TE Bvwg Erkenntnis 2024/9/26 W191 2291636-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2024
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Entscheidungsdatum

26.09.2024

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W191 2291636-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2024, Zahl 1324357405-222894595, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.09.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2024, Zahl 1324357405-222894595, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.09.2024 zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 12.09.2022 irregulär und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG). 1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 12.09.2022 irregulär und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. Bei seiner Erstbefragung am 15.09.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache „Farsi“, gab der BF im Wesentlichen an, dass er aus (der Provinz) Nangarhar, Afghanistan, stamme, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, Moslem und ledig sei. Als Geburtsdatum wurde nach den Angaben des BF der XXXX festgehalten. Seine Eltern seien verstorben, drei Brüder und vier Schwestern würden in Afghanistan leben.1.2. Bei seiner Erstbefragung am 15.09.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache „Farsi“, gab der BF im Wesentlichen an, dass er aus (der Provinz) Nangarhar, Afghanistan, stamme, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, Moslem und ledig sei. Als Geburtsdatum wurde nach den Angaben des BF der römisch 40 festgehalten. Seine Eltern seien verstorben, drei Brüder und vier Schwestern würden in Afghanistan leben.

Er habe Afghanistan im September 2021 verlassen und sei über den Iran, die Türkei (zehn Monate Aufenthalt) und genannte europäische Länder bis nach Österreich gelangt.

Er habe die Grundschule und die Universität besucht und sei Medizinstudent. Er hätte in die Schweiz reisen wollen, um dort weiterzustudieren.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass die Taliban seinen Bruder umgebracht hätten und auch ihn selbst bedroht hätten, weshalb er Afghanistan verlassen hätte.

1.3. Zuvor war der BF weitergereist und hatte versucht, in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, wo am 15.09.2022 um 4 Uhr 15 früh seine Einreise verweigert worden war. Der BF war vor der Erstbefragung vorübergehend festgenommen worden.

1.4. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) am 04.03.2024, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, wurde der BF eingehend und ausführlich befragt.

Er bestätigte dabei im Wesentlichen seine bei der Erstbefragung gemachten Angaben zu seinen Lebensumständen, führte sie näher aus und legte seine Tazkira (afghanisches Personaldokument) mit Übersetzung sowie ärztliche Belege vor. Er sei in XXXX geboren und in XXXX aufgewachsen (beide Orte liegen im Distrikt Surkhrood, Provinz Nangarhar) und sei sunnitischer Moslem. Er bestätigte dabei im Wesentlichen seine bei der Erstbefragung gemachten Angaben zu seinen Lebensumständen, führte sie näher aus und legte seine Tazkira (afghanisches Personaldokument) mit Übersetzung sowie ärztliche Belege vor. Er sei in römisch 40 geboren und in römisch 40 aufgewachsen (beide Orte liegen im Distrikt Surkhrood, Provinz Nangarhar) und sei sunnitischer Moslem.

Der BF gab an, er habe das Studium Pharmazie abgeschlossen und hätte im Ausland (in der Türkei) weiterstudieren wollen, sein Antrag sei aber abgelehnt worden, weil er zuwenig Geld hätte bezahlen können. Er legte Zeugnisse vor. Er hätte zu seinem Cousin mütterlicherseits in Deutschland weiterreisen wollen, und als er von den Deutschen abgeschoben worden sei, hätte er gesagt, er wolle in die Schweiz. Er wisse, dass sich diese Länder in der Nähe befänden.

Er leide an Hepatitis B und spiele Volleyball.

Seit die Taliban die Macht übernommen hätten, gäbe es keine Arbeit. Seine Familie habe mit den Taliban keine Probleme. Er sei seit ca. einem Monat (arrangiert) verlobt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF im Wesentlichen an, einer seiner Brüder – XXXX – sei getötet worden, weil er als Arbaki (Ortspolizist) für die Regierung gearbeitet hätte, konnte dazu aber kaum nähere Angaben machen. Er legte Fotos vor, die ihm sein Schwager geschickt hätte und die den Bruder und dessen Arbeitskollegen und Vorgesetzte zeigen würden.Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF im Wesentlichen an, einer seiner Brüder – römisch 40 – sei getötet worden, weil er als Arbaki (Ortspolizist) für die Regierung gearbeitet hätte, konnte dazu aber kaum nähere Angaben machen. Er legte Fotos vor, die ihm sein Schwager geschickt hätte und die den Bruder und dessen Arbeitskollegen und Vorgesetzte zeigen würden.

