Index
90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Verordnung betreffend eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h in Graz mangels LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller ist nach eigener Darstellung Teilnehmer am Individualverkehr der Stadt Graz. Mit 1. September 1992 sei im gesamten Grazer Stadtgebiet ausgenommen auf Vorrangstraßen die zulässige Höchstgeschwindigkeit generell auf 30 km/h herabgesetzt und "gleichzeitig eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Straßen", auf denen der Behörde die Beibehaltung der im Gesetz vorgesehenen Geschwindigkeit von 50 km/h sinnvoll erschien, durch Anbringung von Verkehrstafeln zu Vorrangstraßen erklärt worden.
In dem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung der "Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Graz, betreffend Geschwindigkeitsbegrenzung im Stadtgebiet Tempo 30, Zl.: A10/1-I 1120/5/1991, sowie der damit im Zusammenhang stehenden Verordnungen ..., mit welchen zahllose Straßen im Grazer Stadtgebiet zu Vorrangstraßen erklärt worden sind".
2. Zur Begründung der Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, daß durch die in untrennbarem Zusammenhang stehenden Verordnungen insofern in seine Rechtssphäre eingegriffen wird, als er gehalten ist, im gesamten Grazer Stadtgebiet (mit Ausnahme auf den Vorrangstraßen) eine Geschwindigkeit von 30 km/h einzuhalten, obwohl er nach den Bestimmungen der StVO 1960 berechtigt wäre, mit 50 km/h zu fahren. Aber auch die Erklärung zahlreicher Straßenzüge zu Vorrangstraßen greife in seine Rechtssphäre ein. Gemäß §7 Abs4 StVO 1960 dürfte er nämlich in diesen Straßen nicht mehr links zufahren und gemäß §14 Abs2 litd StVO 1960 sei das Umkehren auf Vorrangstraßen nicht erlaubt ist, obwohl es sich bei den in Rede stehenden Straßen zum Teil um völlig untergeordnete Seitenstraßen handle.
Ein anderer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der Verordnung stehe ihm nicht zur Verfügung, da ihm weder die Provozierung von Strafbescheiden noch die Erwirkung eines zivilgerichtlichen Urteils zugemutet werden könne. Auch die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 StVO 1960 stelle keinen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit dar, da "ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung jedenfalls zum Scheitern verurteilt" wäre.
In einem als "Ergänzung" bezeichneten Schriftsatz führt der Antragsteller aus, daß Ausnahmen von Geschwindigkeitsbeschränkungen gemäß §45 StVO 1960 nicht möglich seien, weil andere Verkehrsteilnehmer bei ihren Dispositionen im Straßenverkehr nach dem Vertrauensgrundsatz darauf vertrauen dürfen, daß die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung eingehalten wird, und Ausnahmen nach §45 Abs2 StVO 1960 nur für die Benützung einer bestimmten Straße, keinesfalls für die Benützung sämtlicher Straßen eines Ortes erteilt werden dürften.
3. Die verordnungserlassende Behörde hält in ihrer Äußerung den Antrag für unzulässig.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung nicht zur Verfügung steht (VfSlg. 8009/1977, ua). Dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (VfSlg. 8060/1977).
2. Im vorliegenden Fall wird durch die bekämpfte Verordnung eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h für das gesamte Grazer Stadtgebiet ausgenommen auf den Vorrangstraßen angeordnet. Damit wird jedoch eine aktuelle Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen des Antragstellers nicht bewirkt. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 9309/1981 festgestellt hat, genießt das Interesse des Fahrzeuglenkers an der Teilnahme am Gemeingebrauch rechtlichen Schutz nur in jenem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein gezogen ist. Besondere Umstände, die es erlauben würden, einen aktuellen Eingriff in eine rechtlich geschützte Interessensphäre anzunehmen - wie etwa das Verbot des Anfahrens eines Warenumschlagplatzes (VfSlg. 8984/1980, 9721/1983) oder die Sperre der Zufahrt zu einem Grundstück (VfSlg. 9089/1981) - sind im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.
3. Der Antrag ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung wegen fehlender Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung, Gemeingebrauch (einer Straße)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:V84.1992Dokumentnummer
JFT_10078784_92V00084_00