österreichischen Staatsbürgern) den Genuß der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten, doch befindet sich darunter nicht ein Recht auf Gleichheit aller vor dem Gesetz (vgl. zB VfSlg. 9024/1981, 10324/1985, 10529/1985).
Es ist daher ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer durch die bekämpften Bescheide in den angeführten Rechten verletzt worden sind. Aus den erwähnten Gründen können - auch grobe - Vollzugsfehler (etwa Verfahrensmängel) vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden. Vielmehr ist es Sache des Verwaltungsgerichtshofes, derartige, die Rechtsrichtigkeit eines Bescheides betreffende, Fragen zu klären.
6. Die Beschwerdeführer wurden mithin durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
7. Die Beschwerden waren daher abzuweisen, und die zu B1542/92 eingebrachte Beschwerde war antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Asylrecht, Behördenzuständigkeit, Übergangsbestimmung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B1387.1992Dokumentnummer
JFT_10078784_92B01387_00