Als die Taliban die Macht übernommen hätten, seien sie ca. zehn Tage später zu ihnen nach Hause gekommen und hätten XXXX mitgenommen. „Ca.“ zwei Tage später hätten die Dorfbewohner seine Leiche in einem Abfluss gefunden. Ca. eine Woche danach sei der BF mit seinem Bruder XXXX von den Taliban mitgenommen worden. Sie hätten Fragen nach Waffen gestellt und sie dann wieder gehen lassen. Ca. vier Tage später, am 04.09.2021, seien die Taliban wieder gekommen und hätten nicht ihn, aber seinen Bruder XXXX wieder mitgenommen – vielleicht, weil dieser älter sei. Seither sei er verschollen. Am nächsten Tag sei der BF mit seinem Bruder XXXX (später auch XXXX ) in den Iran geflohen.Als die Taliban die Macht übernommen hätten, seien sie ca. zehn Tage später zu ihnen nach Hause gekommen und hätten römisch 40 mitgenommen. „Ca.“ zwei Tage später hätten die Dorfbewohner seine Leiche in einem Abfluss gefunden. Ca. eine Woche danach sei der BF mit seinem Bruder römisch 40 von den Taliban mitgenommen worden. Sie hätten Fragen nach Waffen gestellt und sie dann wieder gehen lassen. Ca. vier Tage später, am 04.09.2021, seien die Taliban wieder gekommen und hätten nicht ihn, aber seinen Bruder römisch 40 wieder mitgenommen – vielleicht, weil dieser älter sei. Seither sei er verschollen. Am nächsten Tag sei der BF mit seinem Bruder römisch 40 (später auch römisch 40 ) in den Iran geflohen.

Der BF legte zu seinen Integrationsbemühungen in Österreich Kursbesuchsbestätigungen und Fotos vor, die ihn beim Volleyballspielen zeigen, und verzichtete auf Einsicht und Stellungnahme zu Länderfeststellungen des Bundesamtes.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 05.04.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 14.09.2022 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm in Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für „1“ [ein] Jahr. 1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 05.04.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 14.09.2022 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm in Spruchpunkt römisch II. gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm in Spruchpunkt römisch III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG für „1“ [ein] Jahr.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus Paragraph 55, FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Zum Fluchtvorbringen führte das BFA (zusammengefasst) beweiswürdigend aus, dass der BF keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Seine Angaben seien mehrfach unschlüssig und unplausibel gewesen, zumal er selbst angegeben habe, dass weder er noch sein Bruder XXXX jemals persönlich bedroht oder verfolgt worden sei.Zum Fluchtvorbringen führte das BFA (zusammengefasst) beweiswürdigend aus, dass der BF keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können. Seine Angaben seien mehrfach unschlüssig und unplausibel gewesen, zumal er selbst angegeben habe, dass weder er noch sein Bruder römisch 40 jemals persönlich bedroht oder verfolgt worden sei.

Die von ihm vorgelegten Beweismittel – Fotos – seien ebenfalls nicht geeignet, sein Fluchtvorbringen hinreichend zu belegen, zumal nicht nachvollziehbar sei, welche Personen darauf abgebildet seien.

Die Behörde gehe davon aus, dass der BF Afghanistan letztendlich ausschließlich aus wirtschaftlichen [...] Gründen verlassen habe.

Subsidiärer Schutz wurde ihm zuerkannt, da dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan insbesondere aufgrund der bestehenden Versorgungslage und der individuellen familiären Situation des BF eine Existenzgefährdung im Sinn der Art. 2 und 3 EMRK drohen würde.Subsidiärer Schutz wurde ihm zuerkannt, da dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan insbesondere aufgrund der bestehenden Versorgungslage und der individuellen familiären Situation des BF eine Existenzgefährdung im Sinn der Artikel 2 und 3 EMRK drohen würde.

1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 02.05.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ein. 1.6. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 02.05.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ein.

