TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/25 94/04/0026

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Veröffentlicht am 25.04.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §366 Abs1 Z4;
GewO 1973 §376 Z11 Abs2;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der D in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. Dezember 1993, Zl. 5/02-12.327/3-1993, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom 21. Dezember 1992 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie sei als gewerberechtliche Geschäftsführerin der Kommanditgesellschaft C & Co. gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1973 dafür verantwortlich, daß die Gastgewerbebetriebsanlage der C & Co. in M nach Änderung der Betriebsanlage "durch Errichtung von Beherbergungsräumen im ersten Obergeschoß, zweiten Obergeschoß und Dachgeschoß sowie im darüberliegenden Spitzbogen" seit 20. Dezember 1990 betrieben worden sei, in denen Gäste beherbergt worden seien, ohne daß hiefür eine gewerbebehördliche Genehmigung gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973 erwirkt worden sei, obwohl durch die Beherbergung der Gäste in den vier Geschoßen eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Gäste (Kunden) nicht auszuschließen sei, da der Hoteltrakt auf Grund seiner Größe im Brandfall geeignet sei, z. B. Rauchgasvergiftungen zu verursachen. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 81 Abs. 1 GewO 1973 begangen, weshalb über sie eine Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen) verhängt wurde.

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, für die gegenständliche Betriebsanlage lägen Betriebsanlagengenehmigungen der Sauna, des Aufzuges, einer Flüssiggasanlage sowie des Restaurantteiles vor. Für den Hoteltrakt stelle sich die Frage, ob "allenfalls" die Übergangsbestimmung des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 angewendet werden könne. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GewO 1973 (1. August 1974) sei der Restauranttrakt errichtet gewesen und betrieben worden. Der Hoteltrakt sei jedoch zwischen 1977 und 1980 errichtet worden. Für diesen hinzugekommenen Betriebsanlagenteil existiere nach wie vor keine rechtskräftige Genehmigung gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973. Der Hoteltrakt sei mit dem Restauranttrakt direkt verbunden und stelle technisch eine Anlage dar. Beide Trakte würden gemeinsam mit Wasser und elektrischer Energie versorgt. Die Beheizung erfolge über eine gemeinsame Ölfeuerungsanlage. Für Hotel und Restaurant sei nur eine gemeinsame Küche vorhanden. Sowohl technisch (auf Grund der gemeinsamen Anlagenteile) als auch baulich stellten die beiden Trakte eine Einheit dar, weshalb eine Genehmigung gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973 und nicht gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. erforderlich sei.

Einer dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 27. Dezember 1993 insofern Folge, als die verhängte Geldstrafe auf S 20.000,-- und die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe auf neun Tage herabgesetzt wurden; weiters wurde der Spruch (des erstinstanzlichen Bescheides) dahin abgeändert, daß die Wortfolge "seit 20. 9. 1990" durch die Wortfolge "vom 20. 9. 1990 bis zum 21. 12. 1992" ersetzt wurde.

