TE Bvwg Erkenntnis 2024/9/9 W294 2248671-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2024
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Entscheidungsdatum

09.09.2024

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. AsylG 2005 § 2 heute
  2. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.07.2021 bis 23.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 69/2020
  3. AsylG 2005 § 2 gültig ab 24.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2020
  4. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.09.2018 bis 23.12.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  5. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.11.2017 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  6. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  7. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.06.2016 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  8. AsylG 2005 § 2 gültig von 20.07.2015 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  9. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013
  10. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  11. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  12. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  13. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  14. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  15. AsylG 2005 § 2 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 34 heute
  2. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 34 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  8. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  9. AsylG 2005 § 34 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W294 2248671-2/34E

W294 2248666-2/31E

W294 2248667-2/31E

W294 2248668-2/31E

W294 2248670-2/31E

W294 2248669-2/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerden von (1) XXXX , geb. am XXXX , (2) XXXX , geb. am XXXX , (3) XXXX , geb. am XXXX , (4) XXXX , geb. am XXXX , (5) XXXX , geb. am XXXX und (6) XXXX , geb. am XXXX , alle Staatsangehörigkeit Syrien, die minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, die Erstbeschwerdeführerin, sowie alle vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2021, (1) Zl. 1270739502/201095193, (2) Zl. 1270739709/201095282, (3) Zl. 1270738701/201095258, (4) Zl. 1270739110/201095223, (5) Zl. 1270738810/201095207 und (6) Zl. 1270738908/201095215, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.7.2024, wie folgt zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerden von (1) römisch 40 , geb. am römisch 40 , (2) römisch 40 , geb. am römisch 40 , (3) römisch 40 , geb. am römisch 40 , (4) römisch 40 , geb. am römisch 40 , (5) römisch 40 , geb. am römisch 40 und (6) römisch 40 , geb. am römisch 40 , alle Staatsangehörigkeit Syrien, die minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, die Erstbeschwerdeführerin, sowie alle vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2021, (1) Zl. 1270739502/201095193, (2) Zl. 1270739709/201095282, (3) Zl. 1270738701/201095258, (4) Zl. 1270739110/201095223, (5) Zl. 1270738810/201095207 und (6) Zl. 1270738908/201095215, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.7.2024, wie folgt zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sind syrische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer.

Die BF sind 2019 aus Syrien ausgereist und nach einem zweijährigen Aufenthalt in der Türkei über Griechenland, Albanien, Kosovo und Serbien in Österreich eingereist, wo sie am 5.11.2020 Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Erstbefragung der BF1 statt. Zum Fluchtgrund befragt, führte die BF1 an, dass sie sich vor ca. fünf Jahren von ihrem Ehemann scheiden lassen und nunmehr alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern sei. Durch den Krieg in Syrien gebe es keine Sicherheit, keine Infrastruktur und kein Leben in Syrien. Sie wolle als Mutter eine sichere Zukunft für ihre Kinder in Syrien, weshalb sie um Schutz in Österreich ansuche. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien habe sie Angst um ihr Leben und jenes ihrer Kinder.