In der Beschwerdebegründung wiederholte der BF knapp zusammengefasst sein Vorbringen vor dem BFA. Dem BF könne auch Verfolgung drohen, da ihm seitens der Taliban höchstwahrscheinlich vorgeworfen werde, von westlichen Werten beeinflusst zu sein. In Kombination mit der Verwandtschaft mit einem Polizisten sei das Risiko für den BF, verfolgt zu werden, sehr wahrscheinlich. Bemängelt wurde mangelhafte Befragung des BF.

Neben weitwendiger Zitierung aus ohnehin bekannten Länderberichten und Verweis auf UNHCR und EASO legte der BF eine – im Verwaltungsakt unchronologisch eingeordnete – angebliche Kopie der Tazkira eines Bruders des BF (ohne Angabe, um welchen Bruder es sich handle) vor.

Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

1.7. Das BVwG führte am 18.09.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durch, zu der der BF mit seinem Vertreter persönlich erschien. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung legte der BF Schriftstücke betreffend seine Integrationsbemühungen, jedoch keine Belege bezüglich seines Fluchtvorbringens vor.

Der BF machte auf Befragung Angaben zu seiner Person und seinen Lebensumständen, die in den wesentlichen Punkten mit seinen bisherigen Angaben im Verfahren übereinstimmten.

In Afghanistan habe er studiert und vereinsmäßig Volleyball gespielt. In Österreich arbeite er derzeit Teilzeit als Küchenhilfe in einem Restaurant sowie in einer Landwirtschaft, besuche den Deutschkurs A2 und spiele Volleyball. Er wohne in einem Flüchtlingsheim der Caritas. Er habe regelmäßigen Kontakt mit seiner Verlobten und mit seinen Verwandten in Afghanistan.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF auf Befragung an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

„RI [erkennender Richter]: Warum sind Sie, nachdem die Taliban zehn Tage nach der Machtübernahme zu Ihnen nach Hause gekommen sind, dann noch weiter zu Hause geblieben?

BF: Ich bin deshalb nicht geflüchtet, weil ich der Meinung war, dass ich persönlich die Regierung nicht unterstützt habe. Mein Bruder XXXX hat für die Regierung gearbeitet. Sie haben ihn getötet. Ich bin davon ausgegangen, dass damit alles erledigt ist, aber die Taliban haben uns weiter belästigt und meinen Bruder XXXX mitgenommen. Danach habe ich dann beschlossen, das Land zu verlassen.BF: Ich bin deshalb nicht geflüchtet, weil ich der Meinung war, dass ich persönlich die Regierung nicht unterstützt habe. Mein Bruder römisch 40 hat für die Regierung gearbeitet. Sie haben ihn getötet. Ich bin davon ausgegangen, dass damit alles erledigt ist, aber die Taliban haben uns weiter belästigt und meinen Bruder römisch 40 mitgenommen. Danach habe ich dann beschlossen, das Land zu verlassen.

RI: Warum haben sie XXXX mitgenommen?RI: Warum haben sie römisch 40 mitgenommen?

BF: Sie haben uns zu Unrecht beschuldigt, dass auch wir die Regierung unterstützt hätten, und warum wir zugelassen hätten, dass mein Bruder XXXX für die Regierung gearbeitet hat, und weiters meinten sie, dass wir Waffen zu Hause versteckt hätten.BF: Sie haben uns zu Unrecht beschuldigt, dass auch wir die Regierung unterstützt hätten, und warum wir zugelassen hätten, dass mein Bruder römisch 40 für die Regierung gearbeitet hat, und weiters meinten sie, dass wir Waffen zu Hause versteckt hätten.

RI: Die Taliban haben doch im Haus gesucht und keine Waffen gefunden?

BF: Sie meinten, dass wir die Waffen woanders versteckt hätten, und wir sollten ihnen die Waffen übergeben.

RI: Bisher haben Sie das sehr überschriftenartig erzählt, können Sie Details zu Orten, Zeiten, Personen und Vorfällen angeben?