Zur Begründung wurde - soweit dies für den Beschwerdefall von Bedeutung ist - im wesentlichen ausgeführt, wenn in der Berufung der Beschwerdeführerin der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vorgehalten werde, sie habe sich nicht mit ihrem eigenen Bescheid vom 16. Februar 1990 auseinandergesetzt, so sei dies damit zu erklären, daß der zitierte Bescheid nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre, weil er mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. Mai 1990 ersatzlos aufgehoben worden sei. In der Begründung dieses Berufungsbescheides sei u.a. ausgeführt worden, daß für den zwischen 1977 und 1980 errichteten Hoteltrakt als neu hinzugekommenen Betriebsanlagenteil keine hiefür erforderliche Genehmigung gemäß § 81 GewO 1973 vorliege und deshalb hinsichtlich dieses Teiles die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 leg. cit. nicht möglich sei. In dem Bescheid sei schließlich auch ausgeführt worden, daß der "Restauranttrakt" zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der GewO 1973 (1. August 1974) bereits errichtet gewesen und im Sinne der Übergangsbestimmung des "§ 366 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973" (gemeint wohl: § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973) als genehmigte Betriebsanlage anzusehen sei. Die zitierten Rechtsausführungen aus dem Bescheid vom 7. Mai 1990 würden nach wie vor aufrechterhalten und könnten somit dem übrigen Berufungsvorbringen entgegengehalten werden. Die schlüssig begründeten Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, wonach Restauranttrakt und Hoteltrakt eine Einheit darstellten, würden zusätzlich durch die im Betriebsanlagenakt aufliegenden Planunterlagen bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Die Beschwerdeführerin bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei Tatbestandsvoraussetzung des § 366 Abs. 1 Z. 4 zweiter Fall GewO 1973 u.a., daß eine rechtskräftige Genehmigung für die Betriebsanlage vorliege, welche schließlich ohne Genehmigung geändert oder betrieben werde. Der angefochtene Bescheid werde im übrigen den Anforderungen des § 60 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) nicht gerecht; er enthalte keinerlei Sachverhaltsfeststellungen, die eine Beurteilung der Frage ermöglichten, ob der "Restauranttrakt" vor dem Inkrafttreten der GewO 1973 im Sinne des § 25 der davor geltenden GewO 1859 genehmigungspflichtig oder genehmigungsfrei gewesen sei. Der bloße Hinweis auf einen anderen Bescheid, der im übrigen lediglich zu einer "Kassierung" eines unterinstanzlichen Bescheides geführt habe, sei eine Scheinbegründung. Dieser "kassierende Bescheid" könne "schon gedanklich im Spruch eine für das gegenständliche Verfahren Bindung habende Wirkung nicht enthalten"; die belangte Behörde hätte selbst darlegen müssen, auf Grund welcher konkreten Umstände der "Restauranttrakt" vor dem Inkrafttreten der GewO 1973 als genehmigt anzusehen gewesen sei. Die Relevanz dieser Feststellung zeige sich darin, daß das Straferkenntnis auf dem Vorwurf der Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 81 Abs. 1 GewO 1973 fuße, also auf dem Vorwurf der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage. Liege demgegenüber eine nicht genehmigte, aber genehmigungspflichtige Betriebsanlage vor, die betrieben werde, werde nicht der Tatbestand der genannten Bestimmung verwirklicht, sondern der Tatbestand des § 366 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit § 74 GewO 1973. Zur Überprüfbarkeit dieser Fragen lägen nur Scheinbegründungen vor, aber keine Feststellungen mit einem sachverhaltsmäßigen Substrat. Selbst wenn den obigen Ausführungen nicht gefolgt werden sollte, reichten die Feststellungen zur Annahme einer Änderung der Betriebsanlage nicht aus. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthalte nur, daß im ersten Obergeschoß, zweiten Obergeschoß und Dachboden sowie im darüberliegenden Spitzbogen Gäste im fraglichen Zeitpunkt beherbergt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe bereits im Berufungsverfahren unter Hinweis auf vorliegende Beweisergebnisse geltend gemacht, daß letztere nur von der Einquartierung von Ausländern sprächen. Bereits in der Berufung sei hervorgehoben worden, daß die Beweisergebnisse einen Restaurantbetrieb nicht bestätigten. Die belangte Behörde, aber auch die Unterbehörde, sei daher nicht in der Lage gewesen, die Unterhaltung eines Restaurantbetriebes festzustellen. Tatsächlich sei dieser auch bereits vor langer Zeit aufgegeben worden. Die Beschwerdeführerin verkenne durchaus nicht den Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage. Er setze aber funktionell eine Gesamtheit jener Einrichtungen als Betriebsanlage voraus, die dem Zweck des Betriebes eines gewerblichen Unternehmens gewidmet seien. Der angefochtene Bescheid gehe nun einerseits - wenn auch nicht entsprechend begründet - davon aus, daß der "Restauranttrakt" im Sinne der Übergangsbestimmungen als genehmigt gelte; er unterstelle aber andererseits, daß die Obergeschoße genehmigungspflichtig seien. Daß aber die beiden Bereiche im Deliktszeitraum oder davor gemeinsam betrieben worden seien, also irgendwann funktionell verbunden gewesen seien, in dem sie gemeinsam und gleichzeitig dem Zweck eines gewerblichen Unternehmens gedient hätten, läßt sich den Feststellungen nicht entnehmen, insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keinerlei Feststellungen, daß der "Restauranttrakt" den Asylanten zur Verfügung gestanden sei. Damit fehle es an einem weiteren überprüfbaren Sachverhaltssubstrat, um nachfolgend das Vorliegen einer Änderung einer genehmigten Anlage zu überprüfen.

Gemäß dem im Hinblick auf die Tatzeit anzuwendenden § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 - in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, d.h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was das zweitgenannte Erfordernis anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat), muß erstens im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Vorwurf zu widerlegen, und zweitens muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. hiezu insbesondere die hg. Erkenntnisse - jeweils eines verstärkten Senates - vom 13. Juni 1984, Slg. N. F. Nr. 11.466/A, und vom 3. Oktober 1985, Slg. N. F. Nr. 11.894/A).

Die Erfüllung des Straftatbestandes des § 366 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. setzt eine (von der genehmigten Änderung betroffene) GENEHMIGTE BETRIEBSANLAGE voraus. Dieser Umstand erfordert aber im Sinne der im § 44a Z. 1 VStG normierten spruchgemäßen Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat - wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 91/04/0248) - die sachverhaltsmäßig von der Behörde in Betracht gezogene "genehmigte Betriebsanlage"; diesem Konkretisierungsgebot wird im Regelfall jedenfalls durch einen Hinweis auf den (konkreten) Genehmigungsbescheid Rechnung getragen.

Diesen Anforderungen kommt der Spruch des im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheides nicht nach. Er enthält nämlich keinen Hinweis darauf, von WELCHER (konkreten) "genehmigten Betriebsanlage" die belangte Behörde ausging; sei es auch nur durch eine (bloß) allgemeine Umschreibung jener (nach der erkennbaren Annahme der belangten Behörde) der Übergangsregel des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 - und damit auch einer sinngemäßen Anwendung des § 81 - unterliegenden Betriebsanlage.

Schon im Hinblick darauf belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auch festgehalten, daß - worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist - die belangte Behörde auch der sich aus § 60 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) ergebenden Begründungspflicht hinsichtlich des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 in Ansehung des "Restauranttraktes" nicht ausreichend nachkam. So wird in den Begründungsdarlegungen des angefochtenen Bescheides ohne nähere Ausführungen - lediglich vom Ergebnis her - die Auffassung vertreten, es würde die Rechtsansicht "aufrechterhalten", der "Restauranttrakt" sei im Sinne des § 376 Z. 11 Abs. 2 GewO 1973 als genehmigte Betriebsanlage anzusehen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage etwa, worum der "Restauranttrakt" nach den "bisher geltenden Vorschriften" nicht genehmigungspflichtig gewesen sei, fehlt. Auch die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ist in diesem Zusammenhang mehrdeutig. So heißt es darin einerseits, daß für den "Restaurantteil" eine Betriebsanlagengenehmigung "vorliegt". Andererseits ist davon die Rede, daß "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerbeordnung 1973 (1. 8. 1974) ... der Restaurantteil" errichtet gewesen und dieser betrieben worden sei.

Der angefochtene Bescheid war aber schon wegen dem oben genannten Spruchfehler gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994040026.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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