Am 8.6.2021 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der die BF1 ausführlich zu ihren persönlichen Verhältnissen, ihren Fluchtgründen und ihrer Integration in Österreich befragt wurde. Sie führte im Rahmen dessen an, dass sie diverse Dokumente vorlegen könne und fünf Kinder habe. Sie leide unter Migräne, nehme diesbezüglich Medikamente ein, stehe jedoch nicht in ärztlicher Behandlung. Die BF1 stamme aus Deir ez-Zor und habe dort mit ihrem Exmann sowie ihren Kindern zusammengelebt. Sie sei seit 04.03.2019 offiziell geschieden, da ihr Exmann weitere Bildungsschritte der gemeinsamen Kinder nicht unterstützt habe. Ihr Exmann lebe aktuell nach wie vor in Syrien und es bestehe zu diesem aktuell seit April 2021 kein Kontakt mehr. Die BF1 erhalte von ihrem Exmann seit 2015 auch keine Unterhaltszahlungen für die gemeinsamen Kinder und habe nach der Scheidung mit ihren Kindern in einer Mietwohnung in der Stadt Deir ez-Zor gelebt. Nachgefragt, wie sie nach ihrer Scheidung für sich selbst und ihre Kinder gesorgt habe, entgegnete die BF1, dass sie seit 2016 in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig gewesen sei. Die Frage, ob es vor ihrer Ausreise für sie persönliche Probleme gegeben habe, wurde von der BF1 verneint. Auf Nachfrage, wo und wie lange sie sich überall aufgehalten habe, bevor sie nach Österreich gekommen sei, erklärte die BF1, dass sie Anfang 2019 zuerst in die Türkei ausgereist sei, wo sie sich ein Jahr aufgehalten habe und anschließend über Griechenland sowie Albanien, Kosovo und Serbien in Österreich eingereist sei. Auf Vorhalt, dass sie sich laut Ersteinvernahme für 22 Monate in der Türkei aufgehalten habe und angegeben habe, dass sie zwei Jahre zuvor, also 2018 Syrien verlassen habe, nunmehr jedoch vorbringe, Syrien im Jahr 2019 verlassen zu haben und für ein Jahr in der Türkei gelebt zu haben, replizierte die BF1, dass sie bei der vorherigen Einvernahme eventuell verwirrt und nervös gewesen sei. Auf Nachfrage, wie sie in der Türkei gelebt und für ihren Lebensunterhalt gesorgt habe, replizierte die BF1, dass sie sechs Jahre die Grundschule sowie drei Jahre die Hauptschule mit Abschluss absolviert habe. Sie sei im Alter von 14 Jahren zwangsverheiratet worden und ihr Ehemann habe den gesamten Lebensunterhalt für die Familie als Bauer finanziert. Ihre Eltern und ihre beiden Schwestern würden nach wie vor im Herkunftsstaat leben, ihr Bruder werde bereits mehr als sieben Jahre vermisst. Weitere Geschwister würden in Ägypten, Schweden, Griechenland und Deutschland wohnhaft sein und sie stehe in Kontakt mit ihren Angehörigen. Ihr in Syrien lebender Vater werde durch die im Ausland lebenden Geschwister finanziell unterstützt. Die Fragen, ob sie im Herkunftsstaat Strafrechtsdelikte begangen habe oder Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt habe, wurden von der BF1 verneint. Gegen sie sei auch kein Gerichtsverfahren anhängig, sei sie niemals in Haft oder festgenommen worden und sei nie Mitglied einer Partei oder parteiähnlichen Organisation gewesen. Die weiteren Fragen, ob sie jemals an Demonstrationen teilgenommen habe oder ob sie Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit, wurde von der BF1 ebenfalls verneint. Seine Familie habe im Heimatland weder Häuser noch Geschäfte.

Zum Fluchtgrund befragt, führte die BF1 an, dass sie Syrien wegen des Krieges sowie aufgrund fehlender Zukunftsperspektiven für ihre Kinder verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst, dass sie verhaftet werden könnte, da ihre Brüder bereits verhaftet worden seien und sie das gleiche Schicksal befürchte. Die Fragen, ob sie persönlich einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen sei oder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung bedroht oder verfolgt worden sei, wurden von der BF1 verneint. Zur Frage, ob ihre Angehörigen in Österreich leben würden, replizierte die BF1, dass ein Cousin seit sechs Jahren in Wien lebe. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe. Sie habe Syrien nur wegen ihrer Kinder verlassen. Im Falle einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien würde ihren Kindern der Tod drohen.

Mit Bescheiden vom 15.10.2021, Zl. (1) 1270739502/201095193, (2) 1270739709/201095282, (3) 1270738701/201095258, (4) 1270739110/201095223, (5) 1270738810/201095207, (6) 1270738908/201095215, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.). Die befristeten Aufenthaltsberechtigungen für subsidiär Schutzberechtigte wurden ihnen für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Mit Bescheiden vom 15.10.2021, Zl. (1) 1270739502/201095193, (2) 1270739709/201095282, (3) 1270738701/201095258, (4) 1270739110/201095223, (5) 1270738810/201095207, (6) 1270738908/201095215, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.). Die befristeten Aufenthaltsberechtigungen für subsidiär Schutzberechtigte wurden ihnen für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die BF1 in ihrem Herkunftsland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit ausgesetzt gewesen sei bzw. aktuell ausgesetzt wäre. Eine Furcht vor Bedrohung habe die BF1 ebenso nicht erlitten.