BF: Zwei Tage bevor die Taliban die Macht übernommen haben, ist mein Bruder XXXX vom Dienst nach Hause gekommen. Am 15. August war dann die Machtübernahme. Zehn Tage später kamen die Taliban zu uns nach Hause und nahmen meinen Bruder XXXX mit. Zwei Tage später haben sie ihn getötet, und seine Leiche haben die Dorfbewohner in einem Bach im Dorf gefunden und uns davon informiert. Wir haben ihn dann begraben. Zwei Tage später kamen die Taliban wieder zu uns und nahmen meinen Bruder XXXX und mich mit. Sie haben uns ca. drei Stunden über meinen Bruder XXXX , seinen Dienst, seine Kollegen befragt und nach Waffen gefragt. Am 4. September kamen sie erneut und haben meinen Bruder XXXX mitgenommen. Bis jetzt wissen wir nichts über seinen Verbleib. Aus Angst davor, dass uns das Gleiche passiert, haben mein Bruder XXXX und ich das Land verlassen. Wenn wir dort geblieben wären, hätten uns die Taliban eingesperrt oder getötet. Sie haben uns auch vorgeworfen, die Regierung unterstützt zu haben.BF: Zwei Tage bevor die Taliban die Macht übernommen haben, ist mein Bruder römisch 40 vom Dienst nach Hause gekommen. Am 15. August war dann die Machtübernahme. Zehn Tage später kamen die Taliban zu uns nach Hause und nahmen meinen Bruder römisch 40 mit. Zwei Tage später haben sie ihn getötet, und seine Leiche haben die Dorfbewohner in einem Bach im Dorf gefunden und uns davon informiert. Wir haben ihn dann begraben. Zwei Tage später kamen die Taliban wieder zu uns und nahmen meinen Bruder römisch 40 und mich mit. Sie haben uns ca. drei Stunden über meinen Bruder römisch 40 , seinen Dienst, seine Kollegen befragt und nach Waffen gefragt. Am 4. September kamen sie erneut und haben meinen Bruder römisch 40 mitgenommen. Bis jetzt wissen wir nichts über seinen Verbleib. Aus Angst davor, dass uns das Gleiche passiert, haben mein Bruder römisch 40 und ich das Land verlassen. Wenn wir dort geblieben wären, hätten uns die Taliban eingesperrt oder getötet. Sie haben uns auch vorgeworfen, die Regierung unterstützt zu haben.

RI: Das haben Sie bisher schon alles gesagt. Zum Beispiel: Wohin haben die Taliban Sie mitgenommen?

BF: Die Taliban kamen in der Früh zu uns mit zwei Autos. Die Uhrzeit weiß ich nicht mehr. Sie waren sieben oder acht Personen. Sie waren traditionell afghanisch gekleidet. Sie hatten lange Bärte und Haare und haben uns zur Sicherheitskommandatur SORKHROD mitgenommen.

RI: Können Sie das, was Sie vorgebracht haben, irgendwie belegen?

BF: Die Unterlagen meines Bruders haben die Taliban verbrannt. Nur seine Tazkira war bei seiner Schwester, und sie hat mir das nachgeschickt. Sonst habe ich nichts.

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Sie würden mich wie meinen Bruder töten oder einsperren.“

Eine allfällige Verfolgung durch die Taliban wegen unterstellter Beeinflussung durch westliche Werte thematisierte der BF in der Beschwerdeverhandlung nicht weiter.

Das erkennende Gericht brachte aktuelle Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).

Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

?        Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 15.09.2022 und der Einvernahme vor dem BFA am 04.03.2024, den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde

?        Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA, Aktenseiten 267 bis 317)

?        Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 18.09.2024 sowie Einsicht in die vorgelegten Schriftstücke zu seinen Integrationsbemühungen

?        Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o        Feststellungen und Berichte betreffend Afghanistan (Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in Ostafghanistan und die Lage bestimmter Personengruppen)

o        UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen, Update I – Stand Februar 2023o        UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen, Update römisch eins – Stand Februar 2023

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person und den Lebensumständen des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, sunnitischer Moslem und seit ca. fünf oder sechs Monaten (arrangiert, über WhatsApp) verlobt. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Paschtu und etwas Englisch und Deutsch.3.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, sunnitischer Moslem und seit ca. fünf oder sechs Monaten (arrangiert, über WhatsApp) verlobt. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Paschtu und etwas Englisch und Deutsch.

Der BF ist nach seinen Angaben in XXXX geboren und in XXXX (beide Orte liegen im Distrikt Surkhrod, Provinz Nangarhar, Afghanistan) aufgewachsen. Er besuchte zwölf Jahre die Schule und studierte dann zwei Jahre lang an der Universität (Jalalabad) Pharmazie. Im Heimatort leben noch seine vier Schwestern und die Ehefrau seines angeblich entführten Bruders XXXX , seine Eltern seien bereits verstorben. Der BF ist nach seinen Angaben in römisch 40 geboren und in römisch 40 (beide Orte liegen im Distrikt Surkhrod, Provinz Nangarhar, Afghanistan) aufgewachsen. Er besuchte zwölf Jahre die Schule und studierte dann zwei Jahre lang an der Universität (Jalalabad) Pharmazie. Im Heimatort leben noch seine vier Schwestern und die Ehefrau seines angeblich entführten Bruders römisch 40 , seine Eltern seien bereits verstorben.

Der BF spielte in Afghanistan vereinsmäßig Volleyball.

3.1.2. Der BF verließ seine Heimat aus angegebenen Gründen und reiste über den Iran, die Türkei und angegebene europäische Länder bis nach Österreich, wo er am 14.09.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

3.1.3. Der BF bemüht sich seriös um seine Integration in Österreich. Er ist teilzeitbeschäftigt als Küchenhilfe in einem Restaurant sowie in einer Landwirtschaft, besucht den Deutschkurs A2 und spielt mit Freunden Volleyball.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF hat sein Vorbringen, wegen der Tätigkeit seines Bruder XXXX – der als Arbaki (Ortspolizist) für die vormalige Regierung gearbeitet hätte und deshalb von den Taliban getötet worden sei, und weswegen auch sein Bruder XXXX entführt worden sei – von den Taliban verfolgt zu werden, nicht glaubhaft gemacht. Der BF hat sein Vorbringen, wegen der Tätigkeit seines Bruder römisch 40 – der als Arbaki (Ortspolizist) für die vormalige Regierung gearbeitet hätte und deshalb von den Taliban getötet worden sei, und weswegen auch sein Bruder römisch 40 entführt worden sei – von den Taliban verfolgt zu werden, nicht glaubhaft gemacht.

Da dem BF im Falle einer Rückkehr aufgrund der Sicherheits- und Versorgungslage im Land sowie aufgrund seiner persönlichen Situation eine Verletzung des Art. 3 EMRK droht, wurde ihm mit Bescheid des BFA vom 05.04.2024 rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Da dem BF im Falle einer Rückkehr aufgrund der Sicherheits- und Versorgungslage im Land sowie aufgrund seiner persönlichen Situation eine Verletzung des Artikel 3, EMRK droht, wurde ihm mit Bescheid des BFA vom 05.04.2024 rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

3.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.3.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Stand 10.04.2024, Schreibfehler teilweise korrigiert):

„[…] 3 Politische Lage

Letzte Änderung 2024-04-05 15:33

Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vgl. VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vergleiche VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).

Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vgl. REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vgl. DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vgl. HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vgl. USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vgl. Guardian 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vergleiche REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vergleiche DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vergleiche HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vergleiche USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vergleiche Guardian 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).

Der Ernennung einer aus 33 Mitgliedern bestehenden geschäftsführenden Übergangsregierung im September 2021 folgten zahlreiche Neuernennungen und Umbesetzungen auf nationaler, Provinz- und Distriktebene in den folgenden Monaten, wobei Frauen weiterhin gar nicht und nicht-paschtunische Bevölkerungsgruppen nur in geringem Umfang berücksichtigt wurden (AA 26.06.2023). [...]

Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023). Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vergleiche REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023).

Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vgl. VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vgl. UNSC o. D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vgl. 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vergleiche REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vergleiche VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vergleiche UNSC o. D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vergleiche 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).

Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vgl. JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vgl. UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 06.09.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 06.09.2023; vgl. RFE/RL 29.08.2020).Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vergleiche JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vergleiche UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 06.09.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 06.09.2023; vergleiche RFE/RL 29.08.2020).

Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vgl. RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022). Seitdem sind die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a).Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vergleiche RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022). Seitdem sind die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a).

Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.08.2022).

In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.04.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.04.2023; vergleiche BAMF 30.06.2023).

Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vergleiche BAMF 30.06.2023).

Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vgl. VOA 06.05.2023).Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vergleiche VOA 06.05.2023).

Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vgl. AMU 22.11.2023).Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vergleiche AMU 22.11.2023).

Internationale Anerkennung der Taliban

Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 09.01.2024; vgl. VOA 10.12.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vgl. OI 25.03.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich der afghanischen Botschaft in Teheran (TN 27.02.2023) und des strategisch wichtigen Generalkonsulats in Istanbul (Afintl 27.02.2023; vgl. KP 23.02.2023a). Berichten zufolge nahm auch die Türkei im Oktober 2023 einen neuen von den Taliban ernannten Diplomaten in der afghanischen Botschaft in Ankara auf (Afintl 14.02.2024). Eine Reihe von Ländern verfügt auch weiterhin über offizielle Botschafter in Afghanistan. Dazu gehören China und andere Nachbarländer wie Pakistan, Iran und die meisten zentralasiatischen Republiken, aber auch Russland, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan (AAN/Ruttig 07.12.2023). Aber auch westliche Länder (mit Ausnahme Australiens) haben weder ihre Botschaften in Kabul offiziell geschlossen noch die diplomatischen Beziehungen offiziell abgebrochen. Vielmehr unterhalten sie kein diplomatisches Personal im Land. Einige Länder haben immer noch amtierende Botschafter oder nachrangige Diplomaten, die nicht in Kabul ansäßig sind, und es gibt auch eine (schrumpfende) Anzahl von Sonderbeauftragten für Afghanistan (im Rang eines Botschafters).Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 09.01.2024; vergleiche VOA 10.12.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vergleiche OI 25.03.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich der afghanischen Botschaft in Teheran (TN 27.02.2023) und des strategisch wichtigen Generalkonsulats in Istanbul (Afintl 27.02.2023; vergleiche KP 23.02.2023a). Berichten zufolge nahm auch die Türkei im Oktober 2023 einen neuen von den Taliban ernannten Diplomaten in der afghanischen Botschaft in Ankara auf (Afintl 14.02.2024). Eine Reihe von Ländern verfügt auch weiterhin über offizielle Botschafter in Afghanistan. Dazu gehören China und andere Nachbarländer wie Pakistan, Iran und die meisten zentralasiatischen Republiken, aber auch Russland, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan (AAN/Ruttig 07.12.2023). Aber auch westliche Länder (mit Ausnahme Australiens) haben weder ihre Botschaften in Kabul offiziell geschlossen noch die diplomatischen Beziehungen offiziell abgebrochen. Vielmehr unterhalten sie kein diplomatisches Personal im Land. Einige Länder haben immer noch amtierende Botschafter oder nachrangige Diplomaten, die nicht in Kabul ansäßig sind, und es gibt auch eine (schrumpfende) Anzahl von Sonderbeauftragten für Afghanistan (im Rang eines Botschafters).

Die meisten westlichen Kontakte mit Taliban-Beamten finden in Katars Hauptstadt Doha statt, wo Diplomaten unterhalb der Botschafterebene ihre Länder bei den Treffen vertreten (AAN/Ruttig 07.12.2023).