Die BF1 habe keine glaubhafte Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht, auch aus der Aktenlage bzw. im Laufe des Verfahrens hätten keine asylrelevanten Gründe festgestellt werden können und habe die BF1 auch nicht behauptet.

Als Angehörige der Volksgruppe der Araber sei Sie weder verfolgt oder bedroht und somit sei eine explizit gegen sie gerichtete Verfolgung nicht gegeben. Eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sei jedoch aufgrund der allgemeinen volatilen und instabilen Sicherheitslage in Verbindung mit der eklatant schlechten Versorgungslage derzeit nicht zumutbar. Zudem könne eine Inhaftierung bei einer Rückkehr durch das syrische Regime nicht ausgeschlossen werden, da sie illegal das Land verlassen habe. Jedoch habe sie, wie eine Vielzahl anderer Syrer, das Land aufgrund der allgemein prekären Sicherheitssituation verlassen sowie wegen Ihrer Kinder, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Ihre Ausreise sei nicht politisch motiviert gewesen, das ergebe sich eindeutig aus Ihren Schilderungen in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.06.2021.

Gegen diese Bescheide erhoben die BF am 18.11.2021 gleichlautende Beschwerden infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften und führten aus, dass die BF1 als geschiedene, alleinerziehende Frau in Alashara, Deir ez-Zor keine Verwandten bzw. keinen männlichen Schutz mehr habe. Die BF1 sei somit unter der Gruppe der (faktisch alleinstehenden, geschiedenen) Frauen zu subsumieren und wäre asylrelevanter Verfolgung in Form von bspw. Entführungen, sexuellen Übergriffen, Diskriminierungen ausgesetzt. Ferner sei der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2) bald im wehrdienstfähigen Alter sei, bzw bereits in einem Alter, in welchem er vom syrischen Regime oder oppositionellen Gruppierungen zwangsrekrutiert werden würde. Die BF1 befürchtet, dass der BF2 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder Inhaftierung bzw. Folter wegen Wehrdienstverweigerung ausgesetzt sei. Die Behörde habe die umfassende Ermittlungspflicht im gegenständlichen Asylverfahren verletzt und damit das Verfahren mit Mängeln belastet, da sie ihr Amtswissen über die Situation in Syrien nicht verwertet habe und nicht durch Ermittlungsschritte dafür gesorgt habe, dass die BF1 ihre Aussagen um erhebliche Details vervollständigt. Es sei eine nähere Auseinandersetzung mit individuellen Verfolgung der BF aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, insbesondere der sozialen Gruppe der alleinstehenden, geschiedenen Frauen, nicht erfolgt. Zudem hätten die Brüder der BF1 in verschiedenen Formen ihre militärische Wehrpflicht verweigert und seien geflüchtet bzw. sind verschollen. Das syrische Regime schreibe Familienangehörigen ebenfalls die (unterstellte) oppositionelle Gesinnung ihrer Familienangehörigen zu. Die belangte Behörde habe es unterlassen, zu ermitteln und in weiterer Folge festzustellen, dass die BF bei Rückkehr auch einer asylrelevanten Gefahr aufgrund der (unterstellten) oppositionellen Einstellung bzw. Aktivitäten ihrer Familie ausgesetzt wären. Die Länderberichte in den angefochtenen Bescheiden seien nicht vollständig genug, um die vorliegenden Fluchtgründe der BF1, der individuellen Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der (faktisch) alleinstehenden Frauen, abschließend in Prüfung zu ziehen. Die BF1 erfülle mehrere Risikoprofile der UNHCR-Erwägungen und es werde insgesamt anhand der Länderberichte erkennbar, dass die BF1 im Fall einer Rückkehr wohlbegründet Verfolgung auf Grund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung befürchten müsse. Die Angaben der BF1, wonach ihre Brüder verhaftet, verschollen bzw das Land verlassen hätten, sowie sie selbst Angst habe, verhaftet zu werden, da sie ausgereist sei, seien von der Behörde in ihrer Beweiswürdigung schlicht ignoriert worden. Der Spruchpunkt I. sei aufgrund von erheblichen Verfahrensfehlern und einer unrichtigen Rechtsanwendung erlassen worden und sei daher rechtswidrig. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Gegen diese Bescheide erhoben die BF am 18.11.2021 gleichlautende Beschwerden infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften und führten aus, dass die BF1 als geschiedene, alleinerziehende Frau in Alashara, Deir ez-Zor keine Verwandten bzw. keinen männlichen Schutz mehr habe. Die BF1 sei somit unter der Gruppe der (faktisch alleinstehenden, geschiedenen) Frauen zu subsumieren und wäre asylrelevanter Verfolgung in Form von bspw. Entführungen, sexuellen Übergriffen, Diskriminierungen ausgesetzt. Ferner sei der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2) bald im wehrdienstfähigen Alter sei, bzw bereits in einem Alter, in welchem er vom syrischen Regime oder oppositionellen Gruppierungen zwangsrekrutiert werden würde. Die BF1 befürchtet, dass der BF2 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung oder Inhaftierung bzw. Folter wegen Wehrdienstverweigerung ausgesetzt sei. Die Behörde habe die umfassende Ermittlungspflicht im gegenständlichen Asylverfahren verletzt und damit das Verfahren mit Mängeln belastet, da sie ihr Amtswissen über die Situation in Syrien nicht verwertet habe und nicht durch Ermittlungsschritte dafür gesorgt habe, dass die BF1 ihre Aussagen um erhebliche Details vervollständigt. Es sei eine nähere Auseinandersetzung mit individuellen Verfolgung der BF aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, insbesondere der sozialen Gruppe der alleinstehenden, geschiedenen Frauen, nicht erfolgt. Zudem hätten die Brüder der BF1 in verschiedenen Formen ihre militärische Wehrpflicht verweigert und seien geflüchtet bzw. sind verschollen. Das syrische Regime schreibe Familienangehörigen ebenfalls die (unterstellte) oppositionelle Gesinnung ihrer Familienangehörigen zu. Die belangte Behörde habe es unterlassen, zu ermitteln und in weiterer Folge festzustellen, dass die BF bei Rückkehr auch einer asylrelevanten Gefahr aufgrund der (unterstellten) oppositionellen Einstellung bzw. Aktivitäten ihrer Familie ausgesetzt wären. Die Länderberichte in den angefochtenen Bescheiden seien nicht vollständig genug, um die vorliegenden Fluchtgründe der BF1, der individuellen Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der (faktisch) alleinstehenden Frauen, abschließend in Prüfung zu ziehen. Die BF1 erfülle mehrere Risikoprofile der UNHCR-Erwägungen und es werde insgesamt anhand der Länderberichte erkennbar, dass die BF1 im Fall einer Rückkehr wohlbegründet Verfolgung auf Grund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung befürchten müsse. Die Angaben der BF1, wonach ihre Brüder verhaftet, verschollen bzw das Land verlassen hätten, sowie sie selbst Angst habe, verhaftet zu werden, da sie ausgereist sei, seien von der Behörde in ihrer Beweiswürdigung schlicht ignoriert worden. Der Spruchpunkt römisch eins. sei aufgrund von erheblichen Verfahrensfehlern und einer unrichtigen Rechtsanwendung erlassen worden und sei daher rechtswidrig. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Am 5.7.2022 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den BF sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ladungen für die am 27.9.2022 anberaumte mündliche Verhandlung mitsamt der Aufforderung, an der Verhandlung als Parteien persönlich teilzunehmen. Überdies wurden die BF darauf hingewiesen, dass bei der Verhandlung diese Ladungen, eine zum Nachweis der Identität geeignete Urkunden sowie alle verfügbaren Beweismittel mitzunehmen seien. Ferner wurden die BF darüber aufgeklärt, dass die Verhandlung in Abwesenheit der BF durchgeführt werden könne, wenn diese die Verhandlung unentschuldigt versäumen oder deren Vertreterin bzw. deren Vertreter diese versäume.

Am 27.9.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, der sowohl die BF als auch ihr Rechtsvertreter unentschuldigt fernblieben. In weiterer Folge wurde das Erkenntnis am selben Tag in Abwesenheit der BF mündlich verkündet und die Beschwerden gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen. Am 27.9.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, der sowohl die BF als auch ihr Rechtsvertreter unentschuldigt fernblieben. In weiterer Folge wurde das Erkenntnis am selben Tag in Abwesenheit der BF mündlich verkündet und die Beschwerden gemäß Paragraph 3, AsylG als unbegründet abgewiesen.