Am 24.11.2023 entsandten die Taliban ihren ersten Botschafter in die Volksrepublik China (KP 26.11.2023; vgl. AMU 25.11.2023). Dieser Schritt folgt auf die Ernennung eines Botschafters Chinas in Afghanistan zwei Monate zuvor, womit China das erste Land ist, das einen Botschafter nach Kabul unter der Taliban-Regierung entsandt hat (AMU 25.11.2023; vgl. VOA 10.12.2023). Nach Ansicht einiger Analysten sowie ehemaliger Diplomatinnen und Diplomaten bedeutet dieser Schritt die erste offizielle Anerkennung der Taliban-Übergangsregierung durch eine große Nation (VOA 31.1.2024; vgl. REU 13.09.2023). Nach Angaben des US-Außenministeriums prüfen die USA die Möglichkeit von konsularischem Zugang in Afghanistan. Dies solle keine Anerkennung der Taliban-Regierung bedeuten, sondern dem Aufbau funktionaler Beziehungen dienen, um eigene Ziele besser verfolgen zu können (USDOS 31.10.2023). Ebenso am 24.11.2023 wurde die afghanische Botschaft in Neu-Delhi, die von loyalen Diplomaten der Vor-Taliban-Regierung geleitet wurde, endgültig geschlossen. Einige Tage später erklärten Taliban-Vertreter, dass die Botschaft bald wieder eröffnet und von ihren Diplomaten geleitet werden wird (Wilson 12.12.2023; vgl. VOA 29.11.2023).Am 24.11.2023 entsandten die Taliban ihren ersten Botschafter in die Volksrepublik China (KP 26.11.2023; vergleiche AMU 25.11.2023). Dieser Schritt folgt auf die Ernennung eines Botschafters Chinas in Afghanistan zwei Monate zuvor, womit China das erste Land ist, das einen Botschafter nach Kabul unter der Taliban-Regierung entsandt hat (AMU 25.11.2023; vergleiche VOA 10.12.2023). Nach Ansicht einiger Analysten sowie ehemaliger Diplomatinnen und Diplomaten bedeutet dieser Schritt die erste offizielle Anerkennung der Taliban-Übergangsregierung durch eine große Nation (VOA 31.1.2024; vergleiche REU 13.09.2023). Nach Angaben des US-Außenministeriums prüfen die USA die Möglichkeit von konsularischem Zugang in Afghanistan. Dies solle keine Anerkennung der Taliban-Regierung bedeuten, sondern dem Aufbau funktionaler Beziehungen dienen, um eigene Ziele besser verfolgen zu können (USDOS 31.10.2023). Ebenso am 24.11.2023 wurde die afghanische Botschaft in Neu-Delhi, die von loyalen Diplomaten der Vor-Taliban-Regierung geleitet wurde, endgültig geschlossen. Einige Tage später erklärten Taliban-Vertreter, dass die Botschaft bald wieder eröffnet und von ihren Diplomaten geleitet werden wird (Wilson 12.12.2023; vergleiche VOA 29.11.2023).

Drogenbekämpfung

Im April 2022 verfügte der oberste Taliban-Führer Haibatullah Akhundzada, dass der Anbau von Mohn, aus dem Opium, die wichtigste Zutat für die Droge Heroin, gewonnen werden kann, streng verboten ist (BBC 06.06.2023).

Die vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) im Jahr 2023 durchgeführte Opiumerhebung in Afghanistan ergab, dass der Schlafmohnanbau nach einem von den Taliban-Behörden im April 2022 verhängten Drogenverbot um schätzungsweise 95% zurückgegangen ist (UNODC 11.2023; vgl. UNGA 01.12.2023), wobei ein anderer Experte den Rückgang des Mohnanbaus zwischen 2022 und 2023 auf 80% schätzt (BBC 06.06.2023). Der Opiumanbau ging in allen Teilen des Landes von 233.000 Hektar auf 10.800 Hektar im Jahr 2023 zurück, was zu einem Rückgang des Opiumangebots von 6.200 Tonnen im Jahr 2022 auf 333 Tonnen im Jahr 2023 führte. Der drastische Rückgang hatte unmittelbare humanitäre Folgen für viele gefährdete Gemeinschaften, die auf das Einkommen aus dem Opiumanbau angewiesen sind. Das Einkommen der Bauern aus dem Verkauf der Opiumernte 2023 an Händler sank um mehr als 92% von geschätzten 1,36 Milliarden Dollar für die Ernte 2022 auf 110 Millionen Dollar im Jahr 2023 (UNODC 11.2023; vgl. UNGA 01.12.2023). Der weniger rentable Weizenanbau hat den Mohn auf den Feldern verdrängt - und viele Landwirte berichten, dass sie finanziell darunter leiden (BBC 06.06.2023).Die vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) im Jahr 2023 durchgeführte Opiumerhebung in Afghanistan ergab, dass der Schlafmohnanbau nach einem von den Taliban-Behörden im April 2022 verhängten Drogenverbot um schätzungsweise 95% zurückgegangen ist (UNODC 1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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