Am 29.9.2022 stellten die BF durch ihre bevollmächtigte Vertreterin gemeinsam einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 27.9.2022 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

Am 10.10.2022 stellten die BF durch ihre bevollmächtigte Vertreterin gemeinsam einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie einen Antrag auf eine neuerliche Anberaumung der mündlichen Verhandlung. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 30.1.2023 wurden die Anträge der BF gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.Am 10.10.2022 stellten die BF durch ihre bevollmächtigte Vertreterin gemeinsam einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie einen Antrag auf eine neuerliche Anberaumung der mündlichen Verhandlung. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 30.1.2023 wurden die Anträge der BF gemäß Paragraph 33, Absatz eins, VwGVG als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhoben die BF Revision an den Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) und Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH). Mit Erkenntnis des VfGH vom 25.1.2024, E 667/2023 u.a., wurde der Beschluss des BVwG vom 30.1.2023 aufgehoben. Begründend wurde darin ausgeführt, dass die BF sohin auf Grund eines auf verfassungswidriger Grundlage beruhenden Rechtsverhältnisses zur BBU GmbH vertreten worden seien. Es sei damit nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsvertretung für die Rechtsstellung der BF nachteilig gewesen sei. Mit Beschluss des VwGH vom 11.4.2024, Ra 2023/18/0068, wurde die Revision der BF als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, da der VfGH den Beschluss des BVwG vom 30.1.2023 bereits aufgehoben habe, und die BF dadurch klaglos gestellt worden seien.

Das Bundesverwaltungsgericht führte daraufhin am 15.7.2024 neuerlich eine mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Die BF1 und der BF2 wurden zu ihren Fluchtgründen und jenen aller BF befragt und es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Syrien Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogenrömisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

1.1. Zu den Personen der BF

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren vor. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter der Zweit-bis Sechstbeschwerdeführer (BF2 bis BF6), alle sind Staatsangehörige von Syrien. Die BF1 ist seit 4.3.2019 geschieden. Die BF sind Angehörige der arabischen Volksgruppe und Sunniten. Die Identitäten der BF stehen fest. Die BF sind 2019 gemeinsam aus Syrien ausgereist und nach einem zweijährigen Aufenthalt in der Türkei über Griechenland, Albanien, Kosovo und Serbien in Österreich eingereist, wo sie am 5.11.2020 Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben.

Der Exmann der BF1 und Vater der BF2 bis BF6 sowie die Eltern und zwei Schwestern der BF1 sowie zwei Tanten väterlicherseits der BF2 bis BF6 sind nach wie vor in Syrien aufhältig. Die BF stammen aus der Provinz Deir ez-Zor. Diese steht aktuell befindet sich derzeit unter der Kontrolle des syrischen Regimes.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF

Bei der BF1 handelt es sich trotz ihrer Scheidung nicht um eine alleinstehende Frau. Sie war in Syrien trotz der Verhaftung ihrer Brüder nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Die BF1 läuft bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, aufgrund einer Verweigerung der Ableistung des Wehrdienstes durch ihre Brüder einer Reflexverfolgung durch die syrische Regierung ausgesetzt zu sein. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass die BF1 im Falle einer Rückkehr nach Syrien mangels familiären bzw. männlichen Schutzes Bedrohungen ausgeliefert wäre.

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB 29.9.2020). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.

Der BF2 ist 18 Jahre und der BF3 ist derzeit 15 Jahre. Der BF2 befindet sich mittlerweile zwar im wehrdienstfähigen Alter, ist jedoch kein Wehrdienstverweigerer, da er Syrien bereits im Alter von 13 Jahren in die Türkei verließ. Er kann kein Militärbuch oder einen Einberufungsbefehl vorlegen, und es gab vor seiner Ausreise keine Rekrutierungsversuche gegen seine Person. Der BF2 war im Herkunftsstaat nicht politisch tätig und leidet zudem an epileptischen Anfällen. Im Falle einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien wäre er für den Militärdienst daher nicht tauglich.

Den BF droht aufgrund ihrer illegalen Ausreise keine Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Den Beschwerdeführern droht in Syrien auch keine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Araber.

Auch sonst sind die BF nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat der BF